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Sachverständigenkosten in Kosten- und Auslagenentscheidung des Bußgeldbescheides

AG Herford – Az.: 11a OWi 1208/06 jug. – Beschluss vom 21.01.2009

Der Kostenbescheid des Kreises H vom 04.05.2006 wird teilweise aufgehoben.

Von den notwendigen Auslagen, die der Betroffene im Rahmen des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des Kreises H vom 02.02.2006 hatte, trägt der Kreis H die Hälfte. Im übrigen hat der Betroffene die notwendigen Auslagen für das Einspruchsverfahren selbst zu tragen.

Die Kosten dieses Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt der Kreis H.

Gründe

A.

Der Betroffene befuhr am 20.11.2005 gegen 18.31 Uhr mit einem Kleinkraftrad der Marke Peugeot, Versicherungskennzeichen …, Farbe blau, in L u.a. die L Straße. Er fiel Polizeibeamten auf, die eine Verkehrskontrolle durchführten. Die Polizeibeamten kamen zu dem Ergebnis, dass an dem Fahrzeug bauliche Veränderungen vorgenommen worden waren, und stellten das Kleinkraftrad deshalb sicher. Nach Rücksprache und im Auftrag der Staatsanwaltschaft veranlasste die Polizei anschließend eine gutachterliche Untersuchung des Fahrzeugs zur Feststellung der tatsächlichen Höchstgeschwindigkeit aufgrund der baulichen Veränderungen, die im Raume standen, und zur Frage der führerscheinrechtlichen Einordnung des Fahrzeuges. Die DEKRA erstattete unter dem 30.11.2005 das in Auftrag gegebene Gutachten, für welches Kosten in Höhe von 274,75 Euro entstanden. Nach Gutachtenerstattung wurde das Fahrzeug zu Gunsten des Betroffenen wieder freigegeben.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens kam die Staatsanwaltschaft aufgrund des Gutachtens zu dem Ergebnis, daß ein Führerscheindelikt des Betroffenen nach § 21 StVG nicht vorlag und stellte deshalb das Strafverfahren mit Verfügung vom 27.12.2005 ein. Soweit Ordnungswidrigkeiten in Betracht kamen, wurde das Verfahren an die Bußgeldbehörde des Kreises H abgegeben.

Mit Bußgeldbescheid des Kreises H vom 02.02.2006 – Az.: 0098.6.0723 – wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 50,– Euro festgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, am Tattage ein zulassungspflichtiges Fahrzeug in Betrieb gesetzt zu haben, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war, weil die Drosselung aus dem Sportauspuff unzulässigerweise entfernt worden war. Neben der Geldbuße berechnete der Kreis H eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 20,– Euro und Verwaltungsauslagen des Kreises H von 4,51 Euro. Daneben wurden die Auslagen der Polizei in Höhe von 274,75 Euro für die Erstattung des Sachverständigengutachtens in Ansatz gebracht. Insgesamt ergab sich ein Zahlbetrag von 349,26 Euro.

Gegen diesen Bußgeldbescheid vom 02.02.2006 legte der Betroffene mit anwaltlicher Hilfe rechtzeitig Einspruch ein. Nachdem die Verteidiger Akteneinsicht erhalten hatten, begründeten sie den Einspruch zunächst mit dem Umstand, daß der Betroffene im Bußgeldbescheid mit Auslagen der Polizei in Höhe von 274,75 Euro belastet worden war. Sie führten aus, die Begutachtung habe ein Ergebnis zu Gunsten des Betroffenen erbracht. Dieser habe von Anfang an eingeräumt, daß sein Kraftfahrzeug schneller als 45 km/h gewesen sei, jedoch nicht schneller als 80 km/h, also hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit von Anfang an geständig gezeigt. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, dass er die Kosten der Begutachtung tragen müsse, weil diese Begutachtung nicht den Vorwurf einer Straftat erbracht habe. Aufgrund dieses Vorbringens erließ der Kreis H am 04.04.2006 einen Berichtigungsbescheid. Neben der Geldbuße von 50,– Euro verblieb es dabei bei der Verwaltungsgebühr von 20,– Euro und den Verwaltungsauslagen in Höhe von 4,51 Euro. Der Kostenansatz für die Auslagen der Polizei in Höhe von 274,75 Euro wurde gestrichen. Für den Betroffenen errechnete sich somit ein Zahlbetrag von 74,51 Euro.

