Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Vorfahrtsmissachtung führt zu Alleinhaftung: OLG Schleswig-Holstein bestätigt Urteil trotz möglicher Gelblichtfahrt der Geschädigten
- Der Unfallhergang und die Ausgangslage vor Gericht – Kollision zwischen Roller und PKW auf der B76
- Die Streitpunkte im Berufungsverfahren – Forderung nach Klageabweisung durch die Beklagten
- Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein – Bestätigung der Alleinhaftung des wartepflichtigen Autofahrers
- Die Begründung des Gerichts – Warum der Vorfahrtsverstoß des Autofahrers ausschlaggebend war
- Keine Zulassung der Revision – Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet Vorfahrtsmissachtung im Straßenverkehrsrecht und welche Konsequenzen hat sie?
- Welche Bedeutung hat eine Gelblichtphase an einer Ampel rechtlich gesehen für Verkehrsteilnehmer?
- In welchen Fällen kann einem Unfallbeteiligten ein Mitverschulden angelastet werden und wie wirkt sich das auf die Schadenersatzansprüche aus?
- Wie wird bei einem Verkehrsunfall die Haftung zwischen den Beteiligten aufgeteilt und welche Rolle spielen dabei Gutachten?
- Welche Arten von Schäden können nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden und wie werden diese berechnet?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 U 10/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
- Datum: 14.04.2025
- Aktenzeichen: 7 U 10/25
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Fahrerin eines Vespa-Rollers, die auf einer vorfahrtsberechtigten Straße fuhr und bei dem Unfall schwer verletzt wurde.
- Beklagte: Der Fahrer eines Pkw, der aus einer wartepflichtigen Straße in die Kreuzung einfuhr, sowie der Halter und die Haftpflichtversicherung dieses Pkw.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Bei einem Verkehrsunfall in N. kollidierte die Klägerin mit ihrem Roller auf einer vorfahrtsberechtigten Straße mit dem Pkw der Beklagten, der aus einer wartepflichtigen Straße abbog. Unmittelbar vor der Kreuzung hatte die Klägerin eine Fußgängerbedarfsampel passiert. Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen.
- Kern des Rechtsstreits: Es wurde darum gestritten, ob die Beklagten für den Unfall allein haften, weil der Pkw-Fahrer das Vorfahrtsrecht missachtete, oder ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft, weil sie eine vorgeschaltete Fußgängerampel möglicherweise bei Gelb überfahren hat.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurück. Es bestätigte damit die Verurteilung der Beklagten zur 100%igen Haftung für die Schäden der Klägerin, einschließlich eines Schmerzensgeldes von 15.000 € und weiteren materiellen Schäden.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der schwerwiegende Vorfahrtsverstoß des Pkw-Fahrers allein unfallursächlich war und in der Regel zur Alleinhaftung führt. Ein mögliches Überfahren einer Fußgängerampel bei Gelb durch die Klägerin wurde nicht als bewiesen angesehen und war zudem rechtlich nicht geeignet, ein Mitverschulden zu begründen, da diese Ampel nicht dem Schutz des Kreuzungsverkehrs diente.
- Folgen: Die Beklagten müssen die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das erstinstanzliche Urteil, das die 100%ige Haftung der Beklagten feststellt, ist rechtskräftig und vollstreckbar.
Der Fall vor Gericht
Vorfahrtsmissachtung führt zu Alleinhaftung: OLG Schleswig-Holstein bestätigt Urteil trotz möglicher Gelblichtfahrt der Geschädigten
Ein folgenschwerer Verkehrsunfall auf der B76 in N. führte zu einem Rechtsstreit, der nun vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) in zweiter Instanz entschieden wurde. Im Mittelpunkt stand die Frage der Haftungsverteilung nach einer Kollision zwischen einer Vespa-Rollerfahrerin und einem PKW-Fahrer, der das Vorfahrtsrecht missachtet hatte. Besonders diskutiert wurde, ob ein mögliches Überfahren einer vorgeschalteten Fußgängerampel bei Gelblicht durch die Rollerfahrerin zu einem Mitverschulden führt. Das OLG verneinte dies und bestätigte die volle Haftung des wartepflichtigen Autofahrers.
Der Unfallhergang und die Ausgangslage vor Gericht – Kollision zwischen Roller und PKW auf der B76

Am späten Nachmittag des 19. Januar 2019, gegen 17:25 Uhr, kam es zu dem Unfall. Die später geschädigte Rollerfahrerin befuhr mit ihrem Vespa-Roller die vorfahrtsberechtigte Bundesstraße B76 in N. Aus der untergeordneten, wartepflichtigen H-Straße beabsichtigte der Fahrer eines PKW, der bei einer Versicherung haftpflichtversichert war und dessen Halter ebenfalls verklagt wurde, nach links auf die B76 abzubiegen. Eine Besonderheit der Verkehrssituation war eine Fußgängerbedarfsampel, die sich auf der B76 etwa 20 bis 25 Meter vor der eigentlichen Kreuzung befand, an der sich der Unfall ereignete.
Ein später im Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Rollerfahrerin diese Fußgängerampel „gerade noch bei Gelblicht“ passiert hatte. Unmittelbar nachdem sie die Ampel hinter sich gelassen hatte und den Kreuzungsbereich erreichte, bog der Autofahrer aus der H-Straße auf die Bundesstraße ein. Es kam zur Kollision, bei der die Rollerfahrerin mit ihrem Fahrzeug seitlich in den PKW prallte. Sie erlitt dabei schwerste Verletzungen.
Das Landgericht Lübeck hatte sich in erster Instanz mit dem Fall befasst (Urteil vom 17.12.2024, Az. der Einzelrichterin der 15. Zivilkammer). Dort wurde eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt, die Zeugenvernehmungen sowie die Einholung mehrerer Gutachten umfasste: ein Unfallrekonstruktionsgutachten, ein orthopädisches und ein kieferchirurgisches Sachverständigengutachten. Das Landgericht verurteilte den Fahrer, den Halter und die Versicherung des PKW als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 15.000 Euro sowie zum Ersatz weiterer materieller Schäden von 3.653,33 Euro nebst Zinsen. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass die Gegenseite verpflichtet ist, 100% aller weiteren zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Rollerfahrerin aus diesem Unfall entstehen könnten.
Die Streitpunkte im Berufungsverfahren – Forderung nach Klageabweisung durch die Beklagten
Gegen dieses Urteil des Landgerichts Lübeck legten der Autofahrer, der Fahrzeughalter und deren Haftpflichtversicherung Berufung ein. Ihr Ziel war es, die Klage der Rollerfahrerin über den bereits erstinstanzlich abgewiesenen Teil hinaus vollständig abzuweisen. Kern ihrer Argumentation war die Behauptung, der Rollerfahrerin sei ein Mitverschulden am Unfall anzulasten, insbesondere wegen des Passierens der Fußgängerampel bei Gelblicht. Dieses Mitverschulden müsse zu einer Reduzierung oder gar zum vollständigen Wegfall ihrer eigenen Haftung führen.
Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein – Bestätigung der Alleinhaftung des wartepflichtigen Autofahrers
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) folgte der Argumentation der Berufungskläger nicht. Mit Beschluss vom 14. April 2025 (Aktenzeichen: 7 U 10/25) wies der zuständige Senat die Berufung einstimmig und ohne mündliche Verhandlung zurück. Dies bedeutet, dass das Urteil des Landgerichts Lübeck vollumfänglich bestätigt wurde.
Somit bleibt es bei der 100%igen Haftung des Autofahrers, des Fahrzeughalters und der beteiligten Versicherung für sämtliche Unfallfolgen der Rollerfahrerin. Das OLG bestätigte das zugesprochene Schmerzensgeld von 15.000 Euro, den Ersatz der materiellen Schäden in Höhe von 3.653,33 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle zukünftigen immateriellen Schäden. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ebenfalls den unterlegenen Parteien, also dem Autofahrer und seinen Mitverantwortlichen, auferlegt. Das Urteil des Landgerichts wurde zudem für vorläufig vollstreckbar erklärt, ohne dass die Rollerfahrerin dafür eine Sicherheitsleistung erbringen muss.
Die Begründung des Gerichts – Warum der Vorfahrtsverstoß des Autofahrers ausschlaggebend war
Das OLG begründete seine Entscheidung ausführlich und stützte sich dabei auf die Regelung des § 522 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Vorschrift erlaubt es einem Berufungsgericht, eine Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Fall keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und auch eine mündliche Verhandlung nicht notwendig erscheint. All diese Voraussetzungen sah der Senat als erfüllt an.
Schwerwiegender Vorfahrtsverstoß als Hauptursache für den Unfall gemäß § 8 StVO
Im Zentrum der richterlichen Überlegungen stand der eindeutige und schwerwiegende Verstoß des Autofahrers gegen das Vorfahrtsrecht der Rollerfahrerin. Das Gericht stellte fest, dass das Landgericht Lübeck korrekt zu einer 100%igen Haftung der Autofahrerseite gelangt war, basierend auf den einschlägigen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (§§ 7, 17 Abs. 2 StVG) und der Straßenverkehrsordnung (§ 8 StVO) sowie des Versicherungsvertragsgesetzes (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG).
Bei der nach einem Verkehrsunfall erforderlichen Abwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile gemäß § 17 StVG dürfen nur Umstände berücksichtigt werden, die unstreitig sind, von der Gegenseite zugestanden wurden oder die im Prozess bewiesen werden konnten. Zu Lasten des Autofahrers stand hier unstreitig und bewiesen ein gravierender Verstoß gegen die Vorfahrtsregeln des § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StVO. Die Missachtung der Vorfahrt der Rollerfahrerin durch den Autofahrer war, so das Gericht, unfallursächlich. Dafür spreche bereits der sogenannte Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis). Dieser besagt vereinfacht, dass bei typischen Unfallabläufen, wie einer Vorfahrtsverletzung, zunächst davon ausgegangen wird, dass derjenige, der die Regel missachtet hat, den Unfall auch verursacht und verschuldet hat.
Das Gericht betonte, dass die Vorfahrtsregelung dem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Sorgfaltspflicht auferlegt. Eine Verletzung dieser Pflicht wiege besonders schwer und führe in der Regel zur Alleinhaftung des Vorfahrtverletzers. Das OLG verwies hierzu auch auf frühere Rechtsprechung (u.a. OLG Dresden, Beschl. v. 9.6.2021, 4 U 396/21). Zusätzlich sei die höhere Betriebsgefahr des PKW im Vergleich zum leichteren Vespa-Roller der Geschädigten zu berücksichtigen gewesen. Der Autofahrer habe unzweifelhaft seine Wartepflicht verletzt und dadurch den Unfall verursacht.
Kein relevantes Mitverschulden der Rollerfahrerin durch mögliches Gelblicht an vorgeschalteter Ampel
Die entscheidende Frage im Berufungsverfahren war, ob der Rollerfahrerin ein Mitverschulden anzulasten sei, das die Alleinhaftung des Autofahrers erschüttern könnte. Die Autofahrerseite hatte argumentiert, das Passieren der Fußgängerampel bei Gelblicht stelle ein solches Mitverschulden dar. Dem folgte das OLG nicht.
Das Gericht führte aus, dass die Autofahrerseite keine Umstände habe beweisen können, die geeignet wären, den Anschein ihrer Alleinhaftung zu widerlegen. Insbesondere fehle es an einem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen einem – selbst wenn man ihn unterstellt – „Gelblichtverstoß“ der Rollerfahrerin an der Fußgängerbedarfsampel und dem eigentlichen Unfall an der nachfolgenden, etwa 20 bis 25 Meter entfernten Kreuzung. Die Richter stellten klar: Die Fußgängerampel dient ausschließlich dem Schutz des querenden Fußgängerverkehrs im unmittelbaren Ampelbereich und nicht dem Schutz des Verkehrsgeschehens an einer weit dahinterliegenden Kreuzung.
Zudem sei ein Gelb- oder gar Rotlichtverstoß der Rollerfahrerin an der Fußgängerampel nicht bewiesen. Zwar gebietet die Gelblichtphase einer Ampel gemäß § 37 Nr. 1 StVO grundsätzlich, vor der Kreuzung (bzw. hier der Haltelinie der Fußgängerampel) anzuhalten. Dies gelte jedoch nur, wenn es dem Verkehrsteilnehmer möglich ist, dies ohne Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs zu tun. Eine Vollbremsung, insbesondere mit einem einspurigen Fahrzeug wie einem Motorroller, sei nicht geschuldet und könne selbst zu einer erheblichen Gefährdung führen, etwa durch Stürze oder Auffahrunfälle. Kann ein Verkehrsteilnehmer unter Beachtung dieser Grundsätze nicht mehr sicher vor der Haltelinie bei Gelb anhalten, darf er weiterfahren.
An der Unfallstelle waren 70 km/h erlaubt. Die exakte Annäherungsgeschwindigkeit der Rollerfahrerin vor der Ampel sowie die genaue Dauer der Gelbphase waren im Verfahren unklar geblieben. Das Gericht merkte an, dass bei einer unterstellten Geschwindigkeit von 70 km/h der Anhalteweg bereits rund 45 Meter betrage. Angesichts der fehlenden konkreten Anknüpfungstatsachen für den Sachverständigen und der Risiken einer Vollbremsung auf einem Roller konnte ein rechtswidriger Gelblichtverstoß der Rollerfahrerin nicht als bewiesen angesehen werden. Folglich konnte ein solches nicht nachgewiesenes Verhalten auch nicht in die Haftungsabwägung nach § 17 StVG eingestellt werden. Eine erhöhte Betriebsgefahr des Rollers wurde ebenfalls verneint. Das Fehlen des Beweises eines Mitverschuldens ging somit zulasten der beweisbelasteten Autofahrerseite, die den Anscheinsbeweis für ihre Alleinhaftung nicht widerlegen konnte.
Angemessenheit des Schmerzensgeldes und Bestätigung weiterer materieller Schäden
Auch die Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Schmerzensgeldes von 15.000 Euro wurde vom OLG als nicht zu beanstanden bewertet. Angesichts der schweren und teils dauerhaften Verletzungen der zum Unfallzeitpunkt jungen Rollerfahrerin sei dieser Betrag angemessen.
Die Geschädigte erlitt durch den Unfall unter anderem einen beidseitigen Kieferbruch, eine Halswirbelfraktur, eine Schlüsselbeinfraktur, mehrfache Oberschenkelbrüche sowie einen Trümmerbruch des großen Zehs links. Hinzu kamen diverse Schürfwunden. Sie musste sich mehreren Operationen und Folgeoperationen unterziehen. Als Dauerfolgen verblieben unter anderem sichtbare Narben (eine 15 cm lange Narbe im Dekolletébereich und eine 5 cm lange Narbe am Oberschenkel) und der linke große Zeh musste operativ versteift werden. Eine vom Landgericht nicht berücksichtigte leichte Mundöffnungseinschränkung von 5 mm wurde korrekterweise aus der Schmerzensgeldbemessung herausgelassen, da deren Unfallursächlichkeit nicht bewiesen war.
Das OLG merkte in seiner Begründung sogar an, dass angesichts der Schwere der Verletzungen und der erlittenen Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von insgesamt 20.000 Euro angemessen und gerechtfertigt wäre. Dies unterstreiche, dass der vom Landgericht zugesprochene Betrag von 15.000 Euro keinesfalls überhöht sei. Die Höhe der weiteren materiellen Schäden von 3.653,33 Euro war von der Berufung der Autofahrerseite nicht explizit angegriffen worden und blieb daher unbeanstandet.
Berechtigtes Interesse an der Feststellung zukünftiger immaterieller Schäden
Schließlich bestätigte das OLG auch das Feststellungsinteresse der Rollerfahrerin gemäß § 256 ZPO. Angesichts der Schwere ihrer Verletzungen, der bereits eingetretenen Dauerfolgen und potenzieller weiterer Beeinträchtigungen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend abzuschätzen sind, bestehe ein begründetes Interesse daran festzustellen, dass die Gegenseite auch für alle zukünftigen, heute noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden (wie z.B. Spätfolgen, weitere Operationen oder dauerhafte Einschränkungen) vollumfänglich aufkommen muss.
Keine Zulassung der Revision – Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein wies abschließend darauf hin, dass die Rechtssache eine Einzelfallentscheidung darstelle, bei der der Schwerpunkt auf der tatsächlichen Beweiswürdigung liege. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof gemäß § 543 Abs. 2 ZPO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Erfordernis einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) lägen daher nicht vor. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bestätigt, dass ein Autofahrer, der die Vorfahrt missachtet, auch dann die volle Haftung trägt, wenn der Vorfahrtsberechtigte möglicherweise eine vorgeschaltete Fußgängerampel bei Gelblicht passiert hat. Entscheidend ist, dass eine Fußgängerampel ausschließlich dem Schutz querender Fußgänger dient und keinen Einfluss auf Vorfahrtsregeln an nachfolgenden Kreuzungen hat. Der Vorfahrtsverstoß wiegt so schwer, dass er zur Alleinhaftung des wartepflichtigen Verkehrsteilnehmers führt, während das Passieren einer Ampel bei Gelblicht nur dann als Verkehrsverstoß gilt, wenn ein gefahrloses Anhalten möglich gewesen wäre.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Vorfahrtsmissachtung im Straßenverkehrsrecht und welche Konsequenzen hat sie?
Vorfahrt im Straßenverkehr bedeutet, dass Sie an bestimmten Stellen wie Kreuzungen oder Einmündungen als Erster fahren dürfen. Sie regelt, wer wann fahren darf, um den Verkehrsfluss sicher und geordnet zu gestalten. Die Vorfahrt wird entweder durch Verkehrszeichen (wie das „Vorfahrt gewähren“-Schild oder das „Stoppschild“), durch Ampeln (eine grüne Ampel bedeutet in der Regel Vorfahrt) oder durch allgemeine Regeln wie „rechts vor links“ bestimmt.
Eine Vorfahrtsmissachtung liegt vor, wenn Sie die gesetzlich oder durch Zeichen geregelte Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers nicht beachten und fahren, obwohl dieser Vorfahrt hat.
Welche Konsequenzen hat eine Vorfahrtsmissachtung?
Die Missachtung der Vorfahrt ist ein ernster Verstoß gegen die Regeln der Straßenverkehrsordnung und kann erhebliche Folgen haben:
- Bußgeld und Punkte: In der Regel handelt es sich bei einer Vorfahrtsmissachtung um eine Ordnungswidrigkeit. Das bedeutet, dass Ihnen ein Bußgeld auferlegt wird und Sie Punkte im Fahreignungsregister (Flensburg) erhalten. Die genaue Höhe des Bußgeldes und die Anzahl der Punkte hängen von der Schwere des Verstoßes ab, insbesondere davon, ob es zu einer Behinderung, Gefährdung oder sogar einem Unfall gekommen ist.
- Fahrverbot: Bei besonders schweren Verstößen oder wenn durch die Missachtung eine Gefährdung oder ein Unfall verursacht wird, kann zusätzlich zum Bußgeld und den Punkten auch ein Fahrverbot verhängt werden.
- Haftung für Schäden: Verursachen Sie aufgrund der Vorfahrtsmissachtung einen Unfall, so sind Sie in der Regel voll oder zumindest überwiegend haftbar für die dadurch entstandenen Schäden – sowohl am anderen Fahrzeug oder Eigentum als auch für eventuelle Personenschäden (Verletzungen). Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung reguliert zwar den Schaden, dies kann aber Auswirkungen auf Ihre Versicherungsprämie haben.
Vorfahrt darf nicht erzwungen werden
Auch wenn Sie Vorfahrt haben, bedeutet das nicht, dass Sie unter allen Umständen auf Ihr Recht bestehen dürfen. Sie dürfen Ihre Vorfahrt nicht erzwingen, wenn dies zu einer gefährlichen Situation führen würde. Alle Verkehrsteilnehmer sind verpflichtet, vorausschauend und rücksichtsvoll zu fahren, um Gefahren zu vermeiden. Sehen Sie, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer Ihre Vorfahrt missachtet, sind Sie angehalten, wenn möglich eine Kollision zu vermeiden.
Welche Bedeutung hat eine Gelblichtphase an einer Ampel rechtlich gesehen für Verkehrsteilnehmer?
Das Gelblicht einer Ampel hat im Straßenverkehr eine wichtige Funktion und klare rechtliche Bedeutung. Es dient als Ankündigung für das unmittelbar folgende Rotlicht.
Die Grundregel: Anhalten bei Gelb
Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet das: Wenn die Ampel von Grün auf Gelb wechselt, besteht grundsätzlich die Pflicht, vor der Haltelinie anzuhalten.
Die Ausnahme: Wann Weiterfahren erlaubt ist
Diese Pflicht zum Anhalten hat jedoch eine entscheidende Ausnahme: Sie müssen nicht anhalten, wenn ein gefahrloses Bremsen nicht mehr möglich ist.
Was bedeutet „gefahrloses Bremsen“?
Gefahrloses Bremsen liegt dann nicht vor, wenn das Anhalten zu einer Gefährdung für Sie selbst oder für andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere den nachfolgenden Verkehr, führen würde. Stellen Sie sich vor:
- Sie sind der Haltelinie schon sehr nah, als die Ampel auf Gelb springt.
- Eine plötzliche Vollbremsung würde dazu führen, dass das hinter Ihnen fahrende Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig bremsen kann und es zu einem Auffahrunfall kommt.
- Die Fahrbahn ist glatt (z.B. durch Nässe oder Eis) und eine scharfe Bremsung könnte zum Schleudern oder Kontrollverlust führen.
In solchen Situationen, in denen das Bremsen selbst eine größere Gefahr darstellen würde als das Weiterfahren, dürfen Sie ausnahmsweise noch in die Kreuzung einfahren, um diese zügig zu räumen. Die Einschätzung, ob ein gefahrloses Bremsen möglich war, hängt also von Ihrer Geschwindigkeit, dem Abstand zur Haltelinie, den Straßenverhältnissen und dem nachfolgenden Verkehr ab. War ein gefahrloses Anhalten möglich, bestand aber die Pflicht dazu.
