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Vorsatz bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

AG Schwelm – Az.: 60 OWi 679/17 – Urteil vom 14.12.2017

Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 240,00 EUR verurteilt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 3 Abs. III, 41 Zeichen 274, 49 StVO; 24 StVG; 3 Abs. 4a BKatV.

Gründe

I.

Der am ….1988 geborene Betroffene ist ausweislich der im Hauptverhandlungstermin verlesenen Auskunft aus dem Verkehrszentralregister nicht einschlägig vorbelastet.

II.

Am 10.05.2017 gegen 13:40 Uhr befuhr der Betroffene mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … die BAB 1 in Höhe Schwelm in Fahrtrichtung Köln. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war dort wie folgt geregelt:

km 362,800 Zulauf von der A 43 und A 46 kommend (AK Wuppertal Nord)

km 363,700 VZ 101 StVO, Brückenschäden km 363,800

VZ 274 StVO, 120 km/h, beidseitig km 364,000

VZ 274 StVO, 120 km/h, beidseitig km 364,600

VZ 274 StVO, 100 km/h, beidseitig km 364,700 Hinweis Fahrbahnverschwenkung 600m

2. & 3. Fahrstreifen für Fahrzeuge mit einem zGG bis 3,5t gesperrt km 364,795

VZ 274 StVO, 100 km/h, beidseitig km 364,900 Hinweis Fahrbahnverschwenkung 400m 2. & 3. Fahrstreifen für Fahrzeuge mit einem zGG bis 3,5t gesperrt km 364,990

VZ 274 StVO, 80 km/h, beidseitig km 365,000 Hinweis Fahrbahnverschwenkung 200m 2. & 3. Fahrstreifen für Fahrzeuge mit einem zGG bis 3,5t gesperrt

In Höhe Kilometer 365,390 wurde der Betroffene durch den Zeugen O mittels eines Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes des Herstellers Vitronic Bildverarbeitungssysteme GmbH des Typs Poliscan Speed mit der Gerätenummer 643142 und der Softwareversion 1.5.5 mit einer Geschwindigkeit von 118 km/h gemessen. Abzüglich eines Toleranzwertes von 4 km/h ergibt sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 114 km/h.

III.

1.

Der Betroffene hat über seine Verteidigerin eingeräumt, das Fahrzeug zur Tatzeit geführt zu haben.

2.

Auch die Geschwindigkeitsüberschreitung steht nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung zur Überzeugung des Gerichts fest. Die gemessene Geschwindigkeit von 118 km/h folgt aus der im Hauptverhandlungstermin auszugsweise verlesenen Bildoberzeile auf dem Beweisfoto mit Fallprotokoll. Auf dem Beweisfoto, welches im Hauptverhandlungstermin in Augenschein genommen wurde, lässt sich die Zuordnung des Fahrzeuges erkennen. Voraussetzung für eine korrekte Zuordnung des abgebildeten Fahrzeuges ist, dass sich der rechteckige Messrahmen auf dem Fahrzeug befindet, zumindest ein Teil des Kennzeichens oder ein Teil eines der Vorderräder im Messrahmen enthalten sind, die Unterkante des Messrahmens erkennbar unter der Radaufstandsfläche liegt und sich in gleicher Fahrtrichtung kein weiteres Fahrzeug innerhalb des Auswerterahmens befindet. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Schließlich weist die horizontale Prüflinie eine Breite auf, welche in etwa der Breite des Kennzeichens entspricht.

Die Messung ist vorliegend auch ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dies folgt aus dem im Hauptverhandlungstermin als Ersetzung der Aussage des Zeugen O gemäß § 256 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verlesenen Messprotokoll. Der Zeuge führte demnach eine Linksmessung des ankommenden Verkehrs durch. Das Messgerät wurde nach den Vorgaben der Bedienungsanleitung aufgebaut und bedient, ein fehlerfreier Selbsttest wurde durchgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Messprotokoll, Blatt 2 der Akte, Bezug genommen. Da die Verlesung des Messprotokolls nach diesen Vorschriften nicht der Zustimmung des Betroffenen bedarf, war auch der gegen die Verlesung gerichtete, unsubstantiierte Widerspruch unbeachtlich. Auch einer Aussetzung des Verfahrens um „den Hauptbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“ bedurfte es nicht. Der Betroffene war durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten. Die Stellungnahme war diesem zu jeder Zeit möglich, was sich bereits in dem erklärten Widerspruch und dem gestellten Aussetzungsantrag zeigt.

Dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens „zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene allenfalls eine Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren ist“, war nicht nachzugehen. Die inhaltliche Begründung des Antrages enthält keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung im Einzelfall, sondern beschränkt sich darauf, einen vermeintlichen „Verstoß“ des Gerätes gegen die Bauartzulassung dergestalt zu behaupten, das Messgerät ermittele die Geschwindigkeitswerte außerhalb des „zugelassenen“ Messbereichs. Ausweislich der im Internet auf der öffentlich einsehbaren Homepage der Zulassungsbehörde PTB unter http://dx.doi.org/10.7795/520.20161209A abrufbaren, mithin allgemeinbekannten Stellungnahme derselben gewährleistet die technische Ausführung des Messgerätes, dass sich das gemessene Fahrzeug während der gesamten Messung jedenfalls teilweise im angegebenen Messbereich befindet, wenn auch aufgrund der naturgemäß nicht flachen, sondern abgeschrägten Fahrzeugfront auch Punkte angemessen werden können, die im Einzelfall noch in größerer oder schon in geringerer Entfernung befinden, ohne dass dies einen negativen Einfluss auf die Richtigkeit des Messergebnisses haben könnte.

