AG Düsseldorf – Az.: 150 Gs 2091/20 – Beschuss vom 16.11.2020
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 26.10.2020 auf Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis der Beschuldigten wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Antrag ist unbegründet.
Es sind keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§§ 111a StPO, 69 StGB). Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Beschuldigte in zumindest fahrlässiger Verkennung eines körperlichen Mangels gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB gefahren ist. Allein die Tatsache, dass sie eingeschlafen ist, genügt dafür nicht. Vielmehr bedarf es der Feststellung, dass die Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit derart übermüdet war, dass sie jederzeit mit dem Eintritt eines Sekundenschlafs rechnen musste, was ohne ein rechtsmedizinisches Gutachten nicht wird festgestellt werden können (LG Traunstein NZV 2011, 514).

Die gegenteilige Auffassung überzeugt nicht. Sie beruht auf einer Rechtsprechung des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 1969, in der dieser entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts annahm, es gebe eine medizinische Erfahrung dahingehend, dass einem Einschlafen am Steuer stets Warnsignale vorausgehen würden, die ein aufmerksamer nicht-fahrlässig handelnder Kraftfahrer bemerken müsse und seine Fahrt dann unterbrechen müsse (BGH NJW 1970, 520). Vorläufige Entziehungen der Fahrerlaubnis im Jahr 2020 können aber nicht auf Basis einer — zudem auch noch seinerzeit umstrittenen — medizinischen Einschätzung aus dem Jahr 1969 ergehen. Gegen eine von der Beschuldigten erkennbar eintretende Müdigkeit spricht insbesondere auch die Kürze der Fahrstrecke, die Beschuldigte ist lediglich von Düsseldorf nach Ratingen gefahren. Es besteht ohne nähere medizinische Untersuchung der Beschuldigten keine hinreichende Tatsachenbasis für eine Vermutung dahingehend, dass die Beschuldigte Warnzeichen des drohenden Einschlafens auf der kurzen Strecke hätte bemerken müssen.