OLG Frankfurt – Az.: 2 Ss-OWi 1228/20 – Beschluss vom 03.02.2021
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Idstein vom 3. Juli 2020 dahingehend abgeändert wird, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich erfolgte.
Gründe
Auf die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde war lediglich der Urteilstenor des amtsgerichtlichen Urteils abzuändern. Im Übrigen war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf das Rechtsbeschwerdevorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
Die Begehungsform war nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf vorsätzlich zu ändern, da das Amtsgericht alle Tatsachen festgestellt hat, die den Vorsatz begründen.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war am XX.XX.2019 um 10:37 Uhr auf der von dem Betroffenen befahrenen Bundesautobahn … in Höhe der Gemeinde1 unter Hinweis auf eine Verkehrskontrolle und einem Geschwindigkeitstrichter (beidseitig aufgestellte Begrenzungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h, 80 km/h und dann schließlich 60 km/h) auf 60 km//h beschränkt. Der Betroffene ist an dieser Stelle nach Abzug der Toleranz mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h gefahren.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, führt die vom Amtsgericht festgestellte Fehlinterpretation der Geschwindigkeitsbeschränkung – der Betroffene hatte angegeben, das bei dem gleichzeitig angeordneten Überholverbot angebrachte Zusatzschild für Busse und Lkw dahingehend interpretiert zu haben, dass auch die mit Abstand über dem Überholverbotsschild angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkung nur für Busse und Lkw gelte – zur Umstellung des Schuldspruchs auf eine vorsätzliche Begehungsweise. Beruht das verkehrsordnungswidrige Verhalten auf einem aufgrund mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhenden Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum des Betroffenen über die rechtliche Bedeutung der von ihm optisch richtig und vollständig wahrgenommenen Beschilderung ist regelmäßig von einem vermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen, der den Tatvorsatz unberührt lässt (OLG Bamberg, BeckRS 2015, 20269; Gürtler/Thoma, in: Göhler, OWiG, 18. Auflage, § 11 Rdnr. 30).
Darüber hinaus kannte der Betroffene seine weit überhöhte Geschwindigkeit, die er trotz der Warnhinweise auf eine Verkehrskontrolle und die sich im Rahmen des Geschwindigkeitstrichters wiederholende doppelseitig angebrachte Beschilderung nicht anpasste.
Das Verschlechterungsverbot steht der gebotenen Schuldformberichtigung nicht entgegen. Dem Senat ist es lediglich verwehrt, die Geldbuße und ggf. die Dauer des Fahrverbots – wie es eigentlich geboten wäre – entsprechend der vorsätzlichen Begehungsweise zu erhöhen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Soweit die Rechtsbeschwerde darauf rekurriert, es seien auch viele andere Autofahrer zu schnell gefahren, ist dies ebenso wie der Hinweis darauf, dass an anderer Stelle eine ähnliche Beschilderung wie die hier streitgegenständliche eine andere Bedeutung habe, urteilsfremdes Vorbringen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann der Betroffene damit nicht gehört werden. Schließlich zeigt der – ebenfalls urteilsfremde – Vortrag in der Rechtsbeschwerde, dass viele Autofahrer trotz der Beschilderung zu schnell fahren, dass eine Geschwindigkeitskontrolle an dieser Stelle angezeigt ist.
Nicht zu beanstanden ist das Urteil des Amtsgerichts auch in Hinblick auf das verhängte Regelfahrverbot. Ernsthafte berufliche Folgen hat der Betroffene nach den getroffenen Feststellungen nicht zu befürchten. Die Unannehmlichkeiten einer erschwerten Anfahrt zum Arbeitsplatz hat das Amtsgericht in überzeugender Weise als nicht ausreichend für eine Reduzierung des Regelfahrverbots angesehen, zumal der Betroffene gemäß § 25 Abs. 2 StVG vier Monate Zeit hat, sich auf das ihn treffende Fahrverbot einzustellen und so entsprechende Vorkehrungen (z. B. Urlaub, Inanspruchnahme eines Fahrdienstes) zu treffen. Soweit mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen wird, der Arbeitgeber des Betroffenen – ein international tätiges Pharmaunternehmen – sei so schlecht organisiert, dass ihm an dem Standort, an dem der Betroffene als X tätig ist, ein vorübergehender Produktionsstopp drohe, wenn der Betroffene nicht am Standort seiner Tätigkeit nachgehen könne, sind dies Folgen, die nicht den Betroffenen selbst treffen und damit bei der vorliegenden Entscheidung außen vor zu bleiben haben.