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Verbotenes Kraftfahrzeugrennen – Abgrenzung zu Schaufahrt

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 2 RB 9/19 – 3 Ss OWi 91/18 – Beschluss vom 05.07.2019

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg, Abteilung 949, vom 23. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben, und die Sache wird zu erneuter Verhandlung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat mit Urteil vom 23. April 2018 gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Teilnahme als Kraftfahrzeugführer an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen eine Geldbuße in Höhe von 800 EUR festgesetzt und ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt.

Der Betroffene hat gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist in ihrer Zuschrift der nicht ausgeführten Sachrüge des Betroffenen insoweit beigetreten, als dass nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht von einem Rennen im Rechtssinne ausgegangen werden könne, und beantragt mit dem Rechtsbeschwerdeführer, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs.1, 345 StPO) Rechtsbeschwerde hat mit der allgemein erhobenen Sachrüge – vorläufigen – Erfolg

Die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil halten sachlich-rechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.

1. Im Ausgangspunkt zu Recht hat allerdings das Amtsgericht auf den festgestellten Sachverhalt vom 29. September 2017 die Vorschriften der nachfolgend zum 13. Oktober 2017 außer Kraft getretenen §§ 29 Abs. 1, 49 Abs. 2 Nr. 5 StVO angewandt. Dies entspricht dem in §§ 2 Abs. 3 StGB, 4 Abs. 3 OWiG zum Ausdruck kommenden Meistbegünstigungsprinzip, da die Teilnahme an einem unerlaubten Rennen mit Kraftfahrzeugen im

Straßenverkehr durch das Sechsundfünfzigste Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. September 2017 (veröffentlicht im Bundesgesetzblatt 2017 I, 3532) – die Unrechtskontinuität wahrend – zum Straftatbestand erhoben worden und in § 315 d Abs. 1 Nr. 2 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht ist.

2. Indes ergeben die schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils nicht, dass der Betroffene an einem solchen Rennen teilgenommen hat und beruhen die getroffenen Feststellungen auf einer in Teilen durchgreifend fehlerhaften Beweiswürdigung.

a. Zutreffend geht die Generalstaatsanwaltschaft davon aus, dass die amtsgerichtlichen Feststellungen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr nicht tragen.

aa. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Am 29. September 2017 gegen 21.20 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem PKW vom Typ Audi R 8 die Wandsbeker Chaussee, wo er ab Höhe Ritterstraße an einem nicht genehmigten Kraftfahrzeugrennen wissentlich teilnahm. Nachdem er sich bei Rotlicht der Lichtzeichenanlage an die Haltelinie vorgetastet hatte, nahm der Betroffene Kontakt zu dem Führer eines direkt neben ihm stehenden Kraftfahrzeuges vom Typ Lotus Sport 135R auf. Bei Grünlicht beschleunigten beide Fahrzeuge gemäß vorangehend ausdrücklich oder konkludent getroffener Verständigung mit einem Schnellstart, hoher Drehzahl und quietschenden Reifen. Unter Ausbeschleunigung der Gänge fuhren sie bis zur nächsten Rotlicht zeigenden Ampel in Höhe Wartenau. Dieses Verhalten wiederholten sie über eine Gesamtstrecke von 1,4 km noch zwei weitere Male.

bb. In Bußgeldsachen sind an die schriftlichen Urteilsgründe zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen, für den Inhalt der Urteilsgründe kann aber grundsätzlich nichts anderes als für das Strafverfahren gelten. Sie müssen folglich so beschaffen sein, dass das Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage die Entscheidung auf

Rechtsfehler überprüfen kann (KK-OWiG/Senge, § 71 Rn. 106). Dabei ist die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen unerlässlich, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gesehen werden (Göhler-Seitz/Bauer, § 71 Rn. 42a).

cc. Diesen Anforderungen werden die schriftlichen Urteilsgründe nicht gerecht. Sie ergeben nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kraftfahrzeugrennens erfüllt sind.

Verbotenes Kraftfahrzeugrennen - Abgrenzung zu Schaufahrt
(Symbolfoto: Haggardous50000/Shutterstock.com)

(1) Ein verbotenes Rennen mit Kraftfahrzeugen im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO a. F. ist ein Wettkampf von mindestens zwei Verkehrsteilnehmern – wenigstens auch – um die höchste Geschwindigkeit (HansOLG, Beschluss vom 13. März 2018, Az.: 5 RB 2/18), wobei auch „Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten“ bereits dem Rennbegriff unterfallen (vgl. HansOLG, a.a.O.; OLG Hamm, Beschlüsse vom 5. März 2013 – Az.: II-1 RBs 24/13 – juris m.w.N.; vom 13. Juni 2013 – Az.: III-1 RBs 72/13 -, Rn. 8 juris). Reine Leistungsprüfungsfahrten können auch dann unter den Rennbegriff fallen, wenn es den beteiligten Kraftfahrzeugführern nicht um die Ermittlung eines Siegers, sondern auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt (OLG Hamm, Beschluss vom 5. März 2013 – Az.: III-1 RBs 24/13 -, Rn. 9 juris; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 24. Oktober 2016 – Az.: 2 Ss (OWi) 295/16 -, Rn. 8 juris). Im Übrigen müssen die Beteiligten keine „absoluten“ Höchstgeschwindigkeiten anstreben. Es reicht vielmehr aus, dass sie das Beschleunigungspotential ihrer Fahrzeuge vergleichen (KG Berlin, Beschluss vom 7. Juni 2017 – Az.: 3 Ws (B) 117 – 118/17 -, juris).

(2) Daran gemessen füllen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite den Tatbestand nicht aus. Das Amtsgericht hat zwar unter Verwendung des tatbestandlichen Rechtsbegriffs ausgeführt, der Angeklagte habe wissentlich an einem „Kraftfahrzeugrennen“ teilgenommen, ohne indes diese Wertung hinreichend mit Tatsachen zu unterlegen und dem Senat die Nachprüfung zu ermöglichen, ob der Begriff in seinem Bedeutungsgehalt vollständig erfasst und zutreffend auf den festgestellten Sachverhalt angewandt worden ist. Das Amtsgericht zeigt nicht auf, mit welchem konkreten Willen der Betroffene gehandelt hat. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Es liegt zwar durchaus nahe, dass es den beteiligten Fahrzeugführern im Sinne der erforderlichen gemeinsamen Zwecksetzung darum gegangen sein kann, in einem „Kräftemessen“ um Höchstgeschwindigkeiten einen Sieger zu ermitteln oder jedenfalls die Leistungsfähigkeit ihrer Fahrzeuge zu vergleichen. Dies ergibt sich aber auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit der erforderlichen Sicherheit und versteht sich auch nicht von selbst. Nicht ausschließbar kann es sich nach der subjektiven Vorstellung des Betroffenen insbesondere um eine Schaufahrt ohne kompetetiven Hintergrund gehandelt haben, bei der es den Beteiligten darauf ankam, durch ihre Fahrweise Aufmerksamkeit zu erheischen, um ihre Fahrzeuge optisch und akustisch voreinander oder anderen Verkehrsteilnehmern in Szene zu setzen. Der festgestellte äußere Geschehensablauf ist mit einer solchen Willensrichtung noch zwanglos zu vereinbaren, zumal das Amtsgericht keine weiteren Indiztatsachen festgestellt hat, die – wie etwa Überholmanöver, Spurwechsel oder scharfes Bremsen vor den Rotlicht gebenden Lichtzeichenanlagen – den Eindruck eines Leistungswettbewerbes in einem Maße hätten verdichten können, das jede andere Deutungsalternative ausschlösse.

b. Überdies genügt die Beweiswürdigung den sachlich-rechtlichen Anforderungen in einem entscheidenden Punkt nicht und hält daher der Überprüfung nicht stand.

aa. Die Würdigung der erhobenen Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Gegenstand der beschwerderechtlichen Überprüfung können insoweit nur Rechtsfehler der Beweiswürdigung sein (vgl. Göhler-Seitz/Bauer, § 79, Rn. 27c). Die Überzeugung des Gerichts muss insbesondere auf einer Beweiswürdigung beruhen, die frei von Widersprüchen, Lücken und Verstößen gegen Denkgesetze, allgemein gültige Erfahrungssätze oder den Grundsatz „in dubio pro reo“ ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 19. Juli 2017 – 3 Ss OWi 836/17 -, Rn. 4, juris m.w.N.)

bb. Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die amtsgerichtliche Beweiswürdigung als durchgreifend lückenhaft. Die Urteilsgründe ergeben nicht, worauf sich die Überzeugung stützt, der Betroffene habe mit dem weiteren Beteiligten Kontakt aufgenommen und das nachfolgende Geschehen verabredet. Hierzu haben die einzig gewürdigten und als übereinstimmend wiedergegebenen Aussagen der Polizeizeugen und nichts erbracht. Die Zeugen haben vielmehr angegeben, eine verbale oder gestische Kontaktaufnahme zwischen den Beteiligten nicht gesehen zu haben, so dass – mangels weiterer Erörterungen – das Urteil eine solche Kontaktaufnahme nicht nachprüfbar belegt.

cc. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler, da schon nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Amtsgericht die Kontaktaufnahme als objektive Indiztatsache berücksichtigt und seine Überzeugung, der Betroffene habe vorsätzlich an einem Rennen teilgenommen, auch darauf gestützt hat. Dies gilt um so mehr, als sich nach den – floskelhaft knappen – Ausführungen des Amtsgerichts die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Geschehen ergeben haben.

3. Wegen der dargelegten Rechtsfehler hebt der Senat das amtsgerichtliche Urteil gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 und 2 StPO mit den Feststellungen auf. Auf die weiteren von dem Betroffenen erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht mehr an.

Eine eigene Sachentscheidung des Senates nach § 79 Abs. 6 OWiG kommt hier wegen der neu zu treffenden Feststellungen nicht in Betracht (vgl. Seitz/Bauer, a.a.O., Rn. 47 ff.).

Der Senat verweist die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg zurück, weil es nicht als erforderlich erscheint, dass die Überprüfung und Neubescheidung nach der Urteilsaufhebung durch eine andere Abteilung erfolgt (vgl. hierzu Seitz/Bauer, a.a.O., Rn. 48).

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