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Transport gefährlicher Abfälle ohne Genehmigung – Strafe

AG Kehl, Az.: 9 Cs 301 Js 6684/14 BSch, Beschluss vom 10.11.2017

1. Das Verfahren wird mit Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.

2. Dem Angeklagten K wird zur Auflage gemacht, wird ausgeführt

3. Eine Kostenentscheidung ergeht nach endgültiger Verfahrenseinstellung.

Gründe

I.

Dem Angeklagten wird mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kehl vom 14.04.2016 vorgeworfen, er habe zwischen dem 08.07.2013 und 15.04.2014 insgesamt in 19 rechtlich selbständigen Fällen von der Schweiz kommend per Schiff über den Rhein gefährliche Abfälle in die Niederlanden transportiert, wobei er sich jeweils selbständiger Schiffseigner bediente, ohne dass diese über eine deutsche Genehmigung für den Transport von gefährlichen Abfällen verfügten und diese als Transporteure gemäß den geltenden Vorschriften bei den zuständigen Behörden gemeldet worden seien, strafbar als Vergehen nach § 326 Abs. 1 Ziffer 4a, Abs. 2 Ziffer 1, Abs. 6, 53 StGB. Wegen der Einzelheiten der vorgeworfenen Taten wird auf den Strafbefehl Bezug genommen.

II.

Dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung kann durch die Erfüllung der im Tenor genannten Auflage genügender Weise Rechnung getragen werden. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus den Erwägungen, die das Gericht in seiner Denkschrift vom 04.07.2017 festgehalten hat und wie folgt lauten:

„Diese Denkschrift gibt einen – nicht streng nach den Tatbestandsmerkmalen des § 326 Abs. 1 und 2 StGB strukturierten – Überblick über die, nach derzeitigem Stand des Verfahrens, wesentlichen entscheidungserheblichen Vorschriften und deren Auslegung in Rechtsprechung und Literatur. Teilweise wird auch die vorläufige Auslegung durch den Unterzeichner mitgeteilt.

I. Zum § 326 Abs. 1 StGB

I.1. „Anlage“ und „Verfahren“ im Sinne des § 326 Abs. 1 StGB

Fraglich ist, ob das Befördern von Abfällen ohne die notwendige Erlaubnis nach § 54 Abs. 1 S. 1 KrWG1 ein unbefugtes Befördern von Abfällen „außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren“ im Sinne des § 326 Abs. 1 StGB darstellen kann.

Szesny in Leipold/Tsambikakis/Zöller, AnwaltKommentar StGB, ist der Ansicht, dass das bloße Handeln ohne Erlaubnis nicht ohne Weiteres ausreiche, weil es am Wesentlichkeitsmerkmal fehle.2

Die Kommentierung von Wittek in Beck‘scher Online-Kommentar StGB3 spricht davon, dass die Tathandlung außerhalb einer zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren erfolgen muss, wobei als „Anlagen“ besondere technische Einrichtungen beispielhaft aufgeführt werden und als zulässiges „Verfahren“ ein durch Rechtsvorschriften konkretisiertes oder durch Verwaltungsakt verbindlich festgelegtes bzw. erlaubtes vorgeschriebenes oder zugelassenes Entsorgungsverfahren beschrieben wird. Dies spricht dafür, dass es auf das Vorliegen einer Erlaubnis desjenigen, der die Beförderung durchführt, nicht ankommt, solange die Anlage bzw. das Verfahren vorgeschrieben oder zugelassen ist. Ähnlich kommentieren Heine/Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, dieses Tatbestandsmerkmal.4

Für diese einschränkende Auslegung spricht schließlich auch, dass das Gesetz ausdrücklich eine Ordnungswidrigkeit für das Befördern gefährlicher Abfälle ohne Erlaubnis nach § 54 Abs. 1 S. 1 KrWG vorsieht.5 Dieselbe Handlung kann aber nicht gleichzeitig den Tatbestand einer Straftat erfüllen.

I.2. Nur „innerstaatliches“ Befördern?

Heine/Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, sind der Ansicht, dass die Handlungsalternative „Befördern“ nur die innerstaatliche Beförderung und nicht auch die grenzüberschreitenden Abfalltransporte erfasst.6

Wittek in Beck‘scher Online-Kommentar StGB weist lediglich darauf hin, dass mit dem Merkmal des Beförderns ausdrücklich der innerstaatliche Transport von Abfall in den Tatbestand einbezogen werden soll.7 Ähnlich formuliert es Fischer, nach dem diese Tatvariante, anders als § 326 Abs. 2 StGB, auch den innerstaatlichen Transport erfassen soll. Unklar bleibt bei beiden, ob grenzüberschreitende Transporte vom Anwendungsbereich des §§ 326 Abs. 1 StGB ausgeschlossen sind.

Die von Wittek und Fischer in Bezug genommene Gesetzesbegründung zum 45. Strafrechtsänderungsgesetz8 spricht allerdings für einen solchen Ausschluss. Dort wird zunächst darauf hingewiesen, dass in der bis dahin geltenden Fassung des § 326 Abs. 2 StGB das rechtswidrige Verbringung von Abfällen in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich des StGB unter Strafe gestellt, die innerstaatliche Beförderung aber nicht erfasst werde.9 Zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum Umweltstrafrecht10 werde daher vorgeschlagen, den Tatbestand des § 326 Abs. 1 StGB auf die innerstaatliche Beförderung gefährlicher Abfälle zu erweitern, ohne jedoch die rechtswidrige innerstaatliche Beförderung von Abfällen der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen in § 326 Abs. 2 StGB gleichzustellen.11

I.3. „NIWO“ als ausreichende Genehmigung im Sinne des § 54 KrWG?

