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Verstöße gegen Lenkzeitüberschreitung und Ruhezeitverkürzung – Tateinheit

OLG Koblenz – Az.: 1 SsBs 63/11 – Beschluss vom 26.08.2011

Der Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 17. März 2011 zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 17. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Betroffene wegen

– vorsätzlicher tateinheitlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Tagesruhezeitverkürzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung zu einer Geldbuße in Höhe von 907,50 € (Fall 1 (1.1.-1.4.)),

– zweier Fälle der vorsätzlichen verspäteten Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung zu Geldbußen in Höhe von 360 € (Fall 2 (2.1.-2.2.)) und 255 € (Fall 5 (5.1.-5.2.)), und

– vorsätzlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit fahrlässiger Tageslenkzeitüberschreitung zu einer Geldbuße in Höhe von 390 € (Fall 8 (8.1.-8.2.))

verurteilt wurde.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Gründe

I.

Verstöße gegen Lenkzeitüberschreitung und Ruhezeitverkürzung - Tateinheit
Symbolfoto: Von Virrage Images/Shutterstock.com

Das Amtsgericht Koblenz verurteilte den Betroffenen am 17. März 2011 wegen

– vorsätzlicher tateinheitlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Tagesruhezeitverkürzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung zu einer Geldbuße in Höhe von 907,50 € (Fall 1),

– vorsätzlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit vorsätzlicher Tageslenkzeitüberschreitung in zwei Fällen zu Geldbußen in Höhe von 360 € und 255 € (Fall 2 und 5),

– fahrlässiger verspäteter Fahrtunterbrechung in zwei Fällen zu einer Geldbußen in Höhe von jeweils 15 € (Fall 3 und 11),

– tateinheitlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in zwei Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Tageslenkzeitüberschreitung zu einer Geldbuße in Höhe von 52,50 € (Fall 4),

– vorsätzlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in Tateinheit mit fahrlässiger Tageslenkzeitüberschreitung in zwei Fällen zu einer Geldbuße in Höhe von 240 € und in Höhe von 390 € (Fall 6 und 8), und

– vorsätzlicher verspäteter Fahrtunterbrechung in vier Fällen zu Geldbußen in Höhe von 90 €, 240 €, 150 € und 180 € (Fall 7, 9, 10 und 12).

Die Verstöße betreffen den mit einem digitalen Aufzeichnungsgerät erfassten Tatzeitraum vom 17. März 2010 bis 9. April 2010. Das Amtsgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

„Bei einer am 12.04.2010 durch die Pl …[X] durchgeführten Kontrolle auf der BAB 3, Fahrtrichtung Süd, in der Gemarkung …[Y], führte der Betroffene als bei der Fa. …[A] GmbH beschäftigter Maschinenführer die Zugmaschine seines Arbeitgebers mit dem amtlichen Kennzeichen … und den Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen … mit einer zulässigen Gesamtmasse von 40 t.

Dabei handelt es sich um ein Hakenliftfahrzeug, mit welchem der Betroffene Baumaschinen und Container zu den jeweiligen Baustellen seines Arbeitgebers transportiert, um diese dann dort einzusetzen. Die Maschinenbedienung am jeweiligen Einsatzort ist die Hauptaufgabe des Betroffenen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

Die Auswertung der digitalen Fahrerkarte des Betroffenen durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord ergab die folgenden Lenk- und Ruhezeitverstöße, obwohl dem Betroffenen aufgrund zuvor erfolgter Belehrung durch seinen Arbeitgeber die einschlägigen Vorschriften bekannt waren:

1.1.

Am 17.03.2010 legte er 6 Stunden und 31 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

1.2.

Vom 17. auf den 18.03.20 10 verkürzte er die innerhalb von 24-Stunden einzuhaltende Ruhezeit von 9 Stunden um 26 Minuten (Ruhezeit von 19:26 Uhr bis 05:33 Uhr).

1.3.

Außerdem legte er am 18.03.2010 erneut die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause 1 Stunde und 21 Minuten zu spät ein.

1.4.

In der Zeit vom 17. bis 18.03.2010 überschritt der Betroffene die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 11 Stunden und 13 Minuten.

2.1.

Am 19.03.2010 legte er 5 Stunden und 23 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

2.2.

Am 19.03.2010 überschritt der Betroffene außerdem die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 1 Stunde und 47 Minuten.

3.

Am 22.03.2010 legte er 19 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

4.1.

Am 24.03.2010 legte er um 12:35 Uhr 1 Stunde und 6 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

4.2.

Am 24.03.2010 legte er um 19:14 Uhr erneut 35 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

4.3.

Am 24.03.2010 überschritt der Betroffene außerdem die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 41 Minuten.

5.1.

Am 25.03.2010 legte er um 3 Stunden und 20 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

5.2.

Am 25.03.2010 überschritt der Betroffene außerdem die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 2 Stunden und 7 Minuten.

6.1.

Am 29.03.2010 legte er 3 Stunden und 44 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

6.2.

Am 29.03.2010 überschritt der Betroffene außerdem die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 56 Minuten.

7.

Am 30.03.2010 legte er 2 Stunden und 1 Minute zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

8.1.

Am 31.03.2010 legte er 6 Stunden und 1 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

8.2.

Am 31.03.2010 überschritt der Betroffene außerdem die zulässige Tageslenkzeit von maximal 10 Stunden um 41 Minuten.

9.

Am 01.04.2010 legte er 4 Stunden und 7 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

10.

Am 06.04.2010 legte er 3 Stunden und 1 Minute zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

11.

Am 07.04.2010 legte (Erg. d. d. Senat: er) 31 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.

12.

Am 09.04.2010 legte er 3 Stunden und 5 Minuten zu spät die nach einer durchgehenden Lenkzeit von 4,5 Stunden vorgeschriebene Ruhepause ein.“

Zur rechtlichen Würdigung und zu den Bußgeldzumessungserwägungen hat das Amtsgericht ausgeführt:

„IV.3.

Abweichend von der Bewertung durch die Verwaltungsbehörde ist das Gericht bei den oben unter Ziff. II.1.2., 6.2. und 8.2. festgestellten Verstößen zugunsten des Betroffenen nicht von Vorsatz, sondern lediglich von Fahrlässigkeit ausgegangen, da die Unterschreitung der Mindesttagesruhezeit unterhalb von 30 Minuten lag und die Überschreitung der Tageslenkzeit jeweils unterhalb einer Stunde. Im Übrigen ist die Behörde zu Recht wegen der jeweiligen Höhe der Überschreitungen zu Ziff. II.3., 4. und 11. von Fahrlässigkeit und im Übrigen von Vorsatz ausgegangen. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der jeweiligen Verstöße ist die Verwaltungsbehörde auch zu Recht bei den jeweils unter einer Ziffer zusammengefassten Verstößen von Tateinheit ausgegangen.

V.

Auch bei der Höhe der jeweils festgesetzten Geldbußen hat sich das Gericht, um eine möglichst umfassende Gleichbehandlung von Verstößen dieser Art zu gewährleisten, an den Ahndungsrichtlinien der Verwaltungsbehörde orientiert, auch wenn diese keine Bindungswirkung für das Gericht entfalten. Demgemäß ahndet das Gericht die vorsätzliche Tageslenkzeitüberschreitung sowie die vorsätzliche verspätete Fahrunterbrechung durch einen Fahrer bis zu einer Stunde mit 30,- EUR, danach je angefangene halbe Stunde mit 30,- EUR. Eine vorsätzliche Tagesruhezeitunterschreitung wird je angefangene Stunde ebenfalls grundsätzlich mit jeweils 30,- EUR geahndet.

Entsprechend der Regelung des § 17 II OWiG wird ein fahrlässig begangener Verstoß lediglich mit der Hälfte der vorbezeichneten Bußgeldhöhe geahndet. Im Falle der tateinheitlichen Begehung mehrerer Verstöße wird gemäß § 19 OWiG auf nur eine Geldbuße erkannt, die sich nach der Vorschrift richtet, nach der die höchste Einzelgeldbuße bestimmt wurde; die übrigen Geldbußen werden um die Hälfte reduziert und sodann zur höchsten verwirkten Einzelgeldbuße addiert.

Gemäß § 17 Abs.ll S.3 OWiG sind bei der Bemessung der Geldbuße auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sowie die weiteren Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Insbesondere ist ein etwaiges Missverhältnis zwischen der Bedeutung des Verstoßes und der Höhe der verhängten Geldbuße zu vermeiden.

Der Betroffene verfügt mit einem monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 1.700,- EUR über ein leicht überdurchschnittliches Einkommen, welches auch nicht durch Unterhaltsverpflichtungen geschmälert wird. Dies spricht für eine Erhöhung der Geldbußen. Allerdings hat das Gericht aufgrund i.H.v. 12.000,- EUR bestehender Schulden des Betroffenen zu dessen Gunsten von einer Erhöhung der Geldbußen abgesehen und demgemäß die im Tenor näher bezeichneten Geldbußen festgesetzt. Diese entsprechen ihrer Höhe nach auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände einer angemessenen Ahndung der Verstöße. Nach Gewährung der tenorierten Ratenzahlung (10 Monatsraten à 289,50 EUR) ist der Betroffene auch in der Lage, die Geldbußen i.H.v. insgesamt 2.895,- EUR zu zahlen, denn ihm verbleibt danach noch ein dem durchschnittlichen entsprechendes Nettoeinkommen.“

Gegen dieses Urteil richten sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und seine Rechtsbeschwerde, wobei er ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Der gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthafte Zulassungsantrag des Betroffenen hat keinen Erfolg, während die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde in dem im Tenor genannten Umfang zur Aufhebung des Urteils führt.

1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist vorliegend, da keine Nebenfolgen angeordnet wurden, nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, Abs. 2 OWiG für jeden der verurteilten Fälle in Abhängigkeit von der Höhe der jeweils verhängten Geldbuße zu beurteilen.

a. Gemäß § 79 Abs. 2 OWiG bestimmt sich die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde für jede Tat im prozessualen Sinn gesondert. Wird wegen eines einheitlichen prozessualen Geschehens nur eine Geldbuße festgesetzt, so ist die Höhe dieser Geldbuße im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung maßgebend. Da nach dem OWiG, anders als im Strafverfahren, bei tatmehrheitlichem Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeiten keine Gesamtrechtsfolge zu bilden ist, ergeben sich Fallgestaltungen, in denen gegen den Betroffenen mehrere Geldbußen wegen mehrerer Handlungen im materiell-rechtlichen Sinn (Tatmehrheit) festgesetzt werden, die verfahrensrechtlich eine einheitliche Tat bilden. In diesen Fällen sind bei der Zulässigkeitsprüfung die Geldbußen, die sich auf eine einheitliche prozessuale Tat beziehen, zu addieren (Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 79 Rdn. 21, 22). Ob Gegenstand des Urteils eine einheitliche Tat ist, hat das Beschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu entscheiden; bleibt die Frage offen, ob eine einheitliche Tat gegeben ist, so hat das Beschwerdegericht von der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde auszugehen. Prüfungsgrundlage dafür, ob eine einheitliche Tat gegeben ist, sind die tatrichterlichen Feststellungen, nicht der sonstige Akteninhalt (Göhler a.a.O. Rdn. 21).

Nach den Urteilsgründen sind vorliegend nur an den einzelnen genannten Tagen Verstöße gegen die Vorschriften der VO (EG) Nr. 561/2006 über die Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass daneben Wochen- oder Doppelwochenverstöße vorliegen könnten, die die tagweisen Verstöße tateinheitlich verbänden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 21.07.2011 – 1 SsBs 61/11; OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 355), ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Auch ist den im Urteil aufgeführten Verstößen keine zeitliche Verbindung zu entnehmen, die abweichend von der amtsgerichtlichen Bewertung ein weitergehendes tateinheitliches Geschehen annehmen ließe.

b. Ausgehend von der jeweils verhängten Geldbuße ist die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil mithin zulässig, soweit die ausgeurteilten Geldbußen 250 € übersteigen. In den übrigen Fällen bedarf die Rechtsbeschwerde der Zulassung nach § 80 Abs. 1, Abs. 2 OWiG.

2. Der Zulassungsantrag des Betroffenen ist offensichtlich unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde, wenn Geldbußen verhängt wurden, die den Betrag von 100 € übersteigen, jedoch maximal den Betrag von 250 € erreichen, nur zur Fortbildung des Rechts, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen Versagen des rechtlichen Gehörs zugelassen werden.

Bei der Verurteilung zu einer Geldbuße, die den Betrag von 100 € nicht übersteigt, wie dies vorliegend hinsichtlich der Verstöße vom 22. März 2010 (Fall 3), vom 24. März 2010 (Fall 4 (4.1-4.3)), vom 30. März 2010 (Fall 7) und vom 7. April 2010 (Fall 11) gegeben ist, sind die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsbeschwerde zugelassen werden kann, noch enger gefasst. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist die Zulassung in diesen Fällen nur zur Fortbildung des materiellen Rechts oder wegen Versagung des rechtlichen Gehörs eröffnet (vgl. Göhler a.a.O. § 80 Rdn. 16f-16i).

a. Zur Fortbildung des Rechts ist die Nachprüfung des Urteils ersichtlich nicht geboten.

Für die Beurteilung der Erforderlichkeit der Rechtsfortbildung ist nicht entscheidend, ob das sachliche Recht im Einzelfall richtig angewendet worden ist, sondern allein, ob der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen (ständige Senatsrechtsprechung; BGHSt 24, 15, 21). Der zu beurteilende Sachverhalt lässt nach diesen Maßstäben keine entscheidungserheblichen abstrakt-generellen Rechtsfragen erkennen, die vor dem Hintergrund einer praktischen Bedeutung generell klärungsbedürftig wären. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, welche Anforderungen in Bußgeldverfahren an die Urteilsgründe zu stellen sind, auch die Darlegungserfordernisse bei Verstößen gegen die Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhepausen nach VO (EG) 561/2006 sind, wie nachfolgend noch genauer ausgeführt werden wird, geklärt wie auch die Grundsätze der Bußgeldzumessung, worauf ebenfalls noch näher eingegangen werden wird, in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend behandelt wurden. Auch die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zu dem seitens der Verteidigung in Frage gestellten Tatbestandsmerkmal des Fahrpersonalgesetzes und der EG-Verordnung führen zu keiner anderen Einschätzung. Hier sei darauf hingewiesen, dass sich aus Art. 13 Abs. 1c) 2. Spiegelstrich VO (EG) 561/2006 ergibt, dass auch Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Berufes benötigt zu den Gütern gehören, deren Beförderung in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt (EuGH, Urteil vom 28.07.2011 – C-554/09 –, juris).

b. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 81 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).

Dies ist nur dann geboten, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden. Dabei kommt es darauf an, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat. Bei einer Fehlentscheidung, die sich nur im Einzelfall auswirkt, ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch nicht gefährdet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15, 22; Göhler a.a.O. § 80 Rdn. 4). Es muss vielmehr hinzukommen, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer grundsätzlichen Frage getroffen ist, dass die Fehlentscheidung schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsanwendung auslösen würde oder dass ohne die höchstrichterliche Entscheidung mit weiteren Fehlentscheidungen in gleichgelagerten Fällen gerechnet werden kann (Senat VRS 68, 227; Göhler a.a.O. Rdn. 5). Die auf die Sachrüge des Betroffenen hin zutage getretenen Rechtsfehler des Urteils, auf die im Weiteren unter Ziffer 3. eingegangen wird, erreichen diese Qualität noch nicht wie auch Anhaltspunkte dafür fehlen, dass das Amtsgericht in ständiger Rechtsprechung gleiche oder ähnliche Rechtsfehler begeht. Der Senat erachtet es daher als ausreichend, das Amtsgericht auf die Unzulänglichkeit der Urteilsgründe hinzuweisen und damit einer möglichen Wiederholung der Rechtsfehler entgegenzuwirken.

c. Eine Urteilsaufhebung wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ein solcher Verfahrensverstoß wird nicht geltend gemacht und könnte im Übrigen auch nur Gegenstand einer den Anforderungen der §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG entsprechenden Verfahrensrüge sein.

Durch die Verwerfung des Antrages gilt die Rechtsbeschwerde insoweit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG).

3. Die Rechtsbeschwerde hat in dem im Tenor genannten Umfang mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

a. Die Urteilsgründe leiden an erheblichen Darstellungsmängeln.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift, wobei es sich bei den angegeben Vorschriften um solche der VO (EG) 561/2006 handelt, hierzu ausgeführt:

„Die tatrichterlichen Feststellungen sind lückenhaft und tragen den Schuldspruch nicht.

a)

Nach Artikel 6 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 561/2006 darf die Tageslenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit 9 Stunden nicht überschreiten und darf nur 2-mal auf 10 Stunden verlängert werden. Unter Tageslenkzeit ist die summierte Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauffolgenden täglichen Ruhezeit zu verstehen (Artikel 4k VO (EWG) Nr. 561/2006).

b)

Nach Artikel 8 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 561/2006 muss der Fahrer innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben. Unter täglicher Ruhezeit ist dabei der tägliche Zeitraum zu verstehen, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann, und die eine regelmäßige tägliche Ruhezeit und eine reduzierte tägliche Ruhezeit umfasst. Eine regelmäßige tägliche Ruhezeit bezeichnet eine Ruhephase von mindestens 11 Stunden. Sie kann auch in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss. Unter einer reduzierten täglichen Ruhezeit ist eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden zu verstehen (Artikel 4g VO (EWG) 516/2006).

c)

Tageslenkzeit und tägliche Ruhezeit sind voneinander abhängig. Bei der Berechnung der Tageslenkzeit sind alle Lenkzeiten zu addieren, die nicht durch eine ausreichende Ruhezeit im Sinne von Artikel 8 VO (EWG) 516/2006 unterbrochen worden sind.

Für das Rechtsbeschwerdegericht sind Verstöße hiergegen demnach nur dann nachvollziehbar, wenn festgestellt ist, welche Zeit der Fahrer jeweils zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit das Fahrzeug gelenkt hat, und dass diese Zeitabschnitte keine Fahrtunterbrechung enthalten.

Der Tatrichter hätte daher im Einzelnen angeben müssen, wann der Betroffene seine Fahrt an dem jeweiligen Tag begonnen und wann er sie beendet hat, und ob und ggf. wann es zur Unterbrechungen der Fahrt gekommen ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 02.07.2009 – 2 SsBs 2/09, m.w.N.). Um einen Verstoß gegen die tägliche Ruhezeit nachvollziehen zu können, hätte es der Feststellung bedurft, wann die letzte Fahrt vor der Ruhepause beendet wurde und wann die nächste Fahrt nach der Ruhepause begonnen wurde. Das angefochtene Urteil hält aber nur die Summen der einzelnen Lenkzeitüberschreitungen und Ruhezeitverkürzungen, bezogen auf den jeweiligen Tageszeitraum, fest. Dies ermöglicht es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht, nachzuprüfen, ob das Amtsgericht eine zutreffende Berechnung der Lenk- und Ruhezeiten vorgenommen hat (OLG Koblenz, a.a.O.).

Unter dem gleichen Darlegungsmangel leiden auch die Feststellungen zur Überschreitung der Lenkdauer. Unter Lenkdauer ist die Gesamtlenkzeit zwischen dem Zeitpunkt zu verstehen, zu dem ein Fahrer nach einer Ruhezeit oder einer Fahrtunterbrechung beginnt, ein Fahrzeug zu lenken, und dem Zeitpunkt, zu dem er eine Ruhezeit oder Fahrtunterbrechung einlegt. Die Lenkdauer kann dabei ununterbrochen oder unterbrochen sein (Artikel 4q VO (EWG) Nr. 561/2006). Die zulässige Lenkdauer überschreitet, wer nach einer Lenkdauer von 4 ½ Stunden keine Fahrtunterbrechung von mindestens 45 Minuten einlegt, sofern er keine Ruhezeit einlegt. Diese Unterbrechung kann durch eine Unterbrechung von mindestens 15 Minuten, gefolgt von einer Unterbrechung von mindestens 30 Minuten, ersetzt werden (Artikel 7 VO (EWG) 561/2006).

Auch insoweit hätte es der Feststellung bedurft, wann der Betroffene seine Fahrt nach der letzten Ruhezeit bzw. Fahrtunterbrechung begonnen hat, wann es zur nächsten Unterbrechung der Fahrt gekommen und wann die Fahrt hiernach wieder fortgesetzt worden ist. Indes beschränkt sich das amtsgerichtliche Urteil auch hier darauf, die Summen der Lenkdauerüberschreitungen festzuhalten. Dies ermöglicht es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht, zu prüfen, ob das Amtsgericht die Lenkdauer zutreffend berechnet und zu Recht einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift angenommen hat (OLG Koblenz, a.a.O.).“

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Das Urteil kann nach alledem bereits aus diesen Gründen keinen Bestand haben.

b. Daneben ist auch die Bußgeldzumessung nicht frei von Rechtsfehlern.

Die Bemessung des Bußgeldes liegt stets im Ermessen des Tatrichters. Die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter bei der Festsetzung der Geldbuße von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.1990 – 5 Ss (OWi) 24/90 – (OWi) 17/90 I –, juris). Dabei sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft Grundlage für die Zumessung der Geldbuße. Bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten sind zudem regelmäßig die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG).

Vorliegend hat die Tatrichterin, orientiert an den Ahndungsrichtlinien der Verwaltungsbehörde, eine grundsätzliche Bewertung der Bußgeldtatbestände vorgenommen, und für Fälle der Tateinheit wie auch für die Abstufung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln Grundsätze für eine mathematische Herleitung der im Einzelfall festzusetzenden Geldbuße aufgestellt. Die zu Fall 1 festgesetzte Geldbuße von 907,50 € (wie auch die zu Fall 4 verhängte Geldbuße von 52,50 €) spricht auch für ein tatsächlich mathematisches Vorgehen bei der Bußgeldbemessung. Ein solches Vorgehen entspricht jedoch nicht der Aufgabe des Tatrichters, unter Anwendung der dargelegten Maßstäbe im Wege einer Gesamtwürdigung die angemessene Geldbuße festzusetzen. Es lässt das Ausüben des richterlichen Ermessens vermissen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., Beschluss vom 13.04.1989 – 5 Ss OWi 76/89 – Owi 63/89 I –; KG Beschluss vom 16.06.1997 – 2 Ss 124/97 – 3 Ws (B) 289/97 –, alle zitiert nach juris). Dabei übersieht der Senat nicht, dass es bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in Teilbereichen zu einer weitgehenden Schematisierung der Ahndung gekommen ist. Zu nennen ist hier der zur Bußgeldkatalogverordnung ergangene Bußgeldkatalog. Gleichwohl entbindet dies den Tatrichter nicht von seiner Verpflichtung, im Einzelfall das ihm eingeräumte Ermessen auf der Grundlage von § 17 Abs. 3 OWiG auszuüben (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Hierüber können dann auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigt werden. Diese sind nach der ständigen Senatsrechtsprechung bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, die bei einer Ahndung mit Geldbuße von mehr als 250 € vorliegen, regelmäßig in die Abwägung einzubeziehen (Senat, Beschluss vom 03.01.2007 – 1 Ss 289/06 –, juris).

