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Trunkenheitsfahrt – Absehen von Fahrerlaubnisentziehung bei Verkehrstherapie

LG Aachen

Urteil 24.02.2011

Az: 71 Ns 226/10, 71 Ns – 601 Js 638/10 – 226/10

Die Berufung der Staatsanwaltschaft Aachen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 11. Oktober 2010 – … – wird verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Die Strafrichterin bei dem Amtsgericht Aachen hat den Angeklagten am 11. Oktober 2010 – … – wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 Euro sowie einem Fahrverbot von drei Monaten verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft am 12. Oktober 2010 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 10. November 2010 auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches beschränkt. Das Rechtsmittel blieb erfolglos.

II.

Der 53 Jahre alte Angeklagte ist in … aufgewachsen. Er verfügt über die mittlere Reife. Eine Lehre zum Bautechniker brach er vorzeitig ab. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Seit ca. vier Jahren bezieht er Leistungen nach Hartz IV. Er verfügt über einen Gewerbeschein für das Gewerbe „Objektbetreuung“ und ist gelegentlich auf diesem Gebiet tätig, unter anderem im vergangenen Winter als Subunternehmer für die Wahrnehmung des Winterdienstes. Der Angeklagte hat verschiedene Bewerbungen für eine neue Stelle laufen. Unter anderem hat er sich bei der … AG in Aachen als Hausmeister beworben. Nach seinen Angaben bestehen gute Chancen, dass diese Bewerbung Erfolg hat.

Der Angeklagte ist verlobt. Er lebt seit 16 Jahren mit seiner Verlobten zusammen und beabsichtigt nunmehr, diese zu heiraten. Die Verlobte des Angeklagten ist an Multipler Sklerose erkrankt und sitzt zumeist im Rollstuhl. Sie bekommt Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Der Angeklagte führt den größten Teil der Pflegetätigkeit selbst aus. Im vergangenen Jahr verstarb die 83 Jahre alte Mutter des Angeklagten. Er selbst erkrankte im Oktober des Jahres 2010, als bei ihm ein kleiner Nierentumor diagnostiziert und entfernt wurde. Insoweit befindet er sich weiterhin in ärztlicher Behandlung.

Seine finanziellen Verbindlichkeiten bezeichnet der Angeklagte als „überschaubar“.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits dreimal in Erscheinung getreten. Sein Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 21. Februar 2011 weist drei Eintragungen aus:

1.

Am 30. April 2001 verhängte das Schöffengericht bei dem Amtsgericht Aachen gegen ihn wegen Untreue eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 30,00 DM.

2.

Am 06. Juni 2002 wurde er mit Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen – … –, rechtskräftig seit dem 05. Dezember 2002, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt. Ferner wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 05. Januar 2003 verhängt.

Zur Sache ist in dem vorgenannten Strafbefehl Folgendes festgestellt:

„Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Sie, am 15.03.2002 in Aachen fahrlässig im Verkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl Sie infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage waren, das Fahrzeug sicher zu führen.

Ihnen wird Folgendes zur Last gelegt:

Sie befuhren gegen 02.00 Uhr in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand mit einem Personenkraftwagen der Marke Opel (Kennzeichen …) unter anderem die Kurhausstraße und Peterstraße. Die um 02.57 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,11 0/00 ergeben. Diese Blutalkoholkonzentration bewirkt in jedem Falle Fahruntüchtigkeit. Die Fahruntüchtigkeit hätten Sie erkennen können und müssen. Durch diese Tat haben Sie sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.“

3.

Mit seit dem 02. März 2006 rechtskräftiges Urteil vom 14. Juni 2005 verhängte das Schöffengericht bei dem Amtsgericht Aachen – … – gegen ihn wegen gewerbsmäßigen Betruges und Vergehens der progressiven Kundenwerbung in 63 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung bis zum 01. März 2008. Die Strafe wurde nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.

Im Verkehrszentralregister sind ausweislich des verlesenen Auszugs vom 8. Dezember 2010 bezüglich des Angeklagten keine Eintragungen verzeichnet.

III.

Da die Staatsanwaltschaft Aachen, wie ausgeführt, ihre Berufung gegen das Urteil der Strafrichterin vom 11. Oktober 2010 auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches beschränkt hat, sind die Feststellungen zur Sache des angefochtenen Urteils in Rechtskraft erwachsen. Diese lauten wie folgt:

„Am 21.05.2010 besuchte der Angeklagte eine Tennisplatzanlage und das dazugehörige Clubhaus in …. Er konsumierte dort Alkohol, Bier und zwei Jägermeister. Anschließend begab sich der Angeklagte, der sich noch fahrtüchtig fühlte, auf seine ca. 3,8 km lange Heimfahrt. Gegen 20.45 Uhr nach ca. 1 bis 1,5 km Fahrt mit dem PKW Renault mit dem Kennzeichen … wurde der Angeklagte auf der … Straße in … von der Polizei angehalten und kontrolliert. Ein durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,66 mg/l. Eine Untersuchung der dem Angeklagten am 21.05.2010 um 21.26 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,44 0/00. Der Angeklagte hätte vor Fahrtantritt erkennen können und müssen, dass er zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht in der Lage war.

Der Führerschein des Angeklagten wurde am Tattag beschlagnahmt und verblieb bis zum Hauptverhandlungstermin in amtlicher Verwahrung.

Seit dem 07.06.2010 nimmt der Angeklagte an einer Rehabilitationsmaßnahme der … für alkoholauffällige Kraftfahrer teil. Seine Verkehrstherapeutin bescheinigt ihm, dass er mit hoher Motivation an der Therapie teilnimmt und dass er das therapeutisch Erarbeitete auch in der alltäglichen Lebenspraxis erfolgreich wird umsetzen können. Seit dem Tattag konsumierte der Angeklagte keinen Alkohol mehr.“

Zum Nachtatverhalten des Angeklagten ist ergänzend Folgendes festgestellt worden: Er hat die von ihm bereits am 07. Juni 2010 bei der verkehrstherapeutischen Einrichtung … aufgenommene Rehabilitationsmaßnahme für alkoholauffällige Kraftfahrer über den Tag der erstinstanzlichen Hauptverhandlung hinaus fortgesetzt. Mittlerweile hat er dort elf Einzelgespräche geführt. Seine Therapeutin ist die Zeugin …, welche seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Verkehrstherapie für das Institut … tätig ist. Für jede Einzelsitzung hat der Angeklagte aus eigener Tasche 65,00 Euro gezahlt. Nach Einschätzung der Therapeutin bedarf es noch zwei bis drei weiterer Gesprächseinheiten, bevor das Therapieziel erreicht ist. Dieses liegt in einer Klärung des verkehrsauffälligen Verhaltens und seiner individuellen Hintergründe, in der Herbeiführung dauerhafter Veränderungen in den zugrunde liegenden Persönlichkeitsstrukturen und damit der Wiederherstellung der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Der Angeklagte hat bei der Therapie von Anfang an aktiv mitgearbeitet. Er war hochmotiviert, sein Verhalten zu ändern und ist insoweit gut vorangekommen. Insbesondere hat er seine psychische Problematik erkennen und einen Zukunftsplan aufstellen können. Der Angeklagte war nicht körperlich alkoholkrank, aber es hatte sich bei ihm eine psychische Alkoholabhängigkeit entwickelt. Diese ist zwischenzeitlich überwunden. Engmaschige Kontrollen der Blutwerte des Angeklagten zeigen auf, dass dieser seit geraumer Zeit überhaupt keinen Alkohol mehr konsumiert.

Die vorstehenden Feststellungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten beruhen einerseits auf seinen eigenen Angaben, aber in erster Linie auf den glaubhaften Bekundungen der auch persönlich glaubwürdigen Zeugin …, der behandelnden Therapeutin des Angeklagten. Diese hat die Therapieentwicklung und die Therapieziele im Sinne der vorstehenden Ausführungen glaubhaft bekundet.

