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Rotlichtverstoß – Täteridentifizierung anhand Fotos

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 27/18 – 162 Ss 11/18 – Beschluss vom 21.02.2018

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 21. November 2017 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit (qualifizierter Rotlichtverstoß) gemäß §§ 37 Abs. 2 (zu ergänzen: Nr. 1 Satz 7), 49 (zu ergänzen: Abs. 3 Nr. 2) StVO, (zu ergänzen: §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. Anlage [zu § 1 Abs. 1 BKatV] Abschnitt I lfd. Nr. 132.3 BKat) i.V.m. § 24 (zu ergänzen: Abs. 1) StVG zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt, ein Fahrverbot (zu ergänzen: gemäß § 25 Abs. 1 StVG) von einem Monat verhängt und diesbezüglich eine Wirksamkeitsbestimmung (zu ergänzen: gemäß § 25 Abs. 2a StVG) getroffen.

Die Urteilsgründe weisen aus, dass für den Betroffenen im Fahreignungsregister keine Eintragungen vorhanden waren, und enthalten zum Sachverhalt folgende Feststellungen:

„Der Betroffene befuhr am … gegen … Uhr in … … mit dem PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen … den … in Richtung … Er fuhr über die im Kreisverkehr für seine Fahrtrichtung befindliche Haltelinie der dortigen Lichtzeichenanlage, als für seine Fahrtrichtung nach einer vorangegangenen Gelbphase von drei Sekunden Dauer bereits 1,7 Sekunden lang das rote Lichtzeichen abgestrahlt wurde. Die Lichtzeichenanlage sichert den von rechts in den Kreisverkehr des … einfahrenden Querverkehr aus der … Der Vorfall ist durch Fotos einer Verkehrsüberwachungskamera festgehalten worden, die mit einem geeichten Zeitmesser ausgerüstet war.

Der Rotlichtverstoß beruht auf einer vermeidbaren Unaufmerksamkeit des Betroffenen.“

Zu Beweiswürdigung, soweit sie sich auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen bezieht, hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

„Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung zur Sache nur dahin eingelassen, er sei nicht Fahrer gewesen.

[…]

Das Gericht ist auch der vollen Überzeugung, dass es gerade der Betroffene war, der das Fahrzeug zur Tatzeit führte. Das von dem Gerät bei Tageslicht gefertigte Foto zeigt das gesamte Gesicht des Fahrzeugführers mit Ausnahme des Haaransatzes, der vom Fahrerspiegel verdeckt wird. Das Lichtbild ist von noch guter Qualität.

Der Hals des Fahrers ist ebenfalls erkennbar und nicht von Kleidung verdeckt. Der Fahrer ist männlich und mittleren Alters mit südländischem Äußeren. Er ist auffallend hager und hat ausgeprägte und hervorstehende Wangenknochen sowie sehr große und abstehende, hoch angesetzte Ohren. Er ist dunkelhaarig und trägt sogenannte kurze Koteletten. Die gerade und lange Nase fällt zur Spitze hin leicht nach unten ab. Der Nasenrücken ist im mittleren Bereich gekrümmt. Die Augen sind dunkel, die darüber befindlichen dichten Brauen sind ebenfalls dunkel, normal breit und ungewöhnlich gleichmäßig bogenförmig. Der Hals ist schlank und zeigt einen ausgeprägten Adamsapfel.

Sämtliche Merkmale sind auch beim Betroffenen vorhanden. Das Gericht hat den Betroffenen zweifelsfrei als diejenige Person identifiziert, die auf dem Fahrerfoto als Fahrzeugführer abgebildet ist.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Verletzung formellen Rechts gerügt wird, hätte dies mit der Verfahrensrüge geschehen müssen. Diese ist nicht den Formerfordernissen der § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt.

2. Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgezeigt.

a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.

Die – mit der Rechtsbeschwerde beanstandete – Feststellung des Amtsgerichts, der Betroffene habe den Pkw zur Tatzeit gefahren, beruht auf einer tatsachen-begründeten Beweiswürdigung.

aa) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts; die Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht unter anderem dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist und somit nicht erkennen lässt, ob sie auf einer tragfähigen, verstandesgemäß einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. Januar 2018 – 3 Ws (B) 11/18 –; 19. Januar 2018 – 3 Ws (B) 357/17 –; 11. August 2017 – 3 Ws (B) 202/17 –; 13. Februar 2017 – 3 Ws (B) 23/17 – = VRS 131, 197; 20. September 2016 – 3 Ws (B) 488/16 –; 30. März 2016 – 3 Ws (B) 176/16 –; 30. Juli 2015 – 3 Ws (B) 368/15 – = VRS 129, 220; 30. Juni 2014 – 3 Ws (B) 562/13 –; 27. August 2010 – 3 Ws (B) 434/10 – sowie 4. August 2005 – 3 Ws (B) 357/05 – = DAR 2005, 634).