I.3.1. Gleichwertigkeit der NIWO

Hinsichtlich der Gleichwertigkeit der niederländischen NIWO mit der deutschen Genehmigung nach § 54 Abs. 1 KrWG hält der Unterzeichner die Ausführungen des Landratsamts Ortenaukreis in dem internen Vermerk der Leiterin des Amts 50 vom 27.11.2014 für überzeugend.12 Im Übrigen liegen keine tatsächlichen Erkenntnisse vor, die gegen eine Gleichwertigkeit sprechen würden.13

I.3.2. Genehmigungsvorbehalt?

Von der Sonderabfallagentur Baden-Württemberg (in der Folge „SAA“) wird in der E-Mail vom 27.01.201514 die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall die Gleichwertigkeit der NIWO geprüft werden müsse. Dies folge aus § 54 Abs. 4 S. 2 KrWG. Erst nach Prüfung durch die zuständige Behörde und Feststellung, dass der vorgelegte ausländische Nachweis „ausreichend“ sei, dürfe die Tätigkeit aufgenommen werden. Es bestehe insoweit ein Genehmigungsvorbehalt.

Der Wortlaut des § 54 Abs. 4 KrWG stützt diese Auffassung nicht. § 54 Abs. 4 S. 1 KrWG bestimmt ausdrücklich, dass Erlaubnisse aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum Erlaubnissen nach § 54 Abs. 1 S. 1 KrWG gleichstehen, soweit sie ihnen gleichwertig sind. Gegen einen Genehmigungsvorbehalt spricht schließlich auch § 54 Abs. 4 S. 3 KrWG, wonach Unterlagen über die gleichwertige Erlaubnis nach § 54 Abs. 4 S. 1 KrWG der zuständigen Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit im Original oder in Kopie lediglich vorzulegen sind. Davon, dass vor Aufnahme der Tätigkeit eine Entscheidung oder sonstige Stellungnahme der zuständigen Behörde abzuwarten ist, ist nicht die Rede.

Die Begründung des Gesetzentwurfes15 unterscheidet klar zwischen, einerseits, Erlaubnissen und, andererseits, Nachweisen als Grundlage für die Erteilung einer Erlaubnis im Sinne des § 54 Abs. 1 KrWG. Danach bestimme § 54 Abs. 4 S. 1 KrWG die Gleichstellung von Erlaubnissen anderer EU- bzw. EWR-Erlaubnissen; § 54 Abs. 4 S. 2 KrWG betreffe demgegenüber die in einem Erlaubnisverfahren vorgelegten Nachweise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum. Die Regelungen setzten insoweit die Vorgaben für die Voraussetzungen der Genehmigungserteilung nach den Artikeln 5 und 10 der Dienstleistungsrichtlinie16 um, insbesondere das Verbot von Doppelprüfungen im Sinne des Artikels 10 Abs. 3, und folgt damit den entsprechenden Regelungen des Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts.17 Hinsichtlich des § 54 Abs. 4 S. 4 KrWG, der die Vorlage der gleichwertigen Genehmigung vor Aufnahme der Tätigkeit verlangt, deutet die Begründung im Gesetzentwurf zum zunächst vorgesehenen und gleichzeitig mit § 49 Abs. 2a KrW-/AbfG, Vorläufer des § 54 Abs. 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz, einzufügenden § 6 Abs. 2a NiSG18 daraufhin, dass diese Vorlagepflicht (nur) eine ausreichende Kontrollmöglichkeit ausländischer Genehmigungen durch die zuständige Behörde gewährleisten soll.19

Die Kommentierung des § 54 Abs. 4 KrWG von Ockenfels20 ist hinsichtlich der Frage, ob in jedem Fall ein Genehmigungsvorbehalt bestehen soll, nicht eindeutig. Einerseits führt er aus, dass im Gegensatz zu § 53 Kreislaufwirtschaftsgesetz, der lediglich eine Anzeigepflicht vorsieht, bei § 54 KrWG zusätzlich die Regelungen des Art. 10 der Dienstleistungsrichtlinie (Verbot der Doppelprüfung) umzusetzen gewesen seien, weshalb dementsprechend nach Abs. 4 gleichwertige EU- bzw. EWR-Erlaubnisse gleichgestellt seien, sofern sie gleichwertig seien. Der Verweis von Ockenfels auf Art. 10 der Dienstleistungsrichtlinie spräche dafür, dass er grundsätzlich einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt sieht, weil die Bestimmungen des Art. 10 der Dienstleistungsrichtlinie die Anforderungen an ein Genehmigungsverfahren betreffen. Andererseits solle aber seiner Ansicht nach auch für EU-/EWR-Ausländer21 das „normale“ Erlaubnisverfahren nach Abs. 1 (mit den Modifikationen der Absätze 5 und 6) gelten, was wiederum nur für ein Kontrollverfahren spricht.

Gegen einen generellen Genehmigungsvorbehalt sprechen schließlich auch die Erwägungen der Dienstleistungsrichtlinie. So sollten die Bestimmungen in Bezug auf Verwaltungsverfahren darauf abzielen, übermäßig schwerfällige Genehmigungsregelungen, -verfahren und -formalitäten zu beseitigen.22 die Pflicht zur Vorabgenehmigung seien auf Fälle, in denen diese unerlässlich sind, zu beschränken.23 Die Möglichkeit zur Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit sollte nur von einer Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig gemacht werden, wenn diese Entscheidung nicht diskriminierend sowie notwendig und verhältnismäßig ist und eine nachträgliche Kontrolle nicht gleich wirksam wäre.24

Soweit ersichtlich hat sich der EuGH noch nicht zur Tragweite der Art. 5 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie sowie der zitierten Erwägungen, insbesondere bezüglich des Erlaubnisvorbehalts nach § 54 KrWG geäußert.