IV.

Der Angeklagte hat sich damit der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB strafbar gemacht. Mit einer Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,44 0/00 war er im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Tatzeitpunkt absolut fahruntauglich. Hinweise für ein vorsätzliches Verhalten des Angeklagten konnten nicht gefunden werden.

V.

Im Rahmen der Strafzumessung sprach es zu Gunsten des Angeklagten, dass er sich von Anfang an geständig und einsichtig gezeigt hat. Ferner wirkt es sich strafmildernd aus, dass er aus eigenem Antrieb unmittelbar nach der Tat eine langfristige und von ihm aus eigener Tasche zu begleichende individualpsychologische Verkehrstherapie bei der Einrichtung … aufgenommen hat. Dieses Nachtatverhalten macht deutlich, dass der Angeklagte aus der Tat gelernt hat und bereit ist, eigenständig an der Vermeidung weiterer, vergleichbarer Straftaten mitzuarbeiten. Strafmildernd war es auch zu würdigen, dass der Angeklagte lediglich 1 bis 1,5 km mit seinem PKW im Straßenverkehr unterwegs war, und zwar zu abendlicher, erfahrungsgemäß verkehrsschwacher Zeit auf einer Straße, welche gerichtsbekanntermaßen ebenfalls auch tagsüber, aber erst recht am Abend wenig frequentiert wird. Von daher war das von der von dem Angeklagten begangenen Trunkenheitsfahrt ausgehende Gefahrenpotential im deutlich unteren Bereich anzusiedeln, was sich strafmildernd auswirkt.

Strafschärfend fällt es indes ins Gewicht, dass der Angeklagte bereits dreimal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Darunter befindet sich eine einschlägige Straftat, nämlich die oben unter II. dargestellte Tat vom 15. März 2002. Der Angeklagte hat sich insoweit als Rückfalltäter erwiesen. Es durfte auch nicht übersehen werden, dass er bereits einmal – siehe oben I. 3. – zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, deren Vollstreckung dann allerdings nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen werden konnte.

Aufgrund der vorstehend dargestellten strafschärfenden Aspekte konnte die hier zu verhängende Strafe nicht im unteren Bereich des eröffneten Strafrahmens des § 316 Abs. 1 und 2 StGB verbleiben. Dieser Strafrahmen sieht eine Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Es war vielmehr tat- und schuldangemessen, gegen den Angeklagten auf eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu erkennen.

Die Höhe des einzelnen Tagessatzes war angesichts der persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten mit 10,00 Euro zu bemessen.

VI.

Des Weiteren war zu prüfen, ob der Angeklagte zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet ist und damit die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegen, wie sie in § 69 Abs. 1 StGB geregelt sind. Insoweit war zu beachten, dass ausweislich § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB bei einer Trunkenheitsfahrt im Sinne von § 316 StGB der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges anzusehen ist.

Die Kammer ist mit der Strafrichterin zu der Überzeugung gelangt, dass das sich aus § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB hier ergebende Regel-Ausnahme-Verhältnis entkräftet worden ist und der Angeklagte heute ausnahmsweise nicht mehr als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges eingestuft werden kann.

Diese Wertung ergibt sich aus der Durchführung und insbesondere dem bisherigen Verlauf der von dem Angeklagten bei der Therapieeinrichtung … aufgenommenen Verkehrstherapie.

Insoweit ist Folgendes auszuführen:

Bei der auf den Erkenntnissen von … und … beruhenden individualpsychologischen Verkehrstherapie des Institutes … handelt es sich um eine besonders erfolgreiche Maßnahme zur Rehabilitation alkoholauffälliger Kraftfahrer. Eine vor einigen Jahren durch die Bundesanstalt für Straßenwesen sowie den externen Evaluator Prof. Dr. … von der Universität Wuppertal durchgeführte Langzeitkontrolle ergab, dass lediglich 6,4 % der Teilnehmer einer … Verkehrstherapie innerhalb der ersten fünf Jahre nach Abschluss der Maßnahme und Wiedererteilung der Fahrerlaubnis wieder im Straßenverkehr mit Alkohol auffällig geworden sind, während die Rückfallquote des nächsterfolgreichen Wiedereignungskurses nach fünf Jahren immerhin 19,6 % betrug (vgl. Echterhoff ZVS 1998, 113; Fiesel ZVS 1998, 111).

