Ein LKW-Fahrer legte Einspruch gegen seinen 45-Euro-Bußgeldbescheid ein, doch das Gericht lehnte die Verlegung des Termins trotz anwaltlicher Verhinderung ab. Die Ablehnung führte zur Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht, da die Begründung in den privaten Ruhestandsplanungen des Richters lag.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Gründe gelten im Bußgeldverfahren als zwingend für eine Terminsverlegung?
- Kann der Bußgeldeinspruch verworfen werden, wenn nur mein Anwalt zur Verhandlung erscheint?
- Welche Frist gilt für die Einlegung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs?
- Wer zahlt die Anwalts- und Gerichtskosten, wenn das OLG ein Verwerfungsurteil aufhebt?
- Wie begründe ich meinen Antrag auf Terminsverlegung optimal, um eine Ablehnung zu verhindern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Ss OWi 303/07 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Hamm
- Datum: 26.04.2007
- Aktenzeichen: 4 Ss OWi 303/07
- Verfahren: Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Rechtsbereiche: Rechtliches Gehör, Ordnungswidrigkeitenrecht
- Das Problem: Ein Betroffener legte Einspruch gegen ein Bußgeld ein. Sein Anwalt konnte den ersten Gerichtstermin wegen Urlaubs nicht wahrnehmen und beantragte eine Verlegung. Das Amtsgericht lehnte die Verschiebung mit pauschalen „dienstlichen Gründen“ ab und verwarf den Einspruch, da Anwalt und Fahrer nicht erschienen.
- Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht den ersten Verhandlungstermin absagen, wenn der Anwalt seine Verhinderung glaubhaft belegt, aber das Gericht lediglich pauschale dienstliche Gründe oder persönliche Organisationswünsche des Richters als Ablehnungsgrund nennt?
- Die Antwort: Ja. Die Ablehnung einer Terminsverlegung aus nur pauschalen dienstlichen Gründen oder wegen des persönlichen Wunsches des Richters, sein Dezernat vor seinem Ausscheiden zu erledigen, verletzt das Grundrecht auf rechtliches Gehör. Deshalb musste das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben werden.
- Die Bedeutung: Gerichte müssen das grundlegende Recht auf Anhörung zwingend gewährleisten. Sie müssen die Ablehnung einer Terminsverschiebung objektiv und nachvollziehbar begründen, anstatt sich auf allgemeine dienstliche Erfordernisse zu berufen.
Der Fall vor Gericht
Warum wurde ein 45-Euro-Bußgeld zu einem Fall für das Oberlandesgericht?
Es ging um 45 Euro. Ein Bußgeld, das ein LKW-Fahrer nicht akzeptieren wollte. Ein Alltagsfall, tausendfach in deutschen Amtsgerichten verhandelt. Doch dieser Fall eskalierte. Er eskalierte nicht wegen der Höhe der Summe, sondern wegen eines Telefonats zwischen einem Anwalt im Urlaub und einer Gerichtsmitarbeiterin. Am Ende stand nicht die Frage, ob der LKW-Fahrer falsch gefahren war, sondern ob ein Gericht das Recht hat, einem Bürger die Tür zu verschließen, nur weil ein Richter kurz vor der Pensionierung seinen Schreibtisch aufräumen will.
Was war der Auslöser für den Rechtsstreit?

Ein LKW-Fahrer erhielt einen Bußgeldbescheid über 45 Euro. Er legte Einspruch ein. Das Amtsgericht Soest setzte daraufhin einen Hauptverhandlungstermin für den 28. Dezember fest. Acht Tage vor diesem Termin, am 20. Dezember, rief der Verteidiger des Fahrers bei Gericht an. Er bat um eine Verlegung des Termins. Seine Begründung war einfach und nachvollziehbar: Er selbst befand sich im Urlaub und sein Kanzleikollege war ebenfalls verhindert. Es war die erste Bitte dieser Art in diesem Verfahren.