Aufgrund dieser Entscheidung nahmen die Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 07.04.2006 den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurück. Sie beantragten allerdings gleichzeitig, über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen, soweit ihrem Einspruch hinsichtlich des Kostenansatzes für Auslagen der Polizei stattgegeben worden war. Den Kostenantrag der Verteidiger lehnte der Kreis H mit Schreiben vom 04.05.2006 ab. Dieser Ablehnungsbescheid wurde den Verteidigern am 05.05.2006 zugestellt. Mit Schreiben vom 11.05.2006 beantragten diese gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Sie waren der Auffassung, zu Gunsten des Betroffenen greife § 465 Abs. 2 StPO ein. Es sei unbillig, dem Betroffenen die genannten Auslagen der Polizei aufzuerlegen, da diese Kosten in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit gestanden hätten. Deshalb sei es auch zu dem Berichtigungsbescheid des Kreises H vom 04.04.2006 gekommen. In dem Berichtigungsbescheid habe es allerdings keine Kostenentscheidung bezüglich der notwendigen Auslagen für die getroffene Abänderung gegeben. Der Betroffene könne deshalb nur die notwendigen Auslagen insoweit tragen, als er sich zunächst gegen die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit gewehrt habe und Einspruch eingelegt habe, den er später jedoch wieder zurückgenommen habe. Soweit er sich allerdings gegen den Kostenansatz für das eingeholte Sachverständigengutachten gewehrt habe, sei er erfolgreich gewesen. Es sei deshalb gerechtfertigt, daß der Kreis H die insoweit entstandenen Kosten tragen müsse. Der Kreis H müsse deshalb die notwendigen Auslagen des Betroffenen zumindest anteilig übernehmen.

Der Kreis H folgte jedoch dieser Auffassung nicht und legte die Akten anschließend dem Amtsgericht Herford zur gerichtlichen Entscheidung vor.

B.

Bei dieser Sachlage hat der Antrag der Verteidigung gemäß Schriftsatz vom 11.05.2006 in vollem Umfange Erfolg. Der Antrag ist nämlich zulässig und begründet.

I. Der Antrag ist zulässigerweise gestellt worden.

1.) Für die Zulässigkeit des Antrages ist entscheidend, wie er rechtlich einzuordnen ist. Dazu muß der Antrag zunächst einmal ausgelegt werden (vgl. dazu: Göhler, Kommentar zum OWiG, § 67, RandNr. 28 und § 108, RandNr. 5). Die Auslegung des Antrages ergibt, daß die Verteidigung einen zulässigen Rechtsbehelf gegen den ablehnenden Kostenbescheid des Kreises Herford vom 04.05.2006 einlegen wollte. Die Verteidigung vermisste nämlich eine positive Auslagenentscheidung, soweit ihren Einwendungen gegen den Kostenansatz für das Sachverständigengutachten stattgegeben worden war. Aus dem weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens ist zu entnehmen, daß die Verteidigung zumindest einen „anteiligen Ersatz“ der notwendigen Auslagen des Betroffenen begehrt. Es geht also der Verteidigung allein um die notwendigen Auslagen, mithin die Kosten der Verteidigung, und nicht etwa um die „übliche Kosten- und Auslagenentscheidung“ des Bußgeldbescheides für die in Ansatz gebrachte Geldbuße, die akzeptiert wird.

Eine rechtliche Einordnung hat die Verteidigung jedoch nicht vorgenommen. Das war auch nicht erforderlich, weil es Sache des Gerichtes ist, die Anträge der Verteidigung rechtlich einzuordnen und zu bewerten.

