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Sonn- und Feiertagsfahrverbot – Verurteilung Fahrzeughalter oder Fahrzeugdisponent

OLG Düsseldorf – Az.: IV-2 RBs 185/19 – Beschluss vom 08.01.2020

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Wesel zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „verbotswidriger Anordnung eines Verstoßes gegen das Sonntagsfahrverbot in zwei Fällen“ zu zwei Geldbußen von jeweils 700 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

Das Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg.

1.

Das angefochtene Urteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen ist, dass sich der Betroffene im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG vorsätzlich an der jeweiligen Haupttat der beiden Fahrzeugführer beteiligt hat. Vielmehr ist eine Prüfung unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Beteiligung unterblieben, weil das Amtsgericht unzutreffend davon ausgegangen ist, dass der Betroffene selbst Normadressat des Sonntagsfahrverbots ist.

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen festgestellt:

„Der Betroffene ordnete an, dass der LKW mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen xx und der LKW mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen yy am Sonntag, dem 17.12.2017, zur Ladestelle in E. fuhren. Eine Ausnahmegenehmigung vom Sonntagsfahrverbot lag nicht vor. Der Betroffene war als Hauptplaner der Firma A. für die Planung der Fahrten verantwortlich und ordnete die Fahrten an.“

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung heißt es zur subjektiven Tatseite:

„Da keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, geht das Gericht zu seinen Gunsten von einer fahrlässigen Begehung aus.“

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO in der seit dem 19. Oktober 2017 (mithin bereits zur Tatzeit) geltenden Fassung nicht.

Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO a.F. durften Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t an Sonntagen und Feiertagen nicht verkehren. Auf der Grundlage dieser Regelung war in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch der Fahrzeughalter (oder ein von ihm beauftragter Fahrzeugdisponent) Täter sein kann, wenn er anordnet oder zulässt, dass sein Lastkraftwagen während der Verbotszeiten verkehrt (vgl. BayObLG DAR 1986, 231; BeckRS 1995, 19333; OLG Hamm BeckRS 2013, 11324).

Sonn- und Feiertagsfahrverbot - Verurteilung Fahrzeughalter oder Fahrzeugdisponent
(Symbolfoto: Von Animaflora PicsStock/Shutterstock.com)

Mit Wirkung seit dem 19. Oktober 2017 ist der Wortlaut der Vorschrift dahingehend geändert worden, dass Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t an Sonntagen und Feiertagen nicht geführt werden dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung kann Führer eines Fahrzeugs nur derjenige sein, der sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeuges bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind, also das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt (vgl. statt vieler: BGH NJW 1989, 723, 724; NStZ 1990, 232, 233; NJW 2015, 1124, 1125).

Das trifft auf den Fahrzeughalter oder den Disponenten eines Transportunternehmens nicht zu. Er führt das Fahrzeug in dieser Eigenschaft nicht eigenhändig. Zwar wollte der Verordnungsgeber ausweislich der Begründung (BR-Drs. 556/17, S. 29) durch die Verwendung des Verbs „führen“ lediglich klarstellen, dass der ruhende Verkehr von dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot nicht betroffen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des neu gefassten § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO ist der Fahrzeughalter (oder ein von ihm beauftragter Fahrzeugdisponent) in dieser Eigenschaft indes nicht mehr Normadressat des § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO (vgl. OLG Köln BeckRS 2019, 15611).

Daher kommt hier eine Verurteilung des Betroffenen nur unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Betracht. Dies setzt die vorsätzliche Mitwirkung an der vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit eines anderen voraus (vgl. BGH NJW 1983, 2272; KK-Rengier, OWiG, 5. Aufl., § 14 Rdn. 8).

Zum Vorsatz der beiden LKW-Fahrer hat das Amtsgericht keine Feststellungen getroffen. Zugunsten des Betroffenen hat es eine lediglich fahrlässige Begehungsweise unterstellt.

Dies erscheint von Rechtsirrtum beeinflusst. Es liegt auf der Hand, dass eine sonntägliche LKW-Fahrt nur mit dem Vorsatz des Fahrers durchgeführt werden kann, den Lastkraftwagen an diesem Tag zu führen. Auch ist kaum vorstellbar, dass der Disponent eines Transportunternehmens lediglich fahrlässig den Auftrag für eine zeitlich und örtlich bestimmte LKW-Fahrt erteilt.

Offenbar ist das Amtsgericht bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite unzutreffend davon ausgegangen, dass die Kenntnis von dem Verbotensein bzw. der Genehmigungsbedürftigkeit der beiden sonntäglichen LKW-Fahrten zum gesetzlichen Tatbestand gehört und damit den Tatvorsatz berührt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Dies ist indes nicht der Fall. Denn bei dem Sonntagsfahrverbot handelt es sich um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt (vgl. BGH NStZ 2017, 586, 587; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 30 StVO Rdn. 10).

Bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt liegt im Irrtum über die Genehmigungsbedürftigkeit bereits ein Tatbestandsirrtum. Denn in diesem Fall ist das Fehlen der erforderlichen Erlaubnis Tatbestandsmerkmal. Einen Rechtfertigungsgrund stellt die behördliche Erlaubnis dagegen dar, wenn ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten, das an sich verboten ist, im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung zugelassen werden kann (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Im zweiten Fall stellt der Irrtum, keiner Erlaubnis zu bedürfen, einen Verbotsirrtum dar (vgl. Senat BeckRS 2014, 8845; OLG Celle NJW 2004, 3790, 3791; OLG Hamm BeckRS 2008, 07693; KK-Rengier a.a.O. § 11 Rdn. 117).

Im Übrigen liegt völlig fern, dass der Disponent und die LKW-Fahrer eines niederländischen Transportunternehmens, das grenzüberschreitend tätig ist, das im Bundesgebiet geltende Sonntagsfahrverbot nicht kennen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Betroffenen Tatumstände zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NStZ-RR 2005, 147).

2.

Auch die Aufspaltung des Tatgeschehens in zwei selbständige Handlungen hält materiell-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene angeordnet, dass zwei Lastkraftwagen an demselben Sonntag (17. Dezember 2017) zur selben Ladestelle in E. fahren. Dies legt jedenfalls eine Bewertung als natürliche Handlungseinheit nahe.

Eine natürliche Handlungseinheit liegt vor, wenn zwischen mehreren ordnungswidrigen Verhaltensweisen ein derartiger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv als einheitliches Tun erscheint, sofern die einzelnen Betätigungsakte jedenfalls durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 375; BeckRS 2019, 18187 Rdn. 31).

Die in dem angefochtenen Urteil nur knapp geschilderten Umstände deuten darauf hin, dass es sich für das Transportunternehmen um einen einheitlichen Auftrag handelte, wobei die Ladekapazität von zwei Lastkraftwagen benötigt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Tätigkeit des Disponenten, der diesen Auftrag durch einzelne Fahraufträge an die LKW-Fahrer umsetzt, bei natürlicher Betrachtungsweise als Handlungseinheit dar.

3.

Das Amtsgericht wird im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO klarzustellen haben, ob beide Lastkraftwagen über eine zulässige Gesamtmasse von mehr als 7,5 t verfügten. In den oben zitierten Feststellungen ist diese Eigenschaft bisher nur dem LKW mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen xx, nicht aber auch dem LKW mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen yy zugeordnet worden.

Nach den Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung sind beide LKW-Fahrer im Wege der Rechtshilfe in den Niederlanden als Zeugen gehört worden. In der Beweiswürdigung ist lediglich die Aussage des Zeugen D. dargestellt und erörtert worden. Um die Frage der Beteiligung des Betroffenen umfassend beurteilen zu können, erscheint auch eine Darstellung und Würdigung der Angaben des Zeugen B. erforderlich.

Für die Feststellung einer Beteiligung des Betroffenen wird es darauf ankommen, ob die beiden Fahraufträge nach dem Beweisergebnis auf ihn zurückgeführt werden können. Einer persönlichen Übermittlung an die beiden LKW-Fahrer bedarf es nicht. Die Einschaltung eines Subplaners, der die Fahraufträge mündlich, schriftlich oder elektronisch über den LKW-Bordcomputer an die Fahrzeugführer weitergegeben hat, würde eine Verantwortlichkeit des Betroffenen nicht entfallen lassen.

 

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