Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Rote Ampel überfahren? Millisekunde entscheidet über Fahrverbot – OLG Köln pocht auf exakte Berechnung bei alten Blitzern
- Der Fall: Nur 0,01 Sekunden über der kritischen Marke?
- Die Kernfrage: Wie genau misst der alte Blitzer wirklich?
- Die Entscheidung des OLG Köln: Zurück an den Start!
- Die Begründung: Mangelnde Nachvollziehbarkeit der Rotzeit-Berechnung
- Einordnung und juristischer Hintergrund
- Mögliche Auswirkungen und juristischer Kontext
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau ist ein qualifizierter Rotlichtverstoß und warum ist er so relevant?
- Wie funktionieren ältere Rotlichtblitzer und warum ist ihre Messgenauigkeit problematisch?
- Was bedeutet „standardisiertes Messverfahren“ und welche Rolle spielt es bei der Beweisführung vor Gericht?
- Was bedeutet es, wenn ein Urteil „zurückverwiesen“ wird, und welche Auswirkungen hat das auf den Betroffenen?
- Welche Rechte habe ich, wenn ich glaube, dass ein Rotlichtverstoß ungenau gemessen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 1 ORbs 280/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Köln
- Datum: 29.11.2024
- Aktenzeichen: 1 ORbs 280/24
- Verfahrensart: Rechtsbeschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Betroffene, die gegen ihre Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes Rechtsbeschwerde einlegte und die Verletzung materiellen Rechts rügte.
- Beklagte: Die Generalstaatsanwaltschaft, die beantragte, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine 72-jährige Autofahrerin wurde vom Amtsgericht Aachen wegen fahrlässigen Missachtens des Rotlichts zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt. Sie war bei Rot über eine Kreuzung gefahren, gemessen mit einer Anlage vom Typ Traffipax Traffiphot III, die laut Amtsgericht 1,01 Sekunden Rotlicht registrierte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes korrekt war, insbesondere die Messung der Rotlichtdauer. Bei der verwendeten Anlage, die nicht direkt an der Haltelinie misst, musste die Zeit bis zum Überfahren der Haltelinie manuell zurückgerechnet werden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Köln hob das Urteil des Amtsgerichts Aachen mit seinen Feststellungen auf. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- Begründung: Das Amtsgericht hatte die Dauer der vorwerfbaren Rotlichtphase nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Es war nicht nachvollziehbar dargelegt, wie die Manuelle Rückrechnung der Rotlichtzeit vom Messpunkt bis zur Haltelinie erfolgte. Insbesondere wurden keine ausreichenden Angaben zu den Berechnungsparametern und berücksichtigten Toleranzen gemacht.
- Folgen: Der Fall muss vom Amtsgericht neu verhandelt werden, um die exakte Rotlichtdauer am Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie korrekt festzustellen. Hierfür kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein.
Der Fall vor Gericht
Rote Ampel überfahren? Millisekunde entscheidet über Fahrverbot – OLG Köln pocht auf exakte Berechnung bei alten Blitzern
Ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 29. November 2024 (Az. 1 ORbs 280/24) rückt die Tücken älterer Rotlichtüberwachungsanlagen in den Fokus. Es verdeutlicht, wie entscheidend eine präzise und nachvollziehbare Berechnung der Rotlichtdauer für die Verhängung eines Fahrverbots sein kann. Im konkreten Fall wurde das Urteil eines Amtsgerichts aufgehoben, da die Ermittlung der entscheidenden Millisekunden nicht ausreichend transparent dargelegt wurde.
Der Fall: Nur 0,01 Sekunden über der kritischen Marke?

Eine 72-jährige Autofahrerin wurde vom Amtsgericht Aachen zu einer Geldbuße von 200 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Der Vorwurf: Sie habe mit ihrem Pkw innerorts eine Kreuzung überfahren, obwohl die Ampel bereits seit 1,01 Sekunden Rotlicht zeigte. Dieser Wert ist juristisch brisant, denn ein sogenannter Qualifizierter Rotlichtverstoß – das Überfahren einer Ampel, die bereits länger als eine Sekunde Rot zeigt – führt in der Regel zu einem Fahrverbot. Ein einfacher Rotlichtverstoß (Rotphase bis zu einer Sekunde) wird meist nur mit einem Bußgeld und Punkten geahndet.