Die Kammer hat daher keine Zweifel daran, dass es sich bei der individualpsychologischen Verkehrstherapie der Einrichtung … tatsächlich um eine besonders erfolgreiche Rehabilitationsmaßnahme handelt (ebenso LG Köln …; AG Lüdinghausen …).

Deshalb gibt es eine gefestigte Rechtsprechung dahin, dass im Fall einer kontinuierlichen und erfolgreichen Teilnahme an einer derartigen individualpsychologischen Verkehrstherapie die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges entgegen der Regel-Ausnahme-Anordnung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB nach einem gewissen Zeitraum wiederhergestellt ist.

-Insoweit ist zunächst das Urteil des LG Düsseldorf … zu erwähnen. In dieser Entscheidung bestätigte die Kammer ein Urteil des AG Düsseldorf vom 31. August 2007, welches fünf Monate nach einer Trunkenheitsfahrt mit 2,12 0/00 keine Fahrerlaubnisentziehung mehr anordnete, da der Angeklagte sich zeitnah nach der Tat über ca. fünf Monaten einer noch nicht vollständig beendeten …-Verkehrstherapie unterzogen und glaubhaft seine Alkoholabstinenz dargelegt hatte.

-Zuvor hatte schon das AG Potsdam in … entschieden, dass ein Kraftfahrer bei einer BAK von 1,46 0/00 ca. 6 Monate nach der Tat und kontinuierlicher Teilnahme an den Therapiesitzungen von … nicht mehr fahruntauglich ist.

-Das AG Düsseldorf hat am 19. März 2004 – 113 Cs Js 3011/03 – entschieden, dass ein Kraftfahrer nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,13 0/00 nach Durchführung einer …-Verkehrstherapie bereits drei Monate nach der Tat nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet war (zitiert bei Himmelreich … zu Fußnote 36 sowie … zu Fußnote 52; außerdem inhaltlich zusammengefasst in dem umfangreichen Aufsatz von Himmelreich/Karbach, Wegfall oder Verkürzung von Fahrerlaubnisentzug und Fahrverbot bei Nachschulung und Therapie im Strafrecht, in: Straßenverkehrsrecht (SVR) 2009, S. 1 ff., 3).

-Das AG Rathenow entschied am 24. Juni 2008 – … –, dass ein Kraftfahrer drei Monate und drei Wochen nach einer Trunkenheitsfahrt mit 1,41 0/00 und einer Voreintragung von sieben Punkten aufgrund einer von ihm absolvierten Verkehrstherapie bei … nicht mehr fahruntauglich war. Die Urteilsgründe dieser nicht veröffentlichen Entscheidung werden wiedergegeben bei Himmelreich/Karbach, aaO, S. 3.

-Das AG Potsdam entschied am 06. Oktober 2009, rechtskräftig seit demselben Tag – … –, dass ein Kraftfahrer nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,23 0/00 ca. sechs Monate nach der Tat nicht mehr als fahruntauglich einzustufen war, da er seitdem einen Langzeitrehabilitationskurs der Einrichtung … absolviert und außerdem drei Urinscreenings vorgelegt hatte, um seine Alkoholabstinenz nachweisen zu können. Diese nicht veröffentlichte Entscheidung befindet sich auf Bl. 105 ff. d. A.

-Das AG Lüdinghausen entschied am 02. März 2010 = … durch den bekannten Straßenverkehrsrechtler Richter am Amtsgericht …, dass ein Kraftfahrer zehn Monate nach der Tat nach Durchführung von intensiven verkehrspsychologischen Maßnahmen bei … nicht mehr als zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet eingestuft werden kann, und zwar auch im Licht einer hohen Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 2,57 0/00.