Soweit das Amtsgericht in einigen der verfahrensgegenständlichen Fälle Geldbußen verhängt hat, die nicht mit der postulierten mathematischen Herleitung korrespondieren (vgl. Fall 2, 4, 5, 6 und 8), vermag dies den Eindruck der mathematischen Berechnung nicht zu entkräften. Es ist insoweit keine eigenständige Zumessungserwägung des Amtsgerichts zu erkennen, die zu dieser Abweichung führen könnte. Vielmehr lassen die Urteilsgründe besorgen, dass sich die Tatrichterin hier bei der Bußgeldzumessung nicht von der Festsetzung im Bußgeldbescheid gelöst hat, zumal die ausgeurteilten Geldbußen – außer in Fall 1 – mit der Festsetzung aus dem Bußgeldbescheid übereinstimmen. Bei einem wirksamen Einspruch wird der Bußgeldbescheid jedoch als vorläufige Entscheidung der Verwaltungsbehörde hinfällig. Für das anschließende gerichtliche Verfahren hat er nur noch die Bedeutung einer Beschuldigung, die den Gegenstand in sachlicher und persönlicher Hinsicht begrenzt. Das Gericht prüft den Bußgeldbescheid nicht wie eine vorausgegangene Entscheidung nach, sondern nur die darin erhobene Beschuldigung, ohne in der rechtlichen oder tatsächlichen Beurteilung durch den Bußgeldbescheid beschränkt zu sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.1990 – 5 Ss (OWi) 24/90 – (OWi) 17/90 I –, juris).

4. Im Hinblick auf die erneute Verhandlung und Entscheidung in dieser Sache weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Urteilsfindung und –begründung nur prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführte Beweismittel zugrunde gelegt werden dürfen.

Urkunden, auf die das Gericht seine Entscheidung aufbauen und stützen will, sind durch Verlesen zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen. Es kann auch in Betracht kommen, ihren Inhalt über die Einlassung des Angeklagten, durch Aussagen von Zeugen oder durch die Angaben eines Sachverständigen – ggf. im Wege des Vorhalts – in die Hauptverhandlung einzuführen. Eine reine Bezugnahme auf den Akteninhalt scheidet jedoch aus.

Ferner wird der Vertreter der Verwaltungsbehörde nach § 76 Abs. 1 OWiG als zur Objektivität verpflichtetes Hilfsorgan des Gerichts tätig (Göhler a.a.O. § 76 Rdn. 2) und nicht als Sachverständiger oder Zeuge. Das hat zur Folge, dass das Gericht neue Tatsachen oder gutachterliche Äußerungen, die durch den Vertreter der Verwaltungsbehörde in das Verfahren eingeführt werden, bei seiner Entscheidung nur verwerten darf, wenn die Erkenntnisse prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Die vom Vertreter der Verwaltungsbehörde bekundeten Tatsachen oder mitgeteilten gutachterlichen Stellungnahmen können daher nur dadurch zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, dass entweder an den Betroffenen, Zeugen oder Sachverständigen entsprechende Fragen gestellt bzw. Vorhalte gemacht werden, oder aber, wenn dieses Verfahren keine Ergebnisse zeitigt, dass der Vertreter der Verwaltungsbehörde selbst als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wird  (Senge in Karlsruher-Kommentar, 3. Aufl. § 76 Rdn. 3).

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