Skip to content
Menü

Verschlechterungsverbot – Änderung der Schuldform

Verkehrssünde und ihre Konsequenzen: Schlüsseldetails im Berliner Bußgeldverfahren

In einer spannenden Wendung der Ereignisse rund um eine Bußgeldsache, die das Berliner Straßengesetz betrifft, kam es am 30. Januar 2023 zu einem bemerkenswerten Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen des Kammergerichts. Der Fall konzentriert sich auf eine Verkehrsteilnehmerin, die zunächst wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße verurteilt wurde. Später, nach einer erfolgreichen Berufung, die zu einer Neubeurteilung der Tat führte, wurde sie wegen vorsätzlicher Begehung des Verstoßes zu einer höheren Geldbuße verurteilt. Im Mittelpunkt der Kontroverse stand die Frage, ob eine Änderung des Schuldspruchs (von Fahrlässigkeit zu Vorsatz) nach einer erfolgreichen Berufung zulässig ist und welche Auswirkungen dies auf die Höhe der Buße haben könnte.

Direkt zum Urteil Az: 3 ORbs 5/23 – 122 Ss 138/22 springen.

Erhebung der Rechtsbeschwerde und Urteilsanpassung

Das Amtsgericht Tiergarten hatte ursprünglich die Geldbuße auf 500 Euro festgelegt. Nachdem der Senat dieses Urteil aufgrund eines Verfahrensverstoßes aufgehoben und zurückverwiesen hatte, wurde die Betroffene beim erneuten Verfahren wegen vorsätzlicher Tatbegehung zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen dieses Urteil führte zu einer Herabsetzung der Geldbuße auf 500 Euro, da das Gericht nicht berechtigt war, die Rechtsfolgen zu verschärfen, obwohl eine Änderung des Schuldspruchs zulässig war.

Beweisverwertungsverbot und Fehler in Protokollen

In Bezug auf das angeführte Beweisverwertungsverbot stellte der Senat fest, dass es sich nicht auf alle Zeugenaussagen erstrecken kann, sondern nur auf solche, die verfahrensrechtswidrig erlangt wurden. Hierbei handelt es sich um Aussagen, die der Zeuge Y bezüglich der Betroffenen gemacht hat, welche jedoch nicht für die Urteilsfindung verwendet wurden. Des Weiteren wurde entschieden, dass eventuelle Mängel im Protokoll nicht zur Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils führen könnten.

Fahrzeughaltung und innere Tatseite

Der Senat bestätigte auch die Feststellung des Amtsgerichts, dass die Betroffene die Halterin des Fahrzeugs im Rechtssinn war. Niemand außer der Betroffenen konnte das Fahrzeug nutzen, da sie Schlüssel und Papiere mit ins Ausland genommen hatte. Zusätzlich wurde die innere Tatseite, also der Vorsatz, als ausreichend bewiesen angesehen und durch die Beweiswürdigung unterstützt.

Fehlerhafte Kostenentscheidung

Ein wichtiger Punkt des Beschlusses war die Fehlerhaftigkeit der Kostenentscheidung. Die Betroffene hätte die Kosten und Auslagen ihrer erfolgreichen Rechtsbeschwerde tragen müssen, da sie am Ende verurteilt worden war. Die Aufhebung des ursprünglichen Urteils und die Zurückverweisung stellten für sich genommen keinen Erfolg im kostenrechtlichen Sinne dar.

Zusammenfassend hat dieser Fall wichtige rechtliche Fragen zur Rolle des Vorsatzes bei der Beurteilung von Verkehrsordnungswidrigkeiten, zur angemessenen Höhe von Geldbußen und zur Kostenverteilung in Berufungsverfahren aufgeworfen.


Das vorliegende Urteil

KG – Az.: 3 ORbs 5/23 – 122 Ss 138/22 – Beschluss vom 30.01.2023

In der Bußgeldsache wegen einer Ordnungswidrigkeit gegen das Berliner Straßengesetz hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 30. Januar 2023 beschlossen:

I. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. August 2022 wird mit der Maßgabe nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass die Geldbuße auf 500 Euro herabgesetzt wird.

