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Untersagung von Führen von Fahrrädern auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen

Entzug der Fahrradnutzung wegen Alkohol am Steuer bestätigt

Ein Mann, dem nach einer Trunkenheitsfahrt im Jahr 2013 die Fahrerlaubnis entzogen wurde, darf weiterhin keine Fahrräder auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen führen. Das Gerichtsurteil stützt sich auf einen Vorfall im Jahr 2020, bei dem der Mann betrunken mit dem Fahrrad stürzte.

Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad im Jahr 2020

Im September 2020 stürzte der Antragsteller betrunken von seinem Fahrrad und zog sich dabei eine Platzwunde am Kopf zu. Eine Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille. Daraufhin wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt.

Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens

Das Landratsamt forderte den Antragsteller auf, bis zum 26. Mai 2021 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, um seine Fahreignung für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge und die Trennung von Alkoholkonsum und Fahrsicherheit zu klären. Da kein Gutachten vorgelegt wurde, untersagte das Landratsamt ihm das Führen von Fahrrädern auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen und ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagung an.

Gericht bestätigt Untersagung

Das Verwaltungsgericht Würzburg wies die Klage des Antragstellers gegen die Untersagung ab, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen Anforderungen genügte. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwog das Aufschubinteresse des Antragstellers.

Beschwerde des Antragstellers erfolglos

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers war unbegründet. Das Gericht ging davon aus, dass er am 11. September 2020 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt hatte. Da er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht vorlegte, durfte auf die Nichteignung geschlossen werden.

Der Senat hat die Beschwerde im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken an der Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung und deren Ermächtigungsgrundlage abgewiesen. Die Verfassungsmäßigkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. wurde nicht abschließend geklärt, da dies einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt.

Interessenabwägung

Die Interessenabwägung führte zur Ablehnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagung, ein Fahrrad im Straßenverkehr zu führen. Die Gefahr schwerer Unfälle durch Alkoholisierung ist sowohl für den Antragsteller als auch für andere Verkehrsteilnehmer relevant.

Kein Nachweis gefestigter Änderung des Trinkverhaltens

Der Antragsteller legte einen Befundbericht über eine Haarprobe vor, der auf Alkoholverzicht in den letzten drei Monaten hindeutet. Eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens, die Gefahren während des Hauptsacheverfahrens ausschließt, konnte jedoch nicht nachgewiesen werden; dafür ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich.

Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Urteil im Volltext

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 21.2988 – Beschluss vom 25.04.2022

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung, Fahrräder auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu führen.

Der Antragsteller war ursprünglich Inhaber einer Fahrerlaubnis, die ihm das Amtsgericht K… nach einer Trunkenheitsfahrt im Jahr 2013 entzogen hat. Eine neue Fahrerlaubnis wurde ihm seither nicht erteilt.

Im Dezember 2020 teilte die Polizeiinspektion K… dem Landratsamt K… mit, der Antragsteller sei am 11. September 2020 gegen 21:15 Uhr als Radfahrer in V… gestürzt und habe sich dabei eine Platzwunde am Kopf zugezogen. An den Unfallhergang habe er sich nicht mehr erinnern können. Die um 22:15 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille. Mit Strafbefehl vom 20. Dezember 2020, der hinsichtlich des Schuldspruchs rechtskräftig ist, verurteilte das Amtsgericht K… den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB).

Mit Schreiben vom 23. März 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Verweis auf diesen Sachverhalt auf, bis zum 26. Mai 2021 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Zu klären sei insbesondere, ob der Antragsteller das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher trennen könne.

Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, untersagte das Landratsamt dem Antragsteller nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 6. Oktober 2021, Fahrräder auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu führen. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung der Untersagung an.

Am 5. November 2021 ließ der Antragsteller Klage (W 6 K 21.1434) erheben und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 16. November 2021 ablehnte. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Das Landratsamt habe zu Recht ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet und auf die mangelnde Fahreignung schließen dürfen, nachdem dieses nicht beigebracht worden sei. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller am 11. September 2020 ein Fahrrad im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille geführt habe. Er habe sich beim Eintreffen der Polizei zwar bereits im Rettungswagen befunden und sein Fahrrad habe neben der Fahrbahn gestanden. Seitens der PI K… habe aber offenbar kein Zweifel daran bestanden, dass der Antragsteller beim Führen des Fahrrads gestürzt sei. Dieser Hergang liege auch dem Strafbefehl des Amtsgerichts K… zu Grunde. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller den Strafbefehl im Schuldspruch nicht angegriffen, sondern nur einen auf die Höhe des Tagessatzes beschränkten Einspruch eingelegt habe, wenn er die Fahrt mit dem Fahrrad selbst in Frage gestellt hätte. Der Einwand, er habe an die ihm vorgeworfene Trunkenheitsfahrt keine Erinnerung mehr, diese setze erst wieder an einem Punkt ein, an dem er am Straßenrand gestanden, sein Fahrrad neben sich gehalten und eine Wunde an der Stirn gehabt habe, sei nicht geeignet, die Feststellungen des Strafbefehls zu erschüttern. Bei einer Abwägung überwiege daher das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aufschubinteresse des Antragstellers.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Aus den in den Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu ändern oder aufzuheben wäre.

