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Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis – Nichteignung zur Fahrzeugführung

Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 3 B 21/18 – Beschluss vom 12.07.2018

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 19. Dezember 2017 – 1 L 922/17 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis wiederherzustellen. Die innerhalb der Beschwerdegründungsfrist dargelegten Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung zugunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. August 2017 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtmäßigkeit der Verfügung der Antragsgegnerin auszugehen, mit welcher ihm die Fahrerlaubnis der Klassen A, C, CE entzogen wurde.

Der Widerspruch des Antragstellers und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage dürften ohne Erfolg bleiben. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie hat dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, C und CE zu Recht entzogen, da dieser derzeit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht. Zu Recht hat es ausgeführt, die Nichteignung des Antragstellers folge aus dem Umstand, dass er noch vor Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis am 6. April 2017 und keine zwei Wochen nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung seiner Fahreignung am 28. Februar 2017 bereits am 10. März 2017 ein Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis geführt hat. Hierdurch hat er die positive Aussage des Gutachtens zu einer charakterlichen Eignung für die Führung von Kraftfahrzeugen wiederlegt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zutreffend – wie auch schon die Antragsgegnerin in ihrem angefochtenen Bescheid – darauf abgestellt, dass in dem Gutachten die Deliktart „vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis“ als charakteristisch für die grundsätzliche Einstellung eines Menschen zur Verkehrssicherheit bezeichnet wurde. Die Annahme des Gutachtens, beim Antragsteller liege eine Einstellungs- und Verhaltensänderung vor, sei ersichtlich falsch, da der Antragsteller noch vor der schriftlichen Abfassung des Gutachtens bereits wieder ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Diese zutreffenden Ausführungen kann der Antragsteller nicht mit seinem Vorbringen in Frage stellen, es habe sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt, bei dem aufgrund der nachfolgenden Erteilung einer Fahrerlaubnis zudem keine Wiederholungsgefahr bestanden habe. Hierbei setzt er sich schon nicht mit der entscheidungstragenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die Deliktsart „vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis“ als charakteristisch für die grundsätzliche Einstellung eines Menschen zur Verkehrssicherheit anzusehen sei, so dass aufgrund des erneuten Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Vorschriften nicht von einer Einstellungs- und Verhaltensänderung des Antragstellers ausgegangen werden könne.

Im Weiteren hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Antragsgegnerin sei auch nicht wegen einer sich aus § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG ergebenden Bindung an den Strafbefehl des Amtsgerichts E… vom 7. August 2017, welcher mit Urteil des Amtsgerichts E… vom 19. Oktober 2017 rechtskräftig wurde, an einer Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers gehindert. Weder der Strafbefehl des Amtsgerichts E… vom 7. August 2017, noch das Urteil vom 19. Oktober 2017 entfalteten im Hinblick auf die Feststellung der Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen eine entgegenstehende Bindungswirkung. Feststellungen dazu, dass vom Antragsteller als Kraftfahrer keine Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr mehr ausgehe, enthielten diese Entscheidungen nicht und ließen sich insbesondere nicht aus deren Begründung ableiten. Hieran ändere sich nichts durch den Umstand, dass dem Strafbefehl vom 7. August 2017 ein Antrag der Staatsanwaltschaft vorausgegangen sei, der noch den Entzug der Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB vorgesehen habe. Gleiches gelte für den Vermerk des Amtsgerichts vom 24. Juli 2017: „Auch wenn der Angeschuldigte einschlägig vorbestraft ist, hält das Gericht die Maßregel nicht für angemessen, insbesondere weil keine Katalogstraftat vorliegt“. Denn aus dem Verzicht auf die Verhängung einer solchen Maßregel im anschließend ergangenen Strafbefehl vom 7. August 2017 folge ohne ausdrückliche Angabe der dafür ausschlaggebenden Gründen nicht, dass für den unterschiedlichen Rechtsfolgeausspruch die Auffassung des Amtsgerichts maßgeblich gewesen sei, der Antragsteller sei als fahrgeeignet anzusehen. Die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG lasse sich nur rechtfertigen, wenn die Behörde den schriftlichen Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen könne, dass überhaupt und mit welchem konkreten schriftlich festgelegten Ergebnis das Strafgericht die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beurteilt habe.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen verkennt das Verwaltungsgericht hierbei nicht, dass für den Umfang der Bindung nicht nur die schriftliche Begründung des Urteils, sondern auch der Strafbefehl oder des den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ablehnenden Beschlusses maßgebend sei. Sinngemäß führt der Antragsteller in diesem Zusammenhang aus, es komme für die Feststellung einer Bindungswirkung nicht nur auf die Urteilsbegründung, sondern vielmehr auf die „Gesamtumstände“ an. Im Verfahren zur Hauptsache werde zu berücksichtigen ein, dass dort auch eine weitere Beweiserhebung durch Anhörung der erkennenden Strafrichterin möglich sei.

