Skip to content
Menü

Rücknahme Einspruch in irriger Annahme von Tateinheit

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 109/21 – 122 Ss 41/21 – Beschluss vom 14.06.2021

Leitsätze:

1. Die Teilrücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid durch den Betroffenen berührt die Verurteilung wegen eines weiteren selbstständigen, weil in Tatmehrheit stehenden Vorwurfes nicht, auch wenn die Verkehrsverstöße (Rotlicht- und anschließend ein Gelblichtverstoß) während einer Fahrt in unmittelbarem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang – hier: innerhalb von etwa 150 Meter – begangen wurden. Denn der Betroffene hat sich über verschiedene Normappelle hinweggesetzt, und eine einheitliche Zielsetzung der Verstöße war objektiv nicht erkennbar.

2. Nimmt der Betroffene in der irrigen Annahme, die beiden ihm zur Last gelegten Tathandlungen stünden in Tateinheit und nicht wie im Bußgeldbescheid rechtlich zutreffend ausgewiesen in Tatmehrheit, den Einspruch teilweise zurück, ist diese Erklärung wirksam. Der Irrtum des Betroffenen ist ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH Beschluss vom 29. November 1983 – 4 StR 681/83, BGH NStZ 1984, 181 m.w.N.).

3. Die Teilrücknahme führt nicht zum Strafklageverbrauch nach § 84 Abs. 1 OWiG, weil sich die hierdurch eingetretene vertikale Rechtskraft nicht auf den weiteren dem Betroffenen mit gleichem Bußgeldbescheid zur Last gelegten selbstständigen Vorwurf erstreckt.

4. Rügt die Verteidigung mit der Rechtsbeschwerdebegründung, erstmalig in der Hauptverhandlung über beide Tatorte informiert worden zu sein, und meint sie, sie sei in einem entscheidungserheblichen Punkt nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 338 Nr. 8 StPO behindert worden, muss der Rechtsbeschwerdeführer eine Verfahrensrüge erheben, die erkennen lässt, warum es u.a. dem verteidigten Betroffenen nicht zuzumuten war, in einer solchen Verfahrenssituation entweder Beweisanträge zu stellen oder die Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens zu beantragen, um sich sachgerecht auf die als neu empfundene Verfahrenssituation einzustellen.

5. Rügt die Verteidigung, ohne rechtlichen Hinweis des Gerichts nicht entsprechend dem Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes mit Gefährdung des Querverkehrs, sondern wegen eines Rotlichtverstoßes von über einer Sekunde Dauer verurteilt worden zu sein, bedarf es der Erhebung einer Verfahrensrüge, die die Anforderungen nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen muss. Dazu reicht allein der Hinweis auf die fehlende Belehrung nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 1 StPO nicht.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 15. Januar 2021 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Polizeipräsident in B. hat dem Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 17. Juni 2020 vorgeworfen, am 4. Mai 2020 um 14.27 Uhr in B., F.A./R. ein Rotlichtverstoß mit Gefährdung des Querverkehrs Fußgänger/Radfahrer begangen zu haben und deshalb eine Geldbuße von 200 Euro verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat sowie eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet und tatmehrheitlich wegen eines Gelblichtverstoßes eine Geldbuße von 10 Euro verhängt. Der Betroffene war nach dem zweiten Verstoß an der ampelgeregelten Einmündung der R. in die F. A. von den Polizeibeamten M. und G. angehalten, belehrt und angehört worden.

Der Betroffene, xxx, hat den rechtzeitig eingelegten Einspruch mit Schreiben vom 13. August 2020 hinsichtlich des Vorwurfes des Gelblichtverstoßes zurückgenommen und den Betrag von 10 Euro an die Landeshauptkasse überwiesen.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen, der sich in der Hauptverhandlung zwar zur Person, aber nicht zur Sache geäußert hat, am 15. Januar 2021 wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 250 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet.

Der Betroffene legt Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil ein, die er auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt.