2.) Für die Zulässigkeit des Antrages ist es unerheblich, ob der Kreis Herford überhaupt einen ablehnenden Kostenbescheid vom 04.05.2006 erlassen durfte und wie der Kreis H die Einwendungen des Betroffenen gegen die Berechnung der Sachverständigenkosten rechtlich qualifizierte. Wie noch im einzelnen darzulegen ist, bestanden hierfür vom Grundsatz her zwei Möglichkeiten. Einmal konnte man die Einwendungen als einen Rechtsbehelf im Sinne von § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG ansehen mit der Folge, daß der Kreis H dann ein Verfahren nach § 62 OWiG einleiten musste. Auf der anderen Seite konnte man die Einwendungen auch als Einspruch im Sinne von § 67 OWiG bewerten. Das hätte zur Folge gehabt, daß der Kreis H die Akten als „Einspruchssache“ hätte behandeln müssen. Bei einem normalen Einspruch hätte der Kreis H anschließend die Akten über die Staatsanwaltschaft dem Amtsgericht in Herford vorlegen müssen. Ein selbständiger Kostenbescheid hätte dann nicht ergehen dürfen. Von einem solchen „normalen Einspruchsverfahren“ hat der Kreis H jedoch Abstand genommen, wie der selbständige Kostenentscheid vom 04.05.2006 zeigt. Wie noch im einzelnen darzulegen ist, hat der Kreis H damit im Ergebnis richtig gehandelt. Ein selbständiger Kostenbescheid, der anschließend im Verfahren nach § 62 OWiG angefochten werden konnte, war zulässig und erforderlich. Der Betroffene hat damit in zulässiger Art und Weise ein Rechtsmittel im Sinne von § 62 OWiG gegen diesen Kostenbescheid eingereicht.

3.) Die Verteidigung hat nicht ausgeführt, ob es sich bei ihren Einwendungen gegen den Bußgeldbescheid und die Einwendungen gegen die Berechnung der Sachverständigenkosten um zwei getrennte Abrechnungsvorgänge handelt oder ob ein einheitlicher Abrechnungsvorgang vorliegt, bei dem nur eine anteilige Erstattung verlangt wird. Vielmehr hat sich die Verteidigung auf einen anteiligen Ersatz der notwendigen Auslagen beschränkt. Das Rechtsmittel des Betroffenen gegen den Kostenbescheid vom 04.05.2006 könnte damit nicht ausreichend bestimmt und somit unzulässig sein.

Wie noch im einzelnen darzulegen ist, ist es schwierig und nicht eindeutig, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn ein Betroffener sich nur gegen die Kosten- und Auslagenbescheidung eines Bußgeldbescheides wendet, andererseits aber mit der Geldbuße und der dazugehörigen „üblichen Kostenentscheidung“ einverstanden ist. In dieser Situation kann es der Verteidigung nicht zugemutet werden, Ausführungen zur Rechtslage zu machen und einen konkreten, spezifizierten Antrag zu stellen. Die Verteidigung konnte es vielmehr dem Gericht überlassen, darüber zu entscheiden, welche Rechtsmittelmöglichkeiten gegen die Berechnung der Sachverständigenkosten gegeben waren und wie diese bewertet werden mussten. Die fehlende rechtliche Einordnung der Verteidigung für ihre Einwendungen gegen die berechneten Sachverständigenkosten führte damit nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfes.

4.) Es fehlen Angaben der Verteidigung, wie hoch der erstattungsfähige Anteil der Auslagen sein soll. Die Verteidigung hat damit letztlich die Erstattungsquote in das Ermessen des Gerichtes gestellt. Das ist durchaus sachgerecht. Einmal ist das Interesse des Betroffenen zu bewerten, überhaupt ein Rechtsmittel gegen den gesamten Bußgeldbescheid einzulegen. Dieser hatte eine „punktepflichtige“ Geldbuße zum Inhalt. Damit kommt der Einspruchseinlegung durch die Verteidigung ein erhebliches Gewicht zu. Auf der anderen Seite steht eine erhebliche Kostenforderung, die weitaus höher ist als die festgesetzte Geldbuße nebst den übrigen Kosten. Bei einer überschlägigen Bewertung kann nicht gesagt werden, welcher Gesichtspunkt überwiegt. Es war der Verteidigung deshalb nicht zuzumuten, von sich aus eine feste anteilige Kostenquote dem Erstattungsantrag zugrunde zu legen. Es war vielmehr zulässig, die Festlegung dieser Quote dem Gericht zu überlassen (ähnlich wie bei einem Schmerzensgeldanspruch, wenn ein angemessenes Schmerzensgeld begehrt wird). Das Gericht ist hier der Auffassung, daß jeder Beschwerdepunkt mit dem gleichen Gewicht bewertet werden muß. Der Antrag der Verteidigung auf anteilige Übernahme der notwendigen Auslagen ist somit in Verbindung mit der richterlichen Ermessensausübung dahin auszulegen, daß die Hälfte der notwendigen Auslagen des Betroffenen erstattet werden sollen.

