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Verantwortlichkeit für das Fahren eines überlangen Sattelzuges

OLG Düsseldorf – Az.: 5 Ss (OWi) 36/90 – (OWi) 22/90 I – Beschluss vom 22.02.1990

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

2. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Verantwortlichkeit für das Fahren eines überlangen Sattelzuges
Symbolfoto: Von Dmitry Natashin /Shutterstock.com

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „Zulassens des Fahrens ohne Genehmigung bei Überlänge – fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach §§ 29 Abs. 3, 49 StVO, 31, 32, 69 a, 70 StVZO in Verbindung mit § 24 StVG -“ zu einer Geldbuße von 200,– DM verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, der ihre Zulassung beantragt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen, weil die Nachprüfung des Urteils zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ließ der Betroffene zu, daß der Fahrer S am 13. Juni 1988 mit dem Sattelzug … und … die Straße H in K befuhr, obwohl die zulässige Länge des Sattelzuges überschritten war. Es wurde eine Länge des Sattelzuges von 20 m und ein Überhang von 30 cm festgestellt. Eine Genehmigung lag lediglich für eine Länge von 18,50 m vor.

Aufgrund dieser Feststellungen ist das Amtsgericht zu der Auffassung gelangt, der Betroffene habe „sich des fahrlässigen Zulassens des Fahrens ohne Genehmigung bei Überlänge“ im Sinne der im Urteilstenor genannten gesetzlichen Vorschriften schuldig gemacht. Der Einlassung des Betroffenen, es läge eine Dauererlaubnis für eine Länge des Sattelzuges von 22 m vor, hat das Amtsgericht keine Bedeutung beigemessen, weil „die bei den Akten befindliche Dauerausnahmegenehmigung vom 6. August 1987 in Ziffer 4 ausdrücklich erkläre, daß eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO nicht eingeschlossen sei und im übrigen nach dieser Dauerausnahmegenehmigung Sattelzüge lediglich bis 19 m ausgezogen werden dürften“.

II.

Diese Feststellungen und Erwägungen tragen des Schuldspruch des angefochtenen Urteils nicht. Sie sind unzureichend und lassen eine abschließende rechtliche Beurteilung, ob und gegebenenfalls welche Bußgeldtatbestände der Betroffene verwirklicht hat, nicht zu.

1.

Einen Verstoß des Betroffenen gegen §§ 31 Abs. 2, 32 StVZO ergeben die Feststellungen nicht.

Diese lassen zwar erkennen, daß der Betroffene nicht selbst Führer des beanstandeten Sattelzuges war. Aus welchem Grunde und ob er zu Recht für den Einsatz dieses Fahrzeugs zur Verantwortung gezogen worden ist, bleibt jedoch offen. Allein die Feststellung, „der Betroffene habe zugelassen, daß der Fahrer S mit dem Sattelzug … trotz Überlänge den H weg in K befuhr“, begründet seine Verantwortlichkeit für den Einsatz des Fahrzeugs nicht. Erforderlich dafür wäre, daß er entweder selbst Halter des Fahrzeuges gewesen wäre oder ihn die Halterverantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 OWiG getroffen hätte. Dazu enthält das Urteil keine Feststellungen (vgl. hierzu Senatsbeschluß vom 5. April 1982 in VRS 63, 135 = VM 1983, 15).

2.

Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht einen Verstoß des Betroffenen gegen § 29 Abs. 3 StVO angenommen.

Normadressat des Bußgeldtatbestandes nach §§ 29 Abs. 3, 49 Abs. 2 Nr. 7 StVO ist allein der Kraftfahrzeugführer (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 7 StVO: „Ordnungswidrig….handelt auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 29 Abs. 3 ein dort genanntes Fahrzeug oder einen Zug führt“). Dies war nicht der Betroffene, wie die Feststellungen ergeben.

3.

Ob der Betroffene sich an einer von dem Fahrzeugführer möglicherweise begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 29 Abs. 3 StVO im Sinne des § 14 OWiG beteiligt hat, läßt sich dem Urteil nicht entnehmen.

a) Bei der Frage nach einer solchen Beteiligung des Betroffenen ist nicht dessen – im übrigen nicht festgestellte – etwaige rechtliche Halterverantwortlichkeit, sondern allenfalls seine tatsächlich in dem Unternehmen ausgeübte Funktion von Bedeutung, soweit sie Rückschlüsse auf den äußeren und inneren Tatbestand einer etwaigen Beteiligungsform an der Ordnungswidrigkeit des Fahrzeugführers zuläßt (vgl. BayObLG VRS 58, 458). Als Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG kommen nur solche Beteiligungsformen in Betracht, die im Bereich des Strafrechts als (Mit-)Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe zu werten wäre (vgl. BayObLG a.a.O. m. w. N.). Die Beteiligung in diesem Sinne an der Ordnungswidrigkeit eines anderen setzt dabei voraus, daß der andere vorsätzlich handelt (vgl. BGHSt 31, 309, OLG Köln VRS 56, 465; BayObLG a.a.O.).

b) Eine abschließende Beurteilung insoweit ist dem Senat auch deshalb verwehrt, weil die Urteilsfeststellungen nicht zweifelsfrei ergeben, ob der Fahrer S das Fahrzeug vorsätzlich unter Verstoß gegen § 29 Abs. 3 StVO geführt hat. Zwar läßt sich den Urteilsgründen noch hinreichend deutlich entnehmen, daß eine Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 3 StVO nicht erteilt war. Es ist aber nicht festgestellt, daß der Einsatz des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr einer solchen Ausnahmegenehmigung bedurfte. Eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO war nämlich dann nicht erforderlich, wenn die Vorschriften über die Abmessungen hier nur deshalb nicht eingehalten worden sind, weil die Ladung nach vorn oder nach hinten zu weit hinausragte (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 29 StVO Rdnr. 1 a; Vwv zu § 29 Abs. 3). Ob die festgestellte Überlänge des Sattelzuges konstruktions- oder lediglich ladungsbedingt war, ergeben die Feststellungen nicht. Danach ist nicht ausgeschlossen, daß der Sattelzug wegen der Länge der – im übrigen nicht mitgeteilten – Ladung auf die festgestellte Länge ausgezogen worden ist.

4.

Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung des Amtsgerichts, der Betroffene habe gegen § 70 StVZO verstoßen.

Diese Vorschrift enthält lediglich Ermächtigungen im einzelnen aufgeführter Behörden, Ausnahmen von bestimmten Vorschriften der StVZO zu genehmigen. Die Fahrzeugbenutzung ohne Genehmigung nach § 70 StVZO ist jedoch nicht als bußgeldbewehrt in § 69 a StVZO aufgeführt (vgl. OLG Koblenz VRS 58, 460; Jagusch/- Hentschel a.a.O. § 70 StVZO Rdnr. 3).- – –

Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben. Es unterliegt der Aufhebung (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO). Die Entscheidung über die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO. Eine eigene Entscheidung des Senats in der Sache nach § 79 Abs. 6 OWiG scheidet aus, da weitere Feststellungen zu treffen sind.

III.

Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

1.

Der Tatrichter wird Veranlassung haben, den Inhalt der im angefochtenen Urteil ersichtlich nur unvollständig zitierten „Dauerausnahmegenehmigung vom 6. August 1987“ festzustellen und zu prüfen, ob ein Verstoß gegen eine Nebenbestimmung der Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 46 Abs. 3 Satz 1 StVO vorliegt, etwa weil der Sattelzug über die darin zugelassene Länge hinaus ausgezogen worden ist. An einem solchen von dem Fahrzeugführer etwa begangenen Verstoß, der nach § 49 Abs. 4 Nr. 4 StVO bußgeldbewehrt ist, ist eine Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 OWiG möglich. Auch kann der Fahrzeughalter oder der an seiner Stelle nach § 9 OWiG Verantwortliche Täter einer solchen Ordnungswidrigkeit sein (vgl. BayObLG VRS 65, 398; Jagusch/- Hentschel, a.a.O., § 46 StVO Rdnr. 29). Ebenfalls insoweit bedarf es gegebenenfalls weiterer Feststellungen.

2.

Das Amtsgericht hat bei der Bemessung der Geldbuße zu Lasten des Betroffenen Vorbelastungen wegen früher begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten berücksichtigt, ohne diese im einzelnen mitzuteilen. Das ist rechtsfehlerhaft.

a) Verwertet der Tatrichter zu Lasten des Betroffenen Voreintragungen im Verkehrszentralregister, so reicht es nicht aus, lediglich festzustellen, daß und wieviele frühere Verkehrsverstöße vorliegen und ob sie einschlägig sind. Das ermöglicht dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die rechtliche Nachprüfung, ob die Verstöße ihrer Art nach oder wegen ihres Begehungszeitpunktes für die Bußgeldbemessung nach § 17 Abs. 3 OWiG verwertbar sind (vgl. Senatsbeschlüsse in JMBl NW 1982, 259 = VRS 63, 469; VRS 64, 61 = DAR 1982, 337; VRS 68, 65; und vom 11. August 1989 – 5 Ss (OWi) 310/89 – (OWi) 127/89 I; OLG Koblenz VRS 64, 215, Göhler OWiG, 9. Aufl., § 17 Rdnr. 20).

b) Auch aus einem weiteren Gesichtspunkt ist die Mitteilung von berücksichtigten Voreintragungen geboten. Getilgte oder tilgungsreife Voreintragungen (vgl. § 13 a StVZO) dürfen bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr berücksichtigt werden. Ob dies der Tatrichter beachtet hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur prüfen, wenn dieser die Voreintragungen einschließlich ihrer Rechtskraftdaten in dem Urteil mitteilt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. August 1989 a.a.O. und vom 28. August 1988 in VRS 76, 145 = VM 1989, 38 = OLG St § 261 StPO Nr. 5).

 

 

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