Die Antwort vom Gericht kam prompt – und überraschend. Eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle teilte dem Anwalt mit, der zuständige Richter sei selbst im Urlaub. Er habe aber telefonisch durchgegeben: Der Termin könne aus dienstlichen Gründen nicht verlegt werden. Der Anwalt möge einen Kollegen schicken. Zusätzlich erfuhrt der Anwalt, der Richter wolle die Sache noch vor Jahresende erledigen, da er aus dem Dienst ausscheide. Der Verteidiger protestierte noch am selben Tag schriftlich. Die Reaktion des Gerichts blieb hart: Der Richter ließ per Telefon ausrichten, es bleibe bei der Entscheidung. Zum Verhandlungstermin am 28. Dezember erschien niemand – weder der LKW-Fahrer noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht fackelte nicht lange. Es verwarf den Einspruch des Fahrers wegen Nichterscheinens, eine formal korrekte Maßnahme nach § 74 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Der Fall schien beendet, das Bußgeld rechtskräftig.
Wieso ist die Ablehnung einer Terminsverlegung rechtlich heikel?
Der Verteidiger sah in der Weigerung des Gerichts mehr als nur organisatorische Sturheit. Er sah eine Verletzung eines Grundrechts: des Anspruchs auf rechtliches Gehör, verankert in Artikel 103 des Grundgesetzes. Dieses Recht garantiert jedem Bürger, sich vor Gericht zu seinen Vorwürfen äußern zu können. Indem das Gericht den einzigen, gut begründeten Verlegungswunsch ausschlug, verwehrte es seinem Mandanten praktisch den Zugang zum Gerichtssaal.
Der Anwalt legte Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein. Seine Argumentation war ein Angriff auf die Begründung des Amtsrichters. Vage „dienstliche Gründe“ oder der persönliche Wunsch eines Richters, vor dem Ruhestand sein Dezernat „abzuarbeiten“, seien keine sachlichen Argumente. Sie wiegen nicht schwerer als das fundamentale Recht eines Bürgers, vor Gericht gehört zu werden. Die Entscheidung des Amtsgerichts sei willkürlich gewesen und habe seinen Mandanten um eine faire Verhandlung gebracht.
Wie urteilte das Oberlandesgericht Hamm über den Fall?
Das Oberlandesgericht Hamm schloss sich der Sicht des Verteidigers und der Generalstaatsanwaltschaft vollständig an. Die Richter in Hamm sahen hier eine klare Versagung des rechtlichen Gehörs. Das ist ein so Schwerwiegender Verfahrensfehler, dass er die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG rechtfertigt.
Die Argumentationskette des OLG war präzise und zerschlug die Verteidigungslinie des Amtsgerichts Punkt für Punkt. Ein pauschaler Hinweis auf „dienstliche Gründe“ reicht nicht aus, um einen Verlegungsantrag abzulehnen. Das Gericht muss konkret darlegen, welche zwingenden Umstände gegen eine Verschiebung sprechen. Dies war hier nicht geschehen. Der persönliche Wunsch des Richters, seine Akten vor der Pensionierung zu schließen, ist ein rein organisatorisches Motiv. Ein solches persönliches Interesse kann niemals das verfassungsmäßig garantierte Recht des Betroffenen auf Gehör aushebeln.
Der Vorschlag, der Anwalt könne einfach einen Kollegen schicken, lief ebenfalls ins Leere. Der Verteidiger hatte schließlich dargelegt, dass auch sein Sozius verhindert war. Das OLG stellte fest: Die Ablehnung des Termins beruhte auf sachfremden, nicht nachvollziehbaren Erwägungen. Das darauf folgende Urteil, welches den Einspruch verwarf, stand auf einem vergifteten Fundament. Es basierte direkt auf dieser Gehörsverletzung.
Das Oberlandesgericht Hamm hob das Urteil des Amtsgerichts Soest auf. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der LKW-Fahrer bekommt nun seinen Tag vor Gericht.
Die Urteilslogik
Gerichte müssen den Anspruch auf rechtliches Gehör stets über organisatorische Zweckmäßigkeit und richterliche Bequemlichkeit stellen.