Zur Begründung lässt er u.a. vortragen, dass ein Verfahrenshindernis aufgrund des unwirksamen Bußgeldbescheides bestehe, weil der Bescheid nicht die Umgrenzungsfunktion erfülle. Er weise zwei sich ausschließende Verstöße an einem Tatort zu einer Tatzeit aus. Der Betroffene habe erstmalig von dem weiteren Tatort in der Hauptverhandlung gehört. Dadurch sei seine Verteidigung erheblich beeinträchtigt worden, weil er den Gelblichtverstoß unter Zugrundelegen der Erkenntnisse des Gerichts, er habe das erste Wechsellicht passiert, als dieses bereits vier Sekunden rot gewesen sei, habe wiederlegen können. Dies habe seine nachträgliche Begehung der Örtlichkeiten ergeben. Auch hätte er die Aussagen der Polizisten hinsichtlich ihrer Angaben, er sei vor dem Passieren der Ampeln mit stark überhöhter Geschwindigkeit gefahren, widerlegen können, weil sich – so seine nachträglichen Erkenntnisse – vor dem Tatort F. A./R. eine „automatische“ Geschwindigkeitskontrolle befinde, aber das Gerät eine erhöhte Geschwindigkeit des Betroffenen nicht festgestellt habe.

Der unwirksame Bußgeldbescheid habe auch nicht die Verfolgungsverjährung unterbrechen können, so dass die Tat am 4. August 2020 verjährt sei.

Des Weiteren sei nach § 84 Abs. 1 OWiG Strafklageverbrauch eingetreten. Es handele sich um eine Tat sowohl im materiellen als auch im prozessualen Sinne. Daher sei der Bußgeldbescheid durch die Teilrücknahme des Einspruchs insgesamt in Rechtskraft erwachsen.

Der Betroffene rügt weiter den fehlenden gerichtlichen Hinweis hinsichtlich des vom Bußgeldbescheid abweichenden Schuldspruches und hinsichtlich der Erhöhung des Bußgeldes. Rein vorsorglich weist er auf die unzureichende Begründung des Rechtsfolgenausspruches hin.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze seiner Verteidigerin vom 11. Februar und 7. Mai 2021 verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mir ihre Zuschrift vom 30. April 2021 beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die von Amts wegen im Freibeweisverfahren veranlasste Prüfung ergibt, dass kein Verfahrenshindernis besteht.

1. Die Teilrücknahme des Bußgeldbescheides hinsichtlich des Vorwurfes des Gelblichtverstoßes ist wirksam und das Gericht war nicht gehindert, den Betroffenen wegen des weiteren Vorwurfes auf der Grundlage des Bußgeldbescheides zu verurteilen. Denn die beiden ihm zur Last gelegten bußgeldbewehrten Handlungen stehen – so das Amtsgericht zutreffend – in Verhältnis der Tatmehrheit (§ 20 OWiG) und nicht der Tateinheit (§ 19 OWiG).

Grundsätzlich gilt, dass mehrere – auch gleichartige – Verkehrsverstöße, die auf einer ununterbrochenen Fahrt begangen werden, nicht nur im materiellen, sondern auch im prozessualen Sinn als mehrere Taten zu bewerten sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 27. April 2020 – 3 Ws (B) 49/20 -, juris, vom 3. September 2010 – 3 Ws (B) 426/10 -, vom 7. April 1997 – 3 Ws (B) 54/97 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 322 SsBs 161/10 -; OLG Hamm, Beschluss vom 12. September 2011 – III – 3 RBs 248/11 -, beide juris). Der Umstand, dass mehrere Verstöße auf der gleichen Fahrt begangen wurden, ändert nichts daran, dass das Fahren als solches keine rechtliche Klammer im Sinne einer rechtlichen Tateinheit zu den einzelnen Fehlverhaltensweisen im Verkehr bildet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. September 2011 – 3 RBs 248/11 -, BeckRS 2011, 24798; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. Mai 2005 – 1 Ss (OWi) 87 B/05 -, juris; Thüringer Oberlandesgericht NZV 1999, 304; OLG Düsseldorf NZV 1998, 78; BayObLG, Beschluss vom 1. August 1994 – 2 ObOWi 343/94 -, juris; Gieg/Krennberger in Burhoff Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren 6. Aufl., Rn. 3595). Dies gilt jedenfalls für fahrlässig begangene Verkehrsverstöße. Eine Ausnahme – eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit – kommt nur dann in Betracht, wenn ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. August 2016 – 3 Ws (B) 381/16 -, juris; vom 17. Januar 2011 – 3 Ws (B) 683/10 -, 3. September 2010 a.a.O., vom 7. April 1997 – 3 Ws (B) 305/96 -; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. Januar 2005 – 1 Ss 251/04 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 19 Rdn. 2) und auf einer einheitlichen Willensbetätigung i.S.v. derselben Willensrichtung beruht (Senat, Beschlüsse vom 27. April und 7. April 1997 jeweils a.a.O.).