Nach alldem sprechen – derzeit – die besseren Gründe dafür, bei der NIWO keinen Genehmigungsvorbehalt anzunehmen, soweit von ihrer Gleichwertigkeit im Sinne des § 54 Abs. 4 S. 1 KrWG auszugehen ist.

I.4. Übergangsregelung des § 72 Abs. 4 KrWG

I.4.1. Anwendungsbereich

Nach § 72 Abs. 4 KrWG ist § 54 Abs. 1 bis 6 KrWG in Bezug auf Sammler und Beförderer, die Abfälle im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen sammeln oder befördern, erst zwei Jahre nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, mithin erst seit dem 01.06.2014, anzuwenden.

Dazu führt Pawlik25 aus, dass diese Übergangsvorschrift nicht auf gewerbsmäßige Sammler und Beförderer anwendbar sei, sondern nur die Personengruppe erfasse, für die bisher weder einer Anzeige- noch einer Erlaubnispflicht bestanden habe.

Für diese Auslegung durch Pawlik sprechen die gesetzlichen Bestimmungen der Begriffe „Sammler“, „Beförderer“, „Händler“ und „Makler“ in § 3 Abs. 10 bis 13 KrWG, die jeweils natürliche oder juristische Personen, die, einerseits, gewerbsmäßig oder, andererseits, im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen, das heißt, aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf das Sammeln, das Befördern, das Handeln bzw. Makeln von bzw. mit Abfällen gerichtet ist. Die Übergangsvorschrift des § 72 Abs. 4 KrWG spricht nur von der zweiten Personengruppe.26

Die Ausnahme der bisher schon gewerbsmäßig tätigen Personen von der Übergangsvorschrift des § 72 Abs. 4 KrWG ist insoweit auch sachgerecht und folgerichtig, weil diese Personen bereits nach § 49 KrW-/AbfG27 sowie § 1 TgV28 in der bis zum Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geltenden Fassung Anzeige- und Erlaubnispflichten unterlagen.29 Demgegenüber bedurften die Person, die erstmals von Anzeige- und Erlaubnispflichten betroffen waren, einer angemessenen Übergangszeit, um die neuen gesetzlichen Anforderungen an ihre Tätigkeit in zumutbarer Weise erfüllen zu können.30

I.4.2. Analoge Anwendung?

Das OLG Köln sieht in seinem Beschluss vom 06.03.201531 eine analoge Anwendung des § 72 Abs. 4 KrWG für den Fall geboten, dass die nach § 54 KrWG erlaubnispflichtige Beförderung von jemandem durchgeführt wurde, der als Dritter im Sinne einer nach dem bis zum 01.06.2012 geltenden Recht gemäß § 5 TgV mit der Ausführung von Beförderungstätigkeiten beauftragt hätte werden können, ohne dass er insoweit einer Transportgenehmigung bedurfte.

I.4.3. Irrtum über Anwendbarkeit des § 72 Abs. 4 KrWG

Weiter führt das OLG Köln in derselben Entscheidung32 in subjektiver Hinsicht aus, dass, selbst wenn es sich bei dem Dritten um einen gewerbsmäßig tätigen Abfallbeförderer handeln sollte und deshalb weder eine unmittelbare noch eine analoge Anwendung des § 72 Abs. 4 KrWG in Betracht käme, seiner Beauftragung durch den Betroffenen dann nicht als ordnungswidrig anzusehen wäre, weil für ihn (den Betroffenen) der Schluss möglich war, dass die inkriminierte Beförderung – der Regelung des § 72 Abs. 4 KrWG unterfallenden – einer Erlaubnis nach § 54 KrWG (noch) nicht bedurfte, nachdem die im Jahr 2009 nach § 5 TgV erteilte Transportgenehmigung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass ein mit einem einmaligen Transport beauftragter Dritter keine eigene Genehmigung bedurfte, und auch ein am 30.05.2012 erteilter Änderungsbescheid keinen Hinweis auf die bereits verkündete Neufassung des KrWG und des § 5 BefErlV33 enthielt.

II. Zum § 326 Abs. 2 StGB

II.1. Änderung der Rechtslage seit Erlass des Strafbefehls

Nach Erlass des Strafbefehls hat sich die Rechtslage in erheblicher Weise geändert.

II.1.1. § 326 Abs. 2 StGB n.F.

Mit Wirkung vom 10.11.201634 wurde § 326 Abs. 2 StGB neu gefasst und lautet nunmehr:

Ebenso wird bestraft, wer Abfälle im Sinne des Absatzes 1 entgegen einem Verbot oder ohne die erforderliche Genehmigung in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt.

II.1.2. §§ 18, 18a AbfVerbrG n.F.

Mit demselben Gesetz wurde das Abfallverbringungsgesetz (AbfVerbrG)35 geändert. In § 18 AbfVerbrG wurde ein neuer Absatz 2 eingefügt, der nunmehr lautet:

Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine illegale Verbringung im Sinne des Artikels 2 Nummer 35 Buchstabe d, e oder Buchstabe g Ziffer iii der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006

1. von gefährlichen Abfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Richtlinie 2008/98/EG oder

2. von Abfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 der Richtlinie 2008/98/EG, die keine gefährlichen Abfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Richtlinie 2008/98/EG sind, durchführt.