Es sind drei rechtskräftige Entscheidungen von Strafabteilungen des Amtsgerichts Aachen bekannt geworden, welche zu einer ähnlichen Beurteilung gelangt sind:

-So entschied die Abteilung … am 12. September 2008 – … –, dass ein Kraftfahrer bei einer Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,98 0/00 sieben Monate nach der Tat nicht mehr ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges ist, nachdem er sieben Einzeltherapiestunden bei … absolviert hat und insoweit von seiner Therapeutin eine positive Prognose des Therapieverlaufs ausgestellt bekam (Bl. 79 ff. d. A.).

– Die Abteilung … entschied am 30. Juni 2009 – … –, dass die Angeklagte bei einer Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,44 0/00 fünf Monate nach der Tat und nach 13 Einzelstunden individualpsychologischer Verkehrstherapie bei … nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet war (Bl. 84 f. d. A.).

– Schließlich entschied die Abteilung … am 08. Juli 2009 – … –, dass die Angeklagte bei einer Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,84 0/00 und einer sechsmonatigen Rehabilitationsmaßnahme bei … zum Tag der Hauptverhandlung nicht mehr ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges war (Bl. 89 ff. d. A.).

Ergänzend ist noch auf Entscheidungen hinzuweisen, welche aufgrund einer erfolgreichen Teilnahme an der Verkehrstherapie … eine verhängte Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gem. § 69 a Abs. 7 StGB vorzeitig aufgehoben oder verkürzt haben. Diesbezüglich haben z. B. erkannt das LG Köln in …, das LG Berlin in … (= Bl. … d. A.), das LG Potsdam in … oder das AG Stendal in ….

In ihrem Überblick über neue Entscheidungen in Verkehrsstraf- und -bußgeldsachen im Zeitraum 1.4.2009 – 31.3.2010, veröffentlicht in: NZV 2010, 492, führen Himmelreich/Halm auf S. 492 f. zur aktuellen Rechtsprechung 2009/2010 zum Thema „…“ aus:

„a) Vorzeitiger Wegfall von Entziehung und Sperre und Rückgabe des Führerscheins oder vorzeitige Aufhebung oder Reduzierung der Fahrerlaubnis-Sperre oder Geldstrafen-Ermäßigung bei Trunkenheits- und Verkehrs-Unfallflucht-Delikten durch Teilnahme an extern überprüften und kontrollierten, mithin qualifizierten Verkehrs-Therapien

