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Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung bei Geschwindigkeitstrichter

AG Tübingen, Az.: 16 Owi 14 Js 6867/17, Urteil vom 08.06.2017

1. Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 180,00 EUR verurteilt.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: § 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 Abschnitt 7 Nr. 49 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG

Gründe

I.

Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung bei Geschwindigkeitstrichter
Symbolfoto: l i g h t p o e t/ Bigstock

Der Betroffene ist 1966 in Th. geboren. Er ist verheirateter Softwareingenieur, hat ein Kind und wohnt in F. Der Betroffene ist Halter eines Fahrzeuges des Herstellers A mit 2967 ccm Hubraum und Co² Emissionen von 169g. Im Fahreignungsregister vom 19.12.2016 befindet sich folgende Voreintragung:

Am 16.02.2016 überschritt der Betroffene um 18:19 Uhr in Denkendorf auf der Bundesautobahn 8, Kilometer 187,73, Fahrtrichtung München – Stuttgart, die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h. Statt zulässiger 100 führte der Betroffene das Fahrzeug mit mindestens 122 km/h. Die Bußgeldbehörde verhängte ein Bußgeld in Höhe von 70,00 EUR.

II.

Am 01.12.2016 führte der Betroffene den genannten Pkw A auf der Bundesstraße 27 aus Fahrtrichtung Hechingen in Fahrtrichtung Tübingen. Um 11:09 Uhr befand er sich auf der Gemarkung B. an der Stelle, wo der vierspurige Aufbau der Bundesstraße endet und in den zweispurigen Ausbau überführt wird.

Aus Fahrtrichtung des Betroffenen ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrsschild zunächst auf 120 km/h beschränkt. Etwa 500m vor Ausbauende wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit dann durch Verkehrszeichen 274, das sowohl auf der linken als auch auf der rechten Fahrbahnseite angebracht ist, auf 100 km/h begrenzt.

324m später, nach der Abfahrt nach der beginnenden Einfädelungsspur aus Richtung B. auf die noch vierspurige Straße, wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit erneut durch Zeichen 274 auf 80 km/h beschränkt. Auch dieses Zeichen befindet sich auf beiden Seiten der Richtungsfahrbahn. Danach wird durch eine weiße Tafel mit schwarzen Pfeilsymbolen auf die Verengung hingewiesen.

Auf der rechten Spur weitere 153,50m nach diesem Zeichen und 100m vor der Verengung von zwei auf einen Richtungsfahrstreifen befindet sich eine stationäre Geschwindigkeitskontrolleinrichtung des Types „Traffiphot-S“ des Herstellers J. GmbH.

Das Regierungspräsidium T. erteilte unter Nummer … für die Messstelle am 25.08.2016 einen Eichschein, wonach die Anlage bis 31.12.2017 gültig geeicht ist. Am selben Tag prüfte die Herstellerin die Messstelle. Den Messeinzug prüfte das Regierungspräsidium T. am 22.11.2016 und erstellte am 23.11.2016 ebenfalls einen Eichschein, Gültigkeit bis 31.12.2017.

Am 01.12.2016 legte der Zeuge T. gegen 09:30 Uhr einen neuen Messfilm ein. Zuvor hatte er die Beschilderung, den Zustand des Messstellenbereiches, den mechanischen Zustand der Sensoren, die Markierungen der Sensoren und die jeweiligen Eichsiegel geprüft. Bis zum Messende am 12.12.2016 wurden 131.533 Fahrzeuge gemessen, wobei es 270 Überschreitungen gab. Am Ende der Messung überprüfte der Zeuge T. erneut den Zustand des Meßstellenbereiches, den Zustand der Sensoren, die Markierungen der Sensoren, die Beschilderung und die Eichsiegel. Er konnte keine Beschädigungen feststellen.

An dieser Stelle wurde das vom Betroffenen geführte Fahrzeug gemessen. Das Messgerät ermittelte eine gefahrene Geschwindigkeit von 116 km/h.

Der Betroffene nahm eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit billigend in Kauf. Er ist an mindestens zwei geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen vorbeigefahren und hat sie nicht beachtet, jeweils auf beiden Fahrbahnseiten angebracht sind. Dies gilt umso mehr, als auch noch durch Zusatzzeichen auf die voran befindliche Fahrbahnverengung hingewiesen wird. Bei dem vom Betroffenen geführten Pkw A handelt es sich um ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse, bei dem eine Geschwindigkeitserhöhung um mehr als 20 km/h ohne weiteres bemerkbar ist.

Die Stadt M. entschloß sich, gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid zu erlassen, in dem sie ihm eine Geschwindigkeitsübertretung von 32 km/h vorwirft. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

III.

Der Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme fest.

1. Der Betroffene war vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden. Über seinen Verteidiger ließ der Betroffene jedoch einräumen, dass Fahrzeug geführt zu haben.

2. Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betroffene die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat.

Bei dem Messgerät „Traffiphot-S“ handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (vergleiche z. B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.02.2014 – 14k3751/13 – zitiert nach Juris). Es ist deshalb grundsätzlich ausreichend, wenn das Urteil den konkret verwendeten Gerätetyp, das Messergebnis und den Toleranzabzug mitteilt (OLG Schleswig, Beschluss vom 02.04.2014 – zfs 2014, 413).

Dieses ergibt sich aus dem gem. §§ 71 OWiG, 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesenen Messergebnisses Blatt 8 der Akte wie folgt:

Verwendetes Gerät: Jenoptik Traffiphot-S Digital

Messung: …

Messort: B.

Messstelle: …

Tattag und Zeit: 01.12.2016, 11:09 Uhr

Gemessene Geschwindigkeit: 116 km/h

Zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h

Überschreitung nach Toleranzabzug: 32 km/h

Demnach fand ein Toleranzabzug von 4 km/h statt. Die bemessene Geschwindigkeit liegt um 36 km/h über der zulässigen Geschwindigkeit (116 – 80 = 36). Von dem Messwert wurden 4 km/h abgezogen, so dass den Betroffenen eine Überschreitung um 32 km/h zur Last gelegt wird.

Das Gericht kann das Messprotokoll und das Messergebnis nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen. Es handelt sich um Erklärungen der Bußgeldbehörde, die keine Vernehmung zum Inhalt haben (OLG Hamm, Beschluss vom 26.06.2014 – III – 1 RBs 105/14 – NZV 2015, 740).

Das Gericht ist nach der Vernehmung des Zeugen T. davon überzeugt, dass dieser das Gerät ordnungsgemäß bedient hat. Der Zeuge hat eine entsprechende Schulung. In seiner Aussage verdeutlichte der Zeuge, dass er wusste, wie er die Messstelle zu untersuchen hat und den Messfilm einzulegen hat. Er hat erklärt, wo sich die Eichsiegel befinden und das sie eingesehen werden können, weil der Messeinschub nicht vollständig im Gehäuse verschwindet, sodass der Zeuge auf die rechte Seite noch schauen kann. Dort befindet sich das Eichsiegel.

Der Zeuge gab auch an, zu Beginn und zu Ende jeder Messung ein sogenanntes „Kalibrierbild“ zu machen, das Beginn und Ende einer Messung verdeutlicht.

Am Wahrheitsgehalt der Aussage des Zeugen hat das Gericht keine Zweifel.

Nach der Verlesung von Eichschein und dem Wartungszertifikat hat sich das Gericht außerdem davon überzeugt, dass das Gerät gültig geeicht und ordnungsgemäß aufgestellt war. Eichschein und Wartungszertifikat hat das Gericht als Urkunden nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 249 StPO verlesen. Beide Dokumente betreffen die richtige Messstelle und den richtigen Messeinschub mit der Fabriknummer …

3. Die Feststellungen zur Örtlichkeit beruhen im Wesentlichen auf der Skizze Blatt 1 der Akte. Diese hat das Gericht in Augenschein genommen, das Gericht verweist gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf diese Skizze und die drei dort befindlichen Lichtbilder. Blatt 1 zeigt einen Lageplan vom Aufbauende der vierspurigen Bundesstraße. Er zeigt, wo die Geschwindigkeitsschilder aufgestellt sind und wie diese von den Fahrzeugführern wahrgenommen werden können. Die Existenz der Schilder hat der Zeuge T. vor Messbeginn geprüft. Sie waren nach seiner Aussage vorhanden. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass sie auch noch 90 Minuten später, als der Betroffene gemessen wurde, vorhanden waren. Aus der Skizze ergibt sich weiter die im Tatbestand mitgeteilte Entfernung der einzelnen Verkehrszeichen zueinander sowie die Entfernung des Messgerätes von dem letzten verkehrsregelnden Zeichen. Dieser Abstand beträgt danach 153,50 Meter für die vom Betroffenen genutzte rechte Fahrspur („L1“). Der Betroffene fuhr auf der rechten Fahrspur, wie sich aus dem Lichtbild Blatt 8 der Akte ergibt. Auf dieses große Lichtbild verweist das Gericht gem. §§ 46, 71 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO.

4. Der Beweisantrag der Verteidigung dafür, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat, allenfalls jedoch mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h gefahren ist, ein technisches Sachverständigengutachten einzuholen, war daher abzulehnen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Die Messung wurde im standardisierten Messverfahren durchgeführt. Hierbei sind aufgrund der Zulassung des Gerätes durch die PTB die Voraussetzungen für eine grundsätzlich gültige Messung geschaffen. Die erforderlichen Fehlertoleranzen sind berücksichtigt. Ausweislich des Eichscheins vom 23.11.2016 hat das Eichamt auch die Kamera geprüft. Äußere Einflüsse (etwa schlechtes Wetter, Regen) sind nicht zu erkennen. Das Gericht hat nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO i. V. m. § 71 OWiG das Meßprotokoll verlesen. Daraus ergeben sich keine Besonderheiten. Die Beanstandungsquote ist nach Angabe des Zeugen üblich. Deswegen ist das Gericht davon überzeugt, daß der Meßvorgang entsprechend den PTB-Vorgaben erfolgt ist.

Aufgrund des Lichtbildes Blatt 8 der Akte kann das Gericht auch ausschließen, dass der Betroffene die Fahrspur gewechselt und es dadurch zu einer Fehlmessung gekommen ist. Die Kontaktschleifen für die rechte wie für die linke Fahrspur sind auf dem Lichtbild Blatt 8 der Akte (Mitte) deutlich zu sehen. Das Fahrzeug, das der Betroffene führt, befindet sich mit allen 4 Rädern auf dem rechten Fahrstreifen und mit den vorderen beiden Rädern knapp hinter, mit den hinteren Rädern knapp vor den Sensoren. Der Messbereich der linken Fahrspur, etwas versetzt auf dem Lichtbild von rechts zu sehen, wird durch das Fahrzeug des Betroffenen nicht berührt. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung liegen nicht vor. Dies gilt umso mehr, als die Anlage zum Zeitpunkt der Messung erst 1 1/2 Stunden war. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist deshalb nicht erforderlich.

VI.

Der Betroffene hat deshalb die durch Verkehrszeichen auf 80 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h überschritten und sich deshalb gem. §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2, Abschnitt 7 Nr. 49 (274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG ordnungswidrig verhalten.

Das Gericht geht von vorsätzlichem Verhalten aus. Das Gericht hat die Skizze Blatt 1 in Augenschein genommen. Aus dieser Skizze ergibt sich die genaue Lage der Verkehrszeichen. Danach hat der Betroffene nicht lediglich ein Verkehrszeichen übersehen, was den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen würde. Er hat im Abstand von 324m zwei geschwindigkeitsbeschränkende Verkehrszeichen, jeweils an der rechten und linken Fahrbahnseite aufgestellt, missachtet. Im Ganzen sind es also vier. Im Bereich der Beschilderung beschreibt die Fahrbahn eine lange Gerade. Außer der Brücke, über die die Landstraße Richtung B. führt, ist die Sicht nicht eingeschränkt und die geschwindigkeitsbeschränkenden Zeichen sind gut zu erkennen.

Der Betroffene hat sich schon an die vorangegangene Beschilderung (100 km/h) nicht gehalten. Bei einem solchen „Geschwindigkeitstrichter“, bei dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit stufenweise reduziert wird, ist es dem Fahrzeugführer auch bei deutlich geringer Aufmerksamkeit, die Begrenzung wahrzunehmen.

Darüber hinaus weist die weiße Tafel auf die Fahrbahnverengung hin, die auch optisch wahrzunehmen ist. Zugleich trifft, was dem Fahrzeugführer ebenfalls nicht verborgen bleibt, von rechts noch eine Einfädelungsspur auf die Fahrbahn. Der Betroffene erkannte auch aufgrund der baulichen Situation, daß er für die Straßenverhältnisse zu schnell fuhr.

Bei einer derart eindeutigen und auffälligen Beschilderung nimmt ein Verkehrsteilnehmer, der diese mindestens vier geschwindigkeitsbegrenzenden Zeichen nicht beachtet, eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit billigend in Kauf.

V.

Als Rechtsfolge sieht § 24 StVG eine Geldbuße von bis zu 2.000,00 EUR vor.

Der Bußgeldkatalog sieht für die Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 120,00 EUR (Ziffer 11.3.6 BKatV) vor.

Das Einschreiten der Verwaltungsbehörde ist nicht zu beanstanden.

Auch das Gericht hält bei diesem massiven Verkehrsverstoß ein Einschreiten für geboten.

Weil der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, wirkt sich dieses auf die Regelbuße erhöhend aus. Ebenfalls ist erhöhend zu berücksichtigen, dass der Betroffene erst im Februar 2016 eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat.

Der Betroffene ist Halter eines Mittelklassefahrzeuges. Das Gericht geht deshalb von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen aus. Deshalb ist eine Geldbuße in Höhe von 180,00 EUR tat- und schuldangemessen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 465 Abs. 1 StPO.

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