5.) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit der Zielrichtung, eine hälftige Auslagenerstattung zu erhalten, ist fristgerecht und auch im übrigen zulässigerweise gestellt worden. Der Antrag vom 11.05.2008 richtet sich gegen den selbständigen Kostenbescheid des Kreises H vom 04.05.2006, der am 05.05.2006 zugestellt wurde. Gegen diesen Bescheid konnte der Betroffene binnen zwei Wochen nach Zustellung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 108 Abs. 1, 62 OWiG stellen. Die Rechtsmittelfrist hat der Betroffene mit seinem anwaltlichen Antrag gemäß Schriftsatz vom 11.05.2006, beim Kreis H eingegangen am selben Tag, eingehalten.

II.

Der zulässige Antrag ist in vollem Umfange begründet.

Der Betroffene verlangt nämlich zu Recht die hälftige Erstattung seiner notwendigen Auslagen im Einspruchsverfahren. Das ergibt sich aus folgendem:

1.) Der Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid zunächst unbeschränkt Einspruch eingelegt. Im Laufe des Verfahrens hat der Verteidiger sodann einen Schwerpunkt auf den Kostenansatz in Höhe von 274,75 Euro gelegt. Nachdem dieser Kostenansatz fallengelassen wurde, nahm der Verteidiger den Einspruch zurück und beantragte Ersatz der notwendigen Auslagen, soweit es um den Kostenansatz ging.

a) Wie diese Anträge rechtlich zu beurteilen sind, ist schwierig zu beurteilen.

In § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG ist geregelt, daß ein Betroffener unbefristet einen Rechtsbehelf einlegen kann, wenn er sich bei einem Bußgeldbescheid nur gegen den Ansatz der Gebühren und Auslagen wehren will. Diese Vorschrift könnte auf den ersten Blick eingreifen.

Das Rechtsmittel des Betroffenen könnte dann einmal ein Einspruch im Sinne von § 67 OWiG und gleichzeitig ein gesonderter Antrag nach § 108 I Ziff. 3 OWiG sein. Nach Rücknahme des Einspruchs bliebe dann der gesonderte Antrag nach § 108 I Ziff. 3 OWiG aufrechterhalten, und zwar nach Erledigung der Hauptsache in Form eines Feststellungsantrages. Ein solcher Feststellungsantrag wäre zulässig, weil der Betroffene ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung hat, da die Auslagenentscheidung zu demjenigen Teil, bei dem der Betroffene sich durchgesetzt hat, fehlte (vgl. zum Feststellungsinteresse: Göhler, Kommentar zum OWiG, § 62, RandNr. 27 a).

Für eine solche Rechtsmittelmöglichkeit hat sich im Ergebnis das Landgericht Bonn (Juristisches Büro 1991, Seite 1384) ausgesprochen (vgl. dazu auch: Göhler, Kommentar zum OWiG, § 67, RandNr. 28, vor § 105 RandNr. 27). Dieser Auffassung könnte jedoch entgegengehalten werden, daß nach § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG an sich nur Einwendungen erfasst werden sollen, die ihren Ursprung im Gebührenrecht haben (vgl. dazu: Wieser, Kommentar zum OWiG, § 108 RandNr. 2; KK – Schmehl, Kommentar zum OWiG, § 108 RandNr. 5 mit weiterem Nachweis). Gegen eine Anwendung von § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG spricht im übrigen, daß ein Rechtsbehelf gegen einen bestimmten Teil der berechneten Kosten und Auslagen dann nach § 108 Abs. 1 Satz 2 OWiG unbefristet wäre. Somit könnte ein Betroffener trotz Rechtskraft des Bußgeldbescheides auch nach langer Zeit noch Einwendungen zur Sache machen, etwa zur Erfolglosigkeit und Bedeutung von Ermittlungshandlungen oder Sachverständigenkosten oder zu der Bedeutung von einzelnen Tatvorwürfen, bei denen es später zu einer Einstellung gekommen ist. Das ist wenig sachgerecht, weil es dann zu einer Durchbrechung der Rechtskraft kommen könnte. Es erscheint vielmehr sachgerecht, für solche Einwendungen nur einen befristeten Rechtsbehelf zur Verfügung zu stellen, nämlich den Einspruch nach § 67 OWiG, der innerhalb von zwei Wochen nach Erlaß des Bußgeldbescheides eingelegt werden muß, um möglichst alsbald Klarheit über die Rechtskraft der gesamten Entscheidung zu haben.