Die Messung erfolgte durch eine geeichte Rotlichtüberwachungsanlage vom Typ „Traffipax Traffiphot III“. Das Amtsgericht ging davon aus, die Fahrerin hätte bei Beachtung der notwendigen Sorgfalt das Rotlicht erkennen und vor der Haltelinie – der Linie, an der Fahrzeuge bei Rot warten müssen – anhalten können. Die Betroffene, die verkehrsrechtlich zuvor unauffällig war, legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein. Dies ist ein Rechtsmittel, mit dem Urteile auf Rechtsfehler überprüft werden können, ohne dass eine neue Tatsachenverhandlung stattfindet. Die Generalstaatsanwaltschaft, die in solchen Verfahren die Anklage vertritt, beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Kernfrage: Wie genau misst der alte Blitzer wirklich?
Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem OLG Köln stand die Frage, ob die Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes rechtlich Bestand haben kann. Insbesondere ging es darum, ob die Dauer der Rotlichtphase korrekt bestimmt wurde, da die verwendete Anlage „Traffipax Traffiphot III“ eine ältere Bauart ist. Diese misst nicht direkt an der Haltelinie, sondern löst erst beim Überfahren einer Induktionsschleife – einer im Boden verlegten Kontaktschleife zur Fahrzeugerfassung – aus. Dies macht eine manuelle Rückrechnung der Rotzeit an der Haltelinie erforderlich.
Die Entscheidung des OLG Köln: Zurück an den Start!
Das Oberlandesgericht Köln gab der Rechtsbeschwerde der Frau statt. Das Urteil des Amtsgerichts Aachen wurde mitsamt den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Aachen zurückverwiesen. Das bedeutet, der Fall muss dort neu aufgerollt werden.
Die Begründung: Mangelnde Nachvollziehbarkeit der Rotzeit-Berechnung
Das OLG Köln sah das Urteil des Amtsgerichts als fehlerhaft an, weil die Beweiswürdigung zur Dauer der Rotlichtphase lückenhaft war.
Standardisiertes Messverfahren – Aber mit Haken
Zwar handelt es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung grundsätzlich um ein sogenanntes Standardisiertes Messverfahren. Dies ist ein Verfahren, dessen Zuverlässigkeit unter bestimmten Bedingungen (geeichtes Gerät, geschultes Personal) von der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist. Bei solchen Verfahren kann sich ein Gerichtsurteil oft auf die Nennung des Gerätetyps und des Messergebnisses beschränken. Das Amtsgericht hatte auch wichtige Details wie die Dauer der Gelbphase, die Position der Haltelinie und der Induktionsschleifen sowie die gemessenen Rotlichtzeiten genannt.
Der Knackpunkt: Messung nicht an der Haltelinie
Das entscheidende Problem bei der Anlage „Traffipax Traffiphot III“ ist laut OLG, dass sie die Rotlichtzeit nicht direkt beim Überfahren der Haltelinie erfasst. Das erste Beweisfoto, auf dem im Fall der Betroffenen eine Rotzeit von 1,20 Sekunden registriert wurde, wird erst ausgelöst, wenn das Fahrzeug die erste Induktionsschleife überfährt. Für die rechtliche Bewertung eines Rotlichtverstoßes ist aber ausschließlich die Dauer der Rotphase im Augenblick des Überfahrens der Haltelinie maßgeblich. Die auf dem ersten Foto angezeigte Zeit ist also nicht automatisch die vorwerfbare Rotzeit.
Um den Betroffenen nicht zu benachteiligen, muss die Zeit, die das Fahrzeug zwischen dem Überqueren der Haltelinie und dem Erreichen des ersten Messpunktes (der Induktionsschleife) benötigt, von der auf dem Foto angezeigten Rotlichtzeit abgezogen werden.
Manuelle Rückrechnung: Notwendig aber fehleranfällig
Im Gegensatz zu neueren Geräten nimmt die „Traffipax Traffiphot III“ diese Differenzzeit nicht automatisch vor. Eine manuelle Rückrechnung ist zwingend erforderlich. Anlagen mit zwei Induktionsschleifen, die zwei Fotos auslösen, ermöglichen es, aus der Zeitdifferenz zwischen den Fotos und dem bekannten Abstand der Schleifen eine Durchschnittsgeschwindigkeit des Fahrzeugs zu ermitteln. Diese Geschwindigkeit kann dann genutzt werden, um die Fahrzeit vom Überfahren der Haltelinie bis zum Auslösen des ersten Fotos zu berechnen. Diese berechnete Zeitspanne muss von der gemessenen Rotlichtzeit auf dem ersten Foto abgezogen werden. Diese Methode setzt allerdings eine gleichbleibende Geschwindigkeit des Fahrzeugs voraus.
Lampenverzögerungszeit: Ein weiterer Abzugsfaktor
Die Rückrechnung muss laut OLG nachvollziehbar erfolgen und alle relevanten Parameter berücksichtigen. Dazu gehört auch eine etwaige Lampenverzögerungszeit. Das ist die minimale Zeitspanne, die vom elektrischen Einschalten der roten Ampel bis zum sichtbaren Aufleuchten des Lichts vergeht. Auch diese Zeit muss zugunsten des Betroffenen von der gemessenen Rotzeit abgezogen werden. Diese Verzögerung kann die vorwerfbare Rotlichtzeit um bis zu 0,3 Sekunden, bei sehr langsamer Fahrt sogar um bis zu 0,5 Sekunden reduzieren.
Fehlende Transparenz im Aachener Urteil
Das Amtsgericht Aachen hatte zwar eine Rückrechnung von den gemessenen 1,20 Sekunden auf die letztlich geurteilten 1,01 Sekunden vorgenommen. Für das OLG Köln war jedoch anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar, ob diese Rückrechnung korrekt und ohne Benachteiligung der Betroffenen erfolgt war. Das Amtsgericht hatte lediglich pauschal auf „Berechnungen Bl. 158 f. d. A.“ (Blatt 158 folgende der Akte) verwiesen. Es teilte aber nicht mit, wer diese Berechnungen erstellt hatte, auf welchen konkreten Parametern sie basierten und ob und welche Toleranzen oder Sicherheitsabschläge – insbesondere bezüglich der Lampenverzögerungszeit – zugunsten der Fahrerin berücksichtigt wurden.
Gerade weil die Grenze zum qualifizierten Rotlichtverstoß von einer Sekunde und damit zur Verhängung eines Fahrverbots nur um winzige 0,01 Sekunden überschritten worden sein soll, wäre eine detaillierte und transparente Darstellung der Berechnung unerlässlich gewesen, so das OLG.
Einordnung und juristischer Hintergrund
Diese Entscheidung des OLG Köln unterstreicht die hohen Anforderungen an die Beweisführung bei Rotlichtverstößen, insbesondere wenn die Messwerte knapp an der Schwelle zum qualifizierten Verstoß liegen und ältere Messtechniken zum Einsatz kommen.
Die Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil hat Signalwirkung für ähnliche Fälle. Es mahnt die Amtsgerichte, bei der Verwendung von Messdaten aus älteren Anlagen wie der „Traffipax Traffiphot III“ die notwendigen Rückrechnungen nicht nur durchzuführen, sondern diese auch im Urteil detailliert und nachvollziehbar darzulegen. Pauschale Verweise auf Aktenbestandteile genügen nicht, wenn es um Millisekunden geht, die über ein Fahrverbot entscheiden.
Vor diesem Urteil konnten sich Gerichte möglicherweise stärker auf den pauschalen Verweis auf ein standardisiertes Messverfahren verlassen. Nun ist klarer, dass bei erforderlichen manuellen Korrekturen der Rechenweg transparent gemacht werden muss. Dies stärkt die Rechte von Betroffenen, die Richtigkeit der Messung effektiv überprüfen lassen zu können.