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 = juris Rn. 10 ff.; BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – ZfSch 2020, 175 = juris Rn. 18 ff. jeweils m.w.N.). Denn bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, da sich die Regelungswirkung nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das angeordnete Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 a.a.O. Rn. 10).

Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden nach § 3 Abs. 2 FeV die Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV fehlt die Fahreignung in Fällen des Alkoholmissbrauchs, d.h. wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Nach Beendigung des Missbrauchs besteht die Fahreignung gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV erst dann wieder, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, was durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachzuweisen ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 11 CS 15.1204 – juris Rn. 13). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19).

b) Davon ausgehend greifen die Einwände der Beschwerde nicht durch.

aa) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die ihm vorgeworfene Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad stehe nicht fest. Der Senat geht mit dem Landratsamt und dem Verwaltungsgericht davon aus, dass der Antragsteller am 11. September 2020 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,81 Promille, die durch das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung erwiesen ist, ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt hat, so dass zwingend eine medizinisch-psychologische Begutachtung anzuordnen war und der Schluss von der Nichtvorlage des Gutachtens auf mangelnde Eignung nicht zu beanstanden ist.

Der Strafbefehl des Amtsgerichts Kitzungen entfaltet insoweit zwar keine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch das zum 1. Januar 2022 in Kraft getretene Gesetz vom 7. Mai 2021 (BGBl I S. 850). Danach kann die Fahrerlaubnisbehörde, will sie in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Diese Bestimmung regelt das Konkurrenzverhältnis von strafgerichtlicher und verwaltungsrechtlicher Entziehung der Fahrerlaubnis und soll sich widersprechende Entscheidungen von Strafgericht und Verwaltungsbehörde vermeiden (Koehl in MüKo StVR, 1. Aufl. 2016, § 3 StVG Rn. 56, 73). Sie gilt daher schon ihrem Wortlaut nach nur für die Entziehung der Fahrerlaubnis, nicht für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Zudem setzt sie, wie sich aus dem Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 StVG sowie ihrem Sinn und Zweck ergibt, voraus, dass im Strafverfahren überhaupt eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht gekommen ist (OVG NW, B.v. 29.4.2015 –16 A 2773/13 – VRS 129, 161 = juris Rn. 3 ff.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 3 StVG Rn. 51). Dies ist nicht der Fall, wenn die Straftat – wie hier – nicht mit einem Kraftfahrzeug begangen wurde (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 16.8.2016 – OVG 1 S 52.16 – NJW 2016, 3385 = juris Rn. 5). Ferner verbietet § 3 Abs. 4 StVG allein eine Abweichung zu Ungunsten des Betroffenen. Zu dessen Gunsten kann die Verwaltungsbehörde hingegen ohne Weiteres abweichen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2007 – 11 CS 06.1634 – juris Rn. 22; Dauer, a.a.O. Rn. 51).

Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das Landratsamt eine erneute Prüfung des Sachverhalts vornehmen musste. Denn Behörden und auch Verwaltungsgerichte dürfen die in einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung getroffenen Feststellungen regelmäßig zu Grunde legen, ohne diese selbst auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Anderes gilt nur, soweit sich gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ergeben, insbesondere Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO gegeben sind, oder die Behörden und Verwaltungsgerichte den Sachverhalt ausnahmsweise besser aufklären können als die Strafverfolgungsorgane (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 28.9.1981 – 7 B 188.81 – Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 60 = juris Rn. 7; B.v. 13.2.2014 – 3 B 68.13 – juris Rn. 5; B.v. 16.7.2010 – 5 B 2.10 – juris Rn. 18; NdsOVG, B.v. 2.12.2016 – 12 ME 142/16 – DAR 2017, 159 = juris Rn. 11 f.; Dauer, a.a.O. Rn. 56). Diese Grundsätze geltend auch für die in einem Strafbefehl enthaltenen Feststellungen (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37.01 – NJW 2003, 913 = juris Rn. 38). Hier fehlen derartige Anhaltspunkte. Der Einwand, der Antragsteller habe an die ihm vorgeworfene Trunkenheitsfahrt keine Erinnerung mehr, vermag die Richtigkeit der Feststellungen in dem Strafbefehl des Amtsgerichts K… nicht zu erschüttern und insbesondere die behandlungsbedürftige Platzwunde am Kopf, die auf einen Sturz vom Fahrrad hinweist, nicht zu erklären.

bb) Zu Unrecht wirft der Antragsteller dem Landratsamt vor, keine milderen Maßnahmen wie Auflagen geprüft zu haben. Solange der Betroffene ein zu Recht angeordnetes Eignungsgutachten nicht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 11 Abs. 8 FeV davon ausgehen, dass seine Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen feststeht und auch eine bedingte Eignung nicht gegeben ist. Denn wenn kein Gutachten beigebracht wird, das auch dazu dient, zu klären, ob Anknüpfungspunkte bestehen, dass eine Beschränkung oder Anordnung von Auflagen ausreichend sein könnten, bleibt der Fahrerlaubnisbehörde schlichtweg keine andere Möglichkeit, als zum Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ohne Einschränkung zu untersagen (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200 – DAR 2010, 483 = juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – DAR 2012, 164 = juris Rn. 27; Begemann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 1.12.2021, § 3 FeV Rn. 45).

cc) Das Landratsamt hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagung auch ausreichend begründet und hierzu ausgeführt, durch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit solle verhindert werden, dass der als ungeeignet anzusehende Antragsteller bis zum Abschluss eines etwaigen Verwaltungsstreitverfahrens weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme und Gesundheit, Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährde.

Damit ist das Landratsamt – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – seiner formellen Begründungspflicht gerecht geworden. Zwar bedarf es für die Begründung des Vollzugsinteresses grundsätzlich der Darlegung besonderer Gründe, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde aber nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Sachverhalt zutrifft. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge und von Fahrrädern im öffentlichen Straßenverkehr gehören. Denn es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Fahrzeugführers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Fahrzeugführer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen ist. Deshalb sind in solchen Fällen an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2016 – 11 CS 16.259 – juris Rn. 16; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55).

2. Die Beschwerde hat auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken an § 3 Abs. 1 FeV als der Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung sowie an deren Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), welche die Beschwerde nicht gerügt hat, die der Senat aber von Amts wegen berücksichtigt, keinen Erfolg.

a) Es ist zwar fraglich, ob die im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des § 3 Abs. 1 FeV geltende (vgl. dazu BVerwG, U.v. 3.12.2020 – 4 C 7.18 – juris Rn. 31) Verordnungsermächtigung für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt hat, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden bzw. sich zumindest mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – BVerwGE 171, 1 = juris Rn. 34 m.w.N.).

Wie der Senat in dem gleichgelagerten Verfahren 11 CS 21.968 dargelegt hat, ist er allerdings jedenfalls nicht mit der für eine Vorlage gebotenen Gewissheit davon überzeugt, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. mit dem Grundgesetz nicht vereinbar war (B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – DAR 2021, 584 = juris Rn. 16). Die Klärung der bisher in der Rechtsprechung und Literatur wenig diskutierten Frage (vgl. einerseits NdsOVG, B.v. 1.4. 2008 – 12 ME 35/08 – NJW 2008, 2059 = juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 23.4.2015 – 16 E 208/15 – juris Rn. 4 ff.; VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 30 ff. und die diesbezüglichen Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 6 StVG n.F., BT-Drs. 19/28684 S. 41; andererseits Rebler/Müller, DAR 2016, 690/695) muss einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Der Senat hat daher davon abgesehen, das Eilverfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem insoweit das Verwerfungsmonopol zukommt, zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. einzuholen. Abgesehen davon geriete eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in einem dann für längere Zeit auszusetzenden Eilverfahren mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG in Konflikt. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist insoweit Zurückhaltung geboten und über den Antrag im Wege einer Abwägung der Interessen der Verfahrensbeteiligten zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).

Gleiches gilt für die Frage, ob die pauschale Verweisung in § 3 Abs. 2 FeV auf die für Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber geltenden Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV hinsichtlich der Klärung von Eignungszweifeln angesichts des im Vergleich dazu geringeren Gefährdungspotenzials fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge dem Verhältnismäßigkeitsgebot gerecht wird (zum Vorstehenden vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020, a.a.O. Rn. 38).

b) Die somit gebotene Interessenabwägung führt hier dazu, dass die vom Antragsteller begehrte Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Untersagung, ein Fahrrad im Straßenverkehr zu führen, abzulehnen ist.

Das Fahren eines Fahrrads unter einer die Eignung ausschließenden Alkoholisierung ist mit der Gefahr schwerer Unfälle für den Antragsteller selbst, aber auch für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer verbunden, etwa mit Blick auf unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2010 – 11 ZB 09.2575 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 17; NdsOVG, B.v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08 – NJW 2008, 2059 = juris Rn. 7; VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 57). Nach den in der Vergangenheit vorgelegten Fahreignungsgutachten ist der Vorfall am 11. September 2020 Teil einer langjährigen Problematik. Der Antragsteller hat zwar einen Befundbericht der pima-mpu GmbH vom 11. Februar 2022 über eine Haarprobe vorgelegt, dem zufolge von einem Alkoholverzicht des Antragstellers in den drei vorhergehenden Monaten auszugehen ist. Eine gefestigte Änderung des Trinkverhaltens, die Gefahren während der Dauer des Hauptsacheverfahrens hinreichend sicher ausschließt, vermag dies jedoch nicht nachzuweisen; dafür bedarf es vielmehr eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Ob es dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache gelingen wird, seine Fahreignung für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nachzuweisen, ist derzeit offen und führt nicht zu der Annahme, dass seine Klage Erfolg verspricht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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