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Vorläufiger Rechtsschutz wegen Fahrerlaubniserlaubnis – unbewusster Drogenkonsum

VG Neustadt (Weinstraße) – Az.: 1 L 1086/21.NW – Beschluss vom 30.11.2021

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.250,00 € festgesetzt.

Gründe

Die mit dem Antragsschriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 8. November 2021 wörtlich gestellten Anträge,

„die sofortige Vollziehung gemäß Z.5 der Ordnungsverfügung der Kreisverwaltung B., Referat Ordnung & Verkehr (Fahrerlaubnisbehörde) vom 30. August 2021 auszusetzen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 7. September 2021 (durch RAe Gehrlein pp.) gegen die Verfügung der Kreisverwaltung B., Referat Ordnung & Verkehr (Fahrerlaubnisbehörde) vom 30. August 2021 wieder herzustellen,

und den Antragsgegner zu bescheiden, den Führerschein des Antragstellers wieder an den Antragsteller herauszugeben,“

waren gemäß §§ 122, 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – sachdienlich dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziffer 5 des Bescheides des Antragsgegners vom 30. August 2021 jeweils sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides vom 30. August 2021) und der Ablieferungsverpflichtung seines Führerscheins (Ziffer 3 des Bescheides vom 30. August 2021) verbunden mit einem Vollzugsfolgenbeseitigungsausspruch (Herausgabe des Führerscheins) begehrt.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

Die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zu Lasten des Antragstellers aus. Die im vorliegenden Eilverfahren summarisch zu überprüfende Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides vom 30. August 2021) sowie die Ablieferungsverpflichtung (Ziffer 3 des Bescheides vom 30. August 2021) erweisen sich als offensichtlich rechtmäßig und es besteht auch nach Überzeugung der Kammer derzeit ein überwiegendes öffentliches Verkehrssicherheitsinteresse an der sofortigen Durchsetzung dieser Verfügungen, welches das private Interesse des Antragstellers, zunächst im Besitz seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B, BE, C, C1, C1E, CE, L und T zu bleiben, überwiegt.

Der behördlich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO jeweils angeordnete Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung sowie der Ablieferungsverpflichtung wurde im angefochtenen Bescheid vom 30. August 2021 jeweils gesondert und in einer den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet.

Der Bescheid vom 30. August 2021 weist auch sonst keine formellen Mängel auf. Insbesondere wurde der Antragsteller vor dem Ergehen des Bescheides gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i. V. m. § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – mit Schreiben des Antragsgegners vom 18. August 2021 unter nicht zu beanstandender Fristsetzung bis 27. August 2021 angehört.

Die Fahrerlaubnisentziehung (s. dazu u. 1.) und die Ablieferungsverpflichtung (siehe dazu u. 2.) im Bescheid vom 30. August 2021 erweisen sich auch materiell-rechtlich als rechtmäßig.

1.  Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 30. August 2021 erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 11 Abs. 7 Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis, ohne dass ihr ein Ermessen zusteht, zwingend zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung erfolgt zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor den erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit, die von ungeeigneten oder nicht befähigten Kraftfahrern ausgehen. Fehlende Eignung oder Befähigung liegt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann vor, wenn bei dem betroffenen Kraftfahrer einer der in der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV aufgeführten Mängel vorliegt.

Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, der Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt, ohne dass sich die Frage stellt, ob er unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln ein Kraftfahrzeug geführt hat. Dabei schließt bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen – wie Amphetamin (s. Anlage III zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz – BtMG –) oder Ecstasy (Wirkstoff: Methylendioxymetamfetamin [MDMA], s. Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG) – im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, so dass in diesen Fällen die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist (s. OVG RP, Beschlüsse vom 11. September 2014 – 10 B 10740/14.OVG – und 7. März 2008 – 10 B 10202/06.OVG –; VGH BW, Beschlüsse vom 24. Mai 2002 – 10 S 835/02 – [NZV 2002, 475 zu Ecstasy] und 28. Mai 2002 – 10 S 2213/01 – [NZV 2002, 477 zu Kokain und Amphetamin]; OVG Nds, Beschlüsse vom 14. August 2002 – 12 ME 566/02 – [DAR 2002, 471 zu Kokain], 16. Juni 2003 – 12 ME 172/03 – [DAR 2003, 432] und 11. August 2009 – 12 ME 159/09 –, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschlüsse vom 2. September 2013 – 6 B 976/13 – und 2. August 2002 – 19 B 1316/02 –, beide juris; ThürOVG, Beschluss vom 30. April 2002 – 2 OE 87/02 – [VRS 103, 394 ff.]; OVG Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 1 B 206/03 –, juris, Rn. 5 ff.; alle m.w.N.).

