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Zugangsanspruch zu außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen

Das Amtsgericht Eilenburg weist den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück, da der Betroffene keinen Anspruch auf die unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe hat. Der Gerichtsbeschluss betont, dass der verschlüsselte Datensatz durch einen privat beauftragten Sachverständigen problemlos ausgewertet werden kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 OWi 253/23

✔ Kurz und knapp

  1. Der Anspruch auf Zugang zu außerhalb der Bussgeldakte befindlichen Informationen ist nicht unbegrenzt, um Verfahrensverzögerungen und Rechtsmissbrauch zu vermeiden.
  2. Die begehrten Informationen müssen in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und erkennbar relevant für die Verteidigung sein.
  3. Dem Betroffenen steht kein Anspruch auf die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der Messreihe zu, da dies keinen Mehrwert für die Verteidigung bietet.
  4. Die verschlüsselte Originaldatei der Messreihe ist als unveränderliches Beweismittel anzusehen und genügt dem Einsichtsrecht des Betroffenen.
  5. Die Herstellung unverschlüsselter Fotodokumentationen würde einen unverhältnismäßigen Aufwand für die Behörde bedeuten und ist nicht gerechtfertigt.
  6. Der Betroffene kann sich die verschlüsselte Datei der Messreihe von der Behörde zusenden lassen und durch einen Sachverständigen auswerten lassen.
  7. Eine umfassende Einsicht in sämtliche Daten ist nicht erforderlich, solange die relevanten Beweismittel zur Verfügung gestellt werden.
  8. Der Verteidiger hat keine ausreichenden Gründe vorgetragen, warum die Übersendung der verschlüsselten Datei nicht ausreichend sein sollte.

Bußgeldbescheid: Recht auf Informationszugang bei Geschwindigkeitsmessung

Wenn Verkehrsteilnehmer einen Bußgeldbescheid erhalten, stehen ihnen verschiedene Rechte zu. Einer dieser Ansprüche ist der Zugang zu Informationen, die sich außerhalb der eigentlichen Bußgeldakte befinden. Dies kann etwa die Fotodokumentation einer Geschwindigkeitsmessung betreffen. Allerdings ist dieses Recht auf Informationszugang nicht unbegrenzt. Es muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zum jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf bestehen und die Informationen müssen erkennbar für die Verteidigung relevant sein. Zudem können andere verfassungsrechtlich geschützte Interessen einer vollumfänglichen Akteneinsicht entgegenstehen. Wie weit das Recht auf Informationszugang im konkreten Fall reicht, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil, das wir im Folgenden näher beleuchten.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Eilenburg


Streit um Zugang zu vollständiger Fotodokumentation der Messreihe bei Geschwindigkeitsverstoß

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine rechtliche Auseinandersetzung über den Zugang zu bestimmten Beweismitteln in einem Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Betroffene erhielt am 8. Mai 2023 einen Bußgeldbescheid von der Landesdirektion Sachsen aufgrund eines am 25. Januar 2023 festgestellten Geschwindigkeitsverstoßes, der mit dem Geschwindigkeitsmessgerät eso ES8.0 gemessen wurde. Der Verteidiger des Betroffenen forderte am 11. Mai 2023 Einsicht in die vollständige Fotodokumentation der gesamten Messreihe. Die Verwaltungsbehörde informierte den Verteidiger, dass eine Übermittlung dieser Fotodokumentation nur in Form von digitalen und verschlüsselten Messdateien möglich sei. Daraufhin beantragte der Verteidiger am 15. Mai 2023 eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG, um die Verwaltungsbehörde zu verpflichten, die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltungsbehörde half diesem Anliegen nicht ab und legte die Sache am 23. Mai 2023 dem Amtsgericht Eilenburg vor.

Entscheidung des Amtsgerichts Eilenburg

Das Amtsgericht Eilenburg wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Es stellte fest, dass der Betroffene keinen Anspruch auf die unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe habe. Das Gericht bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein rechtsstaatliches und faires Verfahren „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden und dem Betroffenen verlangt. Zwar hat der Betroffene das Recht auf frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln, jedoch ist dieses Recht nicht unbegrenzt. Insbesondere im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten bestehe die Gefahr der uferlosen Ausforschung und erheblicher Verfahrensverzögerungen. Die begehrten Informationen müssen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Auch schützenswerte Interessen wie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege können dem Informationszugang entgegenstehen.

Begründung der Zurückweisung des Antrags

Das Gericht entschied, dass der Betroffene zwar einen Einsichtsanspruch in den verschlüsselten Datensatz der gesamten Messreihe hat, die unverschlüsselte Fotodokumentation jedoch nicht beanspruchen kann. Der unverschlüsselte Datensatz würde nur aus JPEG-Bildern bestehen, die anders als die verschlüsselte Originaldatei als veränderliches Beweismittel gelten und daher Manipulationsvorwürfe hervorrufen könnten. Zudem würde die Bereitstellung der unverschlüsselten Fotodokumentation einen unverhältnismäßigen Aufwand für die Verwaltungsbehörde bedeuten, da jede einzelne Datei der Messreihe separat geöffnet und als JPEG-Datei gespeichert werden müsste. Dies wäre insbesondere bei umfangreichen Messserien ein unvertretbarer Aufwand. Das Gericht betonte, dass der verschlüsselte Datensatz durch einen privat beauftragten Sachverständigen problemlos ausgewertet werden könne, weshalb das Einsichtsbegehren des Betroffenen nicht gerechtfertigt sei. Der Verteidiger habe die Möglichkeit, den verschlüsselten Datensatz auf einem Datenträger zu erhalten, was er jedoch nicht genutzt habe.

Kostenentscheidung und Unanfechtbarkeit des Beschlusses

Die Kostenentscheidung folgte aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der Betroffene trägt somit die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. Der Beschluss ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stellt klar, dass bei Geschwindigkeitsverstößen kein uneingeschränkter Anspruch auf Einsicht in die unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe besteht. Entscheidend ist, dass der verschlüsselte Datensatz durch Sachverständige ausgewertet werden kann und somit die Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Das Gericht betont die Notwendigkeit, die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege zu schützen und unverhältnismäßigen Aufwand für Behörden zu vermeiden. Der Beschluss ist unanfechtbar.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Zugangsrecht zu Beweismitteln bei Bußgeldverfahren


Welche Rechte haben Betroffene bei Geschwindigkeitsverstößen bezüglich des Zugangs zu Beweismitteln?

Betroffene von Geschwindigkeitsverstößen haben im Rahmen des Bußgeldverfahrens bestimmte Rechte bezüglich des Zugangs zu Beweismitteln. Diese Rechte sind eng mit dem Grundsatz der Waffengleichheit und dem Anspruch auf rechtliches Gehör verknüpft.

Grundsatz der Waffengleichheit und rechtliches Gehör:
Der Grundsatz der Waffengleichheit ist ein verfahrensrechtlicher Grundsatz, der sicherstellt, dass alle Parteien in einem Verfahren die gleichen Chancen haben, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Im deutschen Recht ist dieser Grundsatz Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Gericht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Er gilt sowohl im Zivilverfahren als auch im Strafprozess, Verwaltungsprozess und Verwaltungsverfahren.

Recht auf Zugang zu Beweismitteln:
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass Betroffene in Bußgeldverfahren ein Recht auf Zugang zu Beweismitteln haben, die für die Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung erforderlich sind. Dies umfasst auch Daten und Informationen, die nicht Teil der Bußgeldakte sind. Der Beschuldigte hat somit ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen, um seine Rechte wirkungsvoll wahrnehmen zu können.

Umfang des Einsichtsrechts:
Der genaue Umfang des Einsichtsrechts und seiner Modalitäten ist jedoch nicht festgelegt und auch verfassungsrechtlich nicht geboten. In einem konkreten Fall gewährte die Bußgeldstelle dem Beschwerdeführer Einsicht in die gesamte Verfahrensakte, einschließlich des Messprotokolls, des Messergebnisses, des Eichscheins des eingesetzten Messgerätes und der Bedienungsanleitung des Messgerätes. Weitere Beweismittel wie Rohmessdaten, Videoaufzeichnungen oder der Ausbildungsnachweis des Messbeamten wurden ebenfalls angefordert.

Praktische Umsetzung:
In der Praxis bedeutet dies, dass Betroffene bei Geschwindigkeitsverstößen das Recht haben, Einsicht in alle relevanten Beweismittel zu nehmen, um die Messung überprüfen zu können. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Messung korrekt durchgeführt wurde und die erhobenen Daten zuverlässig sind. Die Bußgeldstelle ist verpflichtet, diese Informationen zur Verfügung zu stellen, soweit sie vorhanden sind und für die Überprüfung der Messung relevant sind.

