Bußgeldstornierung: Wer zahlt die Kosten?
Die Rücknahme eines Bußgeldbescheids durch die zuständige Verwaltungsbehörde ist ein Thema, das für viele Bürger relevant sein kann. Im Falle einer unrechtmäßigen Bestrafung mit einem Bußgeld können Betroffene Einspruch einlegen und eine erneute Überprüfung des Falles verlangen. Je nach Ergebnis dieser Überprüfung kann die Behörde den ursprünglichen Bußgeldbescheid zurücknehmen und das Verfahren einstellen.
Eine zentrale Frage in solchen Fällen ist die Kostenregelung – insbesondere, wer die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat. Hierzu gibt es gesetzliche Vorgaben, die eine angemessene und faire Entscheidung sicherstellen sollen. Um den konkreten Hintergrund und die Implikationen einer solchen Situation besser zu verstehen, werfen wir nun einen Blick auf ein aktuelles Gerichtsurteil zu diesem Thema.
Übersicht
- Bußgeldstornierung: Wer zahlt die Kosten?
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- Was bedeutet die Rücknahme eines Bußgeldbescheids durch die Verwaltungsbehörde?
- Welche Rolle spielt das Ermessen der Verwaltungsbehörde bei der Rücknahme von Bußgeldbescheiden?
- Was sind die notwendigen Auslagen in einem Bußgeldverfahren?
- Wie wird entschieden, wer die Kosten eines Bußgeldverfahrens trägt?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Kostenentscheidung abgeändert: Die vorherige Entscheidung des Landratsamts zur Kostenverteilung wurde geändert, sodass die Staatskasse sowohl die Verfahrenskosten als auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt.
- Einstellung des Verfahrens: Das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Betroffene wurde eingestellt, und der ursprüngliche Bußgeldbescheid wurde zurückgenommen.
- Keine ausreichenden Beweise: Es fehlten konkrete Beweise gegen die Betroffene, insbesondere keine ausreichenden Belege oder Zeugenaussagen, die ihre Schuld klar belegen könnten.
- Ermessensfehler der Behörde: Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Kosten wurde als ermessensfehlerhaft und rechtswidrig beurteilt, weil sie keine ausreichenden Begründungen enthielt.
- Recht auf gerichtliche Entscheidung: Die Betroffene machte von ihrem Recht Gebrauch, eine gerichtliche Entscheidung anzufordern, was zur Überprüfung und Änderung der ursprünglichen Kostenentscheidung führte.
- Anforderungen an die Ermessensentscheidung: Die Entscheidung der Behörde muss nachvollziehbar und begründet sein, besonders wenn von einem Regelfall abgewichen wird.
- Grundsatzentscheidung zu den Kosten: Generell müssen im Falle einer Verfahrenseinstellung die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt werden, es sei denn, es gibt eine begründete Ausnahme.
➜ Der Fall im Detail
Rücknahme des Bußgeldbescheids und die Frage der Kostenübernahme
Das Amtsgericht Maulbronn hat in einem bemerkenswerten Beschluss, Aktenzeichen 4 OWi 15/24, vom 12. März 2024, eine Entscheidung getroffen, die sowohl die Kosten des Verfahrens als auch die notwendigen Auslagen der betroffenen Partei der Staatskasse zur Last legt.
Diese Entscheidung erging nachdem das Landratsamt E einen Bußgeldbescheid gegen eine Autofahrerin erlassen hatte, der später zurückgenommen wurde. Der Fall entstand nach einem Verkehrsunfall, bei dem die Betroffene und ein anderer Fahrer gleichzeitig rückwärts aus gegenüberliegenden Einfahrten fuhren und kollidierten.
Der Verkehrsunfall und das nachfolgende Ordnungswidrigkeitenverfahren
Die Betroffene wurde ursprünglich mit einem Bußgeld von 35 Euro belegt, da sie angeblich die Verkehrsregeln nach §§ 1 Abs. 2, 10 Satz 1 StVO verletzt hatte. Sie legte jedoch Einspruch ein, unterstützt durch die Argumentation ihres Verteidigers, dass sie bereits dabei war, die Straße zu befahren, als der Unfall geschah. Das Landratsamt stellte das Verfahren später gemäß § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz ein und nahm den Bußgeldbescheid zurück, forderte jedoch von der Betroffenen, ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gerichtliche Entscheidung zur Kostenübernahme
Das Gericht musste prüfen, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, die notwendigen Auslagen nicht zu übernehmen, rechtmäßig war. Es stellte fest, dass die ursprüngliche Entscheidung des Landratsamts keine ausreichenden Ermessenserwägungen enthielt und somit rechtswidrig war. Die Kosten für das gerichtliche Verfahren und die notwendigen Auslagen der Betroffenen müssen daher von der Staatskasse getragen werden.