Grundsätzlich sind die Voraussetzungen für die Annahme der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges somit erfüllt, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis – objektiv – Drogen zu sich nimmt. Auf ein vorsätzliches oder schuldhaftes Verhalten kommt es für die Feststellung des Regeltatbestandes nicht an (s. OVG RP, Beschluss vom 15. Mai 2002 – 7 B 10448/02.OVG –).

Dies zugrunde gelegt hat der Antragsgegner vorliegend zutreffend entschieden, dass dem Antragsteller bereits wegen dessen durch den toxikologischen Befund des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz vom 9. Juli 2021 nachgewiesenen Amphetaminkonsums (280 ng/mL) und Konsum von MDMA (Ecstasy, 12 ng/mL) die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

Der toxikologische Befund des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Mainz vom 9. Juli 2021 über die Ergebnisse der dem Antragsteller am Vorfalltag 7. Mai 2021 um 18:25 Uhr entnommenen Blutprobe ist verwertbar. Der Antragsteller hatte einer Untersuchung seines Urins anlässlich der allgemeinen Verkehrskontrolle am 7. Mai 2021, 17:55 Uhr, freiwillig zugestimmt. Nachdem der Urintest ein positives Ergebnis auf Amphetamin angezeigt hatte, wurde der Antragsteller ausweislich der an den Antragsgegner ergangenen Mitteilung der Polizeiinspektion N… vom 27. Juli 2021 zur Dienststelle der Polizeiinspektion N… gebracht und ihm dort durch die Ärztin Dr. S… die Blutprobe entnommen.

Die normative Wertung in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfaltet strikte Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Durch die entsprechende Regelung in der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV, wonach die Bewertungen der FeV nur für den Regelfall gelten, wird dem in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG – verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch den Verordnungsgeber Genüge getan (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. April 2008 – 11 CS 07.2671 –, juris, Rn. 12). Die Regelannahme nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entkräftende Umstände sind daher von dem Betroffenen überzeugend darzulegen.

Wer – wie der Antragsteller im Rahmen des Anhörungsverfahrens mit an den Antragsgegner ergangener E-Mail vom 26. August 2021 – behauptet, die in seinem Blut festgestellte Substanz unwissentlich und unwillentlich eingenommen zu haben, muss deshalb einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt.

Eine entsprechende Behauptung, unbewusst Betäubungsmittel (außer Cannabis) konsumiert zu haben, kann nur dann als beachtlich angesehen werden, wenn der Betroffene überzeugend aufzeigen kann, dass ein Dritter einen Beweggrund hatte, ihm ohne sein Wissen und Wollen Betäubungsmittel zuzuführen, und dass er selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat. Dazu gehört regelmäßig nicht nur, dass er eine Situation schildert, in der solches stattgefunden haben kann, sondern auch Ausführungen zu einem potentiellen Täter und dessen Motiv macht. Schon angesichts dessen, dass die Geltendmachung einer unbewussten Aufnahme von harten Drogen, wozu auch Amphetamin und Ecstasy gehören, infolge einer unbemerkten Beimischung durch Dritte in ein Getränk, etwa auf einer Party, in einer Diskothek, in einer Gaststätte oder bei anderer Gelegenheit, eine der gängigsten Einlassungen von bei einer Verkehrskontrolle mit harten Drogen im Blut auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabern ist, bedarf es, um einem unbewussten Konsum Glauben schenken zu können, einer detaillierten, in sich stimmigen und von der ersten Einlassung an widerspruchsfreien sowie nachvollziehbaren und soweit möglich auch belegten oder doch nachprüfbaren Schilderung aller für die Würdigung des Vorbringens bedeutender Umstände und Geschehensabläufe an dem besagten „Tattag“. Mit Blick darauf, dass harte Drogen wie Amphetamin oder Ecstasy zum einen illegal und zum anderen kostspielig sind, erscheint es nämlich wenig wahrscheinlich, dass diese Betäubungsmittel dem Betroffenen ohne sein Wissen und gegebenenfalls gegen seinen Willen zugeführt wurden, ohne dass (ausnahmsweise) ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlung aufgezeigt wird.

