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Rotlichtverstoß wegen Fahrspurwechsels auf Kreuzung – Absehen von Fahrverbot

OLG Bamberg – Az.: 3 Ss OWi 1698/18 – Beschluss vom 22.01.2019

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 5. September 2018 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Rotlichtverstoß wegen Fahrspurwechsels auf Kreuzung – Absehen von Fahrverbot
(Symbolfoto: /Shutterstock.com)

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt setzte mit Bußgeldbescheid vom 01.02.2018 gegen den wegen außerhalb geschlossener Ortschaften begangenen Geschwindigkeitsübertretungen von 31 km/h und 22 km/h zweifach vorgeahndeten Betroffenen wegen einer am 24.10.2017 als Fahrer eines Pkw fahrlässig begangenen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage bei mehr als 1 Sekunde dauernden Rotphase in Tateinheit mit Nichtfolgen der durch Pfeile vorgeschriebenen Fahrtrichtung (§§ 37 Abs. 2, 41 Abs. 1, 49 StVO, 24, 25 StVG, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; BKatV, Nrn. 132.3 und 155 BKat) eine Geldbuße von 305 € fest. Außerdem ordnete sie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an. Nach den Feststellungen des Bußgeldbescheids war der Betroffene innerorts auf einem mit Pfeilen markierten Fahrstreifen für Geradeausfahrer unterwegs. Für die beiden mit Pfeilen markierten Linksabbiegerfahrstreifen zeigte die Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung Rot. Der Verkehr auf diesen beiden Fahrsteifen hatte sich zurückgestaut. Der Betroffene, der nach links abbiegen wollte, passierte die wartenden Linksabbieger auf der Geradesausspur, fuhr bei für Geradeausfahrer geltendem Grünlicht in die Kreuzung ein, wechselte im Kreuzungsbereich auf einen Fahrstreifen für Linksabbieger, ließ den Gegenverkehr passieren und bog anschließend bei weiterhin für Linksabbieger geltendem Rotlicht nach links ab. Das Amtsgericht hat den Betroffenen nach Einlegung des Einspruchs, den dieser in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, zu einer Geldbuße von 55 € verurteilt. Von der Verhängung des im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbots für die Dauer eines Monats hat es abgesehen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund atypischer Umstände der Grad des vorwerfbaren Handelns als gering erscheine. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Auch die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Der Schriftsatz der Verteidigung vom 19.01.2019 lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte, auch sonst zulässige und infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsbeschwerde hat aufgrund der Sachrüge Erfolg.

1. Die Begründung, mit der das Amtsgericht abweichend vom Regelbußgeld und abweichend von dem in Betracht kommenden Regelfahrverbot das Vorliegen einer Ausnahmesituation bejaht und den von der Regelsanktion weit nach unten abweichenden Rechtsfolgenausspruch begründet hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Das Argument, es liege eine Ausnahmesituation vor, weil der Betroffene niemanden gefährdet habe, ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht damit das Fehlen eines Sanktionsschärfungsgrundes dem Betroffenen sanktionsmildernd zugute gebracht hat (vgl. BGH, Urt. vom 12.02.2015 – 5 StR 536/14 [bei juris] und v. 19.01.2017 – 4 StR 334/16 = NStZ-RR 2017, 117; Beschl. v. 21.11.2018 – 2 StR 335/18 [bei juris]). Der Bußgeldkatalog sieht in lfd.Nr. 132.3.1 BKat für den Fall der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gegenüber dem in lfd.Nr. 132.3 BKat geregelten Normalfall einen erhöhten Bußgeldrahmen (320 Euro anstatt 200 Euro) vor, so dass bereits der Verordnungsgeber die ausgebliebene Gefährdung Dritter im Rahmen der von ihm bestimmten Regelsanktion berücksichtigt hat.

