OLG Düsseldorf – Az.: 5 Ss (OWi) 294/88 – 236/88 I – Beschluss vom 19.08.1988
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung in zwei Fällen gegen §§ 49 Abs. 9 und 11 StVZO, 23 StVO zwei Geldbußen von jeweils 150 DM festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu. Das danach zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene Halter eines Lkw’s der Marke F und eines einachsigen auflaufgebremsten Anhängers der Marke B. Dieses Gespann führte er am 20. Mai 1987 und am 9. September 1987 im öffentlichen Straßenverkehr. Bei beiden Gelegenheiten war kein Abreißseil am Anhänger vorhanden mit der Folge, daß dieser im Falle des Abreißens vom Zugfahrzeug nicht selbständig abgebremst worden wäre. Die Ansicht des Betroffenen, sein Anhänger brauche nach ihm erteilten Auskünften des Technischen Überwachungsvereins – TÜV – nicht mit einem Abbremsseil ausgerüstet zu sein, hat das Amtsgericht aufgrund der Ausführungen eines gehörten Sachverständigen für unzutreffend erachtet.
Die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch nicht.
1. Ein Verstoß des Betroffenen gegen § 23 StVO scheidet von vornherein aus. Wer ein Kraftfahrzeug in vorschriftswidrigem Zustand führt, verletzt, soweit vorhanden, allein die einschlägigen Sondervorschriften, nicht zugleich auch § 23 StVO (vgl. die zahlreichen Rechtsprechungsnachweise bei Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 29. Aufl., Rdn. 39 zu § 23 StVO).
2. Darüber hinaus belegen die Feststellungen auch nicht, daß der Betroffene mit einem mit einer vorschriftswidrigen Bremsanlage ausgerüsteten Anhänger am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen und damit gegen § 41 Abs. 11 Satz 2 und Abs. 9 StVZO verstoßen hat.
a) Nach den Feststellungen führte der Betroffene hinter einem Lkw einen einachsigen Anhänger. An einachsigen Anhängern ist indes nach § 41 Abs. 11 Satz 1 StVZO keine eigene Bremse erforderlich, wenn der Zug die für das ziehende Fahrzeug vorgeschriebene Bremsverzögerung erreicht und die Achslast des Anhängers die Hälfte des Leergewichts des ziehenden Fahrzeugs, jedoch 3 t nicht übersteigt. Nur soweit § 41 Abs. 11 Satz 1 StVZO nicht eingreift, muß nach § 41 Abs. 11 Satz 2 StVZO auch ein einachsiger Anhänger mit einer der Vorschrift des § 41 Abs. 9 StVZO entsprechenden Bremse ausgerüstet sein.
Irgendwelche Feststellungen, die belegen, daß nach § 41 Abs. 11 Satz 2 vorliegend für den vom Betroffenen hinter einem Lkw geführten einachsigen Anhänger eine beim Lösen des Anhängers vom ziehenden Fahrzeug selbständig zum Stehen bringende Bremse vorgeschrieben ist (§ 41 Abs. 9 Satz 4 StVZO), enthält das angefochtene Urteil nicht. Die Feststellungen verhalten sich weder darüber, ob das Gespann die für das ziehende Fahrzeug vorgeschriebene Bremsverzögerung erreichte noch über die Achslast des Anhängers und das Leergewicht des ziehenden Fahrzeugs. Angesichts der unvollständigen Feststellungen ist nicht ausschließbar, daß der Anhänger nach § 41 Abs. 11 Satz 1 StVZO nicht mit einer der Vorschrift des § 41 Abs. 9 Satz 4 StVZO entsprechenden eigenen Bremse ausgestattet sein brauchte. Die gegenteilige und auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützte Überzeugung des Amtsgerichts vermag die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht zu ersetzen.
Auch der Umstand, daß nach den Feststellungen der Anhänger mit einer Auflaufbremse ohne Abreißseil ausgerüstet war, vermag ein Verstoß des Betroffenen gegen § 41 Abs. 11 Satz 2, Abs. 9 Satz 4 StVZO nicht aufzuzeigen. Der Tatbestand einer solchen Zuwiderhandlung ist nicht schon dadurch erfüllt, daß eine zusätzliche, nicht vorgeschriebene Ausrüstung defekt ist bzw. sich in einem mangelhaften Zustand befindet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits durch das Vorhandensein der zusätzlichen nicht vorgeschriebenen Ausrüstung sich das Fahrzeug in einem unvorschriftsmäßigen Zustand befindet, was indes bei dem Einbau einer nicht vorgeschriebenen Anhängerbremse nicht der Fall ist (vgl. Senatsbeschluß in VRS 75, 69 f.).
b) Abgesehen davon, daß die Feststellungen bereits zur äußeren Tatseite keinen Verstoß des Betroffenen belegen, begegnen auch die Erwägungen des Amtsgerichts zur inneren Tatseite rechtlichen Bedenken.
Der Auffassung des Amtsgerichts, der Betroffene habe nicht „auf die Unfehlbarkeit eines TÜV-Ingenieurs, auch diese können irren, vertrauen dürfen, sondern hätte sich über den vorgeschriebenen Zustand der Bremsanlage des Anhängers kundig machen müssen“, vermag der Senat in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten. Auf Auskünfte eines Prüfingenieurs des TÜV darf ein Kraftfahrzeughalter in der Regel vertrauen. Der TÜV ist dazu berufen, die Ausrüstung eines Kraftfahrzeugs auf einen vorschriftsmäßigen Zustand zu überprüfen.
Anders wäre die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn vom TÜV lediglich die Ausrüstung des Anhängers als ordnungsgemäß im Sinne von § 41 Abs. 11 Satz 1 StVZO befunden worden sein sollte, ohne daß die Ordnungsgemäßheit der Ausrüstung des Anhängers in Verbindung mit dem vorliegend vom Betroffenen geführten Zugfahrzeug überprüft worden wäre.
Auch aus dem Umstand, daß gegen den Betroffenen bereits einmal wegen der Bremsanlage seines Anhängers ein Bußgeldverfahren anhängig gewesen ist, welches vom Amtsgericht Essen eingestellt worden ist, könnte ein Verschulden des Betroffenen nur hergeleitet werden, wenn in jenem Verfahren die Erforderlichkeit einer solchen Nachrüstung festgestellt worden wäre.
Das amtsgerichtliche Urteil unterliegt danach der Aufhebung (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 353 StPO) und der Zurückverweisung an das Amtsgericht. Eine eigene Entscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG ist dem Senat verwehrt, weil weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.