Rechtsgrundlagen und Ermessensspielraum der Verwaltungsbehörde
Das Gericht erklärte, dass eine Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde entweder mit einer ausdrücklichen Rücknahme des Bußgeldbescheids oder konkludent erfolgen kann. Die Kostenentscheidung muss dabei dem § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a StPO folgen, welche grundsätzlich eine Übernahme der Kosten und Auslagen durch die Staatskasse vorsieht. Abweichungen bedürfen klarer und nachvollziehbarer Begründungen, die im vorliegenden Fall fehlten.
Unanfechtbare Entscheidung des Gerichts
Die Entscheidung des Amtsgerichts Maulbronn ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar und legt fest, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen von der Staatskasse zu tragen sind. Dieser Fall zeigt auf, dass die Entscheidungspraxis der Verwaltungsbehörden strengen rechtlichen Prüfungen unterliegt, insbesondere wenn es um die Kostenübernahme geht.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was bedeutet die Rücknahme eines Bußgeldbescheids durch die Verwaltungsbehörde?
Die Rücknahme eines Bußgeldbescheids durch die Verwaltungsbehörde bedeutet, dass die Behörde ihre eigene Entscheidung über die Verhängung eines Bußgeldes aufhebt. Dies kann geschehen, wenn sich herausstellt, dass der Bescheid aufgrund von Fehlern nicht aufrechterhalten werden kann oder wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die eine andere Beurteilung des Sachverhalts erfordern.
Ein Bußgeldbescheid kann verschiedene Fehler aufweisen, die seine Rücknahme begründen können. Dazu gehören formelle Fehler, wie beispielsweise falsche Angaben zur Person des Betroffenen, fehlende Unterschriften oder fehlende Rechtsbehelfsbelehrungen. Auch inhaltliche Fehler können eine Rolle spielen, etwa wenn die zugrunde liegenden Tatsachen falsch bewertet wurden oder wenn das Bußgeld auf einer rechtlich nicht haltbaren Grundlage beruht.
Die Rücknahme eines Bußgeldbescheids führt dazu, dass das Verfahren in den Stand vor Erlass des Bescheids zurückversetzt wird. Die Behörde kann dann einen neuen, korrigierten Bußgeldbescheid erlassen, sofern nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist. Es ist jedoch zu beachten, dass der neue Bescheid auch nachteiliger für den Betroffenen ausfallen kann als der ursprüngliche. Zudem besteht kein Vertrauensschutz, das heißt, der Betroffene kann sich nicht darauf verlassen, dass ein einmal zurückgenommener Bescheid nicht erneut und möglicherweise strenger erlassen wird.
Die Rücknahme muss wie der Bußgeldbescheid auch schriftlich erklärt werden. Inhaltlich muss aus der Erklärung deutlich erkennbar sein, dass die Behörde den Bescheid nicht mehr gelten lassen will. Nach der Rücknahme wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig und die vorgesehenen Sanktionen kommen zur Anwendung, sofern der Betroffene nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen Einspruch einlegt.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen nach einer Rücknahme des Bußgeldbescheids der Staatskasse auferlegt werden können. Dies bedeutet, dass der Betroffene unter Umständen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen hat, wenn die Rücknahme des Bußgeldbescheids auf einem Fehler der Behörde beruht.
Welche Rolle spielt das Ermessen der Verwaltungsbehörde bei der Rücknahme von Bußgeldbescheiden?
Das Ermessen der Verwaltungsbehörde spielt eine zentrale Rolle bei der Rücknahme von Bußgeldbescheiden. Gemäß § 47 Abs. 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, was bedeutet, dass die Behörde entscheiden kann, ob sie einen Bußgeldbescheid erlässt, aufrechterhält oder zurücknimmt.
Die Behörde nimmt den Bußgeldbescheid zurück, wenn der Einspruch des Betroffenen zulässig und begründet ist. Dabei kann die Behörde in einem Zwischenverfahren neue Sachermittlungen anordnen oder selbst vornehmen, um die Begründetheit des Einspruchs zu prüfen. Die Rücknahme eines Bußgeldbescheids kann bis zur Abgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft erfolgen.
Das Ermessen der Behörde ist jedoch nicht willkürlich, sondern muss sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung bewegen. Die Behörde muss bei ihrer Entscheidung die selbstbindende Verwaltungspraxis und die gesetzliche Wertung beachten.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Verwaltungsbehörde einen gewissen Entscheidungsspielraum hat, ob und unter welchen Umständen sie einen Bußgeldbescheid zurücknimmt. Diese Entscheidung muss jedoch auf einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls basieren und rechtlich begründet sein.
Was sind die notwendigen Auslagen in einem Bußgeldverfahren?
Notwendige Auslagen in einem Bußgeldverfahren sind Kosten, die dem Betroffenen im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen den Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit entstehen. Diese können unter anderem beinhalten:
- Anwaltsgebühren: Wenn der Betroffene einen Rechtsanwalt beauftragt, um Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen oder ihn im weiteren Verfahren zu vertreten, entstehen Anwaltskosten. Diese richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und hängen vom Gegenstandswert ab.
- Gerichtskosten: Falls es zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommt, können Gerichtskosten anfallen.
- Kosten für Zeugen und Sachverständige: Wenn Zeugen oder Sachverständige geladen werden, müssen deren Auslagen und gegebenenfalls Honorare erstattet werden.
- Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder: Für das persönliche Erscheinen des Betroffenen oder seiner Zeugen vor Gericht können Fahrtkosten und Entschädigungen für Verdienstausfall entstehen.
Die Frage, wer diese Kosten zu tragen hat, hängt vom Ausgang des Verfahrens ab. Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der das Verfahren verliert, die Kosten zu tragen hat. Wenn der Bußgeldbescheid aufgehoben oder der Betroffene freigesprochen wird, fallen die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.
Im Falle einer Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde oder das Gericht können die notwendigen Auslagen des Betroffenen ebenfalls von der Staatskasse übernommen werden. Dies ist jedoch im Einzelfall zu prüfen und hängt von den Gründen für die Einstellung ab.
Es ist zu beachten, dass nicht alle tatsächlich entstandenen Kosten als notwendige Auslagen anerkannt werden. Sie müssen vielmehr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig und angemessen sein. Unnötige Kosten, die beispielsweise durch eine überzogene Verteidigungsstrategie entstehen, werden nicht erstattet.
Wie wird entschieden, wer die Kosten eines Bußgeldverfahrens trägt?
Die Entscheidung, wer die Kosten eines Bußgeldverfahrens trägt, wird primär durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geregelt. Gemäß § 105 OWiG gelten im Verfahren der Verwaltungsbehörde die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) sinngemäß, insbesondere die §§ 464 bis 467a StPO, die die Kostenentscheidung regeln.
Wenn ein Bußgeldbescheid erlassen wird und der Betroffene dagegen keinen Einspruch einlegt, trägt er in der Regel die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Gebühren und Auslagen der Verwaltungsbehörde. Diese können eine Pauschale für die Bearbeitung und zusätzliche Kosten für die Zustellung des Bescheids umfassen.
Legt der Betroffene jedoch Einspruch ein und wird das Verfahren daraufhin eingestellt oder der Betroffene freigesprochen, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens. Dies schließt die Gerichtskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen, wie Anwaltskosten, ein. Die genaue Kostenentscheidung wird im Einstellungs- oder Freispruchbeschluss festgehalten und richtet sich nach § 467 StPO, der im Bußgeldverfahren entsprechend angewendet wird.
Wird der Einspruch zurückgenommen, hängen die Kostenfolgen davon ab, zu welchem Zeitpunkt dies geschieht. Wird der Einspruch vor Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen, reduzieren sich die Gerichtskosten auf einen Bruchteil der sonst fälligen Gebühren.
In jedem Fall ist die Entscheidung über die Kostenübernahme von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängig und folgt den gesetzlichen Regelungen sowie der richterlichen Auslegung dieser Vorschriften.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Regelt die Einstellung des Verfahrens bei Ordnungswidrigkeiten durch die Verwaltungsbehörde, was eine Schlüsselrolle spielt, wenn keine hinreichenden Beweise für eine Ordnungswidrigkeit vorliegen oder andere Gründe eine Weiterführung des Verfahrens als unnötig erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall wurde das Verfahren gegen die Betroffene eingestellt und der Bußgeldbescheid zurückgenommen.
- § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Strafprozessordnung (StPO): Bestimmt die Kostenregelung für das Verfahren nach Einstellung der Ordnungswidrigkeitenverfahren durch die Verwaltungsbehörde. Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen von der Staatskasse zu tragen sind.
- § 69 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Erläutert die Prozesse und Entscheidungsmöglichkeiten der Verwaltungsbehörde bei einem eingelegten Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid, einschließlich der Möglichkeiten, den Bescheid aufrechtzuerhalten oder zurückzunehmen. Dies ist relevant für das Verständnis der Rechtsmittel, die der Betroffenen zur Verfügung standen.
