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Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung nur bei Kenntnis von der Geschwindigkeitsbeschränkung

OLG Bamberg, Az.: 3 Ss OWi 126/19, Beschluss vom 01.03.2019

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 14. August 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

1. der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin abgeändert wird, dass der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h schuldig ist und

2. die gegen den Betroffenen festgesetzte Geldbuße von 400 Euro auf 320 Euro reduziert wird.

II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden in Höhe eines Drittels der Staatskasse auferlegt; im Übrigen hat der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbundenen, dort durch seine Verteidigerin vertretenen Betroffenen am 14.08.2018 wegen einer auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h (§ 24 StVG i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2c, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO) zu einer Geldbuße von 440 Euro verurteilt und gegen ihn gemäß §§ 25 Abs. 1 Satz 1 [1. Alt.], 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7 der Tabelle 1c zum BKat ein (Regel-)Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Nach den Feststellungen befuhr der verkehrsrechtlich wiederholt einschlägig in Erscheinung getretene, seine Fahrereigenschaft einräumende, jedoch die Richtigkeit der (standardisierten) Messung anzweifelnde Betroffene am 19.12.2017 um 21.30 Uhr als Führer eines Pkw Porsche auf der BAB A9 in Richtung Berlin, wobei er in Höhe der Messstelle die zuvor jeweils durch gut sichtbare beidseitige und viermal wiederholte Beschilderungen auf 120 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit erkannte und diese gleichwohl und 46 km/h überschritt, „was er vorhersah und jedenfalls billigend in Kauf nahm“. Hinsichtlich der Beschilderung ließ sich der Betroffene über seine Verteidigerin dahin ein, die Beschilderung nicht gesehen zu haben, was das Amtsgericht als Schutzbehauptung gewertet hat. Vielmehr habe der Betroffene „aufgrund der gut sichtbaren viermal hintereinander und jeweils beidseitig angebrachten Höchstgeschwindigkeitsbeschilderung von 120 km/h […] die zulässige Höchstgeschwindigkeit“ gekannt, wofür im Übrigen auch die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung im Verhältnis zur erlaubten Geschwindigkeit spreche. In jedem Fall sei dem Betroffenen „die ungefähr gefahrene Geschwindigkeit“ bekannt gewesen, weshalb er mit einer Überschreitung „jedenfalls rechnete und diese billigend in Kauf nahm“. Mit seiner gegen seine Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hat mit Ausnahme der Schuldform und der Höhe der gegen den Betroffenen festgesetzten Geldbuße keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Der Senat nimmt insoweit zur näheren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 24.01.2019 Bezug.

III.

Demgegenüber konnte der Schuldspruch, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht abhebt, keinen Bestand haben, soweit das Amtsgericht zu einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbestandsverwirklichung gekommen ist.

1. Maßgeblich für die dem Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde zu legende Schuldform ist nicht die gemessene Tatzeitgeschwindigkeit und das aus dieser resultierende exakte Maß der sog. relativen Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern die Überschreitung der am Tatort zulässigen Höchstgeschwindigkeit als solcher (‚schneller als erlaubt‘). Bei einer auf einer Autobahn begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung setzt die Annahme von Tatvorsatz zum einen Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung und zum anderen Kenntnis von ihrer Überschreitung voraus.

2. Zwar nimmt das Amtsgericht im Ansatz berechtigt und im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung an, dass bei einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um hier immerhin 38,33 % die Annahme von Tatvorsatz nicht als fernliegend anzusehen ist. Auch dürfen die Tatgerichte anlässlich einer Verurteilung wegen Vorsatzes die auf Erfahrung beruhende Wertung, dass ordnungsgemäß aufgestellte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen von durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern bei zumutbarer Aufmerksamkeit anlässlich der Fahrt mindestens durch eine beiläufige Blickerfassung in aller Regel wahrgenommen und als solche auch verstanden werden, regelmäßig zugrunde legen; sie sind insbesondere nicht etwa aufgrund des Zweifelssatzes oder aus anderen Gründen des materiellen Rechts gehalten, zu Gunsten eines Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte liefert.

