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Wirksamkeit eines aufgestellten oder angebrachten Verkehrszeichens – Erkennbarkeit

VG Berlin – Az.: 20 L 154.11 – Beschluss vom 22.07.2011

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf unter 300,00 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 21. April 2011 gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 12. April 2011 anzuordnen,

ist nach § 80 Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Im vorliegenden, auf eine summarische Überprüfung beschränkten Verfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vollziehung des Bescheides für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte, mit denen öffentlichen Abgaben oder Kosten angefordert werden, keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann aber nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn dessen Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO unter anderem dann regelmäßig geboten, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen. Dafür muss ein Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wahrscheinlicher sein als ein Misserfolg. Dass der Widerspruch des Antragstellers bzw. eine gegebenenfalls nachfolgende Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird, kann jedoch nicht festgestellt werden. Nach den bisher vorliegenden Unterlagen ist vielmehr überwiegend wahrscheinlich, dass der Widerspruch und eine gegebenenfalls nachfolgende Klage keinen Erfolg haben werden.

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung sind die §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBeitrG) i.V.m. § 1 der Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen – PolBenGebO – in der hier maßgeblichen Fassung der 24. Änderungsverordnung vom 28. Juli 2009 (GVBl. S. 397). Nach Tarifstelle 4.1 a wird für die Umsetzung eines Pkw sonnabends je Einsatzfall eine Gebühr von 125,00 Euro erhoben, sofern sich die Maßnahme gegen die nach §§ 13 und 14 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) Verantwortlichen richtet oder die Gebührenpflicht nach §§ 9, 10 GebBeitrG entstanden ist.

Der Gebührentatbestand ist bei summarischer Prüfung erfüllt. Die Umsetzung richtete sich gegen den Antragsteller als Handlungs- und Zustandsstörer (§§ 13, 14 ASOG). Von seinem Fahrzeug ging im Zeitpunkt der Umsetzung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit (vgl. § 17 Abs. 1 ASOG) aus, da bei summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass der Antragsteller das Fahrzeug verkehrswidrig abgestellt hat. Das vom Antragsteller geführte Fahrzeug parkte ausweislich der im Umsetzungsprotokoll vermerkten Tatbestandsnummer 142236 auf einem Stellplatz, der durch Zeichen 314 und Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol einem Schwerbehinderten ausschließlich zugewiesen war. Die Ausführungen des Antragstellers in der Widerspruchsbegründung lassen ebenfalls darauf schließen, dass ein Zeichen 314 und ein Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol vorhanden waren, weil ein Hinweis des Antragstellers darauf, ein isoliertes Zeichen 314 sei zu niedrig angebracht und daher nicht hinreichend sichtbar gewesen, ebensowenig Sinn ergäbe wie die Aufstellung eines isolierten Zeichens 314 an der betreffenden Stelle. Wenn der entsprechende Stellplatz durch das Verkehrszeichen 314 i.V.m. einem Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol (vgl. jetzt Anlage 3 zu § 42 Abs. 2, dort Nr. 7, Erläuterung 1 d) gekennzeichnet war, war allerdings nach § 39 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 StVO eine Parkerlaubnis für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde begründet und gleichzeitig dem Antragsteller, der nicht über eine entsprechende Parkberechtigung verfügt, das Parken entgegen der auf dem Zusatzschild angezeigten Beschränkung gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO verboten.

Durchgreifende Zweifel an der Wirksamkeit des durch Zeichen 314 und Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol angeordneten Haltverbots für Nichtberechtigte bestehen nicht. Es kommt nicht darauf an, ob der Antragsteller das Verkehrszeichen 314 und das Zusatzschild bereits beim Abstellen des Fahrzeugs tatsächlich gesehen hat. Denn die Wirksamkeit eines ordnungsgemäß aufgestellten oder angebrachten Verkehrszeichens hängt nicht von der subjektiven Kenntnisnahme des davon betroffenen Verkehrsteilnehmers ab (vgl. BVerwG, NJW 1997, 1021; ständige Rechtsprechung des VG Berlin, vgl. etwa NZV 2000, 392).