Neu eingefügt wurde außerdem § 18a AbfVerbrG neu eingefügt, der lautet:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine illegale Verbringung im Sinne des Artikels 2 Nummer 35

1. Buchstabe a, b, c oder Buchstabe g Ziffer i oder Ziffer ii der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 oder

2. Buchstabe f in Verbindung mit

a. Artikel 34 Absatz 1 oder Absatz 3, Artikel 39, Artikel 40 Absatz 1, Artikel 41 Absatz 1 erster Halbsatz oder Artikel 43 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 oder

b. Artikel 36 Absatz 1, auch in Verbindung mit Artikel 40 Absatz 2, der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006

von gefährlichen Abfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 der Richtlinie 2008/98/EG durchführt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine in § 18 Absatz 2 Nummer 1 bezeichnete vorsätzliche Handlung Leben oder Gesundheit eines anderen, Tiere oder Pflanzen, Gewässer, die Luft oder den Boden oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1. eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung beharrlich wiederholt oder

2. in den Fällen des Absatzes 1 aus Gewinnsucht handelt.

(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 einen anderen Menschen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder eine große Zahl von Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 den Tod eines anderen Menschen verursacht.

(7) In minder schweren Fällen des Absatzes 6 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(8) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(9) 1Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1, 2 und 8 die Strafe nach § 49 Absatz 2 des Strafgesetzbuches mildern oder von Strafe absehen, wenn der Täter freiwillig die Gefahr abwendet oder den von ihm verursachten Zustand beseitigt, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. 2Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet oder der rechtswidrig verursachte Zustand beseitigt, so genügt ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(10) Die Tat ist nicht nach den Absätzen 1 bis 8 strafbar, wenn die Handlung eine unerhebliche Menge von gefährlichen Abfällen betrifft.

II.1.3. Folge: Frühe Straftaten jetzt nur noch Ordnungswidrigkeiten

Mit dieser Gesetzesänderung wurden somit illegale Verbringungen im Sinne des Art. 2 Nr. 35 Buchstabe d, e oder Buchstabe g Ziffer iii der Abfallverbrings-VO36, die zuvor nach § 326 Abs. 2 StGB a.F. als Straftat geahndet wurden, als Ordnungswidrigkeit herabgestuft. Straftaten sind folglich nur noch die von § 18a AbfVerbrG erfassten illegalen Verbringungen.

Diese Gesetzesänderung ist im vorliegenden Fall für die Bewertung der Strafbarkeit der dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen gemäß § 2 Abs. 3 StGB, wonach das mildeste Gesetz anzuwenden ist, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird, zu berücksichtigen.

Im Ergebnis hätte dies zur Folge, dass eine Strafbarkeit nach § 326 Abs. 2 StGB ausscheidet und nur eine Ordnungswidrigkeit gegeben wäre, wenn lediglich eine illegale Verbringung im Sinne des Art. 2 Nr. 35 Buchst. d Abfallverbrings-VO festgestellt werden könnte.

II.2. Notifizierung: Anforderungen und Verfahren

Die Anforderungen an die Notifizierung ergeben sich aus Art. 4 VO (EG) 1013/2006, wobei nach Abs. 1 Nr. 2 Unterabs. 2 dieses Artikels eine Notifizierung als „ordnungsgemäß ausgeführt“ gilt „wenn die zuständige Behörde am Versandort der Auffassung ist, dass das Notifizierungs- und das Begleitformular gemäß Unterabsatz 1 ausgefüllt worden sind“ nach Abs. 1 Nr. 3 Unterabs. 2 eine Notifizierung als „ordnungsgemäß abgeschlossen“ gilt „, wenn die zuständige Behörde am Bestimmungsort der Auffassung ist, dass Notifizierungs- und das Begleitformular ausgefüllt und die in den Anhang II Teil 1 und Teil 2 aufgeführten Informationen und Unterlagen sowie etwaige nach diesem Absatz verlangte zusätzliche Informationen und Unterlagen gemäß Anhang II Teil 3 vom Notifizierenden bereitgestellt wurden“. Die zuständigen Behörden werden definiert in Art. 2 Nr. 18 bis 20 VO (EG) 1013/2006.

Soweit ersichtlich, ist nicht ausdrücklich geregelt, ob und wie die zuständige Behörde ihrer Auffassung über die ordnungsgemäße Ausführung bzw. den ordnungsgemäßen Abschluss der Notifizierung zum Ausdruck bringt.

II.2.1. Ordnungsgemäße Ausführung der Notifizierung

Art. 7 Abs. 1 und 3 Abfallverbrings-VO setzen aber eine ordnungsgemäße Ausführung der Notifizierung voraus, damit die zuständige Behörde am Versandort die Notifizierung der zuständigen Behörde am Bestimmungsort übermittelt (Abs. 1) oder die Fortführung der Notifizierung verweigert (Abs. 3). Abs. 2 desselben Artikels sieht demgegenüber eine fristgebundene Pflicht der zuständigen Behörde am Versandort zur Einholung weiterer Informationen und Unterlagen beim Notifizierenden vor, wenn die Notifizierung nicht ordnungsgemäß ausgeführt ist.

II.2.2. Ordnungsgemäßer Abschluss der Notifizierung

Art. 8 Abs. 2 Abfallverbrings-VO knüpft die Pflicht der zuständigen Behörde am Bestimmungsort zur Übermittlung einer Empfangsbestätigung an den Notifizierenden an den ordnungsgemäßen Abschluss der Notifizierung.

Danach wird von einer ordnungsgemäßen Ausführung bzw. von einem ordnungsgemäßen Abschluss der Notifizierung auszugehen sein, wenn die zuständigen Behörden die Notifizierung bzw. eine Empfangsbestätigung an den Notifizierenden übermittelt haben.

