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Verwiegung eines LkW-Gespanns mittels Radlastwaage – Verwertbarkeit der Wiegevorgänge

AG Schleiden – Az.: 13 OWi-107 Js 1533/21-178/21 – Urteil vom 09.09.2022

In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht Schleiden aufgrund der Hauptverhandlung vom 09.09.2022, für Recht erkannt:

Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Der Einziehungsbescheid vom 16.06.2021 wird aufgehoben und die Einziehungsbeteiligte auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 00.00.0000 in Y geboren. Er lebt als Berufskraftfahrer in geregelten Verhältnissen und ist bei der Einziehungsbeteiligten angestellt.

Der Fahreignungsregisterauszug des Betroffenen vom 19.08.2022 wies zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vom 09.09.2022 keine Voreintragungen auf.

Die Einziehungsbeteiligte ist der Arbeitgeber des Betroffenen und wird durch ihre Geschäftsführer […] gesetzlich vertreten.

II.

Verwiegung eines LkW-Gespanns mittels Radlastwaage - Verwertbarkeit der Wiegevorgänge
(Symbolfoto: GolubSergei/Shutterstock.com)

Im Rahmen einer Verkehrskontrolle wurde am 03.03.2021 gegen […] Uhr der Betroffene als Angestellter der Einziehungsbeteiligten im Gemeindegebiet Hellenthal-Rescheid […] als Führer einer Fahrzeugkombination bestehend aus Lkw und teleskopierbarem Nachläufer kontrolliert. Die Fahrzeugkombination trug die amtlichen Kennzeichen AA-AA 111 und AA-AA 222. Der Betroffene hatte im Auftrag der Einziehungsbeteiligten eine Ladung Langholzstämme von C nach D zu transportieren. Dies machte eine Strecke von mindestens 150 km aus.

Anlässlich der Verkehrskontrolle wurde gegen den Betroffenen der Vorwurf erhoben die Fahrzeugkombination geführt zu haben, obwohl das zulässige Gesamtgewicht um 20,75 % (entspricht 8.000 kg) überschritten war. Bei der Verwiegung hätten die zuständigen Polizeibeamten bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 40.000 kg ein Gewicht von 48.300 kg festgestellt.

Diesbezüglich wurde gegen den Betroffenen der Bußgeldbescheid vom 26.05.2021 erlassen, gegen den dieser rechtzeitig Einspruch einlegte.

Gegen die Einziehungsbeteiligte wurde ein Einziehungsverfahren eingeleitet. Da diese keinerlei Unterlagen über die Frachtkonditionen und Fahrkilometer vorlegte, schätzte die Bußgeldbehörde den Frachttarif nach den „Kostenansätzen Gütertransport Straße (KGS 2020)“ auf Grundlage des sogenannten Netto-Prinzips. Insoweit wurde die Einziehung eines Tatertrages in Höhe von 1.100,00 € gegen die Einziehungsbeteilige angeordnet.

Die Verfahren wurden durch das Amtsgericht Schleiden mit Beschluss vom 14.12.2021 miteinander verbunden.

Der Vorwurf hat sich aus rechtlichen Gründen nicht bestätigt.

III.

Die Feststellungen zu Ziffer II. wurden aufgrund der sich aus dem Sitzungsprotokoll ergebenden Beweisaufnahme getroffen.

Am 03.03.2021 gegen 07:10 Uhr wurde der Betroffene als Angestellter der Einziehungsbeteiligten im Gemeindegebiet Hellenthal-Rescheid […] als Führer einer Fahrzeugkombination bestehend aus Lkw und teleskopierbarem Nachläufer kontrolliert. Die Fahrzeugkombination trug die amtlichen Kennzeichen AA-AA 111 und AA-AA 222. Der Betroffene hatte im Auftrag der Einziehungsbeteiligten eine Ladung Langholzstämme von C nach D zu transportieren. Dies machte eine Strecke von mindestens 150 km aus.

