Amtsgericht Lüdinghausen, Urteil vom15.06.2015, Az.: 19 OWi-89 Js 1159/15-88/15
Leitsatz – nicht amtlich: Ein Verstoß gegen ein nicht auf gesetzlicher Grundlage beschildertes Parkverbotes durch ein durch eine Behörde im öffentlichen Parkraum angebrachtes Zusatzschild „Elektrofahrzeuge“ stellt keine Ordnungswidrigkeit dar, weil es sich hierbei nicht um eine Anordnung aufgrund einer Rechtsverordnung im Sinne von § 24 StVG handelt. Wer auf einem solchen Parkplatz parkt, darf weder kostenpflichtig verwarnt noch abgeschleppt werden.
Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.
G r ü n d e:
Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, am 19. Januar 2015 um 11:30 Uhr in Lüdinghausen auf dem Parkplatz am Ostwall als Führer und Halter des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX auf einem Parkplatz mit Zeichen 314 geparkt zu haben, obwohl dies durch Zusatzzeichen „Elektrofahrzeuge“ verboten war. Das Fahrzeug des Betroffenen sei kein Elektrofahrzeug gewesen. Er habe so gegen § 42 Abs. 2 i.V.m. Anlage 3, 49 StVO, 24 StVG verstoßen.
Das Gericht hat die Tat in tatsächlicher Hinsicht so feststellen können wie sie vorgeworfen wurde.
Der Betroffene hat eingeräumt, am fraglichen Tage mit seinem Fahrzeug auf dem beschriebenen Parkplatz in einem ansonsten parkscheinpflichtigen Bereich geparkt zu haben. Er habe einen Parkschein gezogen. Diesen habe die eingesetzte Mitarbeiterin des Ordnungsamtes auch für die Akte fotografiert.
Das Gericht hat die seitens der Ordnungsamtsmitarbeiter gefertigten Fotografien in Augenschein genommen:
Auf der Fotografie Bl. 10 der Akte ist der hinter die Windschutzscheibe gelegte Parkschein zu sehen, der am Tattage ein Parken bis 12:41 Uhr erlaubte. Der Parkschein wurde insoweit auch urkundsbeweislich verlesen.
Auf Bl. 9 der Akte ist die Parksituation selbst zu erkennen. Sichtbar ist dort das Fahrzeug des Betroffenen auf dem Parkplatz am Ostwall. Unmittelbar vor Kopf des Fahrzeuges an einer Laterne ist deutlich sichtbar das blaue Schild „P“ (Zeichen 314) angebracht. Darunter ist ein weißes Schild mit schwarzem Rand und der Aufschrift „Elektrofahrzeuge“ angebracht, das bündig mit dem Zeichen 314 abschließt und die gleiche Schilderbreite aufweist. Der Inhalt beider Schilder („P“ und „Elektrofahrzeuge“) wurde urkundsbeweislich verlesen.
Wegen der Einzelheiten des Aussehens des abgelegten Parkscheins wird auf Bl. 10 der Akte und wegen der Einzelheiten des Aussehens der Beschilderung bzw. des Parkplatzes mit dem Fahrzeug des Betroffenen auf Bl. 9 der Akte Bezug genommen nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO.
Das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten stellt keine Ordnungswidrigkeit dar. Zunächst ist mittlerweile geklärt, dass eine Rechtsgrundlage für die gegebene Beschilderung nicht existiert. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit einem Beschluss vom 27.5.2014 – 5 RBs 13/14 ( = NJW 2015, 363 L = NStZ 2015, 44 = BeckRS 2014, 13068 = DAR 2014, 596 = VRS 126, 148) hierzu in einem vergleichbaren Fall (Zusatzschild aber:„ Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs“) festgestellt, dass es sich bei der Beschilderung und dem sich hieraus ergebenden Parkverbot um einen gesetzlosen Verwaltungsakt handelt, der also einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Ein solcher ist jedoch nicht grundsätzlich nichtig und dementsprechend wirksam. Der Verstoß, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zugrunde lag war allerdings bereits Anfang 2013 begangen. Das Oberlandesgericht Hamm hatte eine Willkür – durch die die Grenze zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes überschritten worden wäre – im Rahmen der Beschilderung nicht feststellen können. Jedoch spätestens seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm und einem bislang nicht umgesetzten Gesetzesentwurf vom 15.1.2014, der durch den Bundesrat eingebracht wurde (Drucksache 18/296), ist allerdings klar, dass eine Beschilderung wie die vorliegende gesetzlos ist. Es liegt daher durchaus nahe, anzunehmen, dass mittlerweile die Grenze der Willkür durch das Verbleiben der Beschilderung trotz allgemein bekannter Gesetzlosigkeit überschritten ist und die Beschilderung dementsprechend als insgesamt nichtig anzusehen ist. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an einer Bußgeldvorschrift für den vorliegenden Fall. Der Gesetzgeber hat in § 24 StVG die Möglichkeit geschaffen, Bußgeldtatbestände durch Verordnungen zu regeln. Die Vorschrift insoweit lautet:
§ 24 Verkehrsordnungswidrigkeit
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Vorschrift einer auf Grund des § 6 Abs. 1 oder des § 6e Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung oder einer auf Grund einer solchen Rechtsverordnung ergangenen Anordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Die Verweisung ist nicht erforderlich, soweit die Vorschrift der Rechtsverordnung vor dem 1. Januar 1969 erlassen worden ist.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden.
Die Straßenverkehrsordnung ist eine Rechtsverordnung im Sinne des Abs. 1 und das hier aufgestellte Zeichen 314 eine auf Grund einer solchen Rechtsverordnung ergangene Anordnung. Gegen dieses Schild wurde allerdings nicht verstoßen. Der angebliche Verstoß richtet sich vielmehr gegen die im Wege einer Gesamtschau angenommene Verbotswirkung durch das Zusatzschild „Elektrofahrzeuge“. Ein Ordnungswidrigkeitentatbestand könnte nur dann darin gesehen werden, wenn es sich bei dem Zusatzschild und dem Zeichen 314 auch um eine “auf Grund einer solchen Rechtsanordnung ergangenen Anordnung“ im Sinne des § 24 StVG handeln würde. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Die Anordnung in Form der hier gegebenen Beschilderung ist – dies hat das Oberlandesgericht Hamm festgestellt – ohne normative Grundlage. Sie ist gerade nicht von StVG und der StVO umfasst, sondern täuscht dies nur vor. Der bloße Anschein einer „rechtsverordnungsgemäßen“ Anordnung, der für den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt und dessen Wirksamkeit trotz Gesetzlosigkeit noch ausreichen mag, kann nicht dazu führen, dass auch hieraus ein Bußgeldtatbestand erwächst. Insoweit sieht das Gericht die Rechtslage anders als das OLG Hamm in der genannten Entscheidung.
Der Betroffene war damit aus rechtlichen Gründen freizusprechen mit der Kostenfolge der §§ 467 StPO, 46 OWiG.