Dabei sind wegen der großen Gefahren, die von harten Drogen und von solchen Betäubungsmitteln konsumierenden Autofahrern ausgehen, hohe Anforderungen an die Substantiierung zu stellen. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass nach einem solchen seltenen Ereignis der betroffene Fahrerlaubnisinhaber auch noch vor dem (restlosen) Abbau des Betäubungsmittels wie Amphetamin oder Ecstasy im Körper ungeachtet der nur geringen Dichte der Verkehrsüberwachung durch die Polizei in eine (allgemeine) Verkehrskontrolle gerät – wie im Falle des Antragstellers – oder durch sein auffälliges Fahrverhalten eine (gezielte) polizeiliche Überprüfung seiner Fahrsicherheit auslöst (vgl. OVG RP, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 10 B 11430/11 –; BayVGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2012 – 11 CS 12.807 – und 19. Januar 2016 – 11 CS 15.2403 –; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2012 – 16 B 231/12 – und 12. November 2013 – 16 A 1716/13 –; OVG Nds, Beschluss vom 1. Dezember 2011 – 12 ME 198/11 –; alle juris).

Im vorliegenden Fall sprechen keine Umstände für das Vorliegen eines entsprechenden Ausnahmefalles. Ein konkreter Sachverhalt, der einen solchen Ausnahmefall begründenden Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt, ist durch den Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.

Der vom Antragsteller erstmals im Anhörverfahren mit an den Antragsgegner gerichteter E-Mail vom 26. August 2021 gemachte Vortrag erfüllt nicht die Anforderungen an einen von der vorgenannten Rechtsprechung geforderten schlüssigen und glaubhaften Vortrag, der die Annahme eines tatsächlich unwillentlichen und unwissentlichen Betäubungsmittelkonsums (hier: Amphetamin und Ecstasy) bei ihm begründen könnte, und muss daher als bloße Schutzbehauptung gewertet werden.

Der Antragsteller hat in seiner E-Mail vom 26. August 2021 dem Antragsgegner mitgeteilt, er und sein „Kumpel“ D… L… hätten „jemanden“ kennengelernt, der sie auf eine Hausparty mitgenommen habe. Nach ein paar antialkoholischen Getränken, da er Auto gefahren sei, sei es ihm komisch gegangen und ihm sei schlecht geworden. Sein „Kumpel“ sei später darauf gekommen, dass ihm eventuell was ins Glas gemischt worden sei. Am nächsten Morgen habe er sich nichts daraus gemacht, weil es eine einmalige Sache mit der Hausparty gewesen sei. Sie seien nicht zur Polizei gegangen, da sie keine Namen mehr gewusst hätten, weil sein „Kumpel“ zu viel getrunken habe. Der Antragsgegner könne Herrn L… gerne unter der angegebenen Handy-Nummer anrufen und sich die Sachlage bestätigen lassen.

Diesem Vorbringen des Antragstellers fehlt bereits jegliche Substantiierung in Bezug auf Zeit und Ort. So macht der Antragsteller in der E-Mail vom 26. August 2021 bereits weder Angaben dazu, wann genau (Datum und Uhrzeit) er mit seinem „Kumpel“ L… „jemanden kennengelernt“ habe, der sie zu einer Hausparty mitgenommen habe noch gibt er an, wo (Ort, Straße) diese Hausparty möglicherweise stattgefunden haben soll.

Auch sonstige hinreichend glaubhaften Umstände, die eine unbewusste und unwillentliche Aufnahme der bei ihm in der Blutprobe nachgewiesenen Betäubungsmittel (Amphetamin und Ecstasy) erklärlich machen könnten, hat der Antragsteller weder mit seiner E-Mail vom 26. August 2021 noch sonst im streitigen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren vorgetragen. Da – wie oben ausgeführt – Betäubungsmittel illegal und zudem nicht billig sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel gegen ihren Willen zuführen, diese z. B. eine derartige Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat daher Behauptungen eines unwissentlichen und unwillentlichen Betäubungsmittelkonsums des Weiteren nur dann Beachtlichkeit zuerkannt, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund gehabt hätten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, und dass es ferner naheliegt, dass ihm die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 16 B 1032/14 –, juris; OVG MV, Beschluss vom 25. August 2014 – 1 M 78/14 –, VRS 127, 200; SächsOVG, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 4 B 148/14 –, juris; BayVGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 11 ZB 12.1362 –, juris).

So machte der Antragsteller auch weder in seiner E-Mail vom 26. August 2021 noch sonst Angaben dazu, welche Person für die von ihm behauptete unwillentliche Verabreichung der in seiner Blutprobe nachgewiesenen Substanzen (Amphetamin und Ecstasy) in Frage kommen könnte bzw. welche Person ein Interesse daran gehabt haben könnte, ihm illegal Drogen in die von ihm auf der von ihm angeführten Hausparty verkonsumierten antialkoholischen Getränke zu verabreichen.

Es entspricht nach allgemeiner Lebenserfahrung keineswegs der Üblichkeit, dass auf Veranstaltungen – wie hier der vom Antragsteller angeführten Hausparty – Gästen willkürlich Drogen in ein Getränk gemischt werden.

Soweit der Antragsteller weiter angibt, dass es ihm nach dem auf der Hausparty erfolgten Konsum antialkoholischer Getränke „komisch gegangen“ und „ihm schlecht gewesen“ sei und sein „Kumpel“ später darauf gekommen sei, dass „ihm eventuell was ins Glas gemischt worden sei“, spricht auch dies nicht für einen Ausnahmefall begründende unwissentliche und unwillentliche Einnahme von Amphetamin und Ecstasy.

Unterstellt man, dass die vom Antragsteller in seiner E-Mail vom 26. August 2021 geschilderten Beschwerden (es sei ihm „komisch gegangen“ und ihm sei „schlecht gewesen“) tatsächlich auf eine Einnahme von Betäubungsmittel zurückzuführen gewesen wären, wären diese Beschwerden genauso aufgetreten, wenn der Antragsteller Amphetamin und Ecstasy willentlich und wissentlich eingenommen hätte.

Auch die in der E-Mail vom 26. August 2021 vom Antragsteller gemachte Angabe, sie seien, da es eine einmalige Sache mit der Hausparty gewesen sei, nicht zur Polizei gegangen, da sie auch keine Namen mehr gewusst hätten, weil sein „Kumpel“ zu viel getrunken habe, ist zur schlüssigen Erklärung einer unbewussten Aufnahme von hier Amphetamin- und Ecstasy ebenfalls unbehelflich. Denn so ist nicht nachvollziehbar, wieso auch der Antragsteller keine Namen mehr gewusst haben soll, nur weil sein „Kumpel“ zu viel getrunken habe. Da der Antragsteller in seiner E-Mail vom 26. August 2021 angab, er selbst habe auf der Hausparty nur antialkoholische Getränke konsumiert, weil er noch Auto gefahren sei, hätte es hier nahegelegen, dass zumindest er, selbst wenn sein „Kumpel“ zu viel getrunken gehabt haben sollte, sich noch an Namen hätte erinnern müssen, und ebenso auch, wo und wann die vermeintliche Hausparty stattgefunden haben soll.

Insoweit hätte hier auch ein Anruf des Antragsgegners auf der vom Antragsteller angegebenen Handy-Nummer, bei der es sich um die des „Kumpel“ L… handeln sollte, zu keiner weiteren Aufklärung führen können, da der „Kumpel“ nach den Angaben des Antragstellers „zu viel getrunken“ und daher auch keine Namen mehr gewusst haben soll. Mithin hätte selbst ein Anruf des Antragsgegners bei der vom Antragsteller angegebenen Handy-Nummer keine sachdienliche nähere Aufklärung herbeigeführt, zumal der „Kumpel“ – hierbei die Angaben des Antragstellers in der E-Mail vom 26. August 2021 berücksichtigend – nur vermutete, „dass ihm eventuell was ins Glas gemischt“ worden sei. Somit hätte der „Kumpel“ – ausgehend von den Angaben des Antragstellers in seiner E-Mail vom 26. August 2021 – eine tatsächlich erfolgte und vom Antragsteller angeblich unbemerkt gebliebene, durch einen Dritten erfolgte Beigabe von Betäubungsmittel in die vom Antragsteller auf der Hausparty konsumierten antialkoholischen Getränke gar nicht bezeugen können.

Schließlich führen auch die in der Blutprobe des Antragstellers objektiv festgestellten Drogenkonzentrationen dazu, dass die von ihm behauptete unbewusste und unwillentliche Betäubungsmitteleinnahme nach Überzeugung des Gerichts nicht geglaubt werden kann.

So spricht unabhängig von der mangelnden Substantiierung seines Vortrags in der E-Mail vom 26. August 2020 gegen die Richtigkeit dieser Schilderung des Antragstellers, dass die Höhe der bei ihm in der am 7. Mai 2021 um 18:25 Uhr entnommenen Blutprobe festgestellten Amphetamin-Konzentration von 280 ng/mL bereits nicht mit dem in seiner E-Mail vom 26. August 2021 gemachten Vortrag vereinbar ist.

Zwar hat der Antragsteller kein Datum benannt, wann die Hausparty, auf dem ihm angeblich unwillentlich und unwissentlich Betäubungsmittel mittels antialkoholischer Getränke zugeführt worden sei, stattgefunden haben soll. Aus dem polizeilichen Vorfallsbericht vom 7. Mai 2021 betreffend die an diesem Tag gegen 17:55 Uhr erfolgte Kontrolle des Antragstellers als Führer eines Kraftfahrzeugs geht hervor, dass der Antragsteller gegenüber den eingesetzten Beamten äußerte, er käme aktuell von der Arbeit. In Heranziehung der Angaben des Antragstellers in seiner E-Mail vom 26. August 2021 dürfte die von ihm angeführte Hausparty jedenfalls nicht am 7. Mai 2021 stattgefunden haben, da er angab, dass er sich „am nächsten Morgen“ nichts daraus gemacht habe, weil es mit der Hausparty eine einmalige Sache gewesen sei. Unterstellt man, dass die vom Antragsteller angeführte Hausparty, bei der es nach seiner Vermutung zur unwillentlichen Verabreichung der in seiner Blutprobe festgestellten Drogen (Amphetamin, MDMA) gekommen sein soll, am Abend vor der am 7. Mai 2021 um 17:55 Uhr erfolgten Verkehrskontrolle stattgefunden hätte, so wären zwischen der Aufnahme der Betäubungsmittel und der Gewinnung der Blutprobe, die eine Amphetamin-Konzentration von 280 ng/mL aufwies, über 15 Stunden verstrichen gewesen. Nach der bei Möller (in: Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr 2005, § 3 Rn. 42; s. a. BayVGH, Beschluss vom 10. Dezember 2007 – 11 CS 07.2905 –, juris, Rn. 16) wiedergegebenen Studie über das Abbauverhalten von Amphetamin ist bei oraler Aufnahme von 10 mg Amphetamin-Sulfat 15 Stunden nach dem Konsumvorgang mit einer Konzentration von Amphetamin im Vollblut in Höhe von ca. 15 bis 20 ng/mL zu rechnen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Antragsteller mehr als 10 mg Amphetamin aufgenommen haben könnte, liegt der bei ihm objektiv festgestellte Wert von 280 ng/mL derart eklatant jenseits der Konzentrationsspanne, die bei einem Konsum von 10 mg Amphetamin von mindestens 15 Stunden nach der Einnahme zu erwarten wäre, so dass seinen Einlassungen jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch aus diesem Grund nicht gefolgt werden kann. Dies gilt umso mehr, als Amphetamin üblicherweise in Mengen eingenommen wird, die zwischen 5 mg und 15 mg liegen (Möller a.a.O., § 3, Rn. 39), so dass 10 mg einer durchschnittlichen Konsummenge entsprächen.

Der Antragsteller hat im Übrigen auch nicht substantiiert aufgezeigt, dass auf der von ihm angeführten Hausparty irgendjemandem daran gelegen gewesen sein könnte, ihm „hinter seinem Rücken“ Amphetamin in einer Menge zu verabreichen, die um ein Vielfaches über der „gängigen“ Konsumeinheit liegt, so dass eine Konzentration in der zum Blutentnahmezeitpunkt (7. Mai 2021, 18:25 Uhr) festgestellten Höhe von 280 ng/mL noch erklärbar wäre.