Gemessen an diesem Maßstab hat der Betroffene den Rotlichtverstoß und den anschließenden Gelblichtverstoß zwar auf einer ununterbrochenen Fahrt begangen und zwischen beiden Ampeln besteht auch ein enger örtlicher Zusammenhang – sie liegen gut 150 Meter auseinander -, aber beide Lichtzeichenanlagen regeln unterschiedliche Straßenbereiche mit unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen. Demnach stellt das Durchfahren des Kreuzungsbereiches nach der Rotlicht abstrahlenden Ampelanlage eine zeitliche und räumliche Zäsur dar. Auch gehen vom Rotlicht eines Ampelregisters und vom Gelblicht einer ganz anderen Wechsellichtzeichenanlage unterschiedliche Normappelle aus, über die sich der Betroffene hinweggesetzt hat. Anders als in der Entscheidung des Senates vom 7. April 1997 (Senat, Beschluss vom 7. April 1997 – 3 Ws (B) 54/97 -, juris) fehlt es an einer einheitlichen Willensbetätigung im Sinne einer einheitlichen Zielsetzung. Der Betroffene hat sich zur Sache nicht geäußert und objektive Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche Willensbildung schließen lassen könnten, sind nicht feststellbar.

Demnach stellen sich nach einer Gesamtbetrachtung trotz der zeitlich  aufeinander abgestimmten Schaltfolge beider Ampeln auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise beide Verstöße nicht als zusammengefasstes Tun dar (so im Ergebnis auch: OLG Düsseldorf a.a.O.; Thüringer Oberlandesgericht a.a.O.; Gürtler/Thoma a.a.O., Vor § 19 Rn. 6, 10).

Auch die Erklärung der Teilrücknahme des Einspruchs ist wirksam. Eine solche Prozesserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich (Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rn. 108; Paul in KK-StP 8. Aufl., § 318 Rn. 2a jeweils m.w.N.). Dass sich der Betroffene, der xxx, von einer fehlerhaften rechtlichen Einordnung der ihm zur Last gelegten Taten ausging – nämlich von Tateinheit – und diese Rechtsauffassung für die Rücknahme bestimmend gewesen sein mag, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH NStZ 1984, 181 m.w.N.).

2. Das Verfahrenshindernis eines unwirksamen Bußgeldbescheides besteht nach der von Amts wegen im Freibeweis vorzunehmenden Prüfung ebenfalls nicht. Es liegt entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers ein wirksamer Bußgeldbescheid vor, weil der Bußgeldbescheid seiner Umgrenzungsfunktion gerecht wird.

Zwar fehlen hinsichtlich des Gelblichtverstoßes Angaben zum Tatort und zur Tatzeit, aber dieser Vorwurf ist durch die Teilrücknahme in Rechtskraft erwachsen. Dass der Betroffene dabei von Tateinheit und nicht von Tatmehrheit dieser beiden Verstöße ausgegangen ist, ist unbeachtlich (s.o.). Im Übrigen wird der Bußgeldbescheid seiner Umgrenzungsfunktion gerecht. Diese Eigenschaft verliert der Bescheid nicht schon, wenn er den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nicht voll entspricht, sondern lediglich dann, wenn er die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat nicht in dem Maß erkennen lässt, dass die Tatidentität feststeht, wenn also eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Lebensvorgang besteht (BGHSt 23, 336; BayObLGSt 1981, 25; Seitz/Bauer in Göhler a.a.O. § 66 Rn. 39 m.w.N.). Bei fehlender Ortsbezeichnung darf nicht in Frage stehen, welcher Sachverhalt ihm zur Last gelegt werden soll (BayObLG, Beschluss vom 1. August 1994 – 2 ObOWi 343/94 –, juris). Dabei ist darauf abzustellen, ob die Tat durch andere Umstände so genügend konkretisiert bleibt, dass die Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt ist (OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2007 – 1 Ss OWi 877/06 –, juris).