Das zugrundeliegende Rechtsgebiet: Straßenverkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Der Fall bewegt sich im Schnittfeld des Straßenverkehrsrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts.
- Die Pflicht, an einer roten Ampel anzuhalten, ergibt sich aus § 37 Absatz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO).
- Ein Verstoß dagegen stellt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 StVO dar.
- Die konkreten Bußgelder und die Frage eines Fahrverbots regelt die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV). Ein qualifizierter Rotlichtverstoß (Rotlichtdauer über einer Sekunde) ist in Nummer 132.3 des Bußgeldkatalogs (Anhang zu § 1 Absatz 1 BKatV) definiert und sieht neben einer Geldbuße von 200 Euro (Regelsatz) und zwei Punkten in Flensburg in der Regel ein einmonatiges Fahrverbot vor.
- Die Aufhebung und Zurückverweisung des Falls erfolgte auf Grundlage des § 79 Absatz 6 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG).
Mögliche Auswirkungen und juristischer Kontext
Die Entscheidung des OLG Köln könnte dazu führen, dass Gerichte bei Rotlichtverstößen, die mit älteren Geräten gemessen wurden und bei denen die Rotzeit knapp über einer Sekunde liegt, genauer hinschauen müssen.
Erhöhte Anforderungen an Urteilsbegründungen
Amtsgerichte werden künftig noch sorgfältiger darauf achten müssen, die Berechnung der relevanten Rotlichtdauer – insbesondere die vorgenommenen Korrekturen und Sicherheitsabschläge – in ihren Urteilen lückenlos zu dokumentieren. Fehlt diese Transparenz, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Urteil in der nächsten Instanz aufgehoben wird. Dies gilt umso mehr, als die Technik der „Traffipax Traffiphot III“ zwar als standardisiertes Messverfahren anerkannt ist, die notwendige manuelle Rückrechnung aber eine potentielle Fehlerquelle darstellt.
Bedeutung für Betroffene
Für Autofahrer, denen ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorgeworfen wird, der auf einer Messung mit einem älteren Gerätetyp beruht, kann es sich lohnen, die Berechnung der Rotzeit genau zu hinterfragen. Insbesondere wenn der Wert nur knapp über der Ein-Sekunden-Grenze liegt, können schon kleine Ungenauigkeiten oder nicht berücksichtigte Toleranzen (wie die Lampenverzögerungszeit) dazu führen, dass kein qualifizierter, sondern nur ein einfacher Rotlichtverstoß vorliegt – und damit das Fahrverbot entfällt.
Das OLG Köln wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass das Amtsgericht im neuen Verfahren gegebenenfalls die Heranziehung eines Sachverständigen in Erwägung ziehen müsse, um die Rotlichtdauer exakt zu bestimmen. Dies unterstreicht den Stellenwert einer präzisen technischen Aufklärung in solchen Grenzfällen. Im Kern spiegelt die Entscheidung auch den Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten bzw. Betroffenen) wider: Bestehen nicht auszuräumende Zweifel an der exakten Dauer der Rotlichtphase, darf dies nicht zulasten des Bürgers gehen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des OLG Köln zeigt, dass bei der Verhängung eines Fahrverbots wegen Rotlichtverstoß jede Millisekunde zählt und die Berechnung der genauen Rotlichtdauer lückenlos nachvollziehbar sein muss, besonders bei älteren Blitzeranlagen. Für Autofahrer bedeutet dies, dass bei knappen Messwerten (hier: nur 0,01 Sekunden über der kritischen Ein-Sekunden-Marke) eine genaue Überprüfung der Berechnung sinnvoll sein kann, da Faktoren wie die Lampenverzögerungszeit berücksichtigt werden müssen. Das Gericht stärkt damit den Grundsatz „im Zweifel für den Betroffenen“ und fordert von Amtsgerichten mehr Transparenz bei der Beweiswürdigung.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau ist ein qualifizierter Rotlichtverstoß und warum ist er so relevant?