II.2.3. Sammelnotifizierung

Nach Art. 13 Abfallverbrings-VO ist auch eine Sammelnotifizierung, die mehrere Verbringungen abdeckt, möglich falls die einzelnen Verbringungen, ähnliche Abfälle (Abs. 1 Buchst. a) betreffen und, zweitens, die Abfälle zum gleichen Empfänger und zur gleichen Anlage verbracht werden (Abs. 1 Buchst. b) und, drittens, der angegebene Transportweg der gleiche ist (Abs. 1 Buchst. c).

II.2.4. Angabe des Transportunternehmens

Zu Feld 8 „Vorgesehene(s) Transportunternehme(n)“ des Notifizierungsformulars37 sieht der Anhang IC Nr. 19 S. 3 Abfallverbrings-VO vor, dass, „[w]enn der Transport von einem Speditionsbeauftragten organisiert wird, […] die Angaben zu diesem beauftragten und die entsprechenden Angaben zu den tatsächlichen Transportunternehmen als Anlage beizufügen [sind]“.

II.3. Mitwirkung der zuständigen Behörden: Zustimmung, Auflagen, Einwändungen

II.3.1. Mögliche Entscheidungen der zuständigen Behörden

Nach Art. 9 Abs. 1 Abfallverbrings-VO können die zuständigen Behörden am Ort des Versandes, der Bestimmung und der Durchfuhr eine Entscheidung treffen über eine Zustimmung ohne Auflagen (Buchst. a), eine Zustimmung verbunden mit Auflagen gemäß Art. 10 Abfallverbrings-VO (Buchst. b) oder über die Erhebung von Einwänden gemäß den Artikeln 11 und 12 Abfallverbrings-VO (Buchst. c).

II.3.2. Zustimmungen der zuständigen Behörden

II.3.2.1. Bedeutung der Zustimmungen

Als Voraussetzung für die Durchführung der geplanten Verbringung bestimmt Art. 9 Abs. 6 Abfallverbrings-VO, dass die geplante Verbringung nur erfolgen darf „wenn die in Artikel 16 Buchstaben a und b genannten Anforderungen erfüllt sind, und nur solange, wie die stillschweigenden oder schriftlichen Zustimmung aller zuständigen Behörden gültig sind“.38

Für den Fall der Einfuhr aus einem Staat, für den der OECD-Beschluss gilt, wird dies durch Art. 44 Abs. 4 Buchst. a Abfallverbrings-VO insoweit präzisiert, dass die Verbringung erst erfolgen darf, wenn der Notifizierende die schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörden am Versandort, am Bestimmungsort und gegebenenfalls der für die Durchfuhr zuständigen Behörden erhalten hat oder die stillschweigende Zustimmung der zuständigen Behörde am Versandort außerhalb der Gemeinschaft erteilt wurde oder vorausgesetzt werden kann und die erteilten Auflagen erfüllt sind.

Die Gültigkeit der schriftlichen oder stillschweigenden Zustimmungen ist nach Nr. 7 des Anhangs IC Abfallverbrings-VO Voraussetzung für die Durchführung der Verbringung.

II.3.2.2. Frist für die Entscheidung

Die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung, mit oder ohne Auflagen, oder über die Erhebung von Einwänden ist fristgebunden und muss gemäß Art. 9 Abs. 1 Abfallverbrings-VO binnen 30 Tagen erfolgen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung der Empfangsbestätigung durch die zuständige Behörde am Bestimmungsort gemäß Art. 8 Abfallverbrings-VO.

II.3.2.3. Stillschweigende Zustimmungen

Eine stillschweigende Zustimmung der für die Durchfuhr zuständigen Behörde gilt nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Unterabs. 2 Abfallverbrings-VO als erteilt, wenn innerhalb der genannten Frist (siehe Randnummer 0) keine Einwände erhoben werden.

Darüber hinaus kann gemäß Art. 44 Abs. 2 Buchst. a Abfallverbrings-VO die Zustimmung der zuständigen Behörde am Versand außerhalb der Gemeinschaft auch stillschweigend erteilt werden, wenn die Einfuhr zur Verwertung bestimmter Abfälle aus einem Staat, für den der OECD-Beschluss39 gilt, erfolgt.

II.3.2.4. Form

Das Erteilen der Zustimmung erfolgt durch entsprechendes Abstempeln, Unterzeichnen und Datieren des Notifizierungsformulars (Art. 9 Abs. 3 Abfallverbrings-VO).

II.3.2.5. Geltungsdauer

Die Geltungsdauer der (stillschweigenden) Zustimmung beträgt regelmäßig ein Jahr (Art. 9 Abs. 4 und 5 Abfallverbrings-VO).

II.3.2.6. Widerruf einer Zustimmung

Der Widerruf der Zustimmungen der zuständigen Behörden richtet sich nach Art. 9 Abs. 8 und 9 Abfallverbrings-VO. Eine Zustimmung wird, unter anderem, widerrufen, wenn die mit der Verbringung verbunden Auflagen nicht erfüllt werden (Abs. 8 Buchst. b). Der Widerruf bedarf, unter anderem, einer „förmlichen Nachricht an den Notifizierenden“ (Abs. 9).