b) Der damit korrespondierende Hinweis des Amtsgerichts, der Betroffene habe dem Gegenverkehr und den Fußgängern Vorrang eingeräumt, greift schon deshalb nicht durch, weil die Tatbestände, für die § 4 Abs. 1 BKatV das Fahrverbot als Regelsanktion vorsieht, ausnahmslos besonders gravierende und gefahrenträchtige Verhaltensweisen sind. Insbesondere kann es den Betroffenen nicht entlasten, wenn kein Dritter konkret durch den Verkehrsverstoß gefährdet wurde (BayObLG, Beschl. v. 12.02.2002 – 1 ObOWi 607/01 = DAR 2002, 173 = VRS 103 [2002], 307; KG VRS 129 [2015], 153; OLG Frankfurt Beschl. v. 10.03.2006 – 2 Ss OWi 86/06; OLG Hamm Beschl. v. 04.11.2004 – 3 Ss OWi 600/04 [jeweils bei juris] und 29.04.1999 – 2 Ss OWi 1533/98 = NZV 1999, 394). Dass auch die mit dem Rotlichtverstoß einhergehende abstrakte Gefahrerhöhung für alle anderen Verkehrsteilnehmer, insbesondere den Gegenverkehr, nicht vorgelegen hätte (vgl. BayObLG a.a.O.), ist weder festgestellt, noch naheliegend. Immerhin verengte das Fahrzeug des Betroffenen den Kreuzungsbereich, auf dem es angesichts des für seine Fahrtrichtung geltenden Rotlichts nichts zu suchen hatte.

c) Soweit das Amtsgericht eine zu Gunsten des Betroffenen zu wertende Besonderheit des Falles in dem Umstand sieht, dass dieser bei Grünlicht für Geradeausfahrer in die Kreuzung eingefahren sei und erst dort die Spur gewechselt habe, kann der Senat diesem Gedankengang nicht folgen. Die abstrakte Gefährlichkeit des Vorgangs, auf die abzustellen ist, ist keinesfalls geringer, als wenn der Betroffene von vornherein bei Rotlicht auf der für ihn vorgesehenen Spur in die Kreuzung eingefahren wäre und die neben ihm liegende Geradeausspur Grünlicht angezeigt hätte.

d) Soweit das Amtsgericht darauf abhebt, dass sich der Betroffene nicht bewusst gewesen sei, mit seinem Fahrverhalten einen Rotlichtverstoß zu begehen, ist auch dieser Umstand nicht geeignet, vom einem atypischen Sachverhalt zu Gunsten des Betroffenen auszugehen. Ungeachtet des Umstands, dass ein vermeidbarer Verbotsirrtum, den das Amtsgericht dem Betroffenen hier offensichtlich zugebilligt hat, vorsätzliches Handeln voraussetzt, könnte ein solcher zwar milder geahndet werden, als Handeln in Kenntnis des Verbots. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn gerade die Fehlleistung ihrerseits nicht auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruhen würde (OLG Bamberg Beschl. v. 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17 [bei juris] = VerkMitt 2017, Nr 25 = OLGSt OWiG § 11 Nr 6 und 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 = OLGSt OWiG § 11 Nr 5, jeweils m.w.N.). Eine derartige Fallgestaltung ist jedoch äußerst fernliegend und seitens des Amtsgerichts auch nicht mit Gründen belegt. Vielmehr muss von jedem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er die geltenden Verkehrsregelungen in den Grundzügen kennt (vgl. BayObLGSt 1999, 172 = NStZ-RR 2000, 119 = DAR 2000, 172 = VRS 98, 292 = NZV 2000, 300 = VD 2000, 186 = VerkMitt 2000 Nr 67 m.w.N.). Hinzu kommt, dass der Betroffene an einer wartenden Autoschlange vorbeigefahren ist, um sich nach Passieren der Ampel vor dieser einzureihen. Schon angesichts dieses Verhaltens war somit für den Betroffenen klar erkennbar, dass sein Vorgehen, das speziell ihm einen Vorsprung vor allen anderen Abbiegern verschaffte, nicht den geltenden Verkehrsregeln entsprechen konnte.

2. Ebenso rechtsfehlerhaft ist die Erwägung des Amtsgerichts, von der Regelsanktion könne nach unten abgewichen und von der Verhängung eines Regelfahrverbots ganz abgesehen werden, weil der Betroffene zum ersten Mal einen Rotlichtverstoß begangen hat. Das Amtsgericht verkehrt damit die Wertentscheidung des Verordnungsgebers, an der es seine Sanktion auszurichten hat, in ihr Gegenteil: Die in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen Regelahndungen gehen gerade von fehlenden Vorahndungen des Betroffenen aus (§ 3 Abs. 1 BKatV). Wenn aber schon die fehlende Vorahndung nicht sanktionsmindernd wirkt, darf erst recht die zweifache verkehrsrechtliche Ahndung wegen erheblicher Geschwindigkeitsverstöße nicht zu Gunsten des Betroffenen gewürdigt werden.

III.

Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel ist auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Aufhebung erfasst den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG. Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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