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Verbotsirrtum bei außerörtlicher Geschwindigkeitsüberschreitung eines Lkw-Fahrers

AG Weißenfels – Az.: 10 OWi 737 Js 201043/14 – Urteil vom 15.04.2014

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 70,- € verurteilt.

Der Betroffene hat auch die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 3 Abs. 3 Nr. 2 b), 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, 24 StVG.

Gründe

I.

Der 47-jährige Betroffene ist Berufskraftfahrer. Ausweislich der Auskunft aus dem Verkehrszentralregister vom 10. März 2014 ist er bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

II.

Verbotsirrtum bei außerörtlicher Geschwindigkeitsüberschreitung eines Lkw-Fahrers
Symbolfoto: Von welcomia /Shutterstock.com

Der Betroffene befuhr am 19. Aug. 2013 mit dem von ihm geführten LKW MAN mit dem amtlichen Kennzeichen … die Bundesstraße 91, Abschn. 2, (B91)in Richtung Merseburg, nachdem er an der Anschlussstelle Weißenfels aufgrund eines Staus auf der BAB 9 von der Autobahn abgefahren war. Bei der B 91 handelt es sich um eine im fraglichen Bereich 4-spurig ausgebaute Bundesstraße mit durchgehender Mittelleitplanke. Eine Ausschilderung als Kraftfahrstraße (Zeichen 331.1 StVO) ist nicht vorhanden.

Die Polizeibeamten K. und T. führten am vorgenannten Tag zwischen 10.00 Uhr und 13.30 Uhr auf der B 91 im Abschn. 2, km 1,250, eine Geschwindigkeitsmessung mit der zur Tatzeit gültig geeichten Geschwindigkeitsmessanlage „ES 3.0“, Geräte-Nr.5424, durch.

Der Betroffene durchfuhr mit dem von ihm geführten LKW um 12.41 Uhr die Messstelle, wobei ein Messfoto, auf dem die Geschwindigkeit des Fahrzeugs mit 79 km/h angezeigt wurde, ausgelöst wurde. Abzüglich eines Toleranzwertes von 3 % (aufgerundet zugunsten des Betroffenen auf 3 km/h) ergibt dies eine Mindestgeschwindigkeit von 76 km/h. Diese Geschwindigkeit liegt 16 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

III.

Die unter I. getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen beruhen auf seinen Angaben und der durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführten Auskunft aus dem Verkehrszentralregister.

Zur Sache hat der Betroffene sich dahin eingelassen, mit dem LKW zunächst die BAB 9 in Richtung Berlin befahren zu haben, als dort in seiner Fahrtrichtung ein Stau gemeldet worden sei. Er habe daraufhin dem Routenvorschlag des Navigationsgeräts folgend die BAB 9 an der Ausfahrt Weißenfels verlassen, um die Fahrt über die B 91 fortzusetzen. Er wisse, dass eine Kraftfahrtstraße als solche ausgeschildert sein müsse, ein entsprechendes Schild habe er beim Auffahren auf die B 91 aber nicht gesehen. Er habe bemerkt, dass er „geblitzt“ worden sei und auf den Tacho geschaut. Dieser habe eine Geschwindigkeit von 76 km/h angezeigt.

An der Richtigkeit des Geständnisses des Betroffenen, zur Tatzeit den LKW geführt zu haben, hat das Gericht keinen Zweifel.

Aus der Datenleiste des in Augenschein genommenen Messfotos ergeben sich zudem die gemessene Geschwindigkeit von 79 km/h sowie die Tatzeit 19. Aug. 2013, 12.41 Uhr.

Der Polizeibeamte K. hat bekundet, am Tattag als verantwortlicher Messbeamter die Messanlage aufgestellt und bedient zu haben. Er ist ausgebildeter Messbeamter und arbeitet nach seinen Angaben seit Ende 2011 mit der Messanlage. Im Ergebnis seiner Aussage ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass er die Herstellervorgaben für den Aufbau und die Bedienung des Messgeräts angewandt hat.

Die Kenntnis des Gerichts zu den Eichdaten der verwandten Anlage ergibt sich aus der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Ablichtung des Eichscheins des Landeseichamts Sachsen-Anhalt vom 26. Febr. 2013, wonach die Anlage mit der Geräte-Nr. 5424 bis zum 31. Dez. 2014 geeicht ist.

Die Kenntnis des Gerichts zu den Örtlichkeiten an der Messstelle ergibt sich zum einen aus den Bekundungen des Zeugen K., der angegeben hat, die Bundesstraße sei im Bereich der Messstelle vierspurig ausgebaut, jedoch nicht als Kraftfahrstraße ausgewiesen. Zum anderen handelt es sich um eine offenkundige Tatsache.

In Würdigung der erhobenen Beweise gelangt das Gericht daher zu den unter Ziff. II getroffenen Feststellungen.

IV.

Der Betroffene hat sich demnach wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 3 Abs. 3 Nr. 2 b), 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, 24 StVG schuldig gemacht, weil er die für sein Fahrzeug außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h nicht eingehalten, sondern die B 91 im Bereich der Messstelle mit zumindest 76 km/h passiert hat.

Soweit die Verteidigerin in der Hauptverhandlung geltend gemacht hat, der Betroffene sei hinsichtlich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einem Verbotsirrtum unterlegen, erscheint dies in Ansehung der klaren Ausführungen des Betroffenen selber schon zweifelhaft. Der Betroffene hat eindeutig erklärt, er wisse, dass eine Straße nur dann als Kraftfahrstraße ausgewiesen sei, wenn ein entsprechendes Schild vorhanden sei. Ein solches habe er aber nicht gesehen.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da ein unterstellter Verbotsirrtum in jedem Fall vermeidbar gewesen wäre. Ein Verbotsirrtum ist vermeidbar, wenn der Täter bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, die ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seinem Lebens- und Berufskreis zuzumuten war, das Unerlaubte seines Tuns hätte erkennen können (BGHSt 21, 18 (20); OLG Bremen NStZ 1981, 265; OLG Düsseldorf NZV 1994, 288 (289); Bohnert OWiG § 11, Rn. 33; Göhler/Gürtler, OWiG § 11 Rn. 23; vgl. BGHSt 2, 194 (201); 4, 236 (243)). Der Betroffene als Berufskraftfahrer muss um die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kraftfahrstraße wissen – und wusste nach seinen Bekundungen auch darum.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bundesstraße im fraglichen Bereich einen Ausbauzustand aufweist, der dem einer Kraftfahrstraße entspricht. Kraftfahrer müssen sich über die Verkehrsvorschriften einschließlich ihrer Änderungen informieren, wobei strenge Maßstäbe anzulegen sind (AG Landau DAR 2005, 702 (703); Göhler/Gürtler, OWiG, § 11 Rn. 26). In der Regel ist daher bei der unzutreffenden Interpretation einer Verkehrsregelung von einem vermeidbaren Irrtum des Kraftfahrers auszugehen (BayObLG NJW 2003, 2253).

Der Betroffene hätte daher bei Anspannung der gehörigen Sorgfalt erkennen können und müssen, dass mangels einer entsprechenden Beschilderung die B91 im fraglichen Bereich nicht Kraftfahrstraße ist, so dass für ihn die aus § 3 Abs. 3 Nr. 2 b) StVO folgende Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h galt. Auch die Vorschrift des § 18 Abs. 5 Nr. 1 StVO greift hier nicht: Die Eigenschaft als Kraftfahrstraße wird ausschließlich durch das Zeichen 331.1 begründet, nicht hingegen durch den Ausbau der Straße (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 18 StVO, Rn. 14). Auch die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 Nr. 2 c) 2. Satz StVO gilt nicht, da diese Regelung sich allein auf PKW und andere Kraftfahrzeuge bis 3,5 t bezieht (vgl. d. Nachw. bei Hentschel u.a., a.a.O., § 3 StVO, Rn. 54a).

Soweit die Verteidigerin schließlich geltend gemacht hat, die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach § 3 Abs. 3 Nr. 2b) StVO sei vor dem Hintergrund der technischen Fortentwicklung von LKW nach der Gesetzesbegründung überholt, dringt sie hiermit nicht durch. Zwar mag zutreffend sein, dass die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften für LKW jenseits von 7,5 t auf den Stand der Technik bei Verabschiedung der Vorschrift zurückzuführen ist. Gleichwohl ist die Bestimmung des § 3 Abs. 3 Nr. 2 b) StVO bislang durch den Gesetzgeber nicht aufgehoben oder geändert worden, so dass das Gericht sie – was auch der Verteidigerin aufgrund ihrer juristischen Ausbildung bekannt sein dürfte – zu beachten und seiner Entscheidungsfindung zu Grunde zu legen hat.

V.

Bei der Bemessung der zu verhängenden Geldbuße war vom Regelsatz aus der Bußgeldkatalogverordnung und deren Anlage auszugehen. Bei Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 16 bis 20 km/h ist gemäß Ziff. 11.1.4 BKat eine Geldbuße von 70,- € vorgesehen. Die Verhängung dieser Regelsanktion hält das Gericht vorliegend auch für angemessen, zumal keine Gründe für ein Abweichen hiervon ersichtlich sind.

VI.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 465 Abs. 1 StPO.

 

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