Mit diesem Vorbringen dringt er nicht durch. Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht (§ 3 Abs. 4 Satz 1 StVG). Weder der Strafbefehl vom 7. August 2017, noch das Strafurteil vom 19. Oktober 2017, welches nur die Höhe der Tagessätze änderte und im Übrigen in den Entscheidungsgründen feststellt, dass der Strafbefehl vom 7. August 2017 in Rechtskraft erwachsen sei, entfalten eine derartige Bindungswirkung.

Mit § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG soll die sowohl dem Strafrichter – durch § 69 StGB – als auch der Verwaltungsbehörde – durch § 4 Abs. 1 StVG – eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass erstens überflüssige und aufwändige Doppelprüfungen unterbleiben und dass zweitens die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der grundsätzliche Vorrang der strafrichterlichen vor der verwaltungsbehördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Die Fahrerlaubnisbehörde ist an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung jedoch nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn sie von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Fehlt es an solchen Feststellungen, tritt eine Bindung nicht ein mit der Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde eigene Feststellungen zur Fahreignung treffen kann. Daher ist der Strafrichter nach § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO zu einer besonderen Begründung verpflichtet. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB nicht angeordnet worden, müssen die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO nämlich stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist. § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO ist vom Strafrichter als Verfahrensvorschrift zwingend zu beachtenden (SächsOVG, Beschl. v. 2. Juli 2017 – 3 B 95/17 -, juris Rn. 13 m. w. N.; OVG NRW, Beschl. v. 13. Juni 2018 – 16 B 1402/17 -, juris Rn. 4 m. w. N.).

Davon ausgehend war die Antragsgegnerin nicht gehindert, die Nichteignung des Antragstellers festzustellen. Weder der Strafbefehl vom 7. August 2017, noch das Urteil vom 19. Oktober 2017 entfalten im Hinblick auf diese Feststellung eine entgegenstehende Bindungswirkung, da beide selbst keinerlei Feststellungen zur Fahreignung des Antragstellers enthalten. Wie bereits ausgeführt, verweist die gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Begründung des Urteils im Wesentlichen auf den Strafbefehl, ohne Aussagen zur Fahreignung des Antragstellers zu treffen. Auch der Strafbefehl enthält keine Aussagen zu seiner Fahreignung.

Sollte die Strafrichterin tatsächlich der Ansicht gewesen sein, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen (wieder) geeignet ist, wäre sie nach § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO zu einer entsprechenden Begründung im Strafurteil verpflichtet gewesen, da die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers i. S. v. § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO in Betracht kam. Ob eine Entziehung in Betracht kommt, ist im Wege einer auf den Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens abstellenden Prognose zu beurteilen (Dauer, a. a. O. § 3 StVG Rn. 47 m. w. N.). Dies ist in den Entscheidungsgründen ersichtlich nicht geschehen.

Kommt es für eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG gemäß § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO maßgeblich auf die Feststellungen im Urteil zur Fahreignung an, ist der Inhalt der Sitzungsniederschrift des Strafverfahrens oder Aktenvermerke des Strafrichters nicht von Belang.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt im Übrigen der Streitwertsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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