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Rücknahme Rechtsbeschwerde durch Staatsanwaltschaft – Verteidigergebühren

LG Saarbrücken, Az.: 2 Qs 16/15, Beschluss vom 18.03.2015

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 26.11.2014 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Saarbrücken verurteilte den ehemals Betroffenen wegen „Fahrlässigen Verstoßes gegen die Sofortmeldepflicht nach § 28 a IV SGB IV in 5 Fällen“ zu einer Geldbuße in Höhe von 2.500 €. Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken am 01.08.2014 vorsorglich und ohne Begründung Rechtsbeschwerde ein. Der hierüber am 22.08.2014 in Kenntnis gesetzte Verteidiger beantragte mit Schriftsatz vom 28.08.2014 gegenüber dem Amtsgericht Saarbrücken „bereits jetzt […], die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 30.07.2014 zu verwerfen.“ Gründe sollten einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben.

Mit Verfügung vom 26.09.2014 nahm die Staatsanwaltschaft die Rechtsbeschwerde gegenüber dem Amtsgericht Saarbrücken zurück.

Mit Schreiben vom 24.10.2014 beantragte der Verteidiger, nachdem er mit dem ehemals Betroffenen am 28.08.2014 eine Abtretungsvereinbarung betreffend etwaige Kostenerstattungsansprüche geschlossen hatte, die Festsetzung von Gebühren für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Höhe von 785,40 €. Hierbei brachte er die Verfahrensgebühr VV-RVG 5113 sowie die Befriedungsgebühr VV-RVG 5115 nebst Pauschale und Umsatzsteuer in Ansatz.

Nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Saarbrücken setzte das Amtsgericht Saarbrücken die zu erstattenden Kosten auf 404,60 € fest. Es führt aus, die Gebühr VV-RVG 5115 sei nicht entstanden. Es sei keine auf eine Förderung der Erledigung gerichtete Tätigkeit erkennbar.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner näher ausgeführten sofortigen Beschwerde vom 04.12.2014

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 464 b S. 3 StPO, 11Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zulässig, insbesondere auch fristgerecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 306Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) eingelegt worden. Auch ist der Beschwerdewert nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 Abs. 3 StPO erreicht. Letztlich kann der Beschwerdeführer aufgrund der erfolgten Abtretung (Bl. 85 d.A.) den Anspruch auch im eigenen Namen geltend machen (vgl. LG Duisburg, JurBüro 2006, 373).

Berufen zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist die Kammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 464 b Rn. 7., § 76 GVG Rn. 16), nicht gemäß § 464 b S. 3 StPO i.V.m. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2012, 160; OLG Hamm, Beschluss vom 03.12.2009, 2 Ws 270 / 09 [juris], dort Rn. 30). Durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1887), mittels welchem die Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren erstmals eingefügt wurde, hat der Gesetzgeber nicht auch das strafprozessuale Kostenverfahren ändern wollen.

2.

Die sofortige Beschwerde ist in der Sache der Erfolg zu versagen. Dem Beschwerdeführer steht die sog. Befriedungsgebühr nach Nr. 5115 VV-RVG ausgehend von dem Wortlaut des Gebührentatbestandes unter Berücksichtigung seines systematischen Zusammenhangs und des von dem Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zwecks nicht zu.

Nach Auffassung der Kammer fehlt es bereits an der gesetzlich vorausgesetzten Kausalität einer Tätigkeit des Verteidigers für die Ersparung einer Hauptverhandlung (vgl. OLG Saarbrücken, JurBüro 2007, 28; OLG Hamburg, NJW-Spezial 2008, 601, OLG Rostock, JurBüro 2012, 301; OLG Braunschweig, NdsRpfl 2012, 42; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2007, 288; OLG Stuttgart, JurBüro 2007, 200; OLG Köln, RVGreport 2008, 428).

a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des Tatbestandes der Gebührenbeschreibung der Nr. 5115 VV-RVG ist Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr, dass „die Hauptverhandlung entbehrlich“ wird. Die näheren Ausführungen nach diesem Gebührentatbestand stellen lediglich weitere Voraussetzungen und Erklärungen für diesen Gebührentatbestand dar, sodass sich aus Abs. 1 Nr. 4 dieser näheren Ausführungen nicht der Schluss ziehen lässt, dass der oben beschriebene Gebührentatbestand – das Entbehrlichwerden der Hauptverhandlung – dadurch wieder obsolet würde (OLG Braunschweig a.a.O.). Vielmehr ist durch die Neuregelung des Gebührentatbestandes VV-RVG 5115 der Grundgedanke der früheren §§ 105Abs. 2, 84 Abs. 2 BRAGO übernommen worden, dass eine intensive und zeitaufwendige Tätigkeit des Verteidigers außerhalb der Hauptverhandlung gebührenrechtlich honoriert werden soll, wenn diese intensiven Tätigkeiten zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen (OLG Saarbrücken, a.a.O., OLG Braunschweig, a.a.O.). Demgemäß ist aber die vom Gesetzgeber gewollte Honorierung dort nicht angezeigt, wo der Anfall der Hauptverhandlungsgebühr VV-RVG 5114 nicht zu erwarten steht. Würde man gleichwohl die Gebühr zuerkennen, stünde ein Verteidiger, der die eingelegte Rechtsbeschwerde zurücknimmt, gebührenrechtlich besser als der, der das Rechtsbeschwerdeverfahren durchführt, ohne dass es – aufgrund einer Entscheidung im Beschlusswege – zu einer Hauptverhandlung kommt. Das würde geradezu einen Anreiz schaffen, eine Rechtsbeschwerde einzulegen und anschließend wieder zurückzunehmen.