Betroffene von Geschwindigkeitsverstößen haben ein umfassendes Recht auf Zugang zu Beweismitteln, das durch den Grundsatz der Waffengleichheit und den Anspruch auf rechtliches Gehör gestützt wird. Dieses Recht ermöglicht es ihnen, die Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und sich effektiv gegen den Vorwurf zu verteidigen.


Welche Anforderungen gelten für Beweismittel, damit sie für die Verteidigung relevant sind?

Betroffene von Geschwindigkeitsverstößen haben im Rahmen des Bußgeldverfahrens bestimmte Rechte bezüglich des Zugangs zu Beweismitteln. Diese Rechte sind eng mit dem Grundsatz der Waffengleichheit und dem Anspruch auf rechtliches Gehör verknüpft.

Der Grundsatz der Waffengleichheit ist ein verfahrensrechtlicher Grundsatz, der sicherstellt, dass alle Parteien in einem Verfahren die gleichen Chancen haben, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Interessen zu vertreten. Im deutschen Recht ist dieser Grundsatz Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor Gericht gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Er gilt sowohl im Zivilverfahren als auch im Strafprozess, Verwaltungsprozess und Verwaltungsverfahren.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass Betroffene in Bußgeldverfahren ein Recht auf Zugang zu Beweismitteln haben, die für die Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung erforderlich sind. Dies umfasst auch Daten und Informationen, die nicht Teil der Bußgeldakte sind. Der Beschuldigte hat somit ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen, um seine Rechte wirkungsvoll wahrnehmen zu können.

Damit Beweismittel für die Verteidigung relevant sind, müssen sie bestimmte Anforderungen erfüllen. Es muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Vorwurf bestehen. Das bedeutet, dass die Informationen direkt mit der Geschwindigkeitsmessung und dem konkreten Vorfall in Verbindung stehen müssen. Zudem müssen die Informationen eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufweisen, das heißt, sie müssen geeignet sein, die Richtigkeit der Messung zu überprüfen oder Zweifel an der Korrektheit der Messung zu begründen.

In der Praxis bedeutet dies, dass Betroffene bei Geschwindigkeitsverstößen das Recht haben, Einsicht in alle relevanten Beweismittel zu nehmen, um die Messung überprüfen zu können. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Messung korrekt durchgeführt wurde und die erhobenen Daten zuverlässig sind. Die Bußgeldstelle ist verpflichtet, diese Informationen zur Verfügung zu stellen, soweit sie vorhanden sind und für die Überprüfung der Messung relevant sind.

Betroffene von Geschwindigkeitsverstößen haben ein umfassendes Recht auf Zugang zu Beweismitteln, das durch den Grundsatz der Waffengleichheit und den Anspruch auf rechtliches Gehör gestützt wird. Dieses Recht ermöglicht es ihnen, die Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und sich effektiv gegen den Vorwurf zu verteidigen.


Welche Gründe können einer vollständigen Einsicht in alle Beweismittel entgegenstehen?

Betroffene von Geschwindigkeitsverstößen haben grundsätzlich das Recht auf Einsicht in Beweismittel, um ihre Verteidigung effektiv vorbereiten zu können. Dieses Recht ist jedoch nicht uneingeschränkt und kann durch verschiedene schützenswerte Interessen begrenzt werden.

Ein wesentlicher Grund für die Einschränkung des Einsichtsrechts ist der Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Dies bedeutet, dass die Behörden sicherstellen müssen, dass die ordnungsgemäße Durchführung von Verfahren nicht durch die Einsichtnahme beeinträchtigt wird. Beispielsweise kann die Einsicht in bestimmte Dokumente oder Daten verweigert werden, wenn deren Offenlegung die Integrität des Verfahrens gefährden könnte.

Ein weiterer Grund für die Einschränkung des Einsichtsrechts sind schützenswerte Interessen Dritter. Dies betrifft insbesondere personenbezogene Daten oder vertrauliche Informationen, die nicht ohne weiteres offengelegt werden dürfen. Die Behörden müssen in solchen Fällen eine Abwägung vornehmen, ob die Offenlegung dieser Informationen für die Verteidigung zwingend erforderlich ist oder ob die Interessen der betroffenen Dritten überwiegen.

Auch der unverhältnismäßige Aufwand für die Behörden kann ein legitimer Grund sein, die Einsicht in bestimmte Beweismittel zu verweigern. Wenn die Bereitstellung der angeforderten Informationen einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, der in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für die Verteidigung steht, kann dies eine Einschränkung rechtfertigen.

Schließlich kann die Gefahr von Manipulationsvorwürfen bei veränderbaren Dateiformaten ein Grund sein, die Einsicht in bestimmte digitale Beweismittel zu verweigern. Wenn die Gefahr besteht, dass die Daten nach der Einsichtnahme manipuliert werden könnten, um das Verfahren zu beeinflussen, kann dies eine Einschränkung des Einsichtsrechts rechtfertigen.

Insgesamt müssen die Behörden bei der Entscheidung über die Gewährung von Einsicht in Beweismittel eine sorgfältige Abwägung zwischen den Verteidigungsrechten des Betroffenen und den schützenswerten öffentlichen Belangen vornehmen. Diese Abwägung ist im Einzelfall zu treffen und muss die spezifischen Umstände des jeweiligen Verfahrens berücksichtigen.

 


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 62 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten): Dieser Paragraph regelt das Verfahren zur gerichtlichen Entscheidung bei Ordnungswidrigkeiten. Im vorliegenden Fall stellte der Verteidiger des Betroffenen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG, um die Einsichtnahme in die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe zu erzwingen.
  • § 473 StPO (Strafprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Kostenentscheidung in Strafverfahren. Im konkreten Fall wurde der Betroffene verpflichtet, die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, basierend auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
  • Recht auf faires Verfahren (Art. 6 EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention): Dies impliziert das Prinzip der „Waffengleichheit“, das sicherstellt, dass der Betroffene Zugang zu Beweismitteln hat, um sich effektiv verteidigen zu können. Das Gericht betonte jedoch, dass dieses Recht nicht unbegrenzt ist und insbesondere im Bereich der massenhaft vorkommenden Ordnungswidrigkeiten Einschränkungen unterliegt.
  • Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18: Dieser Beschluss behandelt das allgemeine Recht auf ein faires Verfahren und den Zugang zu Beweismitteln. Im vorliegenden Fall bezieht sich das Gericht auf diesen Beschluss, um die Anforderungen und Grenzen des Zugangsrechts zu erläutern.
  • Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss v. 20.06.2023 – 2 BvR 1167/20: Dieser Beschluss spezifiziert die Rohmessdatenproblematik und das Recht auf Zugang zu diesen Daten. Das Gericht zieht diesen Beschluss heran, um den Umfang des Zugangsrechts und dessen Einschränkungen zu konkretisieren.
  • OLG Dresden, Beschluss v. 11.12.2019 – OLG 23 Ss 709/19 (B): Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden behandelt das Einsichtsrecht in Rohmessdaten und Fotodokumentationen bei Geschwindigkeitsmessungen. Das Gericht verweist auf diesen Beschluss, um zu verdeutlichen, dass das Recht auf Zugang zu Informationen weitergehen kann als die Aufklärungspflicht des Gerichts, jedoch nicht unbegrenzt ist.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Eilenburg

AG Eilenburg – Az.: 8 OWi 253/23 – Beschluss vom 01.08.2023

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufgrund des gerichtlichen Verfahrens hat der Betroffene zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen wurde am 08.05.2023 ein Bußgeldbescheid der Landesdirektion Sachsen (im Folgenden: Verwaltungsbehörde) erlassen, dem der Tatvorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25.01.2023 zugrunde liegt, der mit dem Geschwindigkeitsmessgerät eso ES8.0 festgestellt worden sein soll.

Bereits mit Schriftsatz vom 11.05.2023 hatte der Verteidiger des Betroffenen Einsicht in die vollständige Fotodokumentation der gesamten Messreihe begehrt. Nachdem die Verwaltungsbehörde den Verteidiger (erneut) darauf hingewiesen hatte, dass eine Übersendung der Fotodokumentation der Messreihe nur in Form von digitalen und verschlüsselten Messdateien möglich sei, stellte der Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 15.05.2023 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG, mit dem er die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde begehrt, dem Verteidiger die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe zum Zwecke der Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

Die Verwaltungsbehörde hat diesem Begehren nicht abgeholfen und die Sache mit Verfügung vom 23.05.2023 dem Amtsgericht Eilenburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Der gemäß § 62 OWiG zulässige Antrag ist unbegründet. Dem Betroffenen steht kein Anspruch dahingehend zu, dem Verteidiger die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe zum Zwecke der Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen.

a) Dieser Anspruch ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach fordert ein rechtsstaatliches und faires Verfahren „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten/Betroffenen andererseits. Der Betroffene hat deshalb ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 -; speziell zur Rohmessdatenproblematik jüngst BVerfG, Beschl. v. 20.06.2023 – 2 BvR 1167/20 -, beide juris).