- § 62 OWiG: Bezieht sich auf die gerichtliche Entscheidung bei Anträgen gegen Entscheidungen der Verwaltungsbehörde, was die Grundlage für die gerichtliche Überprüfung der Auslagenentscheidung in diesem Fall bildet.
- § 467a StPO: Legt die Regeln für die Kostenübernahme bei Einstellung eines Strafverfahrens fest, wobei speziell die notwendigen Auslagen der beschuldigten Person berücksichtigt werden. Dies ist zentral, um zu verstehen, unter welchen Umständen die Staatskasse die Kosten trägt.
- § 467 Abs. 1 bis 5 StPO: Bietet detaillierte Regelungen zur Kostenentscheidung bei Einstellungen von Verfahren, einschließlich der möglichen Ausnahmen von der Regel, dass die Staatskasse die Kosten trägt. Im vorliegenden Fall war die Ermessensentscheidung der Behörde, die Auslagen nicht der Staatskasse aufzuerlegen, rechtswidrig.
Das vorliegende Urteil
AG Maulbronn – Az.: 4 OWi 15/24 – Beschluss vom 12.03.2024
1. Die Entscheidung über die Kosten in der Einstellungsentscheidung des Landratsamts (…) vom 25.01.2024 wird dahingehend abgeändert, dass neben den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse zur Last fallen.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der in diesem entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Landratsamt E führte gegen die Betroffene ein Ordnungswidrigkeitenverfahren infolge eines Verkehrsunfalls. Ausweislich der polizeilichen Anzeige der Ordnungswidrigkeit lag dem zugrunde, dass sowohl die Betroffene als auch der weitere Unfallbeteiligte am xx.xx.2023 in der X-Straße in Y gleichzeitig mit ihren Autos rückwärts aus gegenüberliegenden Grundstückseinfahrten gefahren seien und dabei einander übersehen hätten, so dass es zum Zusammenstoß gekommen sei. Beide Unfallbeteiligte seien mündlich belehrt worden und hätten sich mit einem Verwarnungsgeld in Höhe von 35 Euro einverstanden erklärt.
Ein Verwarnungsgeld in dieser Höhe bezahlte die Betroffene in der Folge offenbar nicht. Das Landratsamt (…) erließ daher am 22.11.2023 einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen §§ 1 Abs. 2, 10 Satz 1 StVO und verhängte entsprechend Nr. 47.1 BKat ein Bußgeld von 35 Euro. Hiergegen legte die Betroffene durch ihren Verteidiger rechtzeitig Einspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Betroffene habe den „rückwärtigen Einfahrvorgang bereits abgeschlossen“ gehabt und sei „im Begriff (gewesen), auf der X-Straße anzufahren bzw. bereits“ angefahren, als der weitere Unfallbeteiligte aus der gegenüberliegenden Einfahrt ausgefahren und „rückwärts/seitlich auf den stehenden bzw. gerade anfahrenden Pkw“ der Betroffenen aufgefahren sei. Mit Schreiben vom 25.01.2024 teilte das Landratsamt (…) der Betroffenen wörtlich mit: „das gegen Sie wegen der Handlung am (…) um (…) in (…) als Führerin des PKW (es folgen Marke und Kennzeichen) eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wird gemäß § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz eingestellt. Ihre notwendigen Auslagen habe Sie jedoch selbst zu tragen. Der Bußgeldbescheid vom 22.11.2023 wird zurückgenommen.“ Weitere Ermittlungen sind offenbar nicht erfolgt.
Unter dem 31.01.2024 wandte sich der Verteidiger mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Kostenentscheidung.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG, § 62 OWiG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere in der Frist des § 108 Abs. 1 Satz 2 OWiG gestellt worden.
Der Antrag ist auch begründet.
