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Trennung zwischen gelegentlicher Cannabiseinnahme und Führen eines KFZ

Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 3 B 384/17 – Beschluss vom 26.01.2018

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. November 2017 – 6 L 867/17 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die mit der Beschwerde vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegner vom 21. Juni 2017 vorgenommene Entziehung seiner Fahrerlaubnis für alle Klassen sowie die in Nr. 2 des vorgenannten Bescheids angeordnete Abgabe des Führerscheins binnen einer Frist von fünf Arbeitstagen nach Zustellung des Bescheids wiederherzustellen.

1. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Bedenken begegne. Die Entziehung der Fahrerlaubnis habe sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV (nachfolgend: Anlage 4 FeV) stützen können. Der Antragsteller sei als gelegentlicher Cannabiskonsument nicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu führen. Er habe nämlich unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt und damit belegt, dass er den Konsum dieser Droge und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen könne. Die Fahrerlaubnis sei daher zwingend zu entziehen. Der durch eine Blutprobe nachgewiesene THC-Wert von 44,1 ng/ml zeige, dass der Antragsteller kurze Zeit vor der Polizeikontrolle am 3. März 2017 Cannabis konsumiert haben müsse. Zudem habe er einen vorangegangenen (weiteren) Cannabiskonsum angegeben. Daher sei von mindestens zwei selbständigen Konsumvorgängen auszugehen. Auch die im Blut des Antragstellers festgestellte Menge spreche für einen zumindest gelegentlichen Konsum. Er habe auch am 3. März 2017 unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Besondere Gründe, die trotz der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung deren Suspendierung rechtfertigen und ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

2. Dem hält die Beschwerde mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2017 entgegen, es sei nach neuerer Rechtsprechung fraglich, ob der Inhaber einer Fahrerlaubnis bereits bei einer einzelnen Fahrt unter Cannabiseinfluss gemäß § 11 Abs. 7 FeV i. V. m. Nr. 9.2 Anlage 4 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen oder ob nicht entsprechend dem Vorgehen bei Alkoholmissbrauch gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV erst bei der zweiten Zuwiderhandlung die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen sei. Daher könne bei einem Cannabiskonsumenten bei der ersten Zuwiderhandlung zunächst nur ein Fahreignungsgutachten im Ermessenswege nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV und erst bei der zweiten Zuwiderhandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV müsse zwingend ein Fahreignungsgutachten angeordnet werden. Hierbei beruft sich der Antragsteller auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 14. September 2016 – 11 Cs 16.1467 -, juris Rn. 20 ff. m. w. N.). Diese Auffassung ergebe sich daraus, dass die Vorschriften des § 13 und § 14 FeV sehr ähnlich strukturiert seien und der Verordnungsgeber nach der Verordnungsbegründung die Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Drogenkonsums ausdrücklich habe angleichen wollen. Aufgrund der offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens sei es daher vertretbar, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.

3. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Das Gericht hat seiner Interessenabwägung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme maßgebliche Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2017, zu Grunde zu legen (BVerwG, Beschl. v. 22. Januar 2001 – 3 B 144.00 -, juris Rn. 2). Hiervon ausgehend ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Zwar hat sich das Verwaltungsgericht nicht mit der vom Antragsteller angeführten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Fahrerlaubnisentziehung bei Cannabiskonsum ausdrücklich befasst. Der Senat hat allerdings bereits mit Beschluss vom 12. Dezember 2017 (- 3 B 282/17 -, zur Veröffentlichung bei juris vorgesehen, Rn. 7 m. w. N.) angemerkt, dass er der dort wiedergegebenen, ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung zu folgen gedenkt, die der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in dieser Frage (die Rechtsprechung bestätigend BayVGH, Beschl. v. 29. August 2016 – 11 CS 16.1460 -, juris Rn. 16 f.; Beschl. v. 10. Juli 2017 – 11 Cs 17.1058 -, juris Rn. 11; Urt. v. 25. April 2017 – 11 Bv 17.33 -, juris Rn. 19 ff. m. w. N.) nicht beitritt. Hieran hält der Senat fest. Hierfür ist maßgebend:

Eine im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbare, ausreichende Trennung zwischen der gelegentlichen Einnahme von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs kann mit der obergerichtlichen herrschenden Rechtsprechung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. Juni 2017 – OVG 1 S 27.17 -, juris Rn. 10; NdsOVG, Beschl. v. 7. April 2017 – 12 ME 49/17 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Urt. v. 15. März 2017 – 16 A 432/16 – juris Rn. 143; VGH BW, Beschl. v. 7. März 2017 – 10 S 328/17 -, juris Rn. 4; OVG LSA, Beschl. v. 6. September 2017 – 3 M 171/17 -, juris Rn. 12; OVG Hamburg, Beschl. v. 15. November 2017 – 4 Bs 180/17 -, juris, jeweils m. w. N.) nur dann angenommen werden, wenn gemäß Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Schon die unterschiedliche Formulierung der in der Anlage 4 FeV genannten Tatbestände für die mangelnde Eignung bei Alkoholmissbrauch und gelegentlichem Cannabiskonsum legt es wegen der unterschiedlichen Wirkungsweise von Alkohol und Cannabis nahe, dass schon das einmalige Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss die Fahreignung ausschließt (BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 -, juris Rn. 32 ff. m. w. N.).

Dass bei einem solchen Verständnis die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV im Wesentlichen leer liefe, weil sich für sie kein sinnvoller Anwendungsbereich mehr finden ließe (BayVGH, Urt. v. 25. April 2017, a. a. O. Rn. 36 ff.), überzeugt hingegen nicht. Denn ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist etwa dann anzufertigen, wenn aufgrund der verstrichenen Zeit zwischen festgestelltem Konsum und beabsichtigtem Entzug der Fahrerlaubnis ein so großer Zeitraum liegt, dass zweifelhaft ist, ob der Konsument seine Eignung nicht zu diesem Zeitpunkt wiedererlangt hat (vgl. SächsOVG, Beschl. 18. Juli 2017 – 3 B 147/17 -, juris Rn. 7 m. w. N.; zu weiteren Anwendungsfällen NdsOVG a. a. O.). Im Übrigen wird in der Rechtsprechung zu Recht auch darauf verwiesen, dass die Vorschrift im hier einschlägigen Fall einer Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 46 Abs. 3 FeV sowieso nur entsprechende Anwendung findet und sich im übrigen die Frage eines Anwendungsbereichs gleichermaßen auch bei harten Drogen stellen würde (Nachweise bei HessVGH, Beschl. v. 21. September 2017 – 2 D 1471/17 -, juris Rn. 12 f.).

Schließlich spricht für die hier vertretene Auffassung nicht nur, dass der Verordnungsgeber keine der in letzter Zeit vorgenommenen Änderungen der Fahrerlaubnisverordnung zum Anlass genommen hat, korrigierend oder klarstellend tätig zu werden (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7. März 2017 a. a. O. Rn. 4 m. w. N.). Dafür streitet auch, dass der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden kann, wenn die gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen, für den Spezialfall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis eine Regelung getroffen hat, die die allgemeinen Regelung des § 14 Abs. 2 FeV im Hinblick auf die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei der gelegentlichen Einnahme von Cannabis und entsprechenden Eignungszweifeln konkretisiert. Solche Zweifel i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV können etwa dann vorliegen, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss von Cannabis nicht i. S. d. Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV nachgewiesen ist, gleichwohl aber nicht sicher von einer Trennung von Konsum und Fahren in diesem Sinn ausgegangen werden kann (näher zum Anwendungsbereich Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 14 FeV Rn. 19 m. w. N.).

Bis zu einer diesbezüglichen Klärung in einem möglichen Revisionsverfahren ist daher zumindest im vorliegenden Fall einstweiligen Rechtschutzes weiterhin davon auszugehen, dass dem Antragsteller mit der weit überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung im vorliegenden Fall die Fahreignung fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt im Übrigen der Streitwertsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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