Folgen des Einfahrens bei Gelb und bei Unfall
Fahren Sie bei Gelblicht in die Kreuzung ein, obwohl Sie gefahrlos hätten anhalten können, begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit. Dies kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
Kommt es beim Einfahren in die Kreuzung bei Gelblicht (oder gar Rotlicht) zu einem Unfall, hat dies in der Regel weitreichende Folgen. Die Schuld am Unfall wird in den allermeisten Fällen Ihnen zugerechnet, wenn Sie bei Gelblicht eingefahren sind, obwohl ein Anhalten möglich war, oder wenn Sie eindeutig bei Rot eingefahren sind. Dies kann zu erhöhten Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister und unter Umständen einem Fahrverbot führen. Zusätzlich sind Sie für die entstandenen Sach- und Personenschäden der Unfallbeteiligten ersatzpflichtig. Die Schadensregulierung erfolgt dann über die Versicherungen, wobei die Schuldfrage entscheidend ist. Bei schweren Verletzungen kann sogar eine strafrechtliche Verantwortung (z.B. wegen fahrlässiger Körperverletzung) hinzukommen.
In welchen Fällen kann einem Unfallbeteiligten ein Mitverschulden angelastet werden und wie wirkt sich das auf die Schadenersatzansprüche aus?
Wenn es zu einem Unfall kommt und ein Beteiligter dabei einen Schaden erleidet, stellt sich die Frage, wer dafür aufkommen muss. Grundsätzlich haftet derjenige, der den Schaden verursacht hat. Es gibt jedoch Situationen, in denen der Geschädigte selbst durch eigenes Verhalten zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen hat. Dies wird Mitverschulden genannt.
Was bedeutet Mitverschulden?
Mitverschulden liegt vor, wenn das eigene Verhalten des Geschädigten ebenfalls ein Faktor war, der zum Unfall oder zum entstandenen Schaden geführt hat. Juristisch ist das in § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Dort steht sinngemäß: Wenn bei der Entstehung des Schadens auch ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, hängt die Ersatzpflicht und die Höhe des Ersatzes davon ab, wie sehr das eigene Verschulden und das des Schädigers zum Schaden beigetragen haben. Es geht also um eine Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeiten.
Typische Beispiele für Mitverschulden im Straßenverkehr
Mitverschulden kann in vielen Verkehrssituationen relevant werden. Hier sind einige Beispiele:
- Nichtbeachten von Verkehrsregeln: Wenn jemand beispielsweise bei Rot über die Ampel fährt oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschreitet.
- Fehlende Sorgfalt: Dazu gehört auch, unaufmerksam zu sein oder nicht auf den Verkehr zu achten.
- Verstöße gegen Gurtpflicht oder Helmpflicht: Wenn dadurch die Verletzungen schwerer ausfallen als nötig.
- Fehler beim Einfahren in eine Kreuzung: Dies kann der Fall sein, wenn jemand beispielsweise bei Gelblicht in die Kreuzung einfährt, obwohl er hätte anhalten müssen, und es dadurch zum Zusammenstoß kommt. Hierbei kommt es immer auf die genauen Umstände an, z.B. ob ein Anhalten noch gefahrlos möglich war.
Entscheidend ist immer, ob das Verhalten des Geschädigten kausal, also ursächlich, für den Unfall oder den Schaden war.
Wie wirkt sich Mitverschulden auf Schadenersatz aus?
Wenn festgestellt wird, dass den Geschädigten ein Mitverschulden trifft, bedeutet dies, dass er nicht den vollen Schadenersatz erhält. Der Schaden wird vielmehr im Verhältnis der jeweiligen Verursachungsbeiträge aufgeteilt. Diesen Vorgang nennt man Quotelung.
Stellen Sie sich vor, der Gesamtschaden beträgt 10.000 Euro. Wenn das Gericht oder die beteiligten Versicherungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Verantwortung für den Unfall zu 70% beim Unfallgegner und zu 30% bei Ihnen liegt (weil Ihnen z.B. ein Mitverschulden angelastet wird), dann erhalten Sie in der Regel auch nur 70% Ihres Schadens ersetzt, also 7.000 Euro. Die restlichen 30% Ihres Schadens tragen Sie selbst.
Die genaue Quote – also die Aufteilung der Verantwortlichkeit in Prozent – hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und wird nach sorgfältiger Prüfung aller relevanten Faktoren (wie Geschwindigkeit, Sichtverhältnisse, Verhalten der Beteiligten etc.) festgelegt. Ein Mitverschulden führt somit zu einer Kürzung der Schadenersatzansprüche.
Wie wird bei einem Verkehrsunfall die Haftung zwischen den Beteiligten aufgeteilt und welche Rolle spielen dabei Gutachten?
Nach einem Verkehrsunfall stellt sich oft die Frage, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss. Grundsätzlich gilt im deutschen Recht: Wer einen Schaden verursacht, weil er gegen eine Pflicht verstößt oder fahrlässig handelt, ist dafür verantwortlich und muss den Schaden ersetzen.
Wie wird die Haftung festgestellt?
Um festzustellen, wer haftet, prüft man im Wesentlichen drei Punkte:
- Verursachung: Hat ein bestimmtes Verhalten den Unfall und damit den Schaden tatsächlich verursacht? Es muss ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dem Schaden bestehen.
