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Verfahrensrüge der Verwertung eines Beweismittels ohne Gewährung rechtlichen Gehörs

Rotlichtsünderin: Urteil des AG Tiergarten bestätigt

In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das Kammergericht Berlin (KG) das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten gegen eine Autofahrerin wegen eines Rotlichtverstoßes bestätigt. Die Frau hatte sich gegen das ursprüngliche Urteil mit einer Rechtsbeschwerde gewehrt, die jedoch abgelehnt wurde (KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 192/20 – 162 Ss 76/20 – Beschluss vom 28.09.2020).

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ws (B) 192/20 – 162 Ss 76/20 >>>

Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs

Die Betroffene machte vor Gericht geltend, dass gegen das Prinzip des rechtlichen Gehörs verstoßen wurde, weil das Amtsgericht einen sogenannten „Ampelschaltplan“ als Beweismittel heranzog. Diesen hätte sie laut ihrer Aussage persönlich nicht einsehen dürfen. Aus Sicht des Kammergerichts fehlten jedoch Angaben dazu, wie die Beklagte sich effektiver hätte verteidigen können, wenn sie Kenntnis vom Ampelschaltplan gehabt hätte. Daher erfüllte die Verfahrensrüge nicht die Anforderungen nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Verstoß gegen Verkehrsregeln bestätigt

Gemäß dem Urteil des Amtsgerichts hatte die Autofahrerin eine rote Ampel missachtet und war trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren. Das Kammergericht bestätigte diese Auslegung, obwohl das Amtsgericht nicht explizit feststellte, dass die Fahrerin in den geschützten Bereich der Kreuzung eingefahren war. Aus dem Kontext der Urteilsgründe könne aber geschlossen werden, dass genau dies der Fall war.

Keine hohen Anforderungen an Urteilsgründe in Verkehrssachen

In seiner Entscheidung betonte das Kammergericht die Auffassung, dass bei Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten keine übertrieben hohen Anforderungen an die Formulierung der Urteilsgründe gestellt werden sollten. Im vorliegenden Fall war damit das Einfahren in den durch das Lichtzeichen geregelten Bereich nicht explizit festgestellt worden, konnte aber aus dem Kontext abgeleitet werden. Entscheidend sei, dass die Entscheidung auf einer nachvollziehbaren Grundlage beruht und dass der Betroffene sein Recht auf Gehör ausüben konnte.

Kostentragungspflicht der Betroffenen

Das Kammergericht entschied abschließend, dass die Betroffene die Kosten ihres Rechtsmittels tragen muss (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies entspricht der gängigen Praxis, dass bei abgelehnten Rechtsmitteln der Rechtsmittelsteller die Kosten zu tragen hat.

Zusammenfassend lässt das Urteil erkennen, dass Verkehrsteilnehmer nicht ohne Weiteres mit einer erfolgreichen Beschwerde gegen Bußgeldbescheide wegen Verkehrsverstößen rechnen können, insbesondere wenn es um Rotlichtverstöße geht. Gleichzeitig stellt der Beschluss klar, dass auch in Bußgeldsachen das rechtliche Gehör gewahrt und die Entscheidungen auf einer rationalen und transparenten Grundlage beruhen müssen. […]


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 192/20 – 162 Ss 76/20 – Beschluss vom 28.09.2020

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. Juni 2020 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe

Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs einen Ampelschaltplan verwertet, erfüllt nicht die Voraussetzung der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Neben anderem versäumt das Rechtsmittel die Darlegung, wie sich die Betroffene anders und erfolgversprechend verteidigt hätte, wenn sie (persönlich) Kenntnis vom Inhalt des Beweismittels gehabt hätte.

Allerdings lassen die Urteilsfeststellungen, streng genommen, nur einen Verstoß gegen das Zeichen 294 (Haltlinie) erkennen, denn hier heißt es, die Betroffene habe „die sich auf der I.-straße befindliche Haltelinie“ überfahren, obwohl die Ampel „bereits länger als eine Sekunde auf Rot geschaltet war und die Lichtzeichenanlage für Fußgänger bereits grün war“ (UA S. 3). Nicht ausdrücklich ersichtlich wird, dass die Betroffene in der Folge zumindest in den geschützten Fußgängerbereich und gegebenenfalls hiernach in den Kreuzungskernbereich eingefahren ist und damit einen Rotlichtverstoß nach §§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO begangen hat.

Zwar ist es dem Senat verwehrt, die Ordnungswidrigkeitenanzeige, aus der sich dies zwanglos ergäbe, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch noch hinreichend, dass die Betroffene nicht nur über die Haltlinie, sondern auch in den durch die Ampel geschützten Kreuzungsbereich eingefahren ist. Auch gilt, dass an die Urteilsgründe in Bußgeldsachen von vornherein keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH NZV 1993, 485; Senat VRS 135, 98) und der Aufwand auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß zu beschränken ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Januar 2019 – 3 Ws (B) 312/18 – [bei juris]; Cierniak NZV 1998, 293). Denn das Erkenntnis zielt auf eine ‚verwaltungsrechtliche Pflichtenmahnung‘ und ist als Massenverfahren – im Grundsatz – auf summarische Erledigung angelegt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. September 2019 – 202 ObOWi 1845/19 – [bei juris]). Und auch unter dem Gesichtspunkt, dass die schriftlichen Urteilsgründe dokumentieren sollen, dass die Entscheidung auf einer rationalen, verstandesmäßig einsehbaren Grundlage unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen beruht (vgl. Senat zfs 2020, 409; Kuckein/Bartel in Karlsruher Kommentar, StPO 8. Aufl., § 267 Rn. 1), konnte hier über die (ausdrückliche) Feststellung des Einfahrens in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich verzichtet werden. Denn die durch einen Rechtsanwalt vertretene Betroffene, die sich über diesen teilweise zur Sache eingelassen hat, hat dies ausweislich der Urteilsgründe nicht in Frage gestellt oder gar bestritten, und auch die Rechtsbeschwerde enthält hierzu nichts.

Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

 

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