II.3.3. Auflagen

II.3.3.1. Inhalt

Der (zulässige) Inhalt der Auflagen, die mit der Zustimmung verbunden werden können, wird von Art. 10 Abs. 1 und 2 Abfallverbrings-VO bestimmt. Hinsichtlich der „allgemeinen Auflagen“ (Abs. 1) ist nach dem Wortlaut des zweiten Satzes dieses Absatzes, der davon spricht, dass diese Auflagen sich auf einen oder mehreren der in Art. 11 oder 12 aufgeführten Gründe stützen „können“, nicht ohne Weiteres klar, ob diese Gründe auch die einzigen sein dürfen. Der EuGH hat sich, soweit ersichtlich, dazu noch nicht geäußert. Im Hinblick auf Abs. 2 dieses Artikels dürfte dies aber der Fall sein, weil in diesem Absatz spezielle „Auflagen für den Transport“ zugelassen werden. Diese Transportauflagen „dürfen nicht strenger sein als die Auflagen für ähnliche Verbringungen“, die ausschließlich innerstaatlich durchgeführt werden, und „müssen geltenden Vereinbarungen, insbesondere einschlägigen internationalen Übereinkünften, angemessen Rechnung tragen“.

II.3.3.2. Frist

Nach Art. 10 Abs. 1 und 2 Abfallverbrings-VO besteht eine Frist für die Erteilung von Auflagen von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Übermittlung der Empfangsbestätigung durch die zuständige Behörde am Bestimmungsort gemäß Art. 8 Abfallverbrings-VO. Ob es sich dabei um eine absolute Ausschlussfrist handelt, ist, soweit ersichtlich, noch nicht explizit entschieden. Der EuGH hat aber hinsichtlich der Frist zur Erhebung von Einwänden durch die zuständigen Behörden nach Art. 7 Abs. 2 Abfallverbrings-VO 199340 geurteilt, dass die Überschreitung dieser Frist bewirkt, dass die zuständigen Behörden nicht weitere Einwände gegen die Verbringung erheben oder weitere Angaben von der notifizierenden Person verlangen können, ungeachtet der Tatsache, dass die zuständigen Behörden womöglich der Ansicht sind, nicht alle notwendigen Angaben erhalten haben.41

II.3.3.3. Form

Zur Form der Erteilung von Auflagen bestimmt Art. 10 Abs. 4 Abfallverbrings-VO, dass die Auflagen „dem Notifizierenden von der zuständigen Behörde, die diese festlegt, schriftlich mitgeteilt“ werden (Unterabs. 1) und sie „im Notifizierungsformular angegeben oder diesem beigefügt“ werden (Unterabs. 2). Dazu sieht Anhang IC Nr. 31 S. 5 Abfallverbrings-VO vor, dass, „wenn für die Verbringung bestimmter Auflagen gelten, […] die betreffende zuständige Behörde das entsprechende Kästchen ankreuzen und die Auflagen in Feld 21 oder in einem Anhang zum Notifizierungsformulars im Einzelnen aufführen [sollte]“.

II.3.4. Weitere Pflichten nach Vorliegen der Zustimmung der zuständigen Behörden

Art. 16 und 17 Abfallverbrings-VO beinhalten Pflichten, die nach der Zustimmung zu einer Verbringung zu erfüllen sind.

II.3.4.1. Das Begleitformular

Art. 16 Abfallverbrings-VO regelt das Ausfüllen des Begleitformulars durch „alle beteiligten Unternehmen“.

Satz 2 dieses Artikels benennt dabei konkrete, den Notifizierenden (Buchst. a bis c) bzw. „die Anlage“ (Buchst. d bis e) betreffende Pflichten.

Nach Nr. 6 des Anhangs IC der Abfallverbrings-VO treffen aber auch die Transportunternehmen Pflichten hinsichtlich des Begleitformulars. Die Transportunternehmen haben nämlich, so wie andere Personen, die für eine Verbringung die Verantwortung übernehmen, entweder bei Übergabe oder bei Empfang der Abfälle das Begleitformular zu unterschreiben. In den Feldern 8a, b und c des Begleitformulars sind gemäß Nr. 39 des Anhangs IC Abfallverbrings-VO spezifische Informationen von den beteiligten Transportunternehmen einzutragen.

II.3.4.2. Mitteilung von erheblichen Änderungen und erneute Notifizierung

Art. 17 Abs. 1 Abfallverbrings-VO sind erhebliche Änderungen der Einzelheiten und/oder Bedingungen einer Verbringung mit Zustimmung, unter anderem einschließlich des Transportunternehmens, den betroffenen zuständigen Behörden und den Empfängern unverzüglich mitzuteilen und, sofern möglich, vor Beginn der Verbringung.

Grundsätzlich ist gemäß Art. 17 Abs. 2 Abfallverwertungsordnung eine erneute Notifizierung einzureichen, es sei denn, alle betroffenen zuständigen Behörden sind der Ansicht, dass die beabsichtigten Änderungen keine erneute Notifizierung erfordern.

II.4. Tauglicher Täter einer „illegalen Verbringung gefährlicher Abfälle“ im Sinne des § 18a AbfVerbrG

Von der Verteidigung wird u.a. argumentiert, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten bzw. der X GmbH ausscheide, weil sie nicht „Notifizierende“ im Sinne der Abfallverbrings-VO gewesen seien.

Zur Frage, wer Täter einer illegalen Verbringung im Sinne des § 18a AbfVerbrG sein kann, ist sind folgende, sich in der Abfallverbrings-VO befindenden Legaldefinitionen zu berücksichtigen:

II.4.1. Illegale Verbringung

Nach der Legaldefinition des Art. 2 Nr. 35 Abfallverbrings-VO ist „illegale Verbringung“ im Sinne des § 18a AbfVerbrG „jede Verbringung von Abfällen“, die eine der nachgenannten Alternativen (Buchstaben a bis g) erfüllt (siehe dazu näher Randnummern 0 ff).

II.4.2. Verbringung

„Verbringung“ wird durch Art. 2 Nr. 34 Abfallverbrings-VO definiert als „Transport von zur Verwertung oder Beseitigung bestimmten Abfällen“, der zwischen nachfolgend näher bestimmten Ausgangs- und Endpunkten, insbesondere gemäß Buchstabe a dieser Nummer zwischen zwei Staaten, erfolgt oder erfolgen soll.