- Verschulden: Hat die Person, die den Schaden verursacht hat, schuldhaft gehandelt? Das bedeutet meist, hat sie vorsätzlich (mit Absicht) oder fahrlässig gehandelt. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn man die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO), wie zum Beispiel zu schnelles Fahren oder das Missachten einer roten Ampel, kann ein starkes Indiz für schuldhaftes Verhalten sein.
- Schaden: Ist überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden (z.B. Sachschaden am Fahrzeug, Personenschaden)?
Wenn diese Punkte bei einem Unfallbeteiligten erfüllt sind, haftet dieser grundsätzlich für den Schaden des anderen.
Die Rolle der Haftpflichtversicherung
Die gute Nachricht für den Verursacher ist: In Deutschland ist für Fahrzeughalter eine Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Diese Versicherung springt in der Regel für den Schaden ein, den ihr Versicherungsnehmer bei anderen Verkehrsteilnehmern verursacht. Das schützt den Unfallverursacher davor, den oft hohen Schaden aus eigener Tasche zahlen zu müssen. Wenn Sie also der Geschädigte sind, wenden Sie sich mit Ihren Forderungen meist an die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.
Teilung der Haftung (Teilschuld)
Nicht immer ist ein Unfall zu 100% die Schuld einer einzigen Person. Manchmal tragen beide Unfallbeteiligten eine Mitschuld, weil sie beide gegen Regeln verstoßen oder unvorsichtig waren. In solchen Fällen wird die Haftung zwischen den Beteiligten aufgeteilt. Man spricht dann von Teilschuld. Die Aufteilung erfolgt oft in Quoten, zum Beispiel 70% zu 30% oder 50% zu 50%. Das bedeutet, jeder Beteiligte muss dem anderen dessen Schaden anteilig zur eigenen Haftungsquote ersetzen.
Die wichtige Rolle von Gutachten
Gerade bei komplexen Unfällen, bei denen der genaue Hergang unklar ist oder die Beteiligten unterschiedliche Darstellungen haben, spielen Sachverständigengutachten eine sehr wichtige Rolle.
Stellen Sie sich zum Beispiel die im FAQ erwähnte Situation vor: Ein Unfall im Kreuzungsbereich bei Gelblichtphase. War das Gelblicht noch für beide Beteiligten gleichzeitig gültig? Hat einer der Fahrer das Gelblicht ignoriert, obwohl er hätte anhalten können? Oder ist er sogar noch bei Rot in die Kreuzung gefahren? War jemand zu schnell unterwegs?
Hier kann ein Sachverständiger helfen:
- Er analysiert die Unfallstelle, die Beschädigungen an den Fahrzeugen und eventuelle Spuren (z.B. Bremsspuren).
- Er kann die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge schätzen.
- Er kann den genauen Unfallhergang rekonstruieren.
- Er kann beurteilen, ob die beteiligten Fahrer sich verkehrsgerecht verhalten haben (z.B. ob Anhalten bei Gelblicht möglich war).
Das Gutachten des Sachverständigen liefert eine technische Grundlage, die maßgeblich zur Klärung der Schuldfrage und damit zur Entscheidung über die Haftungsverteilung beiträgt. Versicherungen und Gerichte stützen ihre Entscheidungen oft auf solche Gutachten, um den Unfallhergang objektiv nachzuvollziehen und die Verantwortlichkeiten festzustellen.
Welche Arten von Schäden können nach einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden und wie werden diese berechnet?
Nach einem Verkehrsunfall können verschiedene Arten von Schäden entstehen, die vom Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung ersetzt werden müssen. Das Ziel der Schadensregulierung ist es, den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Unfall nicht passiert. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Sachschäden (Schäden an Gegenständen) und Personenschäden (Schäden am Körper und der Gesundheit).
Schäden an Fahrzeugen und anderen Gegenständen (Sachschaden)
Der häufigste Schaden nach einem Verkehrsunfall ist der Schaden am eigenen Fahrzeug. Aber auch Schäden an transportierten Gegenständen, Kleidung oder zum Beispiel der Ladung eines LKW fallen hierunter. Man spricht vom Sachschaden.
Die Berechnung des Sachschadens hängt davon ab, wie schwer das Fahrzeug beschädigt ist:
- Reparaturkosten: Wenn eine Reparatur wirtschaftlich sinnvoll ist (die Reparaturkosten den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall nicht wesentlich übersteigen), werden die notwendigen und angemessenen Reparaturkosten ersetzt. Dazu gehören auch Lackierarbeiten und Ersatzteilkosten.
- Wiederbeschaffungswert: Ist das Fahrzeug stark beschädigt (Totalschaden) oder eine Reparatur unwirtschaftlich (Reparaturschaden höher als der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert), wird in der Regel der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs ersetzt. Der Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, der nötig wäre, um ein gleichwertiges Fahrzeug (gleiches Modell, gleiches Alter, gleiche Ausstattung, ähnliche Laufleistung) zu kaufen. Der Restwert ist der Wert, den das Unfallfahrzeug in dem Zustand nach dem Unfall noch hat, z.B. für den Verkauf von Ersatzteilen.
- Wertminderung: Auch wenn das Fahrzeug repariert wird, kann es nach einem Unfall einen geringeren Verkaufswert haben als ein unfallfreies Fahrzeug. Dieser Minderwert wird als merkantiler Minderwert bezeichnet und kann zusätzlich zu den Reparaturkosten geltend gemacht werden.
Neben den reinen Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten können weitere Sachschäden entstehen, die ebenfalls zu ersetzen sind, wie z.B.:
- Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Schadenshöhe.
- Abschleppkosten.