Im Straßenverkehr gelten klare Regeln, um die Sicherheit aller zu gewährleisten. Dazu gehört auch, an einer roten Ampel anzuhalten. Wenn Sie eine rote Ampel überfahren, spricht man von einem Rotlichtverstoß. Aber es gibt hier einen wichtigen Unterschied, der über die möglichen Folgen entscheidet: den Unterschied zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Rotlichtverstoß.
Ein einfacher Rotlichtverstoß liegt vor, wenn Sie die Haltelinie überfahren, während die Ampel rot ist, aber die Ampel weniger als eine Sekunde rot war. Stellen Sie sich vor, die Ampel schaltet gerade auf Rot und Sie rutschen noch knapp darüber oder fahren in diesem sehr kurzen Zeitraum los.
Der entscheidende Unterschied: Die „eine Sekunde“
Der Verstoß wird als qualifizierter Rotlichtverstoß eingestuft, wenn die Ampel bereits eine Sekunde oder länger auf Rot stand, als Sie die Haltelinie überfahren haben. Dies ist der zentrale Punkt: Die Zeit, die seit dem Umschalten auf Rot vergangen ist, ist entscheidend. Diese Zeitspanne wird oft durch spezielle Kamerasysteme dokumentiert, die zwei Fotos im Abstand von oft einer Sekunde machen, um genau nachzuweisen, wie lange die Ampel bereits rot war.
Warum ist dieser Unterschied so wichtig? Die Folgen
Die Relevanz des qualifizierten Rotlichtverstoßes liegt in den deutlich strengeren Konsequenzen im Vergleich zum einfachen Verstoß.
- Bei einem einfachen Rotlichtverstoß ohne Gefährdung oder Sachbeschädigung erwarten Sie in der Regel ein höheres Bußgeld und Punkte in Flensburg.
- Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß hingegen, also wenn die Ampel schon eine Sekunde oder länger rot war, drohen neben einem sehr hohen Bußgeld und Punkten in Flensburg fast immer auch ein Fahrverbot von mindestens einem Monat. Der Gesetzgeber sieht darin eine wesentlich schwerwiegendere Missachtung der Verkehrsregeln, da die Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer nach Ablauf einer Sekunde Rotlicht signifikant steigt, da diese mit Grünlicht rechnen und losfahren könnten.
Für Sie bedeutet das, dass es für die möglichen Strafen einen großen Unterschied macht, ob die Ampel beim Überfahren gerade erst auf Rot geschaltet hatte oder schon eine Weile rot war. Die Grenze von einer Sekunde ist hier das maßgebliche Kriterium, das aus einem teuren Fehler schnell ein schwerwiegendes Verkehrsdelikt mit Führerscheinentzug machen kann.
Wie funktionieren ältere Rotlichtblitzer und warum ist ihre Messgenauigkeit problematisch?
Ältere Rotlichtblitzer, die oft auch als „Starenkästen“ bezeichnet werden, funktionieren technisch anders als viele moderne Systeme. Sie messen den Rotlichtverstoß nicht direkt an der Haltelinie mittels optischer Sensoren, sondern nutzen Induktionsschleifen, die in die Fahrbahn eingelassen sind.
Messung mit Induktionsschleifen
Stellen Sie sich die Induktionsschleifen als unsichtbare „Drähte“ oder Sensoren vor, die unter dem Asphalt verlegt sind. Typischerweise gibt es zwei Sätze von Schleifen:
- Eine erste Schleife oder Schleifengruppe, die hinter der Haltelinie liegt.
- Eine zweite Schleife oder Schleifengruppe, die weiter im Kreuzungsbereich liegt.
Das System registriert, wenn ein Fahrzeug über diese Schleifen fährt. Wenn die Ampel auf Rot schaltet, startet eine Zeiterfassung. Fährt ein Fahrzeug dann über die erste Schleife hinter der Haltelinie, während die Ampel bereits eine bestimmte Zeit (z.B. länger als 1 Sekunde) auf Rot steht, wird das erste Beweisfoto ausgelöst. Fährt das Fahrzeug anschließend auch noch über die zweite Schleife weiter im Kreuzungsbereich, wird das zweite Beweisfoto gemacht.