Dieses Begehren auf Informationszugang zu den außerhalb der Bußgeldakte befindlichen und bei der Verwaltungsbehörde vorhandenen Informationen soll einen Betroffenen in die Lage versetzen, sich selbst Gewissheit darüber zu verschaffen, dass sich aus den dem Gericht nicht vorgelegten Inhalten keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben, und um beurteilen zu können, ob Beweisanträge gestellt oder Beweismittel vorgelegt werden sollen. Das aus den aufgezeigten Verteidigungsinteressen eines Betroffenen hervorgehende umfassende Informations- und Einsichtsrecht kann dabei deutlich weitergehen als die Aufklärungspflicht des Gerichts in der Hauptverhandlung (vgl. bereits OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2019 – OLG 23 Ss 709/19 (B) -, BeckRS 2019, 37019).

Dabei gilt jedoch das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten nicht unbegrenzt, weil andernfalls die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs bestünde. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Der Gewährung eines solchen Informationszugangs können zudem gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder auch schützenswerte Interessen Dritter widerstreiten. Auch müssen unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Verfolgungsbehörde und Verteidigung nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden (vgl. BVerfG, a. a. O.).

b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs steht einem Betroffenen zwar ein Einsichtsanspruch in den verschlüsselten Datensatz der kompletten Messserie zu, dem die Verwaltungsbehörde auch im vorliegenden Fall entsprochen hätte. Nicht hingegen kann er die vollständige unverschlüsselte Fotodokumentation der gesamten Messreihe zum Zwecke der Einsichtnahme beanspruchen, da bereits eine Relevanz dieses Einsichtsbegehrens für die Verteidigung nicht erkennbar ist und zudem im Falle der Gewährung die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege in einer nicht vor dem Hintergrund der Waffengleichheit gebotenen Art und Weise beeinträchtigt wäre.

Denn nach der in einem Parallelverfahren eingeholten Auskunft des DEKRA-Sachverständigen R. ist zum einen davon auszugehen, dass es diesem Begehren nicht nur mit Blick auf den Einwand der Manipulation an einer zielführenden Logik fehlt. Der unverschlüsselte Datensatz der Messserie würde nur aus einer Aneinanderreihung von Beweisbildern im JPEG-Format bestehen, was wiederum anders als die verschlüsselte Originaldatei, die als unveränderliches Beweismittel gelten würde, den Einwand der Manipulation hervorbringen würde.

Zum anderen würde dies auch nach Auskunft des Sachverständigen bei der Behörde einen unverhältnismäßigen Aufwand beanspruchen; müsste doch jede einzelne Falldatei der Messreihe einzeln geöffnet und die darin enthaltenen Beweisbilder jeweils als JPEG-Datei zwischengespeichert werden, was gerade bei umfangreichen Messserien einen unvertretbaren Aufwand erfordern würde, zumal die Dateien auch nach Umwandlung für die weitere Bearbeitung nicht mehr als Messreihe zur Verfügung stünden. Gerade mit Blick auf die regelmäßig unproblematisch mögliche Auswertung des verschlüsselten Datensatzes durch einen privat beauftragten Sachverständigen ist das Einsichtsbegehren des Betroffenen nach Auffassung des Gerichts nicht zu rechtfertigen.

Dem Verteidiger bleibt es unbenommen, sich den verschlüsselten Datensatz der kompletten Messserie nach Übersendung eines Datenträgers zuschicken zu lassen. Gründe, warum er diese Möglichkeit nicht nutzt, sondern stattdessen die Verwaltungsbehörde in der Pflicht sieht, einen solchen Aufwand zu betreiben und „uneigentliche Beweismittel“ herzustellen, die sie weder für ihre Ermittlungstätigkeit benötigt noch aus anderen Gründen in Besitz hat, sind weder in hinreichender Form vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

3. Die Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.

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