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Wann wird ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzt und liegt ein unerlaubtes Halten vor?

AG Magdeburg, Az.: 50 OWi 778 Js 10941/17 (299/17), Urteil vom 14.06.2017

Gegen den Betroffenen wird wegen einer Ordnungswidrigkeit –

1. Fahrlässiges Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften.

2. Vorsätzliches Benutzen eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs entgegen eines Verbots – eine Gesamtgeldbuße in Höhe von 70,00 Euro festgesetzt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 19 OWiG, 41 Abs. 1, 23 Abs. 1a, 49 StVO, § 24 StVG, Nr. 11.3.2, Nr. 246.1 BKat.

Gründe

I.

Wann wird ein Mobiltelefon verbotswidrig benutzt und liegt ein unerlaubtes Halten vor? width=
Symbolfoto: DedMityay/ Bigstock

Mit Bescheid vom 05. Januar 2017 der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt (Bl. 21, 22 d.A.) wird dem Betroffenen vorgeworfen, zum einen die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 15 km/h bei zugelassenen 80 km/h überschritten zu haben und zum anderen als Führer eines Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon benutzt zu haben, indem er am 26. Oktober 2016 um 19.55 Uhr in Magdeburg auf dem Magdeburger Ring in Höhe des McDonalds in Richtung Halberstadt das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen-XXX gefahren habe.

Gegen den ihm am 10. Januar 2017 zugestellten Bescheid ließ der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch einlegen.

II.

Der Einspruch des Betroffenen ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Beweisaufnahme hat den Vorwurf gegen den Betroffenen bestätigt. Zur vollen richterlichen Überzeugung steht fest, dass der Betroffene zum einen die Geschwindigkeit überschritten (dazu unter 1.) und zum anderen verbotswidrig ein Mobiltelefon während der Fahrt benutzt hat (dazu unter 2.).

1. Der Betroffene hat fahrlässig die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 15 km/h überschritten.

Die Identität des Betroffenen steht zweifelsfrei fest. Mit Schriftsatz vom 08. Juni 2017 hat der Verteidiger des Betroffenen erklärt, dass die Fahrereigenschaft „nicht länger bestritten“ werde (Bl. 74 d.A.). Das Gericht kann diese Erklärung nur dahingehend deuten, dass damit die Fahrereigenschaft eingeräumt wird. Jedes andere Verständnis ist ausgeschlossen.

Der Betroffene wurde – unter Abzug einer Toleranz von 3 km/h – mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 15 km/h in einem standardisierten Messverfahren festgestellt. Das Gericht sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein standardisiertes Messverfahren nicht vorgelegen habe. Vielmehr ist anzunehmen, dass eine Umgebung vorgelegen hat, die unter gleichbleibenden Bedingungen gleiche Ergebnisse verspricht.

Das Gericht hat den Zeugen L. vernommen, der glaubhafte Angaben gemacht hat und glaubwürdig ist. Der Zeuge hatte zwar keine Erinnerung mehr an den konkreten Messvorgang, hat aber eindrucksvoll den generellen Ablauf einer Messung geschildert, und zwar so, wie er stets und ständig Messungen mit dem Messgerät PoliScan Speed durchführe. Konkreten Vortrag dazu, was am Messvorgang und am Messergebnis fehlerhaft sein solle, bleibt der Betroffene auch schuldig, so dass das Gericht die Beweisaufnahme auf die notwendigen Feststellungen beschränken konnte und nicht auf fernliegende Umstände zu erstrecken brauchte.

Der Zeuge L. hat den Geräteaufbau detailliert geschildert. Fehler lassen sich nicht erkennen. Der Untergrund war fest, die Ausrichtung entsprach den Vorgaben. Der Zeuge hat auch eine fehlerfreie Bedienung des Geräts geschildert, das die Messung nach Einrichtung automatisiert durchgeführt hat. Da das Gerät im Zeitpunkt der Messung geeicht gewesen war und Anhaltspunkte für technische Veränderungen oder Fehler des Geräts nicht erkennbar waren, kam mit einer festgestellten Geschwindigkeitswert von 98 km/h (Bl. 31 d.A. – ohne Toleranzabzug) ein verwertbarer Messwert zustande. Insbesondere der Auswerterahmen deutet auf eine fehlerfreie Messung hin. Innerhalb des Rahmens befindet sich kein zweites Fahrzeug, die untere Kante des Rahmens liegt unterhalb der tiefsten Fahrzeugstelle, was den Vorgaben des Geräteherstellers entspricht und die Messung verwertbar macht.

„Ins Blaue hinein“ brauchte das Gericht die Beweisaufnahme auch nicht zu erstrecken. Es wäre Sache des Betroffenen oder des Verteidigers gewesen, konkrete Zweifel aufzuzeigen. Das ist nicht erfolgt.

