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Unwirksamkeit eines Bußgeldbescheides

Bezeichnung der Tat und der Begehung

OLG Karlsruhe – Az.: 1 Rb 34 Ss 802/19 – Beschluss vom 16.06.2020

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts C. vom 07. Juni 2019 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird eingestellt.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht C. verurteilte den Betroffenen am 07.06.2019 wegen fahrlässiger illegaler Verbringung von Abfällen, die keine gefährlichen Güter sind, gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 AbfVerbrG zu der Geldbuße von 300 €, weil er als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma X. GmbH in D./Deutschland bei der Anmeldung einer Sendung von Altschuhen in den Irak in der Ausfuhrmeldung angegeben habe, es handle sich um „sortierte Altschuhe“ während es sich in Wahrheit um eine „unsortierte Mischung aus alten tragbaren und nicht mehr tragbaren paarweisen Schuhe“ gehandelt habe, welche aus den von der Firma X. aufgestellten Sammelcontainern für Altschuhe stammten.

Mit der hiergegen eingelegten Rechtbeschwerde erstrebt der Betroffene seinen Freispruch. Er ist der Ansicht, dass es sich bei den zum Versand verpackten Schuhen nicht mehr um Abfall gehandelt habe, weil bezüglich der in den Container vorhandenen Schuhen insoweit eine Vorsortierung vorgenommen worden sei und diese von sonstigen verwertbaren oder unverwertbaren Alttextilien und Fehlwürfen getrennt worden seien. Eine solche „Vorsortierung“ genüge, weil für derartige Schuhe ein Markt bestehe, weshalb der Container mit den Schuhen für einen Betrag von 22.724,00 € an einen Abnehmer im Irak verkauft habe werden können. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Ansicht vertreten, das Amtsgericht habe den Betroffene zu Unrecht lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit verurteilt, vielmehr habe der Betroffenen eine Straftat nach § 18b Abs.1 Nr. 1 AbfVerbrG begangen, da die Ausfuhr derartiger Waren einer Notifizierung bedurft hätte.

Auf die Rechtsbeschwerde, über die der Senat gem. § 80a Abs. 1, Abs. 2 OWiG in der Besetzung mit einem Richter entscheidet, da dem Verfahren ein Bußgeldbescheid von weniger als fünftausend Euro zugrunde liegt, war das Verfahren mit der sich aus § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG ergebenden Kosten- und Auslagenfolge einzustellen, weil es an einem wirksamen Bußgeldbescheid und damit an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (§ 206a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

II.

1. In ihrem Bußgeldbescheid vom 13.12.2018 „umschreibt“ die Bußgeldstelle des Landkreises E. den Tatvorwurf wie folgt:

„Ihnen wird zur Last gelegt, 29.01.2018 in F./Deutschland als Verantwortlicher der Firma X./Deutschland folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben:

Sie haben eine Verbringung von Abfällen durchgeführt, die gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AbfVerbrG i.V.m. Art. 2 Nr. 35 Buchst. e VO (EG) Nr. 1013/2006 wegen des Verstoßes gegen die in Art. 2 AbfVerbrG i.V.m. Art. 2 Nr. 35 Buchst. e VO (EG) Nr. 1013/2006 wegen des Verstoßes gegen die in Art. 37 und Art. 49 VO EG) Nr. 1013/2006 i.V.m. Art. 13 AbfRRL 2008/98 EG normierten gemeinschaftlichen Bestimmungen zur Verwertung der Abfälle unzulässig ist.

§ 130 OWiG

2. Der Bußgeldbescheid muss nach § 66 Absatz 1 Nr. 3 OWiG unter anderem die Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung, bezeichnen. Wie die Anklage oder der Strafbefehl im Strafverfahren beschreibt und begrenzt der Bußgeldbescheid die Tat im Sinne von § 264 StPO und damit den Prozessgegenstand des Bußgeldverfahrens in persönlicher und sachlicher Hinsicht (BGHSt 23, 280; BeckOK, OWiG/Hettenbach, OWiG, § 71 Rn. 6). Erfüllt der Bußgeldbescheid seine Aufgabe nicht, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung, wobei die Frage, ob der Bußgeldbescheid seiner Abgrenzungsfunktion gerecht wird, allein aus dem Bußgeldbescheid ohne Hilfe anderer Erkenntnisquellen, wie etwa des Akteninhalts, zu beantworten ist (Senat, Beschluss vom 23.01.2020, 1 Rb 21 Ss 967/19, abgedruckt bei juris; OLG Hamm, Beschluss vom 18.11.2015 – 3 Ss Owi 1218/15, BeckRS 2015, 20268). Der Umfang der im Bußgeldbescheid gebotenen Tatschilderung wird dabei maßgeblich von der Gestaltung des Einzelfalls und der Art der verletzten Vorschrift determiniert (OLG Hamm, a.a.O.; BeckOK OWiG/Sackreuther OWiG § 65 Rn. 3).

Unwirksam ist ein Bußgeldbescheid aber auch dann, wenn ihm im Falle eines Einspruchs jede tragfähige Grundlage für eine Sachentscheidung fehlt, insbesondere wenn er an besonders schweren Mängeln leidet (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Auflage 2017, § 66 Rn. 38, 39a), etwa weil er sich neben Bezeichnung von Ort und Zeit der Tat auf die bloße Wiedergabe des Gesetzestext beschränkt. ohne den eigentlichen Tatvorwurf auch nur ansatzweise zu beschreiben.

3. So liegt der Fall hier. Der Bußgeldbescheid der Bußgeldstelle des Landkreises E. vom 13.12.2018 leidet an besonders schweren Mängeln und erfüllt insoweit auch seine Umgrenzungsfunktion nicht. Er ist unwirksam.

a. Zwar ergibt sich aus diesem noch der Zeitpunkt und der Ort der dem Betroffenen vorgeworfenen Handlung, auch wird noch deutlich, dass er diese als Verantwortlicher der Firma X./Deutschland begangen habe soll. Damit hat es aber auch sein Bewenden. Weder wird der eigentliche Tatvorwurf nachvollziehbar umschrieben noch lässt sich das nach Ansicht der Behörde an sich normgemäß gebotene Verhalten des Betroffenen nur ansatzweise erkennen. So bleibt nicht nur unklar, welche Handlung dem Betroffenen konkret vorgeworfen wird, sondern es wird auch nicht deutlich, dass es vorliegend um die beabsichtigte Ausfuhr (Einreichung einer Ausfuhranmeldung beim Hauptzollamt E.) einer „unsortierten Mischung aus alten tragbaren und nicht tragbaren paarweisen Schuhen“ in den Irak geht. Allein die Formulierung „er habe nach den Bestimmungen des AbfVerbrG eine unerlaubte Verbringung von Abfällen durchgeführt“ bezeichnet den eigentlichen Tatvorwurf nicht ansatzweise und lässt sich retroperspektivisch auch nicht von anderen möglichen Tathandlungen des Betroffenen abgrenzen.

Hinzu kommt aus Sicht des Senates, dass sich aus dem Bußgeldbescheid auch nicht die Menge des zur Ausfuhr beabsichtigten Gutes und eines ggf. hierfür erzielten Preises ergibt, was aber zur Beschreibung des hier durchaus komplexen Tatvorwurfs ebenfalls unerlässlich gewesen wäre, um ansatzweise überhaupt nachvollziehen zu können, ob das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten überhaupt unter den Tatbestand einer Bußgeldnorm fallen kann. Letztendlich beschränkt sich die vorliegende Tatschilderung auf den Vorwurf des „unerlaubten Verbringens von Abfällen“ und die Wiedergabe der aus Sicht der Bußgeldbehörde insoweit einschlägigen Normen.

Anders als bei einer alltäglichen Verkehrsordnungswidrigkeit liegt dem Vorwurf hier aber ein durchaus komplexerer Sachverhalt zugrunde, so dass die Bußgeldbehörde auch zur Umgrenzung des dem Betroffenen angelasteten Verhaltens gehalten gewesen, nachvollziehbar im Einzelnen darzulegen, welches konkrete Fehlverhalten dem Betroffen eigentlich zur Last gelegt wird, was vorliegend etwa in der aus Sicht der Behörde zuvor nicht zureichend erfolgten Durchführung eines Verwertungsverfahrens etwa durch „Trennung der tragbaren von den nicht mehr tragbaren der in Containern eingesammelten Altschuhen“ und der gleichwohl ohne vorherige Durchführung eines Notifizierungsverfahrens erfolgten Ausfuhranmeldung von 17.480 Kilogramm an Altschuhen in den Irak gesehen werden könnte. Schließlich bleibt auch unklar, ob dem Betroffenen insoweit vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden soll (Seitz/Bauer, a.a.O, § 66 Rn. 38, 39a).

4. Diese schweren Mängel, die zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids führen und zur Einstellung des Verfahrens nötigen, hindern den Senat daran, in der Sache selbst zu entscheiden und das Urteil aufgrund der Rechtsbeschwerde des Betroffenen ggf. auch unter dessen Freisprechung aufzuheben.

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