Nachdem das Amtsgericht die Betroffene wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen das Berliner Straßengesetz zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und der Senat dieses Urteil wegen eines Verfahrensverstoßes aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte, hat das Amtsgericht die Betroffene wegen vorsätzlicher Tatbegehung zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt. An der für die Betroffenen nachteiligen Veränderung des Schuldspruchs (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) war das Amtsgericht durch §§ 71 OWiG, 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht gehindert (vgl. BGH NJW 1960, 732), wohl aber an einer Verschlechterung der Rechtsfolgen. Der Senat entscheidet insoweit nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst und setzt die Geldbuße auf 500 Euro herab.

Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Die Erwiderung des Verteidigers vom 26. Januar 2023 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Erläuternd bemerkt der Senat:

1. Der Senat folgt der Bewertung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Rüge der prozessrechtswidrigen Verwertung der Bekundungen des Zeugen Y ohne Erfolg bleibt. Es ist offensichtlich, dass sich das von der Verteidigung angenommene Beweisverwertungsverbot keinesfalls auf alle, sondern nur auf solche zeugenschaftlichen Angaben erstrecken kann, die ihrerseits verfahrensrechtswidrig gewonnen sind. In Betracht kommen hier nur Bekundungen, welche der Zeuge Y in Bezug auf eine Aussage der (nicht über ein ihr gegebenenfalls zustehendes Schweigerecht belehrten) Betroffenen gemacht hat. Solche sind aber gar nicht Gegenstand der Urteilsfindung geworden. Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass nicht dasjenige, was die Zeugin gesagt hat, verwertet worden ist, sondern dasjenige, was der Zeugin durch den Zeugen Y gesagt worden ist.

2. Unabhängig davon, dass die Fehlerhaftigkeit des Protokolls keinesfalls zur Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils führen könnte, geht die Verteidigung mit ihrer Einschätzung, das Protokoll müsse den Wortlaut der nach § 52 StPO erfolgten Belehrung und zudem die „dazu abgegebene Erklärung des Zeugen“ enthalten, fehl. Dies bleibt aber ohne Bedeutung, weil der behauptete Verfahrensfehler nicht bewiesen ist. Die Tatrichterin hat hierzu eine klare dienstliche Erklärung abgegeben, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht.

3. Die Würdigung, die Betroffene sei im Rechtssinn Halterin des Fahrzeugs gewesen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Lediglich informatorisch teilt der Senat mit, dass er diese Bewertung, was im nur kassatorischen Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Belang ist, auch für ausgesprochen überzeugend hält. Denn niemand außer der Betroffenen konnte das Fahrzeug nutzen, nachdem sie Schlüssel und Papiere mit ins Ausland genommen hatte (UA S. 4). Lediglich sie konnte durch den Akt der Herausgabe der Schlüssel sowie eine entsprechende Erklärung bestimmen, wer das Fahrzeug nutzt.

4. Auch die innere Tatseite ist ausreichend festgestellt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird sie auch durch die Beweiswürdigung getragen.

5. Fehlerhaft allerdings ist die Kostenentscheidung. Richtigerweise hätte die Betroffene nicht von den Kosten und Auslagen ihrer erfolgreichen Rechtsbeschwerde entlastet werden dürfen. Nachdem sie am Ende verurteilt worden ist, hätte sie auch diese Kosten zu tragen gehabt. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gilt nämlich, dass die Aufhebung des zunächst ergangenen Urteils und die Zurückverweisung für sich noch keinen Erfolg im kostenrechtlichen Sinne darstellen. Es kommt vielmehr darauf an, ob und inwieweit die neue Entscheidung – verglichen mit der aufgehobenen – zu Gunsten der Beschwerdeführerin von der aufgehobenen abweicht (vgl. zum Ganzen BGH NStZ-RR 2006, 32).

Durch diese Rechtsanwendung ist die Betroffene aber nicht beschwert.

II. Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO). Der Erfolg des Rechtsmittels ist gering, und der Senat geht davon aus, dass die Betroffene es auch eingelegt hätte, wenn bereits das Amtsgericht so entschieden hätte, wie es nun der Senat getan hat.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!