Das ist hier der Fall. Denn der Betroffene ist unmittelbar nach der ihm zur Last gelegten Verkehrsverstößen von den – als Zeugen im Bußgeldbescheid aufgeführten – Polizeibeamten M. und G. angehalten, belehrt und angehört worden. Daher sind beide Handlungen und damit auch der fragliche Gelblichtverstoß genügend konkretisiert, so dass kein Zweifel über die Identität der Taten entstehen konnte und klar ist, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll (OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2004 – Ss 125/04 Z – 67 Z –, juris). Die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen weiteren gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ist ausgeschlossen. Daher ist der Vortrag des Betroffenen, er habe erstmalig in der Hauptverhandlung erfahren, dass sich der Rotlichtverstoß zu der im Bußgeldbescheid ausgewiesenen Tatzeit und an dem dort ausgewiesenen Tatort und der Gelblichtverstoß unmittelbar danach an der Ampel F. A/R. ereignet hätten (RB S. 3), nicht nachvollziehbar.

Aber selbst wenn die Vorbereitung der Verteidigung durch diesen Mangel erschwert gewesen wäre, beeinträchtigen solche Mängel die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides nicht (BGHSt 23, 336).

Selbst wenn der Teil des Bußgeldbescheides hinsichtlich des Gelblichtverstoßes unwirksam gewesen wäre, wirkte sich dies auf die dem Urteil zugrundliegende Verfahrensgrundlage jedenfalls nicht aus. Denn aufgrund der festgestellten Tatmehrheit (s.o.) hätte der Gelblichtverstoß Gegenstand eines selbstständigen Bußgeldbescheides sein können. In einem solchen Fall der Trennbarkeit berührt der unterstellt unwirksame Teil des Bußgeldbescheides die Wirksamkeit des weiteren Teils des Bußgeldbescheides, hier den Vorwurf des Rotlichtverstoßes mit Gefährdung, nicht, solange er die Anforderungen an einen Bußgeldbescheid nach § 66 Abs. 1 OWiG – wie vorliegend – erfüllt (Kurz in KK-OWi a.a.O., § 66 Rn. 72).

3. Aufgrund der Wirksamkeit des Bußgeldbescheides ist auch entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung im Freibeweis nicht festzustellen.

Durch Erlass des Bußgeldbescheides am 17. Juni 2020 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG) ist die Verjährung unterbrochen worden. Die danach maßgebliche Verjährungsfrist von sechs Monaten nach § 26 Abs. 3 2. Alt. StVG ist jeweils wie folgt unterbrochen worden: Durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht übersandt durch die Amtsanwaltschaft (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG), anschließend durch die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins am 7. Dezember 2020 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG) und die Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung am 15. Januar 2021 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) und zwar auch dann, wenn sich – wie hier – der Betroffene nur zur Person geäußert (OLG Hamm MDR 79, 781) und zur Sache geschwiegen hat.

4. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde steht der verfahrensgegenständlichen Verurteilung auch nicht der Strafklageverbrauch nach § 84 Abs. 1 OWiG wegen der Teilrücknahme entgegen. Dem Betroffenen sind zwei selbstständige Handlungen zur Last gelegt worden. Die Rücknahme des Einspruchs und die dadurch insoweit eingetretene Rechtskraft erstreckt sich daher nicht auf die andere selbstständige Handlung des Rotlichtverstoßes mit Gefährdung. Aber selbst wenn der Senat insoweit der Rechtsauffassung des Betroffenen folgte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Danach wären beide Verstöße, also beide Tatteile, in Tateinheit Gegenstand des Bußgeldbescheides und in einem solchen Fall kann der Betroffene nicht dadurch, dass er die Ahndung eines Tatteils – hier der Vorwurf des Gelblichtverstoßes – rechtskräftig werden lässt, eine Sperrwirkung für die Ahndung des anderen Teils – hier der Rotlichtverstoß mit Gefährdung – herbeiführen (Senat VRS 129, 137). Denn in einem solchen Fall wäre bereits wegen der Tateinheit der Handlungen die Teilrücknahme des Bußgeldbescheides unwirksam.

III.

Die Verfahrensrügen führen ebenfalls nicht zum Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, bleibt aus der dem Betroffenen bekannten Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 30. April 2021, die sich der Senat zu eigen macht, keinen Erfolg.

2. Soweit der Betroffene den Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens durch Beeinträchtigung der Verteidigung rügt, dringt auch diese Rüge nicht durch. Selbst unterstellt, der Betroffene habe erstmalig in der Hauptverhandlung erfahren, dass sich der Rotlichtverstoß zu der im Bußgeldbescheid ausgewiesenen Tatzeit und an dem dort ausgewiesenen Tatort und der Gelblichtverstoß unmittelbar danach an der Einmündung F. A./R. ereignet hätten, fehlt der erforderliche Vortrag, worin die Beeinträchtigung der Verteidigung gelegen haben soll. Denn dem Betroffenen, der xxx ist, es zuzumuten, in einer solchen Verfahrenssituation entweder Beweisanträge zu stellen oder die Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens zu beantragen, um sich sachgerecht auf die als neu empfundene Verfahrenssituation einzustellen.

IV.

Auch die allgemeine Sachrüge verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

1. Der Schuldspruch des fahrlässigen qualifizierten Rotlichtverstoßes lässt keinen Rechtfehler erkennen.

Die auf einer fehlerfreien Beweiswürdigung fußenden Feststellungen zum Schuldspruch sind nicht zu beanstanden. Insbesondere der Einwand der Rechtsbeschwerde, die festgestellte Dauer der Rotlichtphase beruhe nur auf den subjektiven Einschätzungen der beiden vernommenen Polizeizeugen ist falsch. Vielmehr hat das Gericht den Lage- und Signalzeitenplan der Lichtzeichenanlagen ausgewertet und rechtsfehlerfrei in die Beweiswürdigung zu der festgestellten Dauer der Rotlichtphase eingestellt (UA S. 4).

2. Der Rechtsfolgenausspruch ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat sich zutreffend hinsichtlich des Rotlichtverstoßes bei länger als eine Sekunde andauerndem Rotphase bei der Bestimmung der Geldbuße an der lfd. Nr. 132.3 der Anlage zu § 1 Abs. 1 des BKatV orientiert, die als Regelbuße 200 Euro und ein Monat Fahrverbot vorsieht. Nicht zu beanstanden ist die Erhöhung der Regelbuße um 50 Euro wegen der festgestellten Behinderung der Fußgänger und Radfahrer, deren Signalanlage bereits grünes Licht zeigte, als der Betroffene diesen geschützten Bereich durchfuhr.

Soweit die Rechtsbeschwerde vorträgt, dass das Gericht den Betroffenen weder auf die Möglichkeit der Ahndung der Tat nach Nr. 132.3 BKat noch auf die Möglichkeit der Erhöhung der Geldbuße hingewiesen habe, dringt sie auch damit nicht durch. Insoweit hätte es – so zutreffend die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft – der Erhebung einer Verfahrensrüge bedurft, weil der Betroffene dem Gericht Verstöße gegen die Verfahrensordnung vorwirft. Der Vortrag erfüllt die Voraussetzungen einer entsprechenden Verfahrensrüge nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aber nicht. I.Ü. weist der Senat ebenso wie die Generalstaatsanwaltschaft lediglich ergänzend daraufhin, dass es eines gerichtlichen Hinweises nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 1 und 2 StPO vor Erhöhung des im Bußgeldbescheid ausgewiesenen Bußgeldes nicht bedarf (Seitz/Bauer in Göhler a.a.O., § 71 Rn. 50a).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!