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Verbotswidrige Mobilfunktelefonbenutzung bei Benutzung eines Taschenrechners?

OLG Oldenburg, Az.: 2 Ss (OWi) 175/18, Beschluss vom 25.06.2018

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 18. April 2018 aufgehoben.

Der Betroffene wird wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 13 km/h zu einer Geldbuße von 20 € verurteilt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Betroffene zu tragen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, hat die Landeskasse zu tragen .

Angewendete Vorschriften: § § 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nummer 4 StVO, 11.3.2 BKatVO

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit – „Halten eines elektronischen Gerätes während der Fahrt in Tateinheit mit Geschwindigkeitsüberschreitung“ – zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt.

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Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Das Amtsgericht hat unter anderem folgendes ausgeführt:

„Auf dem Lichtbild….ist zu sehen, dass der Betroffene ein technisches Gerät in seiner Hand vor das Gesicht hält… . .Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung erklärt, hierbei handele es sich nicht um ein Mobiltelefon, sondern um einen Taschenrechner. Diesen hatte er in Hauptverhandlung auch vorgelegt. Tatsächlich könnte es sich um dieses Gerät gehandelt haben, wobei sich allerdings die Frage stellt, warum sich der Betroffenen diesen Taschenrechner vor das Gesicht hält. Nach der Neufassung des § 23 Abs. 1 StVO unterliegt auch das Halten und Aufnehmen eines mobilen Flachrechners dem Verbot dieser Vorschrift.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner vom Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde und macht geltend, dass ein Taschenrechner nicht unter das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO falle.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat angeregt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zuzulassen und ist ebenfalls der Ansicht, dass ein Taschenrechner nicht

§ 23 Absatz 1a StVO unterfalle.

Die vom Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde hat insoweit Erfolg, als die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Absatz 1a StVO keinen Bestand hat.

Nach der Neufassung des § 23 StVO, die auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, darf derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt, ist nur unter den in Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Voraussetzungen benutzen.

Dabei sind Geräte im Sinne des Satzes 1 auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorecorder.

Ein Taschenrechner unterfällt dieser Norm nicht.

Der Senat (DAR 2010, 232) hat im Zusammenhang mit der Prüfung der Bestimmtheit einer Bußgeldvorschrift folgendes ausgeführt:

Auch wenn es in Grenzfällen zweifelhaft ist, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht, so muss der Normadressat aber jedenfalls im Normalfall anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob ein Verhalten ordnungswidrig ist (BVerfG, NJW 2010, 754; NJW 1986, 1671, 1672). Unter diesem Aspekt ist für die Bestimmtheit einer Strafvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgeblich (BVerfG, NJW 2010, 754; BVerfG, NJW 1986, 1671, 1672). Nur in der dadurch gesetzten Grenze der Auslegung können daneben auch systematische, historische und teleologische Auslegung herangezogen werden (BVerfG, NJW 2010, 754; NJW 1978, 101; NJW 1978, 1423, BVerfG, Beschluss vom 29.04.10 2 BvR 871/04 und 2 BvR 414/08, Rz. 55, – juris -).

Ein Taschenrechner lässt sich nicht als ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, bezeichnen.

Zwar sollte die Aufzählung in der Neufassung des § 23 Absatz 1a StVO nicht abschließend sein. In der Begründung des Entwurfes der Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (S. 26, abgedruckt unter BR Drucksache 556/17) heißt es, dass unter die Geräte zum Beispiel sämtliche Handys, Smartphones … Tablet-Computer, Touchscreens, elektronische Terminplaner, Diktiergeräte, … Walkman, Discman und Notebooks fallen sollen.

In der Kommentierung von Eggert in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 23 StVO 1. Überarbeitung wird ausgeführt, dass der technikoffene Ansatz wesentliche Verschärfungen insoweit mit sich bringe, als jetzt auch Gerätschaften erfasst würden, die bislang selbst bei extensiver Auslegung nicht unter dem Begriff Mobiltelefon hätten subsumiert werden können. Der beliebten Flucht in Alternativgeräte sei durch den weit gefassten Gerätebegriff ein Riegel vorgeschoben, wenngleich so plumpe Ausreden wie „Rasierapparat“ oder „Kühlakku wegen Zahnschmerzen“ möglich blieben.

Vom vollständigen Verbot der Nutzung von elektronischen Geräten während der Fahrt hat der Verordnungsgeber abgesehen, weil sie ein Übermaß darstellen würden (BR Drucksache 556/17 Seite 4).

Lässt sich ein Diktiergerät noch als ein Gerät bezeichnen, das der Kommunikation dient, fällt ein reiner Taschenrechner unter keinen der genannten Oberbegriffe. Die Annahme, die Eingabe einer Rechenoperation und deren anschließendes Ablesen unterfiele einem Informationszweck, würde nach Auffassung des Senats die Auslegung der Norm überdehnen und wäre für den Normadressaten nicht erkennbar.

Da nach den Urteilsgründen nicht davon auszugehen ist, dass das Amtsgericht bei einer Zurückverweisung zu anderen Feststellungen hinsichtlich der Art des Gerätes kommen würde, entscheidet der Senat in der Sache selbst.

Es verbleibt die Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 13 km/h, die vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist und gegen die sich die Rechtsbeschwerde auch nicht wendet. Zwar hat das Amtsgericht den Betroffenen insgesamt wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit verurteilt, während es in den Urteilsgründen heißt, der Betroffene habe zumindest fahrlässig gehandelt. Da die Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich begangen haben könnte, hat der Senat auf die Regelgeldbuße für eine fahrlässige Begehung in Höhe von 20 € erkannt.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Betroffene zu tragen, weil er verurteilt worden ist. Mit den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war er allerdings nicht zu belasten, da wegen der tateinheitlichen Verurteilung eine Rechtsmittelbeschränkung aus Rechtsgründen nicht möglich war. Der Betroffene hat jedoch sein Ziel, das er mit seinem Rechtsmittel verfolgt hat, erreicht. Es liegt somit ein voller Erfolg im Sinne des § 473 Abs. 3 StPO vor (vgl. Meyer-Gossner/Schmitt-Schmitt, StPO 61. Aufl., § 473 Rn. 22).

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