- Das rechtliche Gehör steht über der Verwaltungspflicht: Das Recht eines Bürgers auf Gehör ist ein verfassungsmäßiges Fundamentalprinzip, das Gerichte nicht durch vage oder sachfremde Erwägungen aushebeln dürfen.
- Organisatorische Motive sind unzureichend: Ein Gericht muss zwingende und konkrete Umstände darlegen, um einen begründeten Antrag auf Terminsverlegung abzulehnen; der persönliche Wunsch eines Richters, sein Dezernat vor dem Ruhestand zu bereinigen, dient nicht als legitime Begründung.
- Fehlerhafte Terminsablehnung vergiftet das Urteil: Versagt das Gericht das rechtliche Gehör durch die willkürliche Ablehnung eines begründeten Verlegungswunsches, gilt die darauf aufbauende Verwerfung des Einspruchs als schwerwiegender Verfahrensfehler und entzieht der gesamten Entscheidung die Rechtsgrundlage.
Nur eine substanzielle und nachvollziehbare Begründung des Gerichts kann das verfassungsmäßig garantierte Recht des Betroffenen auf seinen Tag vor Gericht beschränken.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurde Ihr Bußgeld-Einspruch verworfen, weil der Richter die Terminsverlegung ablehnte? Lassen Sie uns Ihren Fall prüfen und erhalten Sie eine rechtliche Ersteinschätzung.
Experten Kommentar
Es ist schon erstaunlich, wie oft Gerichte versuchen, den internen Schreibtisch wichtiger zu nehmen als das fundamentale Recht auf Gehör. Das OLG Hamm zieht hier eine klare rote Linie: Der persönliche Wunsch eines Richters, vor dem Ruhestand noch schnell seine Akten abzuarbeiten, ist kein sachlicher Grund, der eine Terminsverlegung rechtfertigt. Für Betroffene und ihre Anwälte bedeutet das Urteil eine Stärkung, denn vage „dienstliche Gründe“ reichen nicht aus, um einen gut begründeten Antrag auf Verschiebung einfach abzubügeln. Wenn der Zugang zum Gericht durch Bürokratie versperrt wird, ist die Rechtsbeschwerde ein konsequenter Weg, das Gehör einzuklagen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Gründe gelten im Bußgeldverfahren als zwingend für eine Terminsverlegung?
Im Bußgeldverfahren gelten nur solche Gründe als zwingend für eine Terminsverlegung, die nachweisbar die effektive Verteidigung unmöglich machen. Dazu zählen schwere Krankheit oder unaufschiebbare Paralleltermine des Anwalts, sofern keine Kanzleivertretung möglich ist. Entscheidend: Vage Behauptungen des Gerichts, wie rein organisatorische oder dienstliche Gründe (z.B. Richters Pensionierung), sind laut OLG-Rechtsprechung unzulässig, da sie das Recht auf Gehör verletzen.
Juristen nennen das Vorliegen eines erheblichen Grundes. Die Regel lautet: Die Unmöglichkeit der Wahrnehmung des Termins muss unverschuldet sein und darf nicht leichtfertig in Kauf genommen werden. Liegt eine Verhinderung beim Verteidiger vor, muss dieser zwingend belegen, warum weder er selbst noch ein Kanzleikollege oder Sozius den Gerichtstermin wahrnehmen kann. Es reicht nicht aus, nur die eigene Abwesenheit zu melden, wenn die Vertretung durch einen Kollegen gewährleistet wäre.
Wichtig ist die Abwägung der Grundrechte: Das Gericht muss die Einhaltung des Beschleunigungsgrundsatzes im Verfahren gegen Ihr verfassungsmäßiges Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) abwägen. Das Oberlandesgericht Hamm hat hierzu klare Maßstäbe gesetzt. Es stellte fest, dass persönliche oder organisatorische Präferenzen des Richters, wie das „Aufräumen“ des Dezernats vor dem Ruhestand, rein sachfremde Erwägungen sind. Solche Motive dürfen dieses fundamentale Gehörsrecht niemals aushebeln.