Somit ist der Vortrag des Antragstellers auch unter Berücksichtigung der in seiner Blutprobe festgestellten Amphetamin-Konzentration nicht schlüssig. Der festgestellte Amphetaminwert von 280 ng/mL spricht eindeutig für eine zeitnahe Aufnahme des Betäubungsmittels vor der Verkehrskontrolle. Auch im toxikologischen Befund vom 9. Juli 2021 ist ausgeführt, dass eine Beeinflussung durch das postpsychostimulierende Betäubungsmittel Amphetamin zum Blutentnahmezeitpunkt in Betracht kommt. Eines Eingehens auch auf die festgestellte MDMA-Konzentration von 12 ng/mL (Ecstasy) bedarf es mithin nicht mehr.

Ist nach alledem vom Vorliegen eines Regelfalles nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV beim Antragsteller auszugehen, so hat sich dieser als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen und der Antragsgegner hat ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV). Ermessen steht dem Antragsgegner nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschriften („hat“) bei dieser Entscheidung nicht zu, so dass auch eventuelle berufliche oder private Nachteile, die für den Betroffenen mit der Fahrerlaubnisentziehung verbunden sind, keine Berücksichtigung finden.

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung seine Fahreignung bereits wiedererlangt haben könnte. Die wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangene Fahreignung kann gemäß Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden. Außerdem setzt die Wiedererlangung der Fahreignung über eine erwiesene, mindestens ein Jahr lang praktizierte Betäubungsmittelabstinenz hinaus die Prognose voraus, dass die Verhaltensänderung von Dauer ist. Dies kann nur durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung im Rahmen eines Neuerteilungsverfahrens festgestellt werden.

Die nach dem im Eilverfahren gemachten Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bestehende Bereitschaft des Antragstellers, auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ein ärztliches Gutachten, betreffend die Überprüfung seiner Fahreignung, beizubringen, führt zu keiner anderen Entscheidung. So kommt ein ärztliches Gutachten im vorliegenden Fall des nachgewiesenen Amphetamin- und MDMA-Konsums ohnehin nicht in Betracht. So soll ein ärztliches Gutachten nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV klären, ob die Einnahme von Betäubungsmitteln i. S. d. Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Es ist mithin in den Fällen anzuordnen, in denen lediglich Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum vorliegen, ein Nachweis aber noch aussteht (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage, § 14 Rn. 13 m. w. N.). Vorliegend steht ein Betäubungsmittelkonsum (Amphetamin und Ecstasy) beim Antragsteller aber ausweislich des toxikologischen Befundes vom 9. Juli 2021 bereits nachweislich fest.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich mithin als offensichtlich rechtmäßig. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung ist der Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen insbesondere weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, einzuräumen.

2. Da sich die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers mit Bescheid vom 30. August 2021 als offensichtlich rechtmäßig erweist, hat dies zur Folge, dass die in Ziffer 3 des Bescheides vom 30. August 2021 verfügte Ablieferungsverpflichtung hinsichtlich des Führerscheins des Antragstellers gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV ebenfalls rechtmäßig ist. Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis und der Führerschein ist abzuliefern.

Der Antragsteller ist nach der Mitteilung des Antragsgegners in der Antragserwiderung vom 16. November 2021 der Ablieferungsverpflichtung trotz im angefochtenen Bescheid erfolgter Zwangsgeldandrohung und mittlerweile zweifacher Festsetzung von Zwangsgeld entgegen den Angaben des Prozessbevollmächtigten im Antragsschriftsatz vom 8. November 2021 nicht nachgekommen.

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass er ab der am 31. August 2021 erfolgten Zustellung des Bescheides vom 30. August 2021 keine Fahrerlaubnis mehr besitzt. Fährt er dennoch, macht er sich strafbar.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nrn. 1.5, 46.1 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d.F. vom 18. Juli 2013 (NVwZ 2013, Beilage 58). Der gestellte Vollzugsfolgenbeseitigungsantrag wirkt sich nicht werterhöhend aus, sondern ist vom Rechtsschutzziel im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO mit umfasst (s. Beschluss der Kammer vom 28. Juli 2021 – 1 L 723/21.NW –, n.v.).

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