bb) Die Feststellung, ob eine auf einem Foto abgebildete Person mit dem Betroffenen identisch ist, unterliegt im Prinzip nicht der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. BGHSt 41, 376; Brandenburgisches OLG DAR 2016, 282, OLG Hamm DAR 2016, 399). Der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (vgl. BGHSt 29, 18; 10, 208). Dem Gericht sind aber bei der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt: Es darf seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise erschöpfend würdigen; es muss gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und Erfahrungssätze des täglichen Lebens beachten (vgl. BGHSt 29, 18). Auch im Hinblick auf die Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes gelten entsprechende Grenzen für die Beweiswürdigung. So lässt etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens regelmäßig nicht zu. Je nach Qualität und Inhalt des Bildes können sich ein Vergleich mit dem persönlich anwesenden Betroffenen und der Schluss auf seine Täterschaft von vornherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. Januar 2018 und 13. Februar 2017 jeweils a.a.O.). Sieht der Tatrichter den Betroffenen gleichwohl aufgrund des Lichtbildes als überführt an, so leidet das Urteil an einem Rechtsfehler, der im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Sachrüge beanstandet werden kann. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit Gebrauch, auf ein Messfoto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug zu nehmen, sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist; unterbleibt – wie hier – eine (prozessordnungs-gemäße) Verweisung auf das Beweisfoto indes, so muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (vgl. BGHSt 41, 376).

cc) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Ausweislich der Urteilsgründe ist das Messfoto hier „von noch guter Qualität“ (UA S. 3). Die in den Urteilsgründen aufgezählten und im Einzelnen dort näher beschriebenen Identifizierungsmerkmale der auf dem Lichtbild abgebildeten Person, insbesondere deren Gesicht betreffend, sind derart vielfältig und charakteristisch, das sie auf die generelle Eignung des Lichtbildes zur Identifizierung der darauf abgebildeten Person schließen lassen. Der Senat kann daher nachvollziehen, dass die Tatrichterin das Lichtbild als geeignete Grundlage dafür angesehen hat, den Fahrer zu identifizieren, und sie ihre Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen aus dem Vergleich dieses Lichtbildes mit dem Betroffenen gewonnen hat.

dd) Soweit der Rechtsmittelführer vorbringt, das maßgebliche Lichtbild sei stark verpixelt sowie unscharf und deshalb als Grundlage zur Identifizierung nicht geeignet, konnte er damit nicht durchdringen. Sein diesbezügliches Vorbringen ist urteilsfremd. Denn in Ermangelung eines Verweises auf das Lichtbild in den Urteilsgründen ist das Lichtbild nicht zu deren Bestandteil geworden. Die Inaugenscheinnahme des Lichtbildes war dem Senat bei der Prüfung dessen Eignung zur Identifizierung des Fahrers daher verwehrt.

b) Die durch das Amtsgericht bestimmten Rechtsfolgen stehen mit dem materiellen Recht in Einklang.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, weshalb sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob der Tatrichter von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat, wobei die Entscheidung des Tatgerichts bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 26. Januar 2018 und 19. Januar 2018 jeweils a.a.O.; 12. April 2017 – 3 Ws (B) 31/17 – sowie 10. März 2017 – 3 Ws (B) 63/17 – ; OLG Hamm NZV 2008, 306; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 278).

aa) Bei der Festsetzung der Geldbuße mit 200,00 Euro hat sich das Amtsgericht am Regelsatz des Bußgeldkatalogs nach Anlage (zu § 1 Abs. 1 BKatV) Abschnitt I lfd. Nr. 132.3 BKat orientiert. Fehler beim Ausüben des tatrichterlichen Ermessens bei der Bußgeldbemessung sind nicht ersichtlich.

bb) Auch die Anordnung des einmonatigen Regelfahrverbots nach Anlage (zu § 1 Abs. 1 BKatV) Abschnitt I lfd. Nr. 132.3 BKat erfolgte rechtsfehlerfrei. Die Urteilsgründe lassen schließlich auch erkennen, dass sich die Tatrichterin der Möglichkeit bewusst war, nach § 4 Abs. 4 BKatV von der Anordnung des Fahrverbots abzusehen, falls der notwendige Warneffekt durch eine angemessene Erhöhung der Geldbuße zu erreichen gewesen wäre (vgl. BGHSt 38, 125). Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht dies hier verneint.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.

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