b) Insgesamt ist festzustellen, daß der Gesetzgeber die Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen, der sich nur gegen bestimmte Punkte bei der Kosten- und Auslagenentscheidung wehren will (wobei es nicht um den Kostenansatz geht), nur unzureichend geregelt hat (vgl. dazu: Stephan in NRW 1972, S. 934). Im Strafverfahren dagegen hätte ein Beschuldigter die Möglichkeit, trotz Rechtskraft einer Verurteilung gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung sofortige Beschwerde einzulegen (§ 464 Abs. 3 StPO). Diese Regelung ist jedoch im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht anwendbar, weil sie in § 105 Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht einbezogen worden ist.

c) Es entspricht also allgemeiner Meinung, daß ein Betroffener im Ordnungswidrigkeitenrecht allein gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Bußgeldbescheides einen Rechtsbehelf einlegen kann, so daß die Bußgeldentscheidung mit dem Tatvorwurf und der Geldbuße ohne weiteres in Rechtskraft erwachsen können. Es bleibt jedoch unklar, ob ein solcher Rechtsbehelf als befristeter Einspruch nach § 67 OWiG beurteilt werden muß oder ob er einen unbefristeten Antrag nach § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG in Verbindung mit § 62 OWiG darstellt.

Nimmt man einen Einspruch im Sinne von § 67 OWiG an, stellt sich sodann die Frage, ob das Gericht eine Hauptverhandlung durchführen muß, bei der die Staatsanwaltschaft zu beteiligen ist, ob gegen eine Entscheidung des Gerichts das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde bzw. der Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben ist und ob im Fall einer Entscheidung, die für den Betroffenen günstig ist, die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat. In gebührenrechtlicher Hinsicht müsste ein solcher Rechtsbehelf für den Verteidiger als „Einspruchssache“ abgerechnet werden. Geht man dagegen von einem Rechtsbehelf im Sinne von § 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG aus, wäre eine Entscheidung im Beschlusswege im Verfahren nach § 62 OWiG zu treffen. Die Bußgeldbehörde müsste einen selbständigen Kostenbescheid erlassen, der dann nach § 108 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG angefochten werden könnte. Die Entscheidung des Gerichtes über einen Rechtsbehelf gegen diesen selbständigen Kostenbescheid wäre unanfechtbar (§§ 62 Abs. 2 Satz 3, 108 Abs. 1 OWiG). An einer solchen Entscheidung wäre die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt. Wird dem Rechtsbehelf stattgegeben, müsste die Verwaltungsbehörde, die die angegriffene Maßnahme veranlasst hat, die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragen und nicht etwa die Landeskasse. In gebührenrechtlicher Hinsicht läge für die Verteidigung ein eigener Abrechnungstatbestand vor.

d) Diese Unstimmigkeiten können nach Auffassung des Gerichtes sachgerecht nur so gelöst werden, daß man einen Rechtsbehelf gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Bußgeldbescheides als eine Art „besonderen Einspruch“ im Sinne von § 67 OWiG ansieht, ggf. als Unterfall des gleichzeitig eingelegten Einspruchs bezüglich Tatvorwurf und Geldbuße. Wie der vorliegende Fall zeigt, können bei der Entscheidung über die Kosten und Auslagen Einwendungen geltend gemacht werden, die mit dem Sachverhalt und den Tatvorwürfen zusammenhängen. Da diese Einwendungen nicht ihren Ursprung im Gebührenrecht haben, sondern mit den Tatvorwürfen zusammenhängen, erscheint es sachgerecht, diese Einwendungen als „Einspruch“ zu qualifizieren. Damit ist auch zugleich geklärt, daß diese Einwendungen in gebührenrechtlicher Hinsicht für die Verteidigung nur einen einzigen Abrechnungstatbestand darstellen, wenn er sich zugleich gegen die Tatvorwürfe und die Geldbuße des Bußgeldbescheides wendet. Allerdings wird dann zu prüfen sein, ob bei der Gebührenabrechnung des Verteidigers eine erhöhte Gebühr, die auch über die „Mittelgebühr“ hinausgehen kann, angesetzt werden kann.

