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Trunkenheit im Straßenverkehr -Verkürzung Regelfahrverbot

OLG Bamberg – Az.: 3 Ss OWi 754/18 – Beschluss vom 02.07.2018

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 8. Januar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,5 Promille oder mehr bzw. einer zu einer solchen BAK führenden Alkoholmenge im Blut (§ 24 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG; Tatzeit: 14.07.2017) zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit ihrer wegen der in der Hauptverhandlung wirksam gemäß § 67 Abs. 2 OWiG erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ohnehin nur noch diesen betreffenden, mit der Verletzung materiellen Rechts begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass das Amtsgericht gegen den Betroffenen nicht nach § 4 Abs. 3 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 241.1 BKat wegen bereits einer einschlägigen Voreintragung nach § 24a StVG im Fahrerlaubnisregister entsprechend dem Bußgeldbescheid vom 21.08.2017 ein (qualifiziertes) Regelfahrverbot für die Dauer von drei Monaten festgesetzt hat.

Die Stellungnahme der Verteidigerin des Betroffenen zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft lag dem Senat vor.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ohne weiteres statthafte (BGH, Beschl. v. 31.01.1991 – 1 StR 338/90 = BGHSt 37, 316 = NJW 1991, 1367 = NStZ 1991, 289 = wistra 1991, 229 = VRS 81 [1991], 41 = VM 1991, Nr. 77; vgl. u.a. auch Göhler/Seitz OWiG 17. Aufl. § 79 Rn. 3; KK/Hadamitzky OWiG 5. Aufl. § 79 Rn. 11; BeckOK-OWiG/Bär [Stand: 01.03.2018] § 79 Rn. 14) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Im Ansatz zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass gemäß §§ 24a Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. 25 Abs. 1 Satz 2, 26a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV i.V.m. Nr. 241.1 BKat neben der Anordnung einer Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro an sich die Verhängung eines Regelfahrverbots für die Dauer von drei Monaten geboten war. Allerdings hält die Begründung, aufgrund derer sich das Amtsgericht abweichend hiervon zur Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer nur eines Monats veranlasst gesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Ebenso wie von der Verhängung eines Regelfahrverbots nur dann gänzlich abgesehen werden kann, wenn wesentliche Besonderheiten in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen anzunehmen sind und deshalb der vom Bußgeldkatalog erfasste Normalfall nicht vorliegt, ist der Tatrichter vor einer Verkürzung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regeldauer des Fahrverbots gehalten zu prüfen, ob der jeweilige Einzelfall Besonderheiten aufweist, die ausnahmsweise die Abkürzung rechtfertigen können und daneben gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung der Regelbuße als ausreichend erscheinen lassen.

Trunkenheit im Straßenverkehr -Verkürzung Regelfahrverbot
(Symbolfoto: Von Andrey Armyagov/Shutterstock.com)

b) Auch die Abkürzung der Dauer eines verwirkten gesetzlichen Regelfahrverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG kann wie ein gänzliches Absehens vom Regelfahrverbot (vgl. hierzu neben BGHSt 38,125/134 schon OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 = BA 50 [2013], 27 = OLGSt StVG § 25 Nr 53 und 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08 = BA 45 [2008], 394 = DAR 2009, 39 = OLGSt StVG § 25 Nr 43; vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.04.2002 – Ss (B) 13/02 = VRS 102 [2002], 458 = BA 41 [2004], 173) unbeschadet der Gültigkeit des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen oder dann, wenn wegen – hier nicht gegebener – besonderer Umstände das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG derart herausfällt, dass die Festsetzung der Regelfahrverbotsdauer als offensichtlich unpassend anzusehen wäre. Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel „in Betracht“ kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen oder seine Dauer abgekürzt werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Bußgeldtatbestände versteht sich die grundsätzliche Angemessenheit des Fahrverbots und seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst.

2. Zwar hat sich das Amtsgericht vor diesem Hintergrund auch hinsichtlich der Frage der Fahrverbotsdauer zu Recht mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den Betroffenen auseinandergesetzt. Denn der Tatrichter bleibt in den Fällen des § 24a StVG auch dann, wenn schon eine einschlägige Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG entsprechend der Zumessungsvorschrift in Nr. 241.1 BKat voreingetragen ist, grundsätzlich verpflichtet, sich aus Gründen des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes mit den möglichen Folgen eines Fahrverbots oder seiner Dauer für den Betroffenen zu befassen, da anderenfalls gegen den auch in Bußgeldsachen anwendbaren Rechtsgedanken des in § 46 Abs. 3 StGB geregelten Doppelverwertungsverbots jedenfalls dann verstoßen würde, wenn allein aus den die qualifizierten Regelfolgen nach Nr. 241.1 BKat begründenden Umständen gewissermaßen automatisch auf die Unerheblichkeit existentieller Härten für den Betroffenen und damit für eine unterschiedslose Beibehaltung des Fahrverbots oder seiner Regeldauer im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung im engeren Sinne geschlossen würde (OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 Ss 337/13 = VM 2014, Nr 9 = BA 51 [2014], 24 = VRS 125 [2013], 166 = NZV 2014, 535; zur Gültigkeit des Doppelverwertungsverbots in Bußgeldsachen vgl. zuletzt neben OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2018 – 3 Ss OWi 270/18 und 01.02.2017 – 3 Ss OWi 80/17 schon Beschl. v. 05.12.2013 – 3 Ss OWi 1470/13 [jeweils bei juris]). Die Beschäftigung mit dieser Frage war schon deshalb unverzichtbar, weil der Betroffene gerade eine von einem Fahrverbot mit dreimonatiger Dauer ausgehende unverhältnismäßige Härte in Gestalt eines beruflichen Existenzverlusts, nämlich die durch seinen Arbeitgeber als Zeuge in der Hauptverhandlung bestätigte Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses als Bäcker in einer Kleinbäckerei mit branchentypischen nächtlichen Arbeitszeiten vorgetragen hat.

3. Es entspricht andererseits ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung nachzuprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur OLG Bamberg, Beschl. v. 04.05.2017 – 3 Ss OWi 550/17 = BA 54, 383 und v. 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = ZfS 2018, 114 = VM 2018, Nr 7, jeweils m.w.N.).

4. Dies ist hier zumindest nicht mit der gebotenen Sorgfalt geschehen:

a) So kann der Senat anhand der Urteilsgründe schon nicht übersehen, ob die vom Betroffenen vorgebrachte eingeschränkte Erreichbarkeit seines Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln den Tatsachen entspricht. Insoweit ist überdies zu beachten, dass für den Betroffenen im Zweifel auch angesichts einer drohenden Fahrverbotsdauer von drei Monaten eine tägliche Anfahrt zu seiner Arbeit zeitlich deutlich vor deren effektivem Beginn um 2.00 Uhr, als zumutbar anzusehen sein wird, gleichgültig ob der Betroffene für einen Teilzeitraum eine Mitfahrgelegenheit in Anspruch nehmen könnte oder nicht.

b) Entsprechendes gilt, soweit der Betroffene zum Beleg der Notwendigkeit einer alternativlosen eigenen Kraftfahrzeugnutzung vorbringt, erfolglos „versucht“ zu haben, am Ort der Bäckerei „vorübergehend eine kleine Wohnung anzumieten“, ohne dass das Amtsgericht die insoweit vom Betroffenen unternommenen konkreten Anstrengungen im Urteil dargestellt oder nach den Urteilsgründen hinterfragt hätte. Auch in dieser Hinsicht wird dem Betroffenen im Zweifel auch die vorübergehende Einmietung etwa in einer Pension oder die Anmietung eines Ein-Zimmer-Appartements in Arbeitsplatznähe oder in einem benachbarten Ort auf eigene Kosten zuzumuten sein, und sei es nur, um so nach der Nutzung öffentlicher Verkehrsanbindungen die Zeiträume bis zum effektiven täglichen Arbeitsantritt zu überbrücken. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufwendungen wären schon deshalb als grundsätzlich zumutbar anzusehen, weil ihnen die vom Betroffenen ersparten Aufwendungen aus der dann zumindest weitgehend entfallenden werktäglichen Pkw-Nutzung gegenüber zu stellen wären (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.03.2009 – 3 Ss OWi 196/09 = DAR 2009, 401 = VM 2009, Nr 63 = OLGSt StVG § 25 Nr 46).

5. Nach alledem kann der Senat nicht ausschließen, dass das Amtsgericht seine für den Rechtsfolgenausspruch bestimmenden Feststellungen letztlich einseitig den Angaben des Betroffenen ohne hinreichende Ausschöpfung sonstiger Beweismittel entnommen hat. Dies genügt den aus § 267 Abs. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG resultierenden sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe regelmäßig nicht.

III.

Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil einschließlich der Kostenentscheidung aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO).

IV.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

V.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

 

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