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Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung – Schwarzfahrt einer Fahrerlaubnisbewerberin

VG Bayreuth – Az.: B 1 K 18.598 – Urteil vom 28.05.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung in Bezug auf die Klassen B, BE und L.

1. Am 27.09.2016 ging beim Landratsamt …… (Landratsamt) eine Ereignismeldung der Polizeiinspektion …… Land ein, wonach gegen die am ……… geborene Klägerin wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ermittelt werde. Am 25.04.2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Ersterteilung einer Fahrerlaubnis für die Klassen B und BE. Mit Schreiben vom 01.06.2017 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Landratsamt das Protokoll einer Strafverhandlung des Amtsgerichts …… vom 10.01.2017, aus dem hervorgeht, dass das Verfahren gegen die Klägerin wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eingestellt wurde.

Am 26.06.2017 ging beim Landratsamt eine Ereignismeldung der Polizeiinspektion ……… ein, wonach gegen die Klägerin wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 29.05.2017 ermittelt werde. An diesem Tag fuhr die Klägerin von ihrem Wohnort zur Berufsschule nach ……… (einfache Strecke von 60 km) und geriet auf der Rückfahrt in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Wegen dieser Tat verurteilte das Amtsgericht …… die Klägerin mit Strafbefehl vom 27.07.2017, rechtskräftig seit 15.08.2017, zu einer Geldstrafe von 900 Euro (30 Tagessätze zu 30 Euro). Die Tat wurde am 25.08.2017 im Fahreignungsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 11.01.2018 forderte das Landratsamt die Klägerin gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV auf, bis zum 12.03.2018 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Die Klägerin habe mit dem Verstoß vom 29.05.2017 eine erhebliche Straftat – auch im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr – begangen.

Die Fragestellung wurde wie folgt gefasst:

„Ist trotz der aktenkundigen Straftat(en) im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr zu erwarten, dass Frau …… künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?“

Weiter wies das Landratsamt darauf hin, dass die zu übersendenden Unterlagen von der Klägerin eingesehen werden könnten. Es könne von der Nichteignung der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden, wenn sie sich ohne ausreichenden Grund weigern sollte, sich der geforderten Begutachtung bzw. Untersuchung zu unterziehen.

2. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14.06.2018 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Bayreuth. Der Beklagte sei nicht berechtigt, der Klägerin die Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung zu verweigern. Die Klägerin beantragt zuletzt,

den Bescheid des Landratsamts vom 11.07.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zur Führerscheinprüfung Klassen B, BE sowie L zuzulassen,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin erneut unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.

Mit Bescheid vom 11.07.2018 lehnte das Landratsamt den Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Führerscheinprüfung ab. Die Klägerin habe das erforderliche medizinisch-psychologische Gutachten trotz wiederholter Aufforderungen nicht vorgelegt. Die Verwaltungsbehörde sei daher schon allein deswegen berechtigt, auf die Nichteignung der Betroffenen zu schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Erweise sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so könne ihm die Fahrerlaubnis nicht erteilt werden.

Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 18.07.2018 erweiterte die Klägerin die Klage dahingehend, dass sie sich auch gegen den Bescheid des Landratsamts vom 11.07.2018 richtet, den Bescheid des Landratsamts vom 11.07.2018 aufzuheben.

Zur Begründung bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Fahrt vom 29.05.2017 zumindest mittelbar auf der zu Unrecht verweigerten Fahrerlaubnis durch das Landratsamt beruhe. Das Landratsamt habe die Bearbeitung des Antrags nicht bis zum Abschluss des (bereits am 10.01.2017) eingestellten Strafverfahrens zurückstellen dürfen.

Bei einem Fahren ohne Fahrerlaubnis handele es sich um eine jugendliche Verfehlung, die (im Zeitpunkt der Klageerhebung) auch schon über ein Jahr zurückliege. Dies sei auch vom Amtsgericht ……mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 900 Euro ohne jegliche Sperrfrist so gesehen worden. Das Strafgericht habe gerade keine Sperrfrist verhängt, sondern habe vielmehr im Gegenteil davon Abstand genommen und sei damit gerade von einer Eignung ausgegangen.

Eine MPU könne letztlich nur zur Klärung einer etwaigen Wiederholungsgefahr angeordnet werden. Eine Wiederholungsgefahr entfalle jedoch bereits per se mit der Erteilung der Fahrerlaubnis.

Eine ordnungsgemäße und ausreichende Ermessensabwägung sei nicht erfolgt. Im vorliegenden Fall liege gerade die Besonderheit vor, dass die beantragte Fahrerlaubnis einer etwaigen Wiederholungsgefahr jegliche Basis entziehe.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz des Landratsamts vom 13.08.2018, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verwies auf die Gründe des Bescheids vom 11.07.2018 und führte weiter aus, dass die Fragestellung der MPU umfassend in dem Sinne sei, ob wegen der aktenkundigen Straftat zu erwarten sei, dass die Klägerin nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Damit gehe es allgemein um die Bereitschaft der Klägerin, sich an die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu halten.

Die Straftat vom 29.05.2017 sei auch noch verwertbar, da sie noch im Fahreignungsregister eingetragen sei.

Der Vorwurf einer Verschleppung der Fallbearbeitung werde zurückgewiesen. Dem Landratsamt sei der Umstand der Einstellung des Strafverfahrens aus dem Jahr 2016 erst am 02.06.2017 durch die Übersendung des Verhandlungsprotokolls durch den Bevollmächtigten der Klägerin bekannt geworden.

Schließlich müsse die Aussage der Klägerin, die Schwarzfahrt am 29.05.2017 sei eine jugendtypische Verfehlung von untergeordneter Bedeutung, verneint werden. Die einfache Strecke zwischen dem Wohnort der Klägerin und ……… betrage ca. 60 km. Gleichwohl sei die Klägerin an jenem Tag genau diese Strecke mit einem PKW gefahren, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis gewesen zu sein.

3. Bezüglich des Verlaufs der am 28.05.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache weder im Hauptantrag noch im Hilfsantrag Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung. Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht die vorherige medizinisch psychologische Begutachtung der Klägerin durch eine Begutachtungsstelle für Fahreignung verlangt. In der Folge hat der Beklagte auch zu Recht wegen des nicht vorgelegten Gutachtens den Antrag auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis wegen Nichteignung der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen abgelehnt. Die Klage ist daher abzuweisen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Fahrerlaubnisbehörde hat vor der Zulassung zur Fahrerlaubnisprüfung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV zu ermitteln, ob Bedenken gegen die Eignung eines Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 22 Abs. 2 Satz 5 FeV nach §§ 11 bis 14 FeV zu verfahren.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden.

a) Mit der „Schwarzfahrt“ am 29.05.2017 hat die Klägerin eine erhebliche Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 5 Alt. 1 FeV begangen. Die Erheblichkeit einer Straftat ist dahingehend zu verstehen, dass es gerade auf die Gewichtigkeit der Tat für die Bewertung der Fahreignung ankommt; eine Straftat gilt auch immer dann als erheblich, wenn sie mit mindestens zwei Punkten im Fahreignungs-Bewertungssystem erfasst wird (vgl. VGH BW, U.v. 11.10.2017 – 10 S 746/17 – juris Rn. 34 ff. m.w.N.). Letzteres ist beim Fahren ohne Fahrerlaubnis nach Nr. 2.1.11 der Anlage 13 zur FeV der Fall.

Zudem ist die Straftat hier auch als erheblich im Hinblick auf die Bewertung der charakterlichen Fahreignung der Klägerin anzusehen. Denn die Klägerin hat hier nicht nur eine „kleine Spritztour“ unternommen oder aus jugendlichem Leichtsinn mal das Autofahren ausprobiert, sondern bewusst ein Fahrzeug zur Bewältigung ihres Alltags für eine etwa 60 km lange Strecke von ihrem Wohnort in ……… zur Berufsschule in ……… eingesetzt.

Auch der Umstand, dass das Amtsgericht …… in seinem Strafbefehl vom 27.07.2017 keine isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet hat, führt nicht dazu, dass die „Schwarzfahrt“ der Klägerin vom 29.05.2017 in einem milderen Licht zu betrachten und als weniger erheblich einzustufen wäre. Denn nur wenn sich die strafrechtliche Entscheidung mit der Frage der Eignung des Betroffenen auseinandersetzt und zu dem Ergebnis kommt, dass Eignung vorliegt, ist die Fahrerlaubnisbehörde hieran gebunden. Eine Bindungswirkung entfällt aber bereits dann, wenn sich, wie hier vorliegend, aus der strafrichterlichen Entscheidung (Bl. 50 f. der Behördenakte) kein Hinweis darauf ergibt, dass der Strafrichter sich überhaupt mit der Frage der Kraftfahreignung auseinandergesetzt hat (vgl. Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 3 StVG, Rn. 16 ff., insbesondere Rn. 18 – beck-online).