II.4.3. Transport

„Transport“ wird durch Art. 2 Nr. 33 Abfallverbrings-VO definiert als „Beförderung von Abfällen auf der Straße, der Schiene, dem Luftweg, dem Seeweg oder Binnengewässern“.

II.4.4. Notifizierender

„Notifizierender“ ist nach beiden Alternativen des Art. 2 Nr. 15 Abfallverbrings-VO nicht nur wer beabsichtigt, eine Verbringung von Abfällen selbst durchzuführen, sondern auch wer beabsichtigt, eine Verbringung „durchführen zu lassen“.

Ausgehend von diesen Definitionen ist die strafbare Handlung nach § 18a AbfVerbrG nicht an die Eigenschaft als „Notifizierender“ geknüpft. Vielmehr können auch andere an dem Transport beteiligte Personen Täter sein.

II.5. Illegale Abfallverbringung im Sinne des Art. 2 Nr. 35 Abfallverbrings-VO

Die illegale Abfallverbringung im Sinne der Abfallverbrings-VO wird in Art. 2 Nr. 35 Buchst. a bis g abschließend definiert.

II.5.1. Nr. 35 Buchst. a (ohne Notifizierung)

Nach Nr. 35 Buchst. a ist jede Verbringung illegal, die „ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt“.

Aus dem Wortlaut von Nr. 35 Buchst. a ergibt sich nicht ohne Weiteres, ob bereits eine Verbringung „ohne Notifizierung“ vorliegt, wenn die Notifizierung nicht als ordnungsgemäß ausgeführt bzw. abgeschlossen ist bzw. angesehen wird.

Im vorliegenden Fall wird dies jedoch nicht relevant sein, da davon auszugehen ist, dass die zuständigen Behörden die Notifizierung bzw. Empfangsbestätigungen darüber übermittelt haben (Art. 7 und 8 VO (EG) 1013/2006).

II.5.2. Nr. 35 Buchst. b (ohne Zustimmung)

Nach Nr. 35 Buchst. b ist jede Verbringung illegal, die „ohne der Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt“.42

Eine Verbringung „ohne Zustimmung“ wird wohl nicht schon dann anzunehmen sein, wenn gegen Auflagen, mit denen die Zustimmung verbunden ist, verstoßen wird. Vielmehr wird es des Widerrufs der Zustimmung bedürfen, den ein Auflagenverstoß begründen kann (siehe Randnummer 0).

II.5.3. Nr. 35 Buchst. c (Fälschung, falsche Angaben oder Betrug)

Nach Nr. 35 Buchst. c ist jede Verbringung illegal, die „mit einer durch Fälschung, falsche Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden erfolgt“.

Hinsichtlich der Alternative „falsche Angaben“ ergibt sich aus dem Wortlaut nicht ohne Weiteres, ob dafür, wie für „Fälschung“ oder „Betrug“, Vorsatz bei der Notifizierung erforderlich ist. Der redaktionelle Zusammenhang mit „Fälschung“ und „Betrug“ dürfte dafür sprechen. Soweit ersichtlich, hat sich der EuGH dazu noch nicht geäußert.

II.5.4. Nr. 35 Buchst. d (Abweichung vom Notifizierungs- oder Begleitformular)

Nach Nr. 35 Buchst. d ist jede Verbringung illegal, die „in einer Weise erfolgt, die den Notifizierungs- oder Begleitformularen sachlich nicht entspricht“.

Der EuGH hatte bereits Gelegenheit, sich zur Auslegung dieses Tatbestands zu äußern.43 Dabei machte er deutlich, dass der Tatbestand erfüllt ist, wenn Abweichung vom Inhalt der Formulare erhebliche Änderungen im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Abfallverbrings-VO darstellen.44 Zur Frage, ob hinsichtlich der Abweichung Vorsatz vorliegen muss, ist auf ein Urteil des EuGH zu Nr. 35 Buchst. g iii) hinzuweisen, nach dem für diesen im Wesentlichen gleichlautenden Tatbestand ein vorsätzliches Handeln nicht erforderlich sei.45

II.5.5. Nr. 35 Buchst. e (Bewirkung einer nicht bestimmungsgemäßen Verwertung oder Beseitigung)

Nach Nr. 35 Buchst. e ist jede Verbringung illegal, die „in einer Weise erfolgt, die eine Verwertung oder Beseitigung unter Verletzung gemeinschaftlicher oder internationale Bestimmungen bewirkt“.

Dieser Tatbestand kommt im vorliegenden Fall offensichtlich nicht in Betracht.

II.5.6. Nr. 35 Buchst. f (illegale Ein- und Ausfuhren)

Nach Nr. 35 Buchst. f ist jede Verbringung illegal, die „den Artikeln 34, 36, 39, 40, 41 und 43 widerspricht“.

Die in diesem Tatbestand genannten Artikel betreffen Ein- und Ausfuhrverbote. Von den Einfuhrverboten nach den Art. 41 Abs. 1 und 43 Abs. 1 Abfallverbrings-VO sind aber Einfuhren aus „anderen Staaten, die Vertragsparteien des Basler Übereinkommens sind“ (Art. 41 Abs. 1 Buchst. a bzw. Art. 43 Abs. 1 Buchst. b Abfallverbrings-VO) ausgenommen.