Andererseits passt das gerichtliche Verfahren, das bei einem normalen Einspruch durchgeführt wird, überhaupt nicht. Das gerichtliche Verfahren muß sich vielmehr nach den §§ 62, 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG richten. Nur dann ist klargestellt, daß die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt wird, daß die Bußgeldbehörde und nicht etwa die Landeskasse bei einem Obsiegen des Betroffenen die Kosten und die Auslagen des Betroffenen tragen muß, und daß ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (so im Ergebnis zutreffend: Landgericht Bonn, Juristisches Büro 1991, Seite 1384).

e) Die hier vertretene Rechtsauffassung wird im übrigen auch am besten dem vorliegenden Fall gerecht. Der Verteidiger hat gegen den Bußgeldbescheid zunächst „Einspruch“ eingelegt, den er mehrfach begründet hat. Nachdem die Bußgeldbehörde dem „Einspruch“ teilweise stattgegeben hat, gab es keine spezielle Kostenentscheidung, die gemäß den §§ 46, 105 OWiG, 465 Abs. 2 StPO unter Billigkeitsgesichtspunkten hätte erlassen werden können (vgl. dazu: KK-Schmehl, § 105 RandNr. 80 ff.). Nachdem der berichtigte Bußgeldbescheid erlassen worden war und der Betroffene den Einspruch gegen die Geldbuße zurückgenommen hatte, war die Streitfrage über der Auferlegung der Sachverständigenkosten in der Hauptsache erledigt. Die Verteidigung hatte nur noch ein Feststellungsinteresse, weil nicht über die anteilige Übernahme der notwendigen Auslagen des Betroffenen entschieden worden war. In einem Einspruchsverfahren im Sinne von § 67 OWiG hätte eine solche Fallkonstellation überhaupt nicht sachgerecht bearbeitet werden können. Es hätte dann auch ein selbständiger Kostenbescheid nicht erlassen werden dürfen. Letztlich hat der Kreis H mit seinem selbständigen Kostenbescheid vom 04.05.2006 zu erkennen gegeben, daß er ebenfalls bei der Bearbeitung der Einwendungen des Betroffenen nicht von einem Einspruchsverfahren, sondern von einem Rechtsbehelfsverfahren nach den §§ 62, 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG ausgeht. Andernfalls wäre nämlich der selbständige Kostenbescheid nicht erklärlich.

f) Es ist daher festzuhalten, daß die Einwendungen der Verteidigung gegen den Ansatz der Sachverständigenkosten als Unterfall eines Einspruchs im Sinne von § 67 OWiG anzusehen sind, wobei dieser besondere Einspruch im anschließenden behördlichen und gerichtlichen Verfahren als ein Rechtsbehelf im Sinne der §§ 62, 108 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG beurteilt werden muß.

2.) Der Betroffene hat sich mit seinem Einspruch gegen den ursprünglichen Bußgeldbescheid teilweise durchgesetzt. Wie bereits ausgeführt, entspricht der obsiegende Anteil vom Gewicht her der Hälfte der Einwendungen. Die Bußgeldbehörde hätte deshalb im zweiten Bußgeldbescheid eine angepasste Auslagenentscheidung treffen müssen. In Anwendung von § 465 Abs. 2 StPO hätten die notwendigen Auslagen des Betroffenen nach billigem Ermessen aufgeteilt werden müssen. Es wäre dann sachgerecht gewesen, die Hälfte der notwendigen Auslagen des Betroffenen der Bußgeldbehörde und die andere Hälfte dem Betroffenen aufzuerlegen. Diese unterbliebene Entscheidung über die Aufteilung der notwendigen Auslagen des Betroffenen ist nunmehr nachzuholen.

Die Verteidigung hat sich somit im gerichtlichen Verfahren nach § 62 OWiG entsprechend ihrem Antrag in vollem Umfange durchgesetzt.

Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus den §§ 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG, 473 StPO.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).

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