Das AG Lüdinghausen hat mit einem sehr gründlichen Urt. v. 2.3.2010 (…) ca. 10 Mon. nach einer Trunkenheitsfahrt m. 2,57 0/00 aufgrund einer …-Verkehrstherapie und einer nachgewiesenen Abstinenz keinen Fahrerlaubnis-Entzug ausgesprochen, sondern nur noch ein dekl. Fahrverbot v. 3 Mon. verhängt. – Das AG Mönchengladbach hat mit Urt. v. 9.4.2009 (…) nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,7 0/00 nach 2,5 Mon. aufgrund einer …-Verkehrstherapie „festgestellt, dass die Ungeeignetheit … durch die erfolgreiche Teilnahme an einer individualpsychologischen Verkehrstherapie nachträglich entfallen ist … Daher lagen die Voraussetzungen des § 69 Absatz I, Absatz II Nr. 2 StGB für eine Entziehung … nicht mehr vor.“ Es wurde nur noch ein dekl. Fahrverbot von 3 Mon. verhängt. – Das AG Tiergarten verhängte durch Urt. v. 12.6.2009 (…) nach einer Trunkenheitsfahrt bei einer mehr als 2 St. nach Trinkende festgestellten BAK von 0,94 0/00 mit Unfall aufgrund einer …-Verkehrstherapie 9,5 Mon. nach der Tat ebenso nur noch ein dekl. Fahrverbot von 3 Mon. – In einem weit. Urt. v. 4.9.2009 (…) reduzierte das AG Tiergarten nach einer Trunkenheitsfahrt m. einer BAK von 2,68 0/00 die Sperre im Vergleich zum Strafbefehl um 6 Mon. und verhängte nur noch eine Rest-Sperre von 5 Mon. mit der Begründung: „… war zugunsten des Angekl. dessen vollständige Unbelastetheit und einsichtige Haltung zu berücksichtigen. Für ihn sprach vor allem, dass er zwischenzeitlich aus eigenem Antrieb heraus … an einem auf mindestens 6-monatige Dauer angelegten Kurs … teilgenommen hat und weiterhin teilnimmt. Dieser wird durchgeführt von der … Berlin/Brandenburg, bei der es sich um eine allgemein anerkannte und seriöse Gesellschaft handelt.“ – Das AG Tiergarten (Beschl. v. 31.8.2009 – …) hob gem. § 69 Absatz VII StGB bei 2 Trunkenheitsfahrten am 29.8.2008 m. 2,31 und 1,87 0/00 in 2-stündigem Abstand gem. § 315 c StGB (einmal m. Fahren ohne Fahrerlaubnis) die im Strafbefehl v. 3.11.08 ausgesprochene Sperre v. 14 Mon. mit sofortiger Wirkung (ohne Begründung) vorzeitig auf, wodurch über 4 Mon. Sperre gespart wurden; die (alkoholabhängige) Betroffene hatte dem Gericht am 29.6.2009 eine Bescheinigung über eine 9 3/4-monatige …-Verkehrstherapie und eine ebenso lange Abstinenz vorgelegt. – Das AG Potsdam entzog mit Urt. v. 6.10.2009 (…) bei einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 2,23 0/00 aufgrund einer …-Verkehrstherapie die Fahrerlaubnis nicht, sondern verhängte nur noch ein (nicht-dekl.) Fahrverbot von 2 Mon. mit folgender Begründung: „Seit dem Tattag hat der Angekl. erhebliche Anstrengungen unternommen, sich mit seinem Fehlverhalten auseinanderzusetzen; so besuchte er einen KBS-Langzeitrehabilitationskurs der …. Außerdem absolvierte er 3 Urin-Screenings, um seine Alkoholabstinenz zu beweisen“. – Das AG Göttingen (…) sprach bei einer Trunkenheitsfahrt v. 22.3.2009 mit einer BAK von 2,05 0/00 aufgrund einer Verkehrstherapie der … Berlin-Brandenburg sowie einem positiven MPU-Gutachten der PIMA-MPU GmbH keinen Fahrerlaubnis-Entzug aus und gab im Termin den Führerschein zurück; damit war gegenüber dem Strafbefehl zugleich auch eine weitere Sperre von 4,5 Mon. vermieden worden. – Auch das AG Salzwedel kürzte gem. § 69 a Absatz VII StGB mit Beschl. v. 20.11.2009 (…) bei einem Trunkenheitsdelikt gem. § § 315 c StGB v. 24.12.2008 mit 1,99 0/00 „aufgrund einer Teilnahme an einer ambulanten Alkoholtherapie und des Nachweises einer längeren Abstinenz“ die im Strafbefehl v. 6.5.2009 verhängte Sperre von 10 Mon. nachträglich um 2 Mon. und 3 Wochen und stellte fest, „dass der Angekl. … nicht mehr ungeeignet ist“; der Betr. absolvierte hier eine 4-monatige Verkehrstherapie m. 3-mon. therap. Nachsorge b. d. … Berlin-Brandenburg; die Sperre wurde aber nicht mit Datum des Beschlusses aufgehoben, sondern das Gericht legte – trotz jetzt festgestelltem Wegfall der Ungeeignetheit – fest: „Die Verwaltungsbehörde darf dem Angekl. ab dem 15.12.2009 eine neue Fahrerlaubnis erteilen.“ Ein Grund für diese Zeitverzögerung wurde nicht angegeben, wäre auch nicht nachvollziehbar. – Weitere Urteile, bei denen die …-Therapie pos. Berücksichtigung fand: AG Köln (…) Nur 3 Mon. dekl. Fahrverbot); AG Köln (Urt. v. 20.7. … _ Weder Sperre noch Fahrverbot); AG Duisburg (Urt. v. 11.12.2008, … bei 2 Unfallflucht-Delikten, unveröff.: Nur 3 Mon. dekl. Fahrverbot); AG Rheine (Urt. v. 26.2.2008 – …, …: Nur 3 Mon. dekl. Fahrverbot); AG Brühl (Urt. v. 14.3.2008 – …: Trotz zweifacher Trunkenheitsfahrt m. hohem Promillewert, einmal in TE m. vors. FoF sowie Vordelikten weder Sperre noch Fahrverbot); AG Lemgo (Urt. v. 25.8.2008 …: 3 Mon. Sperrfrist-Verkürzung); AG Bielefeld (Urt. v. 10.10.2008 – …: 3 Mon. Sperrfrist-Verkürzung); AG Neuruppin (Urt. v. 19.6.2008 – …: Trotz 3. Trunkenheitsfahrt m. 2,5 0/00 nur 40 TS an Geldstr. statt 90 wie im Strafbef., dadurch 7200 € gespart).“