Der Standort der Verkehrszeichen folgt aus der Dienstanweisung, Blatt 5f. der Akte und ist zudem, worauf in der Hauptverhandlung hingewiesen wurde, aus eigener Anschauung gerichtsbekannt. Ausweislich des Messprotokolls wurden der Standort wie auch die Sichtbarkeit der Verkehrszeichen vor und nach der Messung durch den Messbeamten kontrolliert.

3.

Vor diesem Hintergrund steht auch die vorsätzliche Begehungsweise zur Überzeugung des Gerichts fest. Das Gericht hält es vorliegend für ausgeschlossen, dass der Betroffene die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Im Hinblick darauf, dass im Vorfeld ein Geschwindigkeitstrichter dergestalt eingerichtet war, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit über nahezu zwei Kilometer zunächst durch zwei jeweils beidseitig aufgestellte Verkehrszeichenpaare auf 120 km/h, dann durch zwei , jeweils beidseitig aufgestellte Verkehrszeichenpaare auf 100 km/h, und schließlich durch ein beidseitig aufgestelltes Verkehrszeichenpaar auf 80 km/h reduziert wurde, der Betroffene bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 114 km/h also jedenfalls die letzten drei hintereinander beidseitig und von weitem gut sichtbar aufgestellten Verkehrszeichenpaare hätte übersehen haben müssen, erscheint es schlechterdings unmöglich, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkungen in Gänze nicht wahrgenommen hat, sofern er diese nicht ganz bewusst, mithin absichtlich übersehen, die Überschreitung also billigend in Kauf genommen hätte. Dem Gericht sind die örtlichen Verhältnisse aus eigener Anschauung bekannt, die Verkehrszeichen waren tatsächlich von weitem gut sichtbar aufgestellt und nicht zu übersehen, zumal zwischen den Verkehrszeichen 274 noch weitere Verkehrszeichen aufgestellt waren, die auf eine kommende Fahrbahnverschwenkung hinweisen.

Ebenfalls ausgeschlossen ist, dass der Betroffene sich seiner gefahrenen Geschwindigkeit nicht bewusst war. Dies folgt daraus, dass bei der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit im Vergleich zu gefahrenen 80 km/h zum einen erheblich höhere Fahrgeräusche auftreten, zum anderen sich die Landschaft mit erheblich höherer Geschwindigkeit verändert. Dies gilt insbesondere auch für die Geschwindigkeit der am Fahrzeug in großer Zahl vorbeiziehenden Warnbaken und Verkehrszeichen.

Das Gericht ist auch nicht durch die durch den Verteidiger erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen an der Annahme vorsätzlicher Begehungsweise gehindert.

Insoweit steht zunächst zu bedenken, dass die erklärte Rechtsmittelbeschränkung insoweit widersprüchlich ist, als zwar durch eine Beschränkung des Rechtsmittels der Tatvorwurf rechtskräftig würde, der Verteidiger aber gleichwohl nicht die Verurteilung zu der Regelbuße, sondern den Freispruch des Betroffenen beantragt hat. Ein Freispruch ist indes nur möglich, wenn dem Betroffenen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keine Ordnungswidrigkeit (mehr) zur Last gelegt werden kann. Auch wurde für den Fall der Wirksamkeit der Beschränkung kein Hilfsantrag gestellt. Da eine erklärte Rechtsmittelbeschränkung in sich widerspruchsfrei und unmissverständlich sein muss (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.03.2016, 2 Ss-OWi 52/16, zitiert nach BeckOnline), ist die Beschränkung unbeachtlich.

Darüber hinaus wäre die Beschränkung aber auch für den Fall, dass sie unmissverständlich und widerspruchsfrei erklärt worden wäre, unwirksam. Denn die Beschränkung eines Rechtsmittels ist nur auf diejenigen Beschwerdepunkte möglich, die losgelöst von den übrigen Punkten betrachtet und entschieden werden können. (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.) Die Schuldform kann vorliegend jedoch nicht ohne weiteres losgelöst von den Rechtsfolgen betrachtet werden. Bei einem Geschwindigkeitsverstoß, der so hoch ist, dass der sogenannte doppelte Vorsatz, d.h. der Vorsatz bezogen auf die Geschwindigkeitsbeschränkung und die danach folgende vorsätzliche Entscheidung, diese zu missachten, mehr als naheliegt, ist die daraus folgende Bewertung für die Rechtsfolgenseite in aller Regel (und so auch hier) zwingend (OLG Frankfurt, a.a.O.).

IV.

Mit der unter Ziffer II. genannten Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit gemäß den §§ 41 Zeichen 274, 49 StVO, 24 StVG verwirklicht. Gemäß der Tatbestandsnummer 141 723 des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs ist diese Ordnungswidrigkeit mit einer Regelbuße von 120,00 EUR zu ahnden, die im Falle vorsätzlicher Begehungsweise regelmäßig zu verdoppeln ist. Vorliegend sind keine Umstände erkennbar geworden, die ein Abweichen von dieser Regelbuße in die eine oder andere Richtung erforderlich gemacht hätten. Insbesondere stehen die Vermögensverhältnisse der Betroffenen der Verhängung einer Geldbuße in der vorgenannten Höhe nicht entgegen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

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