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Zulässigkeit einer Durchsuchung bei Verkehrsordnungswidrigkeit

LG Oldenburg, Az.: 5 Qs 345/15, Beschluss vom 21.09.2015

Die Beschwerde vom 21.08.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 15.07.2015 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

I.

Durch den vorgenannten Beschluss ordnete das Amtsgericht Cloppenburg die Durchsuchung der Geschäftsräume und Fahrzeuge der Beschwerdeführerin an. Ziel war die Suche nach Unterlagen oder Datenträgern, aus denen sich ergab, wer zur Tatzeit einer Verkehrsordnungswidrigkeit (16.04.2015, 20:10 Uhr) verantwortlicher Fahrzeugführer eines LKWs (amtliches Kennzeichen …) gewesen ist. Das Amtsgericht hat zugleich die Beschlagnahme entsprechender Gegenstände angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom einem 21.08.2015, auf deren Ausführungen verwiesen wird.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die angeordnete Durchsuchung und Beschlagnahme war nach §§ 98, 103,105 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG rechtmäßig.

Der von der Beschwerdeführerin beanstandete Verstoß gegen § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO liegt bereits dem Wortlaut nach nicht vor. Denn bei dem beschlagnahmten Fahrtenschreiberausdruck handelt es sich ersichtlich nicht um eine schriftliche Mitteilung zwischen der Beschwerdeführerin und dem betroffenen Lkw-Fahrer.

Auch die Durchsuchungsanordnung selbst erweist sich als rechtmäßig, insbesondere auch verhältnismäßig.

Die Frage, ob eine Durchsuchung zum Auffinden einer Fahrtenschreiberscheibe bzw. eines Ausdrucks im Rahmen der Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zulässig ist, ist im Einzelnen umstritten. Während jedenfalls bei „leichteren“ Verkehrsordnungswidrigkeiten eine Durchsuchungsanordnung pauschal als unverhältnismäßig angesehen wird (Tsambikakis, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 105 Rn. 67 unter Verweis auf AG Landau, NStZ-RR 2002, 220), wird die Frage im Übrigen überwiegend – und so auch von der Kammer – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls differenziert betrachtet (Unzulässigkeit bejaht wurde danach etwa von: EGMR NJW 2006, 1495, in einem Fall, in dem weitere Beweismittel vorlagen; BVerfG NJW 2006, 3411, im Falle der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei wegen einer mit 15 € bedrohten Ordnungswidrigkeit; LG Freiburg, Beschluss vom 03.02.2014, Az. 3 Qs 9/14 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 27 km/h durch einen Motorradfahrer; von der Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung sind demgegenüber ausgegangen: EGMR, Entscheidung vom 15.11.2011, Az. 43005/07 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 44 km/h durch einen Lkw; BVerfG, Beschluss vom 20.07.2007, Az. 2 BvR 254/07 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von mehr als 100 km/h; LG Tübingen, Beschluss vom 20.12.2011, Az. 1 Qs 248/11 Owi – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß durch einen Motorradfahrer von 39 km/h).

Die getroffene Durchsuchungsanordnung erweist sich im hier zu entscheidenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als verhältnismäßig.

Dabei hat die Kammer durchaus berücksichtigt, dass es sich bei dem Anlassdelikt lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit handelt, die im Regelfall mit einer Geldbuße von 80 € geahndet wird. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Durchsuchung nicht bei dem (zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehenden) Betroffenen, sondern bei einer dritten Person, nämlich der Beschwerdeführerin, durchgeführt wurde. In diesem Fall sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig höhere Anforderungen zu stellen. Dieser Umstand relativiert sich hier aber dadurch, dass es sich bei der Beschwerdeführerin offensichtlich um die Arbeitgeberin des verantwortlichen Lkw-Fahrers handelt, der zuvor auch Gelegenheit gegeben worden ist, dessen Namen freiwillig preiszugeben.

Auf der anderen Seite ist auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten im vergleichbaren Rahmen die Entziehung der Fahrerlaubnis möglich, wenn der Betroffene bereits ausreichend Punkte „gesammelt“ hat. Der Verweis auf die geringe Regelgeldbuße erweist sich daher als zu pauschal. Zu berücksichtigen ist zudem die erhöhte abstrakte Gefährdung bei Geschwindigkeitsverstößen durch Lastkraftwagen, da diese regelmäßig schwieriger zu fahren und schlechter zu bremsen sind als etwa ein Pkw. Für die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Durchsuchungsmaßnahme spricht schließlich ganz besonders der Umstand, dass nach dem Akteninhalt hier (anders als im o.g. vom EGMR entschiedenen Fall – NJW 2006, 1495) keine realistischen anderweitigen Ermittlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Fahreridentität bestanden. Die – theoretisch denkbare – Vernehmung aller anderen Mitarbeiter des Betriebs der Beschwerdeführerin wäre wenig erfolgversprechend gewesen. Zum einen fragt sich, ob sich die möglichen Zeugen einer solchen Befragung überhaupt unterziehen würden. Zum anderen ist äußerst zweifelhaft, inwieweit sie zu der Frage, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Lkw gefahren hat, ohne die Heranziehung der hier beschlagnahmten Unterlagen überhaupt etwas sagen könnten. Eine Identifizierung des Fahrers über das Messfoto scheidet offensichtlich aus. Hätten die Verwaltungsbehörden in Fällen wie diesem nicht die Möglichkeit, gegebenenfalls beim Fahrzeughalter zu durchsuchen, wäre in einer Vielzahl von Verkehrsverstößen die Identität der Fahrer nicht aufzuklären, sofern entsprechende Fahrtenschreiberausdrucke nicht freiwillig zur Verfügung gestellt würden. Dies jedoch wäre mit der staatlichen Pflicht, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten und Verstöße dementsprechend auch zu ahnden, nicht zu vereinbaren.

Schließlich hat sich auch die konkrete Anordnung und Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme als verhältnismäßig i.e.S. erwiesen. Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss bezeichnet den Zeitpunkt und den Ort der Geschwindigkeitsüberschreitung konkret. Die zu gesuchten Unterlagen werden zudem so bestimmt bezeichnet, dass im Prinzip ausschließlich die Beschlagnahme einer Fahrtenschreiberscheibe oder eines entsprechenden Protokollausdrucks in Betracht kommt (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15.11.2011 (s.o.), Rn. 30). Gestattet war danach lediglich die Durchsuchung von Geschäftsräumen und Fahrzeugen der Beschwerdeführerin. Die Durchsuchung selbst lief ausweislich des entsprechenden polizeilichen Vermerks vom 24.08.2015 dezent und ohne Erregung von Aufsehen im Büro der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin ab. Dieser wurde Gelegenheit gegeben, freiwillig den Fahrtenschreiberausdruck des entsprechenden Tages herauszugeben. Nachdem sie von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, war eine Durchsuchung im eigentlichen Sinne nicht mehr erforderlich. Eine Gefährdung des „guten Rufs“ der Beschwerdeführerin bestand demnach nicht.

Danach besteht auch weder eine Verletzung von Art. 13 GG noch von Art. 8 EMRK. Insbesondere sind auch die Anforderungen des EGMR aus seinem Urteil vom 20.04.2005 (NJW 2006, 1495) erfüllt. Die Beschwerde konnte demnach keinen Erfolg haben.

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