KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 32/18 – 122 Ss 193/17 – Beschluss vom 07.02.2018
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 11. Oktober 2017 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat die Betroffene wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 31 Abs. 2, 69a (zu ergänzen: Abs. 5 Nr. 3) StVZO, § 24 (zu ergänzen: Abs. 1) StVG, (zu ergänzen: § 1 Abs. 1 BKatV i.V.m. der Anlage (zu § 1 Abs. 1 BKatV) Abschnitt I lfd. Nr.) 189.2.1 BKatV (richtig: BKat) zu einer Geldbuße von 270,00 Euro verurteilt.
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird, hat (vorläufigen) Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:
„Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
Sie dringt bereits mit der Sachrüge durch, so dass es einer Erörterung der Verfahrensrügen nicht bedarf.
1. Der Schuldspruch wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 31 Abs. 2 StVZO hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall der Rechtsbegriff des Halters durch eine nähere Darstellung tatsächlicher Vorgänge auszufüllen gewesen wäre (vgl. insoweit zu § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG: KG Beschluss vom 25. Juli 2017 – 6 – 32/17 -; ebenfalls offengelassen: KG Beschluss vom 3. Januar 2014 – 3 – 177/13 -) oder ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, weil die Haltereigenschaft der Betroffenen durch ihren rechtskundigen Verteidiger, der gemäß § 73 Abs. 3 OWiG befugt war, die Betroffene auch in der Erklärung zu vertreten (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, 17. Aufl., § 73 Rdnr. 27), eingeräumt wurde. Denn die Feststellungen sind insoweit lückenhaft, als sich aus ihnen nicht ergibt, dass die Betroffene fahrlässig die Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Zeugen … zugelassen hat. Den Feststellungen ist lediglich zu entnehmen, dass der Zeuge … mit dem Fahrzeug fuhr, nicht jedoch, wie er in dessen Besitz gelangt ist und durch welche Handlung oder Unterlassung die Betroffene hierfür verantwortlich war. Sofern der Zeuge das Fahrzeug längerfristig allein nutzte, wofür dessen festgestellte Bekundung sprechen könnte, dass die Servolenkung an dem Fahrzeug bereits seit Jahren ohne Funktion gewesen sei, wäre die Betroffene im Übrigen nur dann für die Mängel verantwortlich, wenn sie ohne die Möglichkeit zwischenzeitlicher Kontrolle – wogegen allerdings wiederum spricht, dass der Zeuge … ihr Lebensgefährte ist – mit der Weiterbenutzung ohne Behebung der Mängel rechnen musste (vgl. BayObLG NZV 1990, 442).
Soweit es die festgestellten Mängel betrifft, ist dem Urteil nicht eindeutig zu entnehmen, ob das Amtsgericht sämtliche von dem Sachverständigen Vocks festgestellten Mängel dem Schuldspruch zugrunde gelegt hat und inwieweit sich das Fahrzeug dadurch in einem nicht vorschriftsmäßigen Zustand befand. Die defekte Servolenkung, die das Fahrzeug kaum lenkbar machte, unterfällt zwar § 38 Abs. 1 Satz 2 StVZO und das zu früh einrastende Lenkradschloss § 38a StVZO, weil es nicht der Richtlinie 74/61/EWG (Anhang 5.8.) entspricht. Ob das unsachgemäß befestigte Bremsseil, die mangelhaften Bremsscheiben und der funktionsunfähige Bremskraftregler indes einen Verstoß gegen § 41 StVZO darstellen oder § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO unterfallen, was eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit aufgrund des Mangels voraussetzen würde (vgl. KG VRS 111, 449 ff.), lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der ausgeschlagenen Traggelenke links und rechts am Fahrwerk.
2. Soweit es den Rechtsfolgenausspruch betrifft, ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Lastkraftwagen handelt und hat daher die Höhe der Geldbuße von 270,00 Euro nach Nr. 189.2.1 BKat bemessen. Ob es sich bei dem Fahrzeug tatsächlich um einen Lastkraftwagen handelt, ist den Feststellungen jedoch nicht zu entnehmen. Die Straßenverkehrsordnung enthält trotz mehrfacher Verwendung des Begriffs Lastkraftwagen keine allgemeingültige Definition dieser Fahrzeugart. Es erscheint jedoch sachgerecht für die Unterscheidung von Personenkraftwagen und Lastkraftwagen auf die gesetzliche Legaldefinition in § 4 Abs. 4 PBefG zurückzugreifen, die an die Bauart, Ausstattung und Einrichtung des Fahrzeugs anknüpft, weil diese Merkmale die Zweckbestimmung des Fahrzeugs entscheidend prägen. Als Lastkraftwagen werden in § 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG Kraftfahrzeuge bezeichnet, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Lastkraftwagen im Sinne der Straßenverkehrsordnung sind daher solche Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung fremden, d.h. nicht nur der Funktion des Fahrzeuges dienenden Transportgutes bestimmt und geeignet sind. Dem zulassungsrechtlichen Status eines Fahrzeugs als Personenkraftwagen oder Lastkraftwagen und seiner Bezeichnung in den Fahrzeugpapieren (Betriebserlaubnis, Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein) kommt bei der Frage nach der straßenverkehrsordnungsrechtlichen Einstufung hingegen keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. KG Beschluss vom 11. Dezember 2012 – 3 Ws (B) 645/12 -). Den Feststellungen ist lediglich zu entnehmen, dass es sich um einen Kleintransporter Peugeot bis 3,5 Tonnen handelte, nicht jedoch ob dieser auch zur Beförderung fremden Transportgutes bestimmt war.“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an, hebt das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurück.