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Verkehrsordnungswidrigkeit – notwendige Urteilsfeststellungen zu qualifiziertem Rotlichtverstoß

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 70/19 – 122 Ss 30/19 – Beschluss vom 20.03.2019

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. Dezember 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2018 hat Amtsgericht Tiergarten den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 250,- Euro verurteilt und nach § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 4. März 2018 mit einem von ihm geführten PKW die K… Straße in Richtung des Kreisverkehrs K…. In den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen heißt es dazu unter anderem:

„Nachdem die Rotphase der Lichtzeichenanlage an der Einmündung zum Kreisverkehr bereits länger als eine Sekunde angedauert hatte, passierte der Betroffene mit seinem Fahrzeug die Lichtzeichenanlage und fuhr in den Kreisverkehr ein.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Er beanstandet das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Mit seiner Verfahrensrüge, die nicht den Formerfordernissen von §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht, dringt der Betroffene nicht durch. Das Rechtsmittel hat indes mit der Sachrüge Erfolg.

1.

Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 21. Februar 2019 ausgeführt:

„Für die Frage, ob ein Rotlichtverstoß vorliegt, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie an, sofern eine solche vorhanden ist (vgl. BGH NStZ 1999, 512, 513; ständige Rechtsprechung des Kammergerichts; vgl. u.a. Beschlüsse vom 25. Januar 2006 – 3 Ws (B) 37/06 – und vom 30. Januar 2008 – 3 Ws (B) 22/08 -). Hiernach sind die Feststellungen unzureichend. Denn aus ihnen geht nicht hervor, ob eine Haltelinie vorhanden war und ob bejahendenfalls der Betroffene diese bei Rotlicht überfahren hat. Das Amtsgericht stellt lediglich fest, dass der Betroffene, nachdem die Rotphase der Lichtzeichenanlage an der Einmündung zum … bereits länger als eine Sekunde angedauert habe, mit seinem Fahrzeug die Lichtzeichenanlage passiert habe und in den Kreisverkehr eigefahren sei (UA S. 3). Sofern damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, der Betroffene habe bei rotem Wechsellicht die Lichtzeichenanlage selbst passiert, kommt es hierauf nicht an; denn diese kann sich erfahrungsgemäß auch in einiger Entfernung hinter einer etwa vorhandenen Haltelinie befinden.

Die erforderlichen Feststellungen ergeben sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere aus der Beweiswürdigung des Amtsgerichts (UA S. 2/3). Der Umstand, dass die für die Zeugen … und … maßgebliche Lichtzeichenanlage bereits grünes Wechsellicht abstrahlte, als diese in den Kreisverkehr einfuhren, lässt nicht zwingend den Schluss zu, der Betroffene habe eine etwa vorhandene Haltelinie der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenanlage bei rotem Wechsellicht passiert. Denn es ist weder anhand eines Ampelschaltplanes festgestellt, wie lange die für den Betroffenen maßgebliche Lichtzeichenanlage bereits rotes Wechsellicht abstrahlt, wenn die für den von der … aus kommenden Verkehr maßgebliche Lichtzeichenanlage auf grünes Wechsellicht umschaltet, noch wie groß die Entfernung zwischen einer – etwaig vorhandenen – für den Betroffenen maßgeblichen Haltelinie und der Lichtzeichenanlage bzw. der Einmündung zum Kreisverkehr war oder mit welcher Geschwindigkeit der Betroffene diese Entfernung zurückgelegt hat.“

Diese Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen.

2.

Daneben verhilft die Sachrüge dem Betroffenen auch deswegen zum (vorläufigen) Erfolg, weil das angefochtene Urteil hinsichtlich der Schuldform an einem sachlich-rechtlichen Mangel leidet. Das ist stets dann der Fall, wenn die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die gebotene Überprüfung ermöglichen, ob der Verkehrsverstoß, sofern dieser in beiden Schuldformen begehbar ist, vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Eine hinreichende Prüfungs- bzw. Entscheidungsgrundlage des Rechtsbeschwerdegerichts fehlt immer dann, wenn die tatrichterlichen Feststellungen zur inneren Tatseite unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2010 – 3 Ws (B) 615/10 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Juli 2010 – 3 Ss OWi 1124/10 – juris) oder wenn sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen, weil die Schuldform nicht eindeutig festgestellt ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.04.2008 – 1 Ss 59/08 – juris m.w.N.; OLG Düsseldorf VRS 86, 353, 354).

Das ist hier der Fall. Schon dem Urteilstenor ist nicht zu entnehmen, ob der Betroffene wegen einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Tat verurteilt worden ist. In den tatsächlichen Feststellungen finden sich keinerlei Angaben zur subjektiven Tatbestandsseite. Auch die Beweiswürdigung behandelt die Frage der Schuldform nicht. Dass das Gericht im Rahmen der Rechtsfolge § 4 Abs. 1 BKatV – ohne Begründung – zur Anwendung gebracht hat, vermag an der Lückenhaftigkeit der tatsächlichen Feststellungen nichts zu ändern.

III.

Der Senat hebt daher das Urteil nach § 79 Abs. 6 OWiG auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurück. Der Senat regt an, zur Hauptverhandlung einen Ampelschalt- und Kreuzungsplan beizuziehen.

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