- Standgebühren für das beschädigte Fahrzeug.
- Kosten für die Ab- und Anmeldung eines neuen Fahrzeugs.
Schäden an Personen (Personenschaden)
Kommt es bei einem Unfall zu Verletzungen, spricht man von Personenschaden. Hierunter fallen alle Nachteile, die durch die Körperverletzung entstehen.
Die Berechnung des Personenschadens ist oft komplexer, da sie sich auf die Gesundheit und das Leben eines Menschen auswirkt. Dazu gehören:
- Heilungskosten: Alle medizinisch notwendigen Kosten, die durch die Verletzungen entstehen und nicht von der Krankenversicherung übernommen werden, wie z.B. Zuzahlungen zu Medikamenten, Rezeptgebühren, Kosten für Physiotherapie, Hilfsmittel, Fahrtkosten zu Ärzten und Therapien.
- Erwerbsschaden: Wenn die Verletzung dazu führt, dass die geschädigte Person nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten kann, entsteht ein Erwerbsschaden. Hierzu gehören der Verdienstausfall bei Arbeitnehmern oder der entgangene Gewinn bei Selbstständigen. Die Berechnung basiert auf dem Einkommen, das ohne den Unfall erzielt worden wäre.
- Haushaltsführungsschaden: Kann die geschädigte Person wegen der Verletzungen ihren Haushalt nicht mehr selbst führen, können die Kosten für eine Haushaltshilfe geltend gemacht werden. Die Höhe hängt vom Umfang der Beeinträchtigung ab.
- Schmerzensgeld: Dieser Schadensersatz dient dem Ausgleich für nicht-wirtschaftliche Nachteile wie körperliche Schmerzen, seelisches Leid, Beeinträchtigung der Lebensqualität oder bleibende Schäden. Das Schmerzensgeld soll sowohl eine Ausgleichsfunktion (für das erlittene Leid) als auch eine Genugtuungsfunktion (gegenüber dem Schädiger) erfüllen.
Die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes ist oft schwierig und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wichtige Kriterien sind die Art und Schwere der Verletzung, die Dauer der Heilbehandlung und Arbeitsunfähigkeit, eventuelle bleibende Schäden, die Intensität der Schmerzen und psychischen Folgen sowie das Alter des Geschädigten. Für die Orientierung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes werden oft sogenannte Schmerzensgeldtabellen herangezogen (z.B. die „Ad-hoc-Tabelle“ oder die „Hacks/Ring/Böhm-Tabelle“). Diese Tabellen listen Entscheidungen früherer Gerichtsverfahren mit ähnlichen Verletzungen und den damals zugesprochenen Schmerzensgeldbeträgen auf. Sie dienen als Richtschnur, sind aber für das Gericht nicht bindend. Jeder Fall wird individuell beurteilt.
- Nutzungsausfall: Wenn Sie Ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug nicht nutzen können und keinen Mietwagen in Anspruch nehmen, können Sie für die Dauer der Reparatur oder Wiederbeschaffung eine pauschale Entschädigung für den Nutzungsausfall geltend machen. Die Höhe richtet sich nach dem Fahrzeugtyp und wird in Nutzungsausfalltabellen (z.B. Sanden/Halm) pro Tag festgelegt.
Neben diesen häufigen Schadenspositionen können je nach Einzelfall noch weitere Schäden geltend gemacht werden, wie z.B. ein behinderungsbedingter Mehrbedarf, vermehrte Bedürfnisse oder Bestattungskosten im Todesfall. Für die Geltendmachung von Schäden ist es wichtig, alle entstandenen Kosten und Nachteile genau zu dokumentieren und nachzuweisen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Vorfahrtsrecht und Vorfahrtsmissachtung
Das Vorfahrtsrecht regelt im Straßenverkehr, welche Fahrzeuge an Kreuzungen oder Einmündungen zuerst fahren dürfen. Ein Verstoß gegen dieses Recht wird als Vorfahrtsmissachtung bezeichnet und liegt vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer die gesetzliche oder durch Verkehrszeichen geregelte Vorfahrt eines anderen nicht beachtet. In solchen Fällen haftet der Verkehrsteilnehmer, der die Vorfahrt missachtet hat, in der Regel voll für den entstandenen Schaden. Grundlage ist vor allem § 8 der Straßenverkehrsordnung (StVO), die den Vorrang an Kreuzungen und Einmündungen festlegt.
Beispiel: Ein Autofahrer, der aus einer untergeordneten Straße in eine vorfahrtsberechtigte Bundesstraße einbiegt, muss warten; missachtet er dies und verursacht so einen Unfall, trägt er die alleinige Verantwortung.
Mitverschulden (§ 254 BGB)
Mitverschulden liegt vor, wenn der Geschädigte am Unfall oder Schaden durch eigenes Verhalten mitverantwortlich ist. Nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird in diesem Fall die Ersatzpflicht entsprechend der Schuldanteile zwischen Schädiger und Geschädigtem aufgeteilt. Das bedeutet: Je stärker das eigene Verschulden war, desto geringer kann der Schadensersatzanspruch ausfallen. Entscheidend ist, ob der Beitrag des Geschädigten ursächlich für die Entstehung oder das Ausmaß des Schadens war.
Beispiel: Wenn ein Fußgänger bei Rot die Straße überquert und dabei von einem Auto angefahren wird, kann das Gericht das Mitverschulden des Fußgängers berücksichtigen und den Schaden anteilig kürzen.
Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis)
Der Beweis des ersten Anscheins ist ein Beweisprinzip, bei dem aus typischen Umständen zunächst auf eine bestimmte Tatsache geschlossen wird, bis das Gegenteil bewiesen wird. Im Verkehrsunfallrecht bedeutet das: Wenn ein Verkehrsteilnehmer eine klare Verkehrsregel verletzt (z. B. das Vorfahrtsrecht missachtet), wird vermutet, dass er den Unfall verursacht hat und schuld ist. Die Gegenseite muss dann Beweise vorlegen, die diese Vermutung widerlegen, um ihre Haftung ganz oder teilweise auszuschließen.
Beispiel: Kommt es an einer Kreuzung zum Unfall, weil ein Autofahrer die „Vorfahrt gewähren“-Regel missachtet hat, wird vermutet, dass er den Unfall verursacht hat, bis er Beweise dafür erbringt, dass der andere Fahrer ebenfalls Mitverantwortung trägt.
Gelblichtphase an Ampeln (§ 37 StVO)
Die Gelblichtphase einer Ampel kündigt den Wechsel von Grün auf Rot an und verpflichtet Verkehrsteilnehmer grundsätzlich zum Anhalten vor der Haltelinie, sofern dies gefahrlos möglich ist (§ 37 Nr. 1 StVO). Das bedeutet, dass ein Fahrzeugführer nicht bei Gelb noch schnell in eine Kreuzung einfahren darf, wenn er dadurch hätte halten können. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Ist ein sicheres Anhalten ohne Gefährdung von sich selbst oder anderen nicht möglich (zum Beispiel, weil durch abruptes Bremsen Auffahrunfälle drohen), darf die Gelblichtphase noch überquert werden.
Beispiel: Wenn ein Motorradfahrer bei Gelb so nahe an der Ampel ist, dass er nicht mehr gefahrlos bremsen kann, darf er noch passieren, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.
Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO)
Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 der Zivilprozessordnung (ZPO) besteht, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass ein bestimmter Rechtszustand verbindlich festgestellt wird, um künftige Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Im Schadensersatzrecht verbindet sich das oft mit der Klärung, ob und in welchem Umfang eine Partei für zukünftige, noch ungewisse Schäden haften muss. Eine solche Feststellung ist zulässig, wenn künftige Ansprüche wahrscheinlich sind und der Klageantrag zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten dient.
Beispiel: Nach einem schweren Unfall kann der Verletzte ein Interesse daran haben, gerichtlich klären zu lassen, dass der Schädiger auch für noch nicht absehbare gesundheitliche Folgeschäden haften muss, damit er nicht für jeden künftigen Schaden erneut klagen muss.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 8 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Regelt das Vorfahrtsrecht an Kreuzungen und Einmündungen, insbesondere die Pflichten des wartepflichtigen Verkehrs, die Vorfahrt zu beachten und durch vorsichtiges Verhalten Unfälle zu vermeiden. Ein Verstoß führt häufig zur vollen Haftung des Verursachers, da er eine beherrschbare Sorgfaltspflicht verletzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Autofahrer hat die Vorfahrt der Rollerfahrerin missachtet, was vom Gericht als schwerwiegender Verstoß anerkannt und unbeweisbar zum ursächlichen Grund des Unfalls erklärt wurde.
- § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Regelt die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen unter Berücksichtigung von Verursachungs- und Verschuldensanteilen; verlangt Beweise für jedes Mitverschulden und stellt klar, dass nur bewiesene Umstände bei der Haftungsbemessung berücksichtigt werden dürfen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das angebliche Mitverschulden der Rollerfahrerin aufgrund des Passierens der Fußgängerampel bei Gelblicht wurde nicht bewiesen und deshalb nicht in die Haftungsabwägung aufgenommen, wodurch der Autofahrer allein haftet.
- § 115 Abs. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Verpflichtet die Haftpflichtversicherung zur Regulierung von Schäden, die aus der Haftung eines Versicherungsnehmers resultieren, und sichert den Geschädigten eine wirksame Schadensersatzleistung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Haftpflichtversicherung des PKW wird für das volle Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch der Rollerfahrerin herangezogen, da ihre Versicherung für den Fahrer haftet.
- § 37 Nr. 1 StVO: Bestimmt die Ampelfarben und die Regeln für das Verhalten bei Gelblicht, das grundsätzlich als Warnung beim Anhalten zu verstehen ist, außer ein sicheres Anhalten ist nicht möglich ohne Gefährdung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte trotz möglichem Gelblichtpassieren der Rollerfahrerin einen rechtswidrigen Verstoß, da kein sicheres Anhalten ohne Gefährdung möglich war und die Fußgängerampel nicht für den Fahrzeugverkehr an der Kreuzung gilt.
- § 256 Zivilprozessordnung (ZPO): Ermöglicht auf Antrag die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, die heute noch nicht genau beziffert oder eingetreten sind, um Rechtsklarheit und Planungssicherheit für schwer verletzte Geschädigte zu schaffen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rollerfahrerin erhielt eine Feststellung, dass der Fahrer und die Versicherung auch für alle zukünftigen immateriellen Unfallfolgen aufkommen müssen, aufgrund der hohen Schwere und möglichen Dauerfolgen ihrer Verletzungen.
- § 522 Abs. 2 ZPO: Ermöglicht Gerichten, eine Berufung per Beschluss zurückzuweisen, wenn diese offensichtlich unbegründet ist, keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine mündliche Verhandlung erfordert. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG wies die Berufung der Autofahrerseite als aussichtslos zurück, da keine Beweise zur Entkräftung der Alleinhaftung vorlagen und somit keine weitere gerichtliche Prüfung nötig war.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holsteinisches – Az.: 7 U 10/25 – Beschluss vom 14.04.2025
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