Denken Sie an die Situation eines Operationstermins. Sie beantragen keine Verschiebung, weil Sie einen Friseurtermin haben. Sie beantragen die Verschiebung, weil Sie in ein anderes Krankenhaus verlegt werden oder der einzige qualifizierte Chirurg schwer erkrankt ist. Ein juristischer Termin muss aus einem Grund verschoben werden, der so schwerwiegend ist, dass er die „Operation“ – also die Verteidigung – faktisch verhindert. Wenn das Gericht die Verlegung ohne zwingende, konkret belegbare Gegengründe ablehnt, ist die Ablehnung willkürlich und damit rechtswidrig.
Sichern Sie sich ab, indem Sie Ihren Antrag auf Terminsverlegung als formellen Schriftsatz einreichen und stets die Verhinderung des gesamten Kanzleiverbunds konkret darlegen. Fügen Sie direkt einen präventiven Satz ein. Rügen Sie schon im Verlegungsantrag, dass eine Ablehnung aus rein organisatorischen, „dienstlichen Gründen“ eine Verletzung Ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 GG) darstellt. Nur diese proaktive Rüge schafft die Grundlage, um ein nachfolgendes Verwerfungsurteil erfolgreich anzufechten.
Kann der Bußgeldeinspruch verworfen werden, wenn nur mein Anwalt zur Verhandlung erscheint?
Nein, die Anwesenheit Ihres bevollmächtigten Verteidigers schützt Ihren Bußgeldeinspruch in aller Regel vor der formalen Verwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG. Das Gericht darf den Einspruch nur dann verwerfen, wenn weder Sie persönlich noch Ihr Anwalt erscheinen. Selbst wenn das Gericht Ihr persönliches Erscheinen angeordnet hat, verhindert der Verteidiger die Verwerfung, auch wenn Ihnen bei unentschuldigtem Fehlen ein Ordnungsgeld drohen kann.
Juristen nennen das die „Erleichterung der Verteidigung“. Der Gesetzgeber hat in § 74 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) klar festgelegt, dass die Anwesenheit eines ordnungsgemäß bevollmächtigten Anwalts ausreicht, um die Durchführung der Hauptverhandlung zu sichern. Seine Präsenz gewährleistet, dass die Verteidigungsrechte in vollem Umfang gewahrt bleiben und das Gericht in der Sache verhandeln muss.
Was passiert, wenn das Amtsgericht Ihr persönliches Erscheinen nach § 73 Abs. 2 OWiG ausdrücklich angeordnet hat? In diesem Fall müssen Sie dem Termin nachkommen. Bleiben Sie ohne triftigen Grund fern, kann das Gericht zwar ein Ordnungsgeld gegen Sie festsetzen, um Sie zur Räson zu rufen. Die Hauptverhandlung wird jedoch dank Ihres Anwalts fortgesetzt. Die Verwerfung des Einspruchs ist die schärfste Waffe des Gerichts, aber sie greift nur bei völliger Abwesenheit der Verteidigung.
Ein passender Vergleich ist der Notar. Er vertritt Sie bei Vertragsunterzeichnungen und macht Ihre physische Anwesenheit unnötig. Die formale Verwerfung des Einspruchs im OLG-Fall (AG Soest) geschah erst, weil eben beide Seiten unentschuldigt fehlten. Hätte der Anwalt den Termin trotz der abgelehnten Verlegung wahrgenommen, wäre der Einspruch nicht verworfen worden.
Prüfen Sie sofort die Ladung des Amtsgerichts. Wurde Ihr persönliches Erscheinen nach § 73 Abs. 2 OWiG ausdrücklich angeordnet? Wenn diese Anordnung vorliegt und Sie den Termin nicht wahrnehmen können, beauftragen Sie Ihren Anwalt, präventiv eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen zu beantragen. Dies beseitigt das Risiko eines Ordnungsgeldes im Vorfeld und stellt sicher, dass die Verhandlung ausschließlich mit Ihrem Anwalt erfolgreich stattfinden kann.
Welche Frist gilt für die Einlegung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs?
Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde ist extrem kurz und beträgt zwingend eine Woche (§ 80 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 341 StPO). Diese Frist beginnt, sobald Ihnen oder Ihrem Anwalt das schriftliche Verwerfungsurteil des Amtsgerichts zugestellt wird, und ist eine absolute Ausschlussfrist. Ist die Frist verstrichen, tritt Rechtskraft ein, und die Möglichkeiten, den Verwerfungsbeschluss noch anzufechten, schwinden dramatisch.
Juristen nennen diese kurze Zeitspanne eine Notfrist. Um die Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil erfolgreich zu begründen, ist der Fokus auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) essenziell. Es reicht nicht aus, einfach die Beweislage des ursprünglichen Bußgeldes anzugreifen. Sie müssen vielmehr den schwerwiegenden Verfahrensfehler des Amtsgerichts rügen, nämlich die willkürliche Ablehnung Ihres Terminsverlegungsantrags. Nur ein solcher Verfahrensmangel, der direkt zur Verwerfung des Einspruchs führte, rechtfertigt die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Denken Sie an die Situation, dass die Frist wie ein sehr kurzes Zeitfenster zur Korrektur eines Fundamentfehlers ist. Sie behandeln in dieser Instanz nicht das Bußgeld selbst – das wäre das materielle Verfahren. Stattdessen korrigieren Sie den grundlegenden Verfahrensfehler der Gehörsverletzung. War das Gericht in seiner Ablehnung willkürlich, muss dieser Umstand als zentraler Rügepunkt innerhalb der Wochenfrist formuliert werden.
Sobald das schriftliche Verwerfungsurteil durch den Postzusteller bei Ihnen ankommt, dokumentieren Sie sofort das genaue Zustelldatum, da dieses den Startschuss für die Frist markiert. Beauftragen Sie Ihren Anwalt idealerweise innerhalb der ersten 48 Stunden mit der Erstellung der Rechtsbeschwerde. Die Begründung muss sorgfältig und juristisch präzise die Gehörsverletzung herausarbeiten – das braucht Zeit, die in dieser kurzen Frist schnell knapp wird.
Wer zahlt die Anwalts- und Gerichtskosten, wenn das OLG ein Verwerfungsurteil aufhebt?
Wenn das Oberlandesgericht (OLG) ein Verwerfungsurteil wegen eines schweren Verfahrensfehlers, wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs, aufhebt, haben Sie in dieser Instanz gewonnen. Die Regelung ist eindeutig: Die Staatskasse trägt dann die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, wozu sowohl die Gerichtskosten als auch Ihre notwendigen Anwaltsauslagen gehören. Wichtig ist jedoch, dass diese Entscheidung die Kosten des eigentlichen Bußgeldverfahrens (der ersten Instanz) noch offenlässt, da der Fall zur Neuverhandlung zurückverwiesen wird.
Juristen nennen das einen Teilerfolg. Da Sie die Rechtsbeschwerde erfolgreich eingelegt und die Aufhebung des fehlerhaften Urteils erreicht haben, obsiegen Sie formell in der OLG-Instanz. Die Kostenpflicht der Staatskasse für diesen Verfahrensabschnitt folgt aus den strafprozessualen Vorschriften, die entsprechend im Ordnungswidrigkeitenrecht angewendet werden. Die Kosten des Amtsgerichtsverfahrens sind davon zunächst unberührt, da das Gericht nach der Zurückverweisung die Hauptverhandlung erneut durchführen muss.
Die finale Kostenentscheidung hängt allein vom Ausgang dieser neuen Verhandlung ab. Nur bei einem Freispruch am Ende trägt die Staatskasse die gesamten Kosten des gesamten Rechtsstreits, da sich dann die Unschuld des Betroffenen herausgestellt hätte. Wird der Betroffene jedoch in der neuen Hauptverhandlung erneut verurteilt, muss er die Geldstrafe sowie die Kosten des Amtsgerichtsverfahrens tragen. Die Kosten der OLG-Instanz, die wegen des Richtersfehlers entstanden sind, bleiben in diesem Fall weiterhin bei der Staatskasse.