Das Problem der Messgenauigkeit
Das Hauptproblem bei älteren Systemen mit Induktionsschleifen liegt in ihrer technischen Messmethode und der Position der Schleifen:
- Messung erfolgt hinter der Haltelinie: Die Messung beginnt nicht exakt dort, wo Sie als Fahrer anhalten müssen (der Haltelinie). Die erste Induktionsschleife liegt immer einige Meter hinter der Haltelinie. Das System erfasst also erst einen Verstoß, wenn das Fahrzeug die Haltelinie bereits überfahren und die erste Schleife erreicht hat.
- Unsicherheit beim Überfahren der Haltelinie: Für die juristische Bewertung ist entscheidend, ob das Fahrzeug bei Rot in den geschützten Bereich der Kreuzung eingefahren ist. Die Induktionsschleife misst aber nur, ob das Fahrzeug ihren spezifischen Bereich überfahren hat. Es kann sein, dass ein Fahrzeug zwar die Haltelinie überfahren hat und über die erste Schleife gefahren ist, aber dennoch vor dem eigentlichen Gefahrenbereich der Kreuzung zum Stehen kam. Das System registriert dies aber als Verstoß, da es auf das Überfahren der Schleife reagiert.
- Beeinflussung durch Verkehr: Auch Faktoren wie dicht aufeinanderfolgender Verkehr können unter Umständen die Messung beeinflussen, da das System eventuell Schwierigkeiten hat, einzelne Fahrzeuge exakt zu identifizieren, wenn sie sehr nah beieinander die Schleifen überfahren.
Bedeutung der Schleifenposition für die Bewertung
Die genaue Position der Induktionsschleifen relativ zur Haltelinie und zum Beginn des Kreuzungsbereichs ist daher von großer Bedeutung. Gerichte, wie beispielsweise das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einer bekannten Entscheidung zu diesem Thema, haben darauf hingewiesen, dass die Messung aufgrund der Positionierung der Schleifen zu Ungenauigkeiten führen kann. Die festgestellte Position des Fahrzeugs auf dem Foto (über der ersten Schleife) bedeutet nicht zwingend, dass es bereits weit in die Kreuzung eingefahren war oder die Haltelinie zu einem bestimmten Zeitpunkt überfahren hat, der exakt mit dem Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes korreliert.
Kurz gesagt: Ältere Systeme messen indirekt über Schleifen hinter der Haltelinie, was im Vergleich zu modernen Systemen, die näher an der Haltelinie oder optisch messen, eine potentielle Fehlerquelle bei der genauen Bestimmung des Verstoßes darstellt, insbesondere im Hinblick auf die exakte Position des Fahrzeugs im Moment der Messung und den Abstand zur eigentlichen Gefahrenstelle (der Kreuzung).
Was bedeutet „standardisiertes Messverfahren“ und welche Rolle spielt es bei der Beweisführung vor Gericht?
Ein „standardisiertes Messverfahren“ beschreibt eine Methode zur Datenerhebung, die nach festgelegten und erprobten Regeln abläuft und speziell dafür entwickelte, überprüfte Geräte verwendet. Stellen Sie sich das wie ein wissenschaftliches Experiment vor, das immer unter denselben Bedingungen und mit denselben Instrumenten durchgeführt wird, um vergleichbare und verlässliche Ergebnisse zu erzielen.
Warum sind standardisierte Messverfahren wichtig?
Für Gerichte sind die Ergebnisse solcher Verfahren oft wertvolle Beweismittel. Der Grund ist, dass diese Methoden und Geräte im Allgemeinen als zuverlässig gelten, weil sie nach wissenschaftlichen Standards entwickelt und getestet wurden. Wenn beispielsweise Ihre Geschwindigkeit im Straßenverkehr gemessen wird, geschieht dies