Die Fahrzeugkombination wurde den Zeugen POK A und B vom BGA zugeführt. Diese nahmen die Verwiegung der Fahrzeugkombination mittels zweier Radlastwagen des Typs Haenni WL 103 mit den Identifikationsnummern […] vor. Beide Waagen waren zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht, der Zeuge POK A in ihre Bedienung eingewiesen.

Vor Beginn der Wiegung säuberte einer der Zeugen den Wiegeplatz und kehrten diesen, damit die Waagen eine saubere und plane Fläche zum Aufliegen hatten. Sodann kontrollierte der Zeuge A die Neigung des Wiegeplatzes, damit die in der Bedienungsanleitung der Waage vorgesehenen Werte auch eingehalten wurden. Die Neigung des Platzes wurde sowohl in Längs- als auch in Querrichtung überprüft und ergab ein Gefälle von 1,7 % in Längs- und von 1,9 % in Querrichtung.

Danach wurden die Wiegeplatten der Radlastwagen auf die Unversehrtheit der Eich-und Prüfmarken kontrolliert und in Reifenbreite ausgelegt. Vor und hinter die Wiegeplatten wurden sogenannte Ausgleichsmatten gelegt, um den Höhenunterschied von Waage zu Boden auszugleichen. Die Wiegeplatten wurden mittels eines Kabels miteinander verbunden, so dass sie statt der Rad- die Achslast ermitteln konnten. Als der Aufbau beendet war, vergewisserte sich der Zeuge Hummes, dass die Waagen als Gewicht „0“ anzeigten. Da dies der Fall war, wurde der Fahrer zunächst angewiesen sein Handy und den Funk auszuschalten. Sodann wurde er aufgefordert den Lkw auf die Waage zu fahren. Hierbei achteten die Zeugen A und B darauf, dass sich die Reifenaufstandspunkte mittig auf den Wiegeplatten befanden. Nachdem dies geschehen war, forderte einer der Zeugen den Fahrer der Kombination auf, den Motor des Fahrzeugs auszuschalten und den Gang heraus zu nehmen. Um ein Wegrollen des Fahrzeugs zu verhindern, wurden die Reifen der Fahrzeugkombination an einer nicht gewogenen Achse verkeilt. Nach Erfüllung dieser Voraussetzungen wurde der Wert der Messung durch die Zeugen abgelesen und händisch auf das Wiegeprotokoll übertragen. Dort wurde auch der Toleranzabzug vorgenommen Der genannte Vorgang wurde einzeln, für jede Achse des Fahrzeugs wiederholt. Dabei wurde zwischen jeder Verwiegung der Achsen durch die Zeugen darauf geachtet, dass die Waage in unbelastetem Zustand wieder den Wert „0“ anzeigte. Nach Durchführung der gesamten Wägung ergab sich ein Gesamtgewicht ohne Toleranzabzug von 49.000 kg bzw. einem Gesamtgewicht mit Toleranzabzug von 48.300 kg. Dies stellt bei einem zulässigen Gesamtgewicht der Kombination von 40.000 kg eine Überladung um 8.300 kg und damit eine Überladung von 20,75 % dar.

Die Messung der Fahrzeugkombination erfolgte dergestalt, dass jede Achse einfach verwogen wurde, in dem der Fahrer das Fahrzeug nach den Anweisungen der Beamten ausschließlich vorwärts über die Waagen bewegte. Dies steht im Gegensatz zu der bis dahin ausgeübten Praxis, bei der jede Achse zweifach verwogen wurde. Ursprünglich war es so, dass jede Achse eines gemessenen Fahrzeugs wie beschrieben verwogen wurde, in dem der Fahrer dieses zunächst vorwärts auf die Waagen fuhr. Nach der Messung wurde das Fahrzeug nur ein kurzes Stück nach vorne gefahren, bis die Waagen wieder „0“ anzeigten, um sodann nochmals in Rückwärtsfahrt auf die Waagen gestellt und ein zweites Mal gemessen zu werden.

Die geänderte Praxis begründeten die Zeugen damit, dass mit Erlass des Ministeriums des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2020 angeordnet worden ist, dass „zukünftig […] bei der Überprüfung zulässiger Massen und Lasten nach dem „Polizeilichen Leitfaden für die Wägung von Fahrzeugen im Straßenverkehr zur Überwachung der zulässigen Massen und Lasten“ der Arbeitsgemeinschaft Verkehrspolizeiliche Angelegenheiten zu verfahren“ sei (Anlage III zum Protokoll, Bl. 158 GA).

Dieser polizeiliche Leitfaden (im Folgenden AG VPA) vom 11.11.2019 (Anlage IV zum Protokoll, Bl. 160 ff GA) sieht unter Ziffer 6.3 in Absatz vier vor, dass „das Fahrzeug/Fahrzeugkombination […] vorwärts in Fahrtrichtung auf die Waage [fährt]. Eine zusätzliche Wägung nach Rückwärtsauffahrt ist nicht erforderlich.“ Hierzu wird in der AG VPA unter Punkt 6.4.3 zur „Änderung der bisherigen Empfehlung zu kommunizierenden Achssystemen“ in Absatz 3 ausgeführt: „Weiterhin wurde bisher [Anmerkung: ursprüngliche Anweisung zur Feststellung von Gewichten mittels Radlastmesser, Stand 20.05.2010] gefordert, dass jede Achse zunächst vorwärts auf die Waage(n) zu fahren ist, nach der Messwertermittlung vorwärts die Waage(n) zu verlassen ist/sind und anschließend die gleiche Achse wieder rückwärts auf die Waage(n) zu fahren ist. Dieses Verfahren ist nicht mehr durchzuführen, weil aufgrund der technischen Achsgeometrie keine vergleichbaren (nahezu identischen Werte) ermittelt werden können. Wägewerte aus einer Rückwärtsauffahrt sind nicht verwertbar, weil die bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrzeugs die Vorwärtsfahrt ist.“

Weiterhin sieht die AG VPA unter Ziffer 2. vor, dass neben der Bedienungsanleitung des Wagenherstellers auch der „Leitfaden für das Wägen von Fahrzeugen zur amtlichen Überwachung des öffentlichen Verkehrs“ (im Folgenden BTE-Wägebroschüre) anzuwenden ist.

Die BTE-Wägebroschüre 2021 (Anlage V zum Protokoll, Bl. 164 ff GA) enthält auf deren Seite 21 einen „Leitfaden für das Wägen von Fahrzeugen zur amtlichen Überwachung des öffentlichen Verkehrs (Vorschlag)“.

Aus der Vorbemerkung ergibt sich, dass dieser durch einen Arbeitsausschuss von Fachleuten der Eichbehörden und der Polizei in Zusammenarbeit mit der PTB diesen Leitfaden erstellt hat, der den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Punkt 5.c) der Broschüre lautet wie folgt:

„5. Achsweises statisches Wägen mit Radlastwaagen zur Verkehrsüberwachung im amtl. Verkehr

[…]

c) Das zu wägende Fahrzeug muss vorwärts auf die Waage aufgefahren werden. Eine zusätzliche Wägung nach Rückwärtsfahrt ist nicht erforderlich.“

Die zu dem Satz gehörende Fußnote lautet: „Umfangreiche Fahrversuche in den Jahren 2016 bis 2019 haben gezeigt, dass die bei der Vorwärtsauffahrt (bestimmungsgemäße Fahrzeugverwendung/-betriebsart) durchgeführte, statische Wägung der Fahrzeuge (auch bei Fahrzeugen mit automatischem Achsausgleich) die geringste Abweichung vom tatsächlichen Wert der Masse hat. Bei den durchgeführten statischen Wägungen nach Rückwärtsauffahrt wurden tendenziell höhere Achslasten gemessen.“

IV.

Der Betroffene und die Einziehungsbeteiligte haben der Verwertbarkeit der Verwiegung widersprochen und gerügt, dass die Messung nur einfach und daher nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.

Zur Begründung führte die Verteidigung aus, dass das Vorgehen der lediglich einfachen Verwiegung einen Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 MessEG iVm § 46 Abs. 1 Nr. 1 MessEG sowie gegen § 33 Abs. 2 MessEG darstelle, da die Änderung im Vorgehen der Messung nicht durch den Regelermittlungsausschuss geprüft worden sei. Dies sei deshalb notwendig gewesen, da die „Gesetzliches Messwesen – Prüfanweisung für nichtselbständige Waagen (im Folgenden GM-P9 NSW)“ vom 28.11.2012 (Anlage VI zum Protokoll, Bl. 169 ff GA), welche Verwaltungsvorschriften für das gesetzliche Messwesen enthält und die durch den „Bund – Länderausschuss Gesetzliches Messwesen“ sowie die „Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen“ erarbeitet und durch die Vollversammlung für das Eichwesen bestätigt wurden, verbindliche Regelungen für die Art der Verwiegung enthalte.

Die GM-P9 NSW enthält als Anhang unter Punkt 8.4 einen „Leitfaden für achsweises statisches Wägen im geschäftlichen und amtlichen Verkehr“. Dieser Leitfaden wurde mittels eines Arbeitsausschusses von Fachleuten der Eichbehörden und der Polizei in Übereinstimmung mit der PTB erstellt. Diese enthält in Punkt 3.3 die Regelung, dass „im Beanstandungsfall Zweitwägung mit Auffahrt in entgegengesetzter Richtung (vor- bzw. rückwärts) durch[zu]führen [ist] und die Erkenntnisse [zu] mitteln [sind] (zum Ausgleich von möglichen Verzwängungen im Fahrwerksystem). Dabei kann die Zweitwägung unmittelbar nach der Erstwägung der betreffenden Achse vorgenommen werden. indem das Fahrzeug etwa 0,5 m vorgezogen und anschließend wieder auf die Radlastwaagen zurückgesetzt wird.“

V.

Der Bußgeldbescheid vom 26.05.2021 und der Einziehungsbescheid vom 16.06.2021 waren aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen aufzuheben und der Betroffene und die Einziehungsbeteiligte freizusprechen.

Das Gericht vermöchte sich aus rechtlichen Gründen nicht von einer tatbestandsmäßigen Überladung des Fahrzeugs zu überzeugen. Vor diesem Hintergrund kann eine mit Geldbuße bedrohte Handlung des Betroffenen, die zu einem unzulässigen Gewinn bei der Einziehungsbeteiligten führte, nicht angenommen werden.

Zwar ist das Gericht insgesamt der Überzeugung, dass die Zeugen A und B die Messung in tatsächlicher Hinsicht korrekt, wie nach dem ministeriellen Erlass vom 22.09.2020 und in der Bedienungsanleitung vorgesehen, vorgenommen haben, die eine Verwiegung in Vorwärts- und Rückwärtsfahrt nicht vorsehen. Auch geht das Gericht ohne Zweifel von einer ordnungsgemäßen Bedienung der Waagen durch den Zeugen A aus, der im Umgang mit den Waagen ausreichend geschult ist.

Jedoch hält das Gericht die ministerielle Vorgabe vom 22.09.2020, den AG VPA und darüber hinaus auch den „Leitfaden für das Wägen von Fahrzeugen zur amtlichen Überwachung des öffentlichen Verkehrs (Vorschlag)“ aus der BTE-Wägebroschüre 2021 anzuwenden, für nicht mit dem Gesetz vereinbar, da das Vorgehen aus Sicht des Gerichts nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Aus diesem Grund ist das Messergebnis nicht ausreichend belastbar, um bei dem Gericht eine zur Verurteilung erforderliche Überzeugung zu stützen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten insoweit:

§ 6 MessEG Inverkehrbringen von Messgeräten

(2) Messgeräte müssen die wesentlichen Anforderungen erfüllen; dies schließt die Einhaltung der Fehlergrenzen ein. Wesentliche Anforderungen im Sinne von Satz 1 sind diejenigen Anforderungen,

2. die einzuhalten sind, um dem Stand der Technik zur Gewährleitung richtiger Messergebnisse und Messungen zu entsprechen, sofern in der Rechtsverordnung nach § 30 Nummer 1 keine näheren Festlegungen getroffen sind.

§ 46 MessEG Regelermittlungsausschuss

(1) Bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt wird ein Regelermittlungsausschuss eingesetzt. Er hat die Aufgabe, auf der Grundlage des Standes der Technik

1. Regeln und technische Spezifikationen zu ermitteln, um die nach § 6 Abs. 2 zu beachtenden wesentlichen Anforderungen an Messgeräte zu konkretisierten, zu ergänzen und zu prüfen, soweit es für ein Messgerät keine harmonisierte Norm oder normativen Dokumente gibt,

3. Regeln und Erkenntnisse zu ermitteln, um die Pflichten von Personen näher zu bestimmen, die Messgeräte oder Messwerte verwenden.“

Vorliegend hätte aus Sicht des Gerichts die Änderung im Vorgehen der Verwiegung durch den Regelermittlungsausschuss geprüft und bestätigt werden müssen.

Dabei ist dem Gericht bewusst, dass das MessEG erst am 25.07.2013 erlassen worden ist. Zu diesem Zeitpunkt galt die Prüfanweisung für nichtselbständige Waagen (GM-P9 NSW) vom 28.11.2012 bereits. Dieses Regelwerk stellte also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MessEG aus Sicht des Gerichts den Stand der Technik Verwiegungen betreffend dar.

Folglich hätte nach Sicht des Gerichts, eine Änderung im Stand der Technik, die dazu führt, dass sich Pflichten von Personen ändern, die die Messgeräte verwenden und Werte mit ihrer Hilfe ermitteln, durch den Regelermittlungsausschuss geprüft und bestätigt werden müssen.

Dass das nunmehr durch die AG VPA und den Vorschlag in der BTE-Broschüre vorgesehene Vorgehen entgegen der Bedenken des Gerichts doch dem Stand der Technik und damit dem Gesetz entspricht, ließ sich in einigen Parallelverfahren auch mit sachverständiger Hilfe nicht ermitteln.

Schon gar nicht ergibt sich ein solches aus der AG VPA oder dem Vorschlag für einen Leitfaden (BTE-Broschüre) selbst. Soweit in der AG VPA auf Seite 12 unter Punkt 6.4.3 (Bl. 163 GA) ausgeführt wird, dass eine Messung in Vorwärts- und sodann in Rückwärtsfahrt nicht mehr durchzuführen sei, weil aufgrund der technischen Achsgeometrie keine vergleichbaren (nahezu identischen) Werte ermittelt werden können und Wägewerte aus einer Rückwärtsfährt nicht verwertbar seien, weil die bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeugs die Vorwärtsfahrt sei, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. So hat die Abteilungsrichterin in ihrer 10 jährigen Tätigkeit zahlreiche Ordnungswidrigkeitenvorwürfe wie den vorliegenden verhandelt. In dieser Zeit sind allenfalls in 1-2 Verfahren nennenswerte „Ausreißer“ bei einer Vorwärts- und Rückwärtsverwiegung aufgefallen, in denen die Werte nicht nahezu identisch waren.

Die Behauptung, dass die bestimmungsgemäße Verwendung eines Fahrzeugs allein die Vorwärtsfahrt ist, hält das Gericht für kaum tragbar. Denn ein Fahrzeug sollte – Verzwingungskräfte berücksichtigt – sowohl in Vorwärts- wie auch in Rückwärtsfahrt zumindest näherungsweise dasselbe Gewicht aufweisen.

Soweit der Vorschlag für einen Leitfaden für das Wägen von Fahrzeugen (BTE-Broschüre) hinsichtlich der nicht erforderlichen Rückwärtsfahrt auf umfangreiche Fahrversuche aus den Jahren 2016 bis 2019 Bezug nimmt und ebenfalls ausführt, dass bei einer Rückwärtsfahrt tendenziell höhere Achslasten gemessen werden, hat das Gericht in Parallelverfahren die Sachverständigen um Überprüfung gebeten. Die dort beauftragten Sachverständigen konnten dem Gericht zwar umfangreiche Bemühungen darlegen, Einsicht in die der Bewertung zu Grunde liegende Versuchsreihe zu bekommen. Letztlich wurden sie jedoch darauf verwiesen, dass die Messreihen, auf denen die Empfehlungen beruhen in Bundeshand liegen und nicht herausgegeben werden dürfen. Weitere Ermittlungsversuche der Sachverständigen verliefen ergebnislos. Da den gerichtlich bestellten Sachverständigen in den Parallelverfahren vor diesem Hintergrund nicht mal eine statistische Auswertung der Versuche vorlagen, war es ihnen nicht möglich, sich zu den „umfangreichen Versuchsreihen“, die der BTE-Broschüre zu Grunde liegen, zu äußern.

Berücksichtigt man nunmehr, welch umfangreiche Prüfungen und Ermittlungen der „Gesetzliches Messwesen – Prüfanweisung für nichtselbständige Waagen (GM-P9 NSW)“ vom 28.11.2012 und dem darin errichteten „Leitfaden für achsweises statisches Wägen im geschäftlichen und amtlichen Verkehr“ zu Grunde lag (Bl. 169 ff GA) der in Punk 3.3. vorsieht, dass „Im Beanstandungsfall Zweitwägung mit Auffahrt in entgegengesetzter Richtung (vor- bzw.- rückwärts) durch[zu]führen [ist] und die Ergebnisse [zu] mitteln [sind](zum Ausgleich von möglichen Verzwängungen im Fahrwerksystem“, ist es für das Gericht auf Grundlage der nunmehr vorliegenden Regelungen nicht ersichtlich, warum das Erfordernis einer Zweitwägung in Rückwärtsfahrt entfallen ist. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass das Wort „Beanstandungsfall“ im Rahmen der Regelung nur eine festgestellte Überladung meinen kann, nicht aber Auffälligkeiten im Falle der Wägung. Insoweit ist auch die Erläuterung zum Leitfaden (Vorschlag) in der BTE-Broschüre nicht verständlich (Bl. 168 GA), der zu Nr. 5c Vorwärtsfahrt auf die Radlastwaage ausführt, dass wenn „im Bedarfsfall eine Wiederholung der Messung erforderlich [ist], […]das Fahrzeug entweder nach einer Runde […] erneut in Fahrtrichtung auf die Radlastwaage gefahren oder rückwärts von der Radlastwaage und wieder vorwärts auf die Waage gefahren [werden soll]. Was mit Bedarfsfall gemeint ist, ergibt sich aus der Erläuterung nicht.

Unter Betrachtung der Gesamtumstände konnte das Gericht also feststellen, dass die Beamten im Rahmen der Bedienungsanleitung sowie des ministeriellen Erlasses korrekt gearbeitet und insbesondere die Waage grundsätzlich korrekt angewendet haben und das gemessene Gewicht auch plausibel war. Eine weitere Nachvollziehbarkeit der Richtigkeit des Wiegeergebnisses war aber aufgrund weiterer Referenzergebnisse aus einer zweiten Wiegung nicht möglich.

Dementsprechend konnten die Bescheide vom 26.05.2021 und vom 16.06.2021 keinen Bestand haben.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §-§ 464, 467 Abs. 1 StPO iVm § 46 OWiG.

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