Ein passender Vergleich ist die Situation eines Fußballspiels: Das OLG hat lediglich entschieden, dass der Schiedsrichter (das Amtsgericht) einen fundamentalen Regelverstoß (Gehörsverletzung) begangen hat. Die Wiederholung der Partie wird angeordnet. Die Kosten für den Videobeweis und die Anfechtung trägt der Verursacher des Fehlers (der Staat). Wer das gesamte Spiel gewinnt (den Freispruch erzielt), klärt sich jedoch erst im zweiten Anlauf auf dem Platz.
Lassen Sie keine Zeit verstreichen. Sobald Sie den Beschluss des OLG über die Aufhebung erhalten, sollten Sie Ihren Anwalt unverzüglich mit der Beantragung der Kostenfestsetzung beauftragen. Dieser Antrag ist essenziell, um die Erstattung der Anwaltskosten für die Rechtsbeschwerde bei der Staatskasse sicherzustellen und die Liquidation der teils beträchtlichen Kosten der zweiten Instanz zu gewährleisten.
Wie begründe ich meinen Antrag auf Terminsverlegung optimal, um eine Ablehnung zu verhindern?
Um eine Ablehnung zu verhindern, müssen Sie Ihren Verlegungsantrag als unvermeidbare Verhinderung der effektiven Verteidigung begründen. Juristisch wasserdicht wird der Antrag, indem Sie konkret darlegen, warum die Wahrnehmung des Termins für Sie und Ihren Sozius unzumutbar ist. Stellen Sie sicher, dass Sie präventiv darauf hinweisen, dass das Recht auf Rechtliches Gehör (Art. 103 GG) nicht durch vage organisatorische Argumente des Gerichts ausgehebelt werden darf.
Der Grundgedanke ist immer die Abwägung zwischen der Verfahrensbeschleunigung und Ihrem Recht auf eine faire Verteidigung. Gerichte versuchen, Verfahren zügig abzuschließen. Ihr Antrag muss daher darlegen, dass Ihr Fehlen nicht nur eine Bequemlichkeit darstellt. Sie müssen dokumentieren, dass es sich um eine höherrangige, unverschiebbare Verpflichtung handelt, welche die Verteidigungsfähigkeit unmittelbar beeinträchtigt. Zeigen Sie beispielsweise auf, dass eine schwere, nachgewiesene Erkrankung vorliegt oder ein parallel angesetzter, zwingender Gerichtstermin in einem anderen, nicht delegierbaren Verfahren.
Wichtig ist die Entkräftung des Einwands der Vertretbarkeit. Ein Gericht wird oft vorschlagen, dass ein Kollege den Termin wahrnimmt. Sie müssen zwingend belegen, warum niemand aus Ihrer Kanzlei einspringen kann. Ebenso wichtig: Die Rechtsprechung, wie sie das OLG Hamm klarstellte, verbietet es dem Gericht, Termine aus rein organisatorischen Motiven wie der Abarbeitung eines Dezernats abzulehnen. Die Pflicht des Richters, das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Gehör zu schützen, wiegt schwerer als interne dienstliche Belange.
Denken Sie an die Situation eines dringend benötigten Sachverständigen. Er kann nicht einfach seine festgesetzten Prüftermine verschieben, weil das Amtsgericht einen Termin setzt, der ihm keine effektive Vorbereitung ermöglicht. Genauso müssen Anwälte beweisen, dass die Verhinderung die Qualität der Verteidigung unmöglich macht oder die physische Anwesenheit zwingend ausgeschlossen ist. Wenn Sie nachweisen, dass sowohl der Hauptverteidiger als auch der vertretungsbereite Kollege verhindert sind, nehmen Sie dem Gericht den Hauptablehnungsgrund.
Formulieren Sie den Antrag als formalen Schriftsatz und fügen Sie einen direkten, präventiven Satz ein: Eine Ablehnung der Verlegung aufgrund rein organisatorischer oder „dienstlicher Gründe“ wird hiermit unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Hamm als Verstoß gegen Art. 103 GG gerügt. Schlagen Sie dem Gericht zudem drei alternative, zeitnahe Termine vor. Diese proaktive Herangehensweise erschwert eine Ablehnung aus Gründen der Verfahrensverzögerung und dokumentiert Ihre Kooperationsbereitschaft.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Rechtliches Gehör (Art. 103 GG)
Das Rechtliches Gehör ist ein verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht, das jedem Bürger garantiert, sich vor Gericht zu Vorwürfen äußern und Stellungnahmen abgeben zu können.
Dieses fundamentale Recht soll sicherstellen, dass Gerichte keine Entscheidungen treffen, ohne die Argumente aller Verfahrensbeteiligten angehört und berücksichtigt zu haben. Das Gesetz schützt so vor willkürlichen oder unfairen Urteilen.
Beispiel: Durch die willkürliche Ablehnung der Terminsverlegung verletzte das Amtsgericht das Recht auf rechtliches Gehör des LKW-Fahrers, da ihm dadurch der Zugang zur Hauptverhandlung verwehrt wurde.
Rechtsbeschwerde
Juristen bezeichnen die Rechtsbeschwerde als das spezielle Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWiG), mit dem eine Entscheidung des Amtsgerichts durch das Oberlandesgericht (OLG) auf ihre rechtliche Richtigkeit hin überprüft wird.
Sie dient primär dazu, schwerwiegende Verfahrensmängel oder Rechtsverletzungen der ersten Instanz zu rügen; eine erneute Beweisaufnahme findet in dieser Instanz in der Regel nicht statt.
Beispiel: Der Verteidiger legte Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung des Einspruchs ein, da er die Verweigerung der Terminsverlegung als klaren Rechtsfehler des Amtsrichters ansah.
Staatskasse
Die Staatskasse ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, welche die staatlichen Finanzen verwaltet und somit alle gerichtlichen Kosten und Gebühren entweder einzieht oder an die Berechtigten erstattet.
Wenn eine Partei in einem Rechtsmittelverfahren obsiegt, trägt die Staatskasse die entstandenen Gerichtskosten sowie die notwendigen Anwaltsauslagen der siegreichen Partei, was dem Grundsatz der fairen Lastenverteilung entspricht.
Beispiel: Nachdem das OLG das Verwerfungsurteil aufgehoben hatte, musste die Staatskasse die Anwaltskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens übernehmen, da der Verfahrensfehler vom Amtsgericht verursacht wurde.
Schwerwiegender Verfahrensfehler
Unter einem schwerwiegenden Verfahrensfehler versteht man einen massiven Verstoß gegen elementare Prozessregeln, der so grundlegend ist, dass er die Fairness und die Rechtmäßigkeit des gesamten Gerichtsverfahrens infrage stellt.
Solche Fehler führen in den Instanzenordnungen oft zur Aufhebung des Urteils, weil sie die Grundrechte der Beteiligten – wie das Recht auf Gehör – direkt verletzen, weshalb das Verfahren neu durchgeführt werden muss.
Beispiel: Das Oberlandesgericht wertete die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung aus rein organisatorischen Motiven des Richters als einen schwerwiegenden Verfahrensfehler.
Verwerfung des Einspruchs
Die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG ist die formelle Entscheidung des Amtsgerichts im Bußgeldverfahren, den Einspruch als unzulässig abzulehnen, weil der Betroffene und sein Anwalt unentschuldigt beim Hauptverhandlungstermin fehlten.
Durch diese Maßnahme umgeht das Gericht die materielle Prüfung des Bußgeldes, da es das Verfahren formell beendet und der ursprüngliche Bußgeldbescheid damit automatisch rechtskräftig wird.
Beispiel: Weil weder der LKW-Fahrer noch sein Verteidiger zur festgesetzten Hauptverhandlung am 28. Dezember erschienen, verwarf das Amtsgericht Soest den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Hamm – Az.: 4 Ss OWi 303/07 – Beschluss vom 26.04.2007
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