Unerheblich ist auch, ob das Zeichen 314 und das Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol, wie unter Ziffer III 13 a der Verwaltungsvorschriften zu §§ 39-43 StVO vorgesehen, zwei Meter über Straßenniveau angebracht waren. Denn bei den Aufstellungsanweisungen der Verwaltungsvorschriften handelt es sich um innerdienstliche Weisungen an die Straßenverkehrsbehörden, auf die sich der Verkehrsteilnehmer nicht berufen kann (vgl. auch Jäger in HK-StVR, § 39 StVO Rn. 20). Aufstellungsmängel bei bestehender Erkenn- und Wahrnehmbarkeit des Verkehrszeichens beeinträchtigen dessen Geltung daher nicht (vgl. König in Hentschel-König-Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 41. Auflage 2011, § 39 StVO Rn. 32 m.w.N.; Xanke in Xanke, Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht, § 39 StVO Rn. 40 m.w.N.). Deshalb ist allein entscheidend, ob das Zeichen 314 mit Zusatzschild bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt für den Antragsteller erkennbar war. Das ist hier der Fall. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr geringere Anforderungen zu stellen sind als an die den fließenden Verkehr betreffenden Verkehrszeichen (vgl. etwa OVG Berlin, Beschluss vom 25. Januar 2002 – OVG 5 N 20.01 -). Deshalb unterliegt ein Verkehrsteilnehmer im ruhenden Verkehr erhöhten Sorgfaltspflichten und ist gehalten, sich eingehend nach Verkehrszeichen umzusehen. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass er das Zeichen 314 mit Zusatzschild wahrgenommen hat, als er nach bereits stattgefundener Umsetzung zum Abstellort seines Fahrzeugs zurückkehrte. Hätte der Antragsteller dies entsprechend der ihn treffenden Sorgfaltspflichten bereits unmittelbar nach dem Abstellen des Fahrzeugs und nicht erst nach seiner Rückkehr zum Abstellort getan, hätte er das Haltverbot für Fahrzeuge ohne ausgewiesene Sonderberechtigung für Schwerbehinderte erkennen können.

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller zumindest im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ein, es habe eine Fahrbahnmarkierung gefehlt. Denn die Wirksamkeit des durch Zeichen 314 in Verbindung mit einem Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol angeordneten Verbots für Nichtberechtigte, an der Schwerbehinderten mit entsprechender Berechtigung vorbehaltenen Stelle zu parken, hängt nicht grundsätzlich vom Vorhandensein einer Fahrbahnmarkierung ab. Allerdings muss die Regelung so getroffen sein, dass eine eindeutige Zuordnung des Abstellortes zum vorhandenen Zeichen 314 mit Zusatzschild gegeben ist. Für eine solche Zuordnungsmöglichkeit spricht die Angabe der Tatbestandsnummer 142236 im Umsetzungsprotokoll, dem als öffentliche Urkunde ein erhöhter Beweiswert zukommt. Vor diesem Hintergrund ist bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass eine Zuordnungsmöglichkeit tatsächlich bestand. Allerdings wird der Polizeibeamte im Widerspruchsverfahren, nachdem inzwischen eine Widerspruchsbegründung vorliegt, noch zu einer Gegenäußerung aufzufordern sein, bei der er vor allem zur Frage einer vorhandenen Fahrbahnmarkierung und zur Zuordnungsmöglichkeit der vorhandenen und wirksamen Beschilderung mit Zeichen 314 und Zusatzschild mit Rollstuhlfahrersymbol wird Stellung nehmen müssen. Der insoweit noch bestehende Aufklärungsbedarf geht zu Lasten des Antragstellers, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur bei einer überwiegenden Erfolgsaussicht des Widerspruchs in Betracht kommt, die beim gegenwärtigen Stand auf Grundlage des Umsetzungsprotokolls, der sonstigen Aktenbestandteile und des bisherigen Vortrags des Antragstellers gerade nicht gegeben ist.

Die Anordnung der Umsetzung war schließlich im Falle eines Verstoßes gegen Verkehrsvorschriften zur Beseitigung dieses Verstoßes erforderlich und nicht unverhältnismäßig (vgl. §§ 17 Abs. 1, 15 Abs. 1, 11 Abs. 1 ASOG). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – OVG 1 N 168.05 -), dass ein Fahrzeug von einem Sonderparkplatz für Behinderte schon dann umgesetzt werden kann, wenn es (noch) niemanden konkret behindert. Denn diese Parkplätze können ihre Funktion nur dann zuverlässig erfüllen, wenn sie dauerhaft von unberechtigt dort Parkenden freigehalten werden.

Dafür, dass die Vollziehung für den Antragsteller im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist nichts ersichtlich. Im Übrigen wird auf die Möglichkeit der Ratenzahlung und die weiteren in § 19 GebBeitrG vorgesehenen Maßnahmen hingewiesen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes.

 

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