Für weitere Rechtsprechungs- und Literaturnachweise, welche sämtlich in dieselbe Richtung wie die vorgenannten Entscheidungen weisen, wird erneut auf den umfangreichen, überzeugenden Aufsatz von Himmelreich/Karbach in SVR 2009, 1 ff. verwiesen.

Die Kammer schließt sich dieser dargelegten, mehr als gefestigten Rechtsprechung diverser Land- und Amtsgerichte an. Insoweit ist hier darauf zu verweisen, dass der Angeklagte nunmehr bereits seit knapp neun Monaten kontinuierlich an einer individualpsychologischen Verkehrstherapie nach … teilnimmt und sich der Therapieverlauf nach den glaubhaften Bekundungen seiner Therapeutin als ausgesprochen positiv gestaltet.

Zusammenfassend ist noch einmal festzuhalten, dass die Kammer im Licht der von ihr ausgewerteten, umfangreichen und gefestigten Rechtsprechung diverser Land- und Amtsgerichte sowie aufgrund der glaubhaften Bekundungen der auch persönlich glaubwürdigen Zeugin … zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht mehr im Sinne von § 69 Abs. 1 StGB als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges anzusehen ist und die Regel-Ausnahme-Wirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB damit in dem hiesigen Einzelfall ausnahmsweise aufgehoben wurde.

Die Kammer hat es indes mit der Strafrichterin als tat- und schuldangemessen erachtet, neben der verhängten Geldstrafe als Nebenstrafe ein Fahrverbot im Sinne von § 44 StGB auszusprechen. Dabei hat sich die Kammer an der Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB orientiert, nach welcher ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 316 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB – wie hier – unterbleibt. Die Kammer sieht insoweit keinen Anlass, von der geschilderten Regel-Ausnahme-Regelung hier abzuweichen. Dabei ist der Kammer auch die Wechselwirkung zwischen der verhängten Hauptstrafe „Geldstrafe“ und der Nebenstrafe „Fahrverbot“ nicht verborgen geblieben. Im Licht der einschlägigen Vorbelastung des Angeklagten sieht es die Kammer indes dennoch als geboten an, gegen ihn neben der verhängten Geldstrafe als weiteren „Denkzettel“ ein Fahrverbot auszusprechen, welches mit tat- und schuldangemessenen drei Monaten zu bemessen ist.

Es ist indes darauf hinzuweisen, dass durch die vom 21. Mai 2010 bis zum 11. Oktober 2010 erfolgte Beschlagnahme des Führerscheins des Angeklagten das verhängte Fahrverbot gemäß § 51 Abs. 5 StGB bereits vollständig vollstreckt worden ist.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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