II.5.7. Nr. 35 Buchst. g (Verstöße bei nicht notifizierungspflichtigen Verbringungen)

Nach Nr. 35 Buchst. g ist jede Verbringung illegal, die „in Bezug auf eine Verbringung von Abfällen im Sinne des Artikel 3 Absätze 2 und 4 dadurch gekennzeichnet ist, dass i) die Abfälle offensichtlich nicht in den Anhängen III, IIIA oder IIIB aufgeführt sind oder ii) Artikel 3 Absatz 4 verletzt wurde oder iii) die Verbringung der Abfälle auf eine Weise geschieht, die dem in Anhang VII aufgeführten Dokumente sachlich nicht entspricht“.

Dieser Tatbestand betrifft nur Abfälle, für die entweder nur das Mitführen von Informationen gemäß den Art. 18 ff. Abfallverbrings-VO vorgeschrieben ist (Art. 3 Abs. 2 Abfallverbrings-VO) oder die ausdrücklich zur Laboranalyse bestimmt sind (Art. 3 Abs. 4 Abfallverbrings-VO).

Fußnoten

1)

Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz) vom 24.02.2012 (BGBl. I S. 212)

2)

2. Aufl. 2015, § 326, Rn. 45a

3)

V. Heintschel-Heinegg 33. Edition, Stand 01.12.2016, § 326, Rn. 26 ff.

4)

29. Auflage 2014, § 326, Rn. 12

5)

§ 69 Abs. 1 Nr. 7 KrWG

6)

29. Aufl. 2014, § 326, Rn. 10

7)

V. Heintschel-Heinegg 33. Edition, Stand 01.12.2016, § 326, Rn. 24.1

8)

BGBl. I 2557 (2011)

9)

Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 17/5391, S. 17-18

10)

Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (ABl. L 328 vom 06.12.2008, S. 328)

11)

Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 17/5391, S. 18

12)

Anlage SR 15 zur Einspruchsbegründung vom 23.08.2016

13)

Vgl. zu den erforderlichen Feststellungen Beschluss des OLG Köln vom 06.03.2015, Az. 1 RBs 308/15 – 84 Ss-OWi 2/15

14)

AS 417

15)

Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 17/6052, S. 99

16)

Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36)

17)

BGBl. I 1163 (2010)

18)

Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen vom 29.07.2009 (BGBl. I, S. 2433)

19)

Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 17/1393, S. 19

20)

in Kopp-Assenmacher, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 54 Rn. 22

21)

bei der Bezeichnung EU-/EWG-Ausländer handelt es sich offenbar um einen Schreibfehler

22)

Erwägung Nr. 42 der Dienstleistungsrichtlinie

23)

Erwägung Nr. 43 der Dienstleistungsrichtlinie

24)

Erwägung Nr. 54 der Dienstleistungsrichtlinie

25)

in Kopp-Assenmacher, KrWG, 1. Aufl. 2014, § 72 Rn. 9

26)

So auch das Oberlandesgericht Köln im Beschluss vom 10.11.2015, Aktenzeichen III-1 RBs 308/15 84 Ss-OWiG 2/15, vorgelegt durch den Verteidiger

27)

Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) vom 27.09.1997 (BGBl. I, S. 2705)

28)

Verordnung zur Transportgenehmigung (Transportgenehmigungsverordnung) vom 10.09.1996 (BGBl. I, S. 1411, berichtigt 1997 I S. 2861)

29)

Vgl. Pawlika.a.O.

30)

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 06.06.2011, BTDrucks 17/6052, S. 107

31)

Siehe Fußnote 26

32)

Siehe Fußnote 26

33)

Überschrift der Transportgenehmigungsverordnung geändert in „Verordnung zur Beförderungserlaubnis (Beförderungserlaubnisverordnung – BefErlV) durch Art. 5 Abs. 16 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts vom 24.02.2012 (BGBl. I, S. 212)

34)

Gesetz zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften vom 01.11.2016 (BGBl. I, S. 2452)

35)

Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen und des Basler Übereinkommens vom 22.03.1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 19.07.2007 (BGBl. I S. 1462), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung abfallverbringungsrechtlicher Vorschriften vom 01.11.2016 (BGBl. I, S. 2452)

36)

Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. L 190 vom 12.07.2006, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2015/2002 der Kommission vom 10.11.2015 (ABl. L 294 vom 11.11.2015, S. 1)

37)

Notifizierungsformular für grenzüberschreitende Verbringungen von Abfällen, Anhang IA der Abfallverbrings-VO

38)

Siehe dazu auch Nr. 7 des Anhangs IC: „Eine geplante Verbringung, die dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung unterliegt, kann erst erfolgen, nachdem die Notifizierungs- und Begleitformulare in Übereinstimmung mit dieser Verordnung gemäß Artikel 16 Buchstaben a und b ausgefüllt wurden, und nur so lange, wie die schriftlichen oder stillschweigenden Zustimmungen aller betroffenen zuständigen Behörden gültig sind.“

39)

Beschluss C(2001)107 endg. des OECD-Rates zur Änderung des Beschlusses C(92)39 endg. Über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfälle

40)

Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 01.02.1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30 vom 06.02.1993, Seite 1), aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. L 190 vom 12.07.2006, S. 1)

41)

Urteil vom 16.02.2006, Pedersen, C-215/04, ECLI:EU:C:2006:108, Rn. 52

42)

Siehe dazu auch Nr. 7 des Anhangs IC Abfallverbrings-VO, wonach die Zulässigkeit der Verbringung an die Gültigkeit der Zustimmung(en) gebunden ist.

43)

Urteil vom 26.11.2015, Total Waste Recycling, C-187/04, ECLI:EU:C:2015:780

44)

Rn. 28 ff. des Urteils vom 26.11.2015 (siehe Fußn. 43)

45)

Urteil vom 09.06.2016, Nutrivet D.O.O.E.L., C-69/15, ECLI:EU:C:2016:425, Rn. 44 und 45“

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