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Verbotswidrige Nutzung eines fest verbautes Navigationsgerät – § 23 Abs. 1a StVO n.F.

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 49/19 – 162 Ss 15/19 – Beschluss vom 29.03.2019

Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. November 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe

I.

Verbotswidrige Nutzung eines fest verbautes Navigationsgerät - § 23 Abs. 1a StVO n.F.
Symbolfoto: Von Kaspars Grinvalds /Shutterstock.com

Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 16. Mai 2018 gegen die Betroffene wegen der Benutzung eines elektronischen Geräts beim Führen eines Kraftfahrzeuges mit Unfallfolge eine Geldbuße von 250 EUR verhängt, ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen.

Auf den Einspruch hat das Amtsgericht die Betroffene lediglich wegen fahrlässigen Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit Unfallfolge zu einer Geldbuße von 35 Euro verurteilt.

In den Urteilsgründen heißt es:

„ […]

II.

Die Betroffene befuhr am 21. März 2018 gegen 09:15 Uhr als Fahrzeugführerin des Personenkraftwagens Audi mit dem amtlichen Kennzeichen xxx die xxx xxx im äußerst linken Fahrstreifen in Fahrtrichtung xxx in xxx xxx. Der Verkehr war dicht und es staute sich. Als sie sich mit ihrem Fahrzeug in Höhe des Lichtmastes xxx befand, betätigte die Betroffene kurz den fest eingebauten Joystick in der Mittelkonsole ihres Fahrzeugs, um im Bordcomputer auf das Navigationssystem umzuschalten und sich die Uhrzeit anzeigen zu lassen, und fuhr, da sie den Blick für wenige Sekunden von der Fahrbahn abwendete, aus Unachtsamkeit auf den vor ihr fahrenden Personenkraftwagen Skoda mit dem amtlichen Kennzeichen xxx auf. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.

III.

[…]

2. Der unter II. festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der glaubhaften eigenen Einlassung der Betroffenen, die die Fahrereigenschaft eingeräumt und den Sachverhalt wie festgestellt geschildert hat. Sie hat sich insbesondere dahingehend eingelassen, dass sie im Bordcomputer habe schauen wollen, wie spät es gewesen sei. Sie habe dazu den Joystick in der Mittelkonsole ihres Fahrzeugs betätigt, um auf das Navi umzuschalten. Sie habe kurz auf das Navi geschaut, dann sei plötzlich das andere Auto vor ihr gewesen und sie sei aufgefahren. Ein Mobiltelefon habe sie nicht benutzt.

[…]

IV.

[…]

Ein Verstoß wegen vorsätzlicher Benutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Fahrzeuges mit Unfallfolge gemäß §§ 1 Abs. 2, 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 22 StVO i.V.m. § 24 StVG lag hingegen nicht vor, da das im Bordcomputer des Fahrzeugs enthaltene und über den fest eingebauten Joystick zu bedienende Navigationssystem nicht unter die Geräte i.S.v. § 23 Abs. 1a S. 2 StVO fällt. Zudem liegt im vorliegenden Fall nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät und eine kurze Blickabwendung zum Verkehrsgeschehen gem. § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 2b StVO vor, da die Bedienung nur wenige Sekunden in Anspruch nahm.“

Die gegen das Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat (vorläufigen) Erfolg.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG zulässig, weil das Amtsgericht von der Verhängung eines im Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin angeordneten Fahrverbots von einem Monat abgesehen hat.

Sie ist auch begründet.

1. Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts fällt auch das Navigationsgerät unter Geräte im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO.

§ 23 Abs. 1a StVO in der Fassung der Verordnung vom 18. Mai 2017 wurde durch Art. 1 Nr. 1 der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I, S. 3549) mit Wirkung zum 19. Oktober 2017 grundlegend geändert. Erfasst werden – sämtliche (BR-Drs. 556/17, S. 16) – „elektronischen Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen oder zu dienen bestimmt sind“. Geräte im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sind gemäß § 23 Abs. 1a Satz 2 StVO „auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder“.

Unerheblich ist hierbei auch, ob das Navigationsgerät fest im Fahrzeug verbaut ist. Die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen mobilen und immobilen elektronischen Geräten.

2. Auch im Übrigen sind die Erwägungen des Amtsgerichts – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – nicht rechtsfehlerfrei.

a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zwar die Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Dezember 2018 – 3 Ws (B) 304/18 –, [juris]; DAR 2005, 634). Eine Beweiswürdigung ist etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, beispielsweise hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. September 2018 – 2 StR 168/18 – BeckRS 2018, 34122; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36 m.w. Nachw.).

b) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Beweiswürdigung des Amtsgerichts als lückenhaft. Es hat nämlich nicht sämtliche Umstände berücksichtigt, die für die Frage von Bedeutung sein können, ob durch die Betroffene – wie von § 23 Abs. 1a Nr. 2b StVO als weitere (Erlaubnis-)voraussetzung verlangt – tatsächlich nur eine kurze – dem Verkehrsgeschehen angepasste – Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt ist. Es hätte sich vor dem Hintergrund des Auffahrunfalls und der festgestellten Verkehrsdichte aufgedrängt, sich damit auseinanderzusetzen, warum der Zeitraum der mit der Bedienung des Navigationsgerätes einhergehenden Unaufmerksamkeit dem Verkehrsgeschehen dennoch angepasst gewesen sein soll.

III.

Der Senat hebt das Urteil nach § 79 Abs. 6 OWiG auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht zurück. Für die Verweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts gemäß § 79 Abs. 6 OWiG sieht der Senat keine Veranlassung; nach dem aktuellen Geschäftsplans des Amtsgerichts Tiergarten ist die Abteilung 306 nunmehr mit einem anderen Richter besetzt.

 

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