2. Der Betroffene hat als Fahrer eines Kraftfahrzeugs darüber hinaus verbotswidrig ein Mobiltelefon benutzt. Die Feststellung beruht auf einer Inaugenscheinnahme des Messfotos (Bl. 31 bis 33 sowie Bl. 1 bis 2 d.A.). In allen Fällen handelt es sich um ein- und dasselbe Foto, das unterschiedlich aufgehellt und für die Akte ausgedruckt ist. Klar und deutlich ist auf allen Ausdrucken des Messfotos zu erkennen, dass der Betroffene ein Mobiltelefon am Ohr hält und ein Mobiltelefon „benutzt“. Insbesondere das obere Foto auf Bl. 1 d.A. lässt diese Erkenntnis zu. Der am Ohr gehaltene Gegenstand hat die Form eines handelsüblichen Smartphones. Auch ist eine typischerweise mittig angeordnete Ladebuchse zu erkennen. Es ist deshalb ausgeschlossen, dass es sich um einen anderen Gegenstand als ein Mobiltelefon gehandelt hat. Für ein Mobiltelefon spricht auch die Art der Lagerung des Gegenstands in der linken Hand. Es gibt keinen Gegenstand, der in gleicher Weise gelagert wird.

Dieses Telefon wird von dem Betroffenen im Zeitpunkt der Fotografie auch „benutzt“, indem der Betroffene das Telefon in einer „telefoniertypischen Haltung“ nah am Ort hält. Man mag darüber streiten, ob das bloße Halten eines Mobiltelefons bereits den Bußgeldtatbestand aus Nr. 246.1 der Anlage zum BKat erfüllt. Im vorliegenden Fall ist die Frage eindeutig zu bejahen. Denn das Halten erfolgte hier nicht unabhängig vom Körper des Betroffenen und in einem gewissen Abstand zwischen dem Gegenstand und dem Körper des Betroffenen. Die Art und Weise des Haltens offenbart, dass der Betroffene tatsächlich ein Telefon gebraucht – entweder, weil er zu einem Anrufer spricht oder einem Anrufer zuhört, oder weil er beabsichtigt, zu einem Anrufer zu sprechen oder einem Anrufer zuzuhören. Sprechbewegungen der Lippen sind nicht zu erkennen, aber auch nicht erforderlich, um bereits die Benutzung eines Telefons anzunehmen. In beiden aufgezeigten Varianten ist die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt, so dass dem gesetzgeberischen Zweck des Bußgeldtatbestands zuwider gehandelt wird. Telefonate leben nicht nur von dem Austausch von Textbeiträgen, sondern auch von Pausen, in denen ein Anrufer schweigt und nur der andere Anrufer spricht. Selbst während des Sprechvorgangs gibt es Sprechpausen des Sprechenden, die üblicherweise zum Atmen oder zum Fassen eines Gedankens eingesetzt werden. Es ist deshalb völlig naheliegend, dass eine Fotografie als Momentaufnahme genau diesen und keinen anderen Teil des Telefonats dokumentiert. Ob der Betroffene tatsächlich gesprochen oder nur den Worten eines Dritten zugehört hat, ist nicht von Belang. Eine Ablenkung kann bereits eintreten, wenn beides nur in Aussicht steht, also etwa die Telefonnummer eines Dritten angewählt ist und erwartet wird, dieser möge das ausgelöste Telefonat annehmen. Dass mindestens eine solche Situation vorgelegen hat, erklärt sich nach dem Messfoto von selbst. Jedes andere Verständnis der auf dem Messfoto abgebildeten Situation wäre lebensfremd. Eine systemwidrige Analogie zulasten des Betroffenen ist in diesem Verständnis nicht zu sehen, denn diese Art des Telefongebrauchs ist vom Wortlaut des Bußgeldtatbestands zweifelsfrei gedeckt. Die Benutzung des Telefons ist ein vielschichtiger Vorgang, der sich nicht auf das bloße Sprechen oder Hören reduziert. Pausen und Zeitabschnitte physischer Untätigkeit zählen dazu.

III.

Der Betroffene hat deshalb zum einen den Regeltatbestand aus Nr. 11.3.2 der Anlage zum BKat sowie den Tatbestand aus Nr. 246.1 BKat erfüllt. Das Gesetz sieht im erstgenannten Fall eine Geldbuße über 20,00 Euro und im letztgenannten Fall eine Geldbuße über 60,00 Euro vor. Aus beiden Sanktionen war – nach § 19 OWiG – eine Gesamtgeldbuße über 70,00 Euro zu bilden, die hier auch angemessen ist. Anhaltspunkte, zugunsten des Betroffenen von dem jeweiligen Regeltatbestand abzuweichen, ergeben sich nicht. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht vorgetragen. Das Gericht geht schließlich auch davon aus, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung nur fahrlässig und den Telefonverstoß vorsätzlich begangen hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 465 StPO.

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