3. Die Möglichkeit, dass der Betroffene die eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit anordnenden Verkehrszeichen übersehen hat, ist allerdings dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür entweder greifbare Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene – wie hier und praktisch wichtiger – im Verfahren einwendet, die beschränkenden Vorschriftszeichen übersehen zu haben (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 43, 241 [252] zuletzt u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 27.12.2018 – 4 RBs 374/18 [bei juris] und OLG Köln, Beschl. v. 19.10.2018 – 1 RBs 324/18 [bei juris], jeweils m.w.N.). Ist ein solcher Fall gegeben, müssen die tatrichterlichen Feststellungen deshalb selbst bei einer – hier noch nicht gegebenen – massiven Geschwindigkeitsüberschreitung eindeutig und nachvollziehbar ergeben, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und entweder bewusst dagegen verstoßen oder aber den Verstoß zumindest billigend in Kauf genommen hat, was auch dann gilt, wenn er den Streckenabschnitt häufig befährt und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennt(zu den Darstellungs- und Begründungsanforderungen bei Annahme vorsätzlicher Begehungsweise vgl. u.a. OLG Zweibrücken, Beschl. 14.01.2011 – 1 Ss Bs 37/10 = DAR 2011, 274; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.06.2013 – 3 Ss OWi 474/12 = DAR 2014, 37 = VerkMitt. 2014, Nr. 3 = OLGSt StVO § 3 Nr. 19; 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/13 = DAR 2014, 38 = OLGSt StPO § 261 Nr. 21; 20.10.2010 – 3 Ss OWi 1704/10 = DAR 2010, 708 = ZfS 2011, 50 = SVR 2011, 76 = OLGSt StPO § 267 Nr. 23 [für vorsätzliche Nichteinhaltung des Mindestabstandes] und 24.03.2015- 3 Ss OWi 294/15 = OLGSt StVG § 25 Nr 60; vgl. ferner jeweils zur Herleitung des Tatvorsatzes bei ‚erheblicher‘ Geschwindigkeitsüberschreitung: KG, Beschl. v. 25.03.2015 – 162 Ss 4/15 [bei juris]; OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 = VerkMitt 2014, Nr 5 = VRS 125 [2013], 178 = NZV 2014, 232 = ZfS 2014, 350 = OLGSt StVO § 3 Nr. 18; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.06.2014 – 53 Ss-OWi 230/14 = VRS 127 [2014], 41; OLG Koblenz, Beschl. v. 03.08.2018 – 2 OWi 6 Ss Bs 48/18 = NZV 2019, 48 [Ls] und zuletzt KG, Beschl. v. 19.11.2018 – 162 Ss 118/18 [bei juris] sowie OLG Hamm, Beschl. v. 27.12.2018 – 4 RBs 374/18 [bei juris], jeweils m.w.N.; zu allem Burhoff in Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. [2018], Rn. 2181 ff., insbesondere Rn. 2290 ff. m.w.N.).

4. Diesen Anforderungen werden die Feststellungen und sonstigen Erwägungen des Amtsgerichts auch bei der gebotenen Gesamtschau der Urteilsgründe und der Wertung des Einwands des Betroffenen, die Beschilderung übersehen zu haben als ‚Schutzbehauptung‘ nicht gerecht, weil sich aus ihnen auch unter Berücksichtigung der festgestellten „gut sichtbaren“ und wiederholten beidseitigen Beschilderung nicht hinreichend tragfähig die Mindestfeststellung ergibt, dass der Betroffene mit dem für jedwede Vorsatzform notwendigen kognitiven Vorsatzelement gehandelt hat, so dass auf ein (bedingt) vorsätzliches Handeln nicht allein aus der Höhe der hier auf einer Autobahn festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden durfte. Die tatrichterlichen Feststellungen belegen und rechtfertigen nach Sachlage vielmehr ‚nur‘ eine Verurteilung wegen fahrlässiger Begehungsweise.

IV.

Der Senat kann in der Sache – wie aus Ziffer I. des Beschlusstenors ersichtlich – selbst entscheiden (§ 79 Abs. 6 OWiG), so dass es einer Zurückverweisung an das Amtsgericht nicht bedarf.

1. Im Hinblick auf den Schuldspruch ist nicht erkennbar, dass weitere relevante Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme einer (auch nur bedingt) vorsätzlichen Begehungsweise hinreichend rechtfertigen könnten.

2. Auch wegen des Rechtsfolgenausspruchs ist eine Zurückverweisung entbehrlich. Nach den Feststellungen enthält das Fahreignungsregister vier einschlägige Vorahndungen, so dass die Ordnungswidrigkeit entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vom 20.04.2018 vorgesehenen Verdoppelung der für fahrlässiges Handeln vorgesehenen Regelgeldbuße von 160 Euro, mithin in Höhe von 320 Euro, angemessen zu ahnden ist, zumal triftige sonstige Gründe für eine Erhöhung oder weitere Ermäßigung nicht ersichtlich sind.

3. Die Festsetzung des einmonatigen Regelfahrverbots wegen des vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei angenommenen groben Pflichtenverstoßes entspricht § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7 der Tabelle 1c zum BKat. Gründe, hiervon ausnahmsweise abzuweichen oder Anhaltspunkte für die Annahme, der Zweck des Fahrverbots könne mit einer weiter erhöhten Geldbuße allein erreicht werden, fehlen. Da gegen den Betroffenen (zuletzt) rechtkräftig seit dem 08.12.2016 bereits ein Fahrverbot angeordnet worden war, kommt ein beschränkter Vollstreckungsaufschub nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG (sog. Viermonatsfrist) nicht in Betracht.

V.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

VI.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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