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Verfolgungsverjährung für eine Verkehrsordnungswidrigkeit – bei Zustellung an Rechtsanwalt

AG Hannover, Az.: 241 OWi 7251 Js 104081/10 (593/10), Urteil vom 22.03.2011

Gegen die Betroffene wird wegen fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße von 90,- € festgesetzt.

Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 37 Abs. 2, 49 StVO; 24 StVG, 132 BKat.

Gründe

I.

Die Betroffene machte über ihren Verteidiger lediglich die zur Identitätsfeststellung erforderlichen Angaben. Weitere Ausführungen zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen machte sie nicht.

Das Verkehrszentralregister enthält keine Eintragungen.

II.

Verfolgungsverjährung für eine Verkehrsordnungswidrigkeit – bei Zustellung an Rechtsanwalt
Symbolfoto: Andrei_R/Bigstock

Am 18.06.2010 um 06:33 Uhr befuhr die Betroffene als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … die Vahrenwalder Straße in Hannover in Richtung Norden. Dabei überfuhr sie an der Kreuzung Vahrenwalder Straße / Niedersachsenring die Haltelinie obwohl die Lichtzeichenanlage für sie seit mindestens 0,7 Sekunden Rotlicht anzeigte.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie nicht nur das Rotlicht der Lichtzeichenanlage optisch richtig wahrnehmen, sondern auch das Überfahren der Haltelinie vermeiden können.

III.

Der oben genannte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Betroffene, die über ihren Verteidiger im Rahmen des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen eingeräumt hat, zum Tatzeitpunkt das Tatfahrzeug geführt zu haben, und sich im Übrigen zur Sache nicht geäußert hat. ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überführt. Das Gericht stützt sich dabei auf die Messfotos (Bl. 2-4 d.A), den Eichschein (Bl. 15 d.A.) sowie die Skizze des Kreuzungsbereichs Vahrenwalder Straße / Niedersachsenring (Bl 19 d.A). Danach steht fest, dass die Betroffene den Verkehrsverstoß, wie oben unter II. festgestellt, zumindest fahrlässig begangen hat. Die Verkehrsüberwachung erfolgte mit einer gültig geeichten Rotlichtüberwachungsanlage Traffipax Traffiphot III. Dabei ist am Tatort zur Tatzeit automatisch ein Lichtbild aufgenommen worden, auf dem der von der Betroffenen geführte Pkw sowie sie als Fahrerin festgehalten sind. Aus den in das Messfoto eingeblendeten Messrohdaten ergibt sich, dass die Lichtzeichenanlage zur Tatzeit bereits seit 0,9 Sekunden Rotlicht gezeigt hatte. Selbst bei einem – bei diesem Gerät grundsätzlich nicht erforderlichen – Abzug einer Messtoleranz von 0,2 Sekunden verbleibt eine vorwerfbare Dauer der Rotlichtphase von 0,7 Sekunden Bei der Rotlichtüberwachungsanlage Traffipax Traffiphot III handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung liegen nicht vor.

IV.

Die Betroffene hat sich daher eines fahrlässigen Missachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage gem. §§ 37 Abs. 2, 49 StVO: 24 StVG, 132 BKat schuldig gemacht.

Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten gern § 24 StVG beträgt nach der Regelung des § 26 Abs. 3 StVG 3 Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach 6 Monate Maßgebend ist dabei das Datum des Erlasses des Bußgeldbescheides, wenn dieser innerhalb von 2 Wochen zugestellt wird, anderenfalls der Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides.