Diese Gesichtspunkte beanspruchen auch dann Geltung, wenn wie hier die Frage der weiteren Verfahrensgestaltung in Ermangelung einer eigenen Rechtsmitteleinlegung sich nicht einmal im Einflussbereich des Beschwerdeführers bewegt.

b) Dem Gesetzgeber mag zwar vorgeworfen werden, dass er bei der Neuregelung nicht bedacht hat, dass im Rechtsbeschwerdeverfahren die Hauptverhandlung nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellt (Seitz in Göhler, OWiG, 16. Auflage 2012, § 79 Rn. 40). Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist vielmehr die Entscheidung durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 S. 1 OWiG die Regel.

Für die Vermeidung der Hauptverhandlung dürfte die Rücknahme der Rechtsbeschwerde eines Betroffenen daher selten ursächlich werden. Dies gilt noch weniger im vorliegenden Fall, wo der ehemals Betroffene nicht einmal selbst der Rechtsbeschwerdeführer war und ihm keine Kompetenz zur verfahrensbeendenden Einflussnahme offensteht, sondern er sich mit einem allgemein gehaltenen Schriftsatz vorab mit einem Antrag zu der von Seiten der Staatsanwaltschaft eingelegten Rechtsbeschwerde lediglich äußert.

Die Kammer ist daher mit der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung der Auffassung, dass der Anwendungsbereich für die Zusatzgebühr nach Nr. 5115 Abs. 1 Nr. 4 VV-RVG im Ergebnis auf die Fälle reduziert, in denen eine Entscheidung aufgrund einer Hauptverhandlung möglich ist. Bei einer wortgetreuen Auslegung des Gesetzes kommt die zusätzliche Gebühr daher auch nur dann in Betracht, wenn das Rechtsbeschwerdeverfahren so weit fortgeschritten ist, dass beurteilt werden kann, ob eine Hauptverhandlung durchgeführt werden wird. Liegen nach dem Stand des Rechtsbeschwerdeverfahrens im Zeitpunkt der Rücknahme der Rechtsbeschwerde keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Fall der Fortführung eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, ist die zusätzliche Gebühr nicht entstanden (OLG Saarbrücken, a.a.O.).

Die Beurteilung der Frage, ob eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, setzt dabei zunächst einmal voraus, dass die Rechtsbeschwerde von dem das Rechtsmittel Betreibenden begründet worden ist. Denn ohne die erforderliche Rechtsbeschwerdebegründung – eine solche stand vorliegend noch aus – mangelt es bereits an der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde und eine Hauptverhandlung scheidet bereits von Gesetzes wegen aus. Die Einschätzung, ob eine Hauptverhandlung stattfinden wird, wird vielmehr in der Regel erst möglich sein, wenn das Rechtsbeschwerdeverfahren bei dem Rechtsbeschwerdegericht anhängig geworden ist. Dies war vorliegend nicht der Fall.

Es kann daher nicht festgestellt werden, ob durch die Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft eine Hauptverhandlung vor dem Rechtsbeschwerdegericht vermieden worden ist.

Dieses Ergebnis ist letztlich auch nicht unbillig. Denn die im Anschluss an die Einlegung der Rechtsbeschwerde vorzunehmende prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts und die Fertigung des in Bezug genommenen Schriftsatzes mit dem Antrag auf Verwerfung der Rechtsbeschwerde werden bereits durch die Verfahrensgebühr (Nr. 5113 VV-RVG) abgedeckt.

3.

Da es bereits an der Kausalität der Rücknahme durch die Staatsanwaltschaft für die Vermeidung der Hauptverhandlung fehlt, kann offen bleiben, ob die den Gebührentatbestand weiter einschränkenden Voraussetzungen des Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 5115 VV-RVG – eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit – bereits dann erfüllt sind, wenn der Verteidiger des nicht Beschwerde führenden ehemals Betroffenen – wie hier – lediglich vor der Begründung der Rechtsbeschwerde durch die Beschwerde führende Staatsanwaltschaft bereits vorab mittels Standardschreiben den Antrag stellt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 464Abs. 2, 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

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