Schließlich kann die Straftat wegen der geltend gemachten Verschleppung der Fahrerlaubniserteilung durch das Landratsamt schon deshalb nicht weniger erheblich erscheinen, weil schon nicht erkennbar ist, dass die Bearbeitung des Antrags der Klägerin auf Erteilung einer Fahrerlaubnis vom Landratsamt in unzulässiger Weise verzögert worden wäre. Dieser von der Klägerin am 14.11.2016 unterzeichnete Antrag ging ausweislich des Eingangsstempels erst am 25.04.2017 beim Landratsamt …… ein. Zunächst stand aber der Vorwurf einer oder mehrerer Straftaten der Klägerin wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem Traktor im Jahr 2016 im Raum, den das Landratsamt zu überprüfen hatte. Von der Einstellung des diesbezüglichen Strafverfahrens erhielt das Landratsamt dann aber erst durch Übersendung des Protokolls der Strafverhandlung des Amtsgerichts ……vom 10.01.2017 durch den Schriftsatz des Klägervertreters vom 01.06.2017 Kenntnis. Die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, auf Grund derer das Landratsamt nun die MPU von der Klägerin verlangt, beging die Klägerin bereits am 29.05.2017 und damit bevor das Landratsamt von der Verfahrenseinstellung wegen der Vorwürfe aus dem Jahr 2016 Kenntnis erhielt.

b) Die Anordnung der MPU steht im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb mit den gesetzlichen Vorgaben zu einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung im Einklang, weil ein Fall einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist.

Die Anordnung der MPU war in der vorliegenden Konstellation schon generell hinsichtlich der Ermessensausübung nicht näher begründungsbedürftig. Es sind nämlich keine weiteren Umstände erkennbar, wie etwa eine große Zeitspanne zwischen dem Begehen der Straftat und der Begutachtungsaufforderung, welche die Darlegung näherer Ermessenserwägungen bezüglich der Notwendigkeit einer MPU gebieten würden (vgl. VGH BW, a.a.O., Rn. 38).

Da in der Begutachtungsaufforderung vom 11.01.2018 wie auch in den ergänzenden Schreiben des Landratsamts vom 18.01.2018, 09.04.2018 und 25.04.2018 keine (ausdrücklichen) Ermessenserwägungen enthalten sind, steht zwar auch ein vollständiger Ermessensausfall des Landratsamts im Raum. Aber auch ein solcher Ermessensausfall führt, wenn man diesen hier annehmen wollte, nicht zur Rechtswidrigkeit der Begutachtungsaufforderung, da vorliegend der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist. Die Tatumstände der vorliegenden „Schwarzfahrt“ machten ein Handeln des Landratsamts zwingend erforderlich. Da die Klägerin nicht lediglich eine kleine „Spritztour“ unternahm oder einmal in verkehrsberuhigter Gegend das Autofahren ausprobierte, sondern ein Kraftfahrzeug bewusst im Berufs- und Stadtverkehr einsetzte, musste angesichts des Gewichts dieser Missachtung der zentralen straßenverkehrsrechtlichen Vorgabe, dass ein Kraftfahrzeug nur mit der entsprechenden Fahrerlaubnis geführt werden darf, zwingend eine Abklärung der charakterlichen Fahreignung der Klägerin durch das Landratsamt erfolgen. Das Entschließungsermessen des Landratsamts war somit auf Null reduziert.

Die vom Landratsamt in der Begutachtungsaufforderung vom 11.01.2018 formulierte Fragestellung ist hierfür auch geeignet, da die Abklärung nicht nur im Hinblick auf künftige „Schwarzfahrten“ sondern generell auf die Beachtung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen seitens der Klägerin abzielt. Weniger einschneide Maßnahmen als die Anordnung einer MPU sind zur Abklärung der charakterlichen Fahreignung der Klägerin nicht ersichtlich. Die Vorlage der MPU ist der Klägerin auch zumutbar, da diese bereits den vom Verordnungsgeber in § 11 Abs. 3 FeV normierten Regelfall darstellt, wenn Zweifel an der charakterlichen Fahreignung eines Fahrerlaubnisbewerbers aufgrund einer erheblichen Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr bestehen.

c) Das Landratsamt konnte und musste hier auch auf die Nichteignung der Klägerin schließen und die beantragte Fahrerlaubnis ablehnen, weil die Klägerin das rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt hat (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01). Die Vorschrift des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV räumt der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 – juris Rn. 13. m.w.N.).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

 

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