Vorliegend wurde der Bußgeldbescheid am 08.09.2010 erlassen und ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 31-32 d.A.) am 10 09.2010 an das „Rechtsanwaltsbüro S… & Dr. Sch“ in L… zugestellt. Die Betroffene hatte am 24.08.2010 in dieser Angelegenheit der Rechtsanwaltskanzlei S… & Dr. Sch… eine „Prozessvollmacht für alle Verfahren und alle Instanzen“ sowie „Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung aller Art“ erteilt, die u.a. „die Entgegennahme und das Bewirken von Zustellungen und sonstigen Mitteilungen“ umfasste (Bl. 13 d.A.). Aus der Vollmacht ergibt sich dabei nicht, dass der Betroffene nicht die Kanzlei als solche, sondern lediglich einen der Sozien mandatieren wollte. Da es sich bei der Vollmacht um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist es in diesem Zusammenhang auch unerheblich, ob nach außen nur Rechtsanwalt Dr. S… oder auch Rechtsanwalt Sch… aufgetreten ist. Zum einen ist hier eine Zustellung jedenfalls auch an Rechtsanwalt Dr. S… erfolgt; zum anderen sind bei Vollmachtserteilung an eine Anwaltssozietät sämtliche der Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwälte bei Zustellungen gegenseitig als vertretungsberechtigt und damit auch als empfangsberechtigt anzusehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2004, NJW 2005, 312). Insofern ist von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Bußgeldbescheides am 10.09.2010 auszugehen.

Im Übrigen wäre ein etwaiger Zustellungsmangel jedenfalls gem. § 8 VwZG geheilt. Für das Zustellungsverfahren der Verwaltungsbehörde gelten gem. § 51 Abs. 1 OWiG, soweit in Abs. 2 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, die landesrechtlichen Verwaltungszustellungsvorschriften. Damit richtet sich die Zustellung in Niedersachsen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa Bayern oder Sachsen – insoweit wegen der Verweisung in § 1 NVwZG nach den §§ 2-10 VwZG. Dabei gilt gemäß § 8 VwZG ein Dokument in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsachlich zugegangen ist. Der Empfang des Dokuments lässt sich mit jedem Beweismittel dartun; es genügt auch eine schlüssige Handlung des Zustellungsempfängers, etwa die Erhebung eines Ein- oder Widerspruchs gegen den zugestellten Bescheid (Engelhardt/App, VwZG, 2008, § 8 Rn 2).

Der Verteidiger der Betroffenen, Rechtsanwalt Dr. Sch… hat am 17.09.2010 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 08.09.2010 eingelegt (Bl. 33 d.A.); spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihm also der – mit Zustellungswillen der Verwaltungsbehörde in den Rechtsverkehr gelangte – Bußgeldbescheid zugegangen.

Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in jedem Fall innerhalb von 2 Wochen nach Erlass des Bußgeldbescheides dessen wirksame Zustellung erfolgt ist, so dass mit Erlass des Bußgeldbescheides am 08.09 2010 Verjährungsunterbrechung gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG und Verlängerung der Verjährungsfrist von 3 auf 6 Monate gern § 26 Abs. 3 StVG eingetreten ist.

Durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht Hannover am 14.12.2010 wurde die Verjährung gem. § 33 Abs 1 Nr 10 OWiG unterbrochen; durch die Anberaumung der Hauptverhandlung am 20.01.2011 wurde die Verjährung gem. §§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG erneut unterbrochen.

Damit war am Tag der Hauptverhandlung vom 22.03.2011 keine Verfolgungsverjährung eingetreten.

V.

Eine Geldbuße von 90,- Euro ist angemessen und entspricht dem Grad des vorwerfbaren Handelns der Betroffenen. Das Gericht hat dabei bedacht, dass gem. § 17 Abs. 3 OWiG Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist, der Vorwurf, der den Täter trifft, sowie gegebenenfalls seine wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei letztere bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt bleiben können.

Der auch für das Gericht verbindliche Bußgeldkatalog sieht für einen Verkehrsverstoß der vorliegenden Art, bei fahrlässiger Begehungsweise und gewöhnlichen Umständen ein Regelbußgeld von 90,- Euro vor.

Das Gericht hat keine Veranlassung gesehen, von der Regelgeldbuße abzuweichen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs 1 StPO.

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