Wird gegen einen Bußgeldbescheid in zulässiger Weise Einspruch eingelegt, so kann die Bußgeldbehörde entweder den Bußgeldbescheid aufrechterhalten oder zurücknehmen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 OWiG). Hält sie ihn aufrecht, hat sie die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht zur Entscheidung zu übersenden (§ 69 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Nimmt sie den Bußgeldbescheid zurück, ist das Verfahren in den Zustand vor dessen Erlass zurückversetzt, das heißt, der Bußgeldbehörde stehen alle Möglichkeiten in diesem Stadium offen. Sie kann daher etwa (ggf. nach ergänzenden Ermittlungen) einen neuen Bußgeldbescheid erlassen oder das Verfahren nach § 46 OWiG, § 170 Abs. 2 StPO oder nach § 47 Abs. 1 OWiG einstellen. Alternativ zur Rücknahme des Bußgeldbescheids mit (nachfolgender) Einstellung kann die Behörde das Verfahren auch ohne explizite Rücknahme des Bußgeldbescheids sogleich nach §§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO oder nach § 47 Abs. 1 OWiG einstellen, die Rücknahme des Bußgeldbescheids erfolgt dann konkludent (BeckOK OWiG/Gertler, 41. Ed. 1.1.2024, OWiG § 69 Rn. 65 f. m.w.N.). Unabhängig davon ob die Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde konkludent oder – wie hier – ausdrücklich mit der Rücknahme des Bußgeldbescheids verknüpft wird, richtet sich die Kostenfolge nach § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467a Abs. 1 und Abs. 2 StPO (vgl. auch BeckOK OWiG/Gertler a.a.O. § 69 Rn. 68; KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, OWiG § 69 Rn. 52 ff.). Damit sind die Kosten des Verfahrens immer und die notwendigen Auslagen des Betroffenen jedenfalls grundsätzlich der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467a Abs. 1 Satz 1 StPO). In Bezug auf die notwendigen Auslagen des Betroffenen finden indes auch die Ausnahmebestimmungen des § 467 Abs. 2 bis 5 StPO Anwendung, wie sich aus dem des § 467a Abs. 1 Satz 2 StPO ergibt. Danach kann die Behörde unter anderem dann, wenn die Einstellung aufgrund einer Ermessensentscheidung beruht – im Ordnungswidrigkeitenverfahren also bei Einstellungen nach § 47 Abs. 1 OWiG – davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467 Abs. 4 StPO). Die Entscheidung ist, wie sich aus der Formulierung „kann“ ergibt, eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, die jedenfalls dann, wenn darin von dem gesetzlichen Regelfall des § 467a Abs. 1 Satz 1 StPO – also der Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse – abgewichen werden soll, einer Begründung bedarf, die es dem Betroffenen möglich macht, die angestellten Erwägungen nachzuvollziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 2 BvR 2436/14 –, juris Rn. 24 ff.; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 27. April 2022 – 106/20 –, juris, Rn. 11 f.). Inhaltlicher Maßstab der zu treffenden Ermessensentscheidung ist nicht ausschließlich aber doch wesentlich der Grad des bestehenden Tatverdachts, wobei einerseits eine eindeutige Schuldzuweisung nicht vorgenommen werden darf (EGMR, Urteil vom 24. Januar 2019 – 24247/15 –, juris Rn. 29 ff.; BVerfG a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Andererseits ist aber auch eine volle Überzeugung von der Verantwortlichkeit des Betroffenen nicht erforderlich, um von der Überbürdung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse abzusehen. Im Regelfall ist vielmehr ein fortbestehender hinreichender Tatverdacht als ausreichend anzusehen (vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 Ws 471/10 –, juris Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 30. Juli 2019 – III-4 Ws 133/19 –, juris Rn. 10).
An den vorgenannten Maßstäben gemessen kann die Auslagenentscheidung des Landratsamtes E. keinen Bestand haben. Sie ist ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig, weil sie keinerlei Ermessenserwägungen enthält. Es ist nicht ersichtlich, ob die Behörde sich des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums überhaupt bewusst war, jedenfalls aber ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, aus welchen Gründen von der Regelfolge des § 467a Abs. 1 Satz 1 StPO abgewichen worden ist.
Bei der dem erkennenden Gericht somit obliegenden eigenen Sachentscheidung (§ 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 309 Abs. 2 StPO) ist der oben geschilderte Inhalt der vorgelegten Akte zu berücksichtigen. Ein jedenfalls hinreichender Tatverdacht gegen die Betroffene ergibt sich dabei nicht, weil die Einlassung der Betroffenen im Einspruchsverfahren, derzufolge nicht sie, sondern allein der weitere Unfallbeteiligte für den Unfall verantwortlich sei, sich auf Grundlage der Akten, die weder Lichtbildaufnahmen oder Skizzen von der Unfallstelle noch etwaige Schilderungen des Geschehensablaufs durch den weiteren Unfallbeteiligten oder mögliche Zeugen enthält, nicht widerlegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist eine von der Grundentscheidung des § 467a Abs. 1 Satz 1 StPO abweichende Entscheidung nicht veranlasst, so dass neben den ohnehin von der Staatskasse zu tragenden Verfahrenskosten auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen sind.
III.
Die Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren beruht auf der nach § 62 Abs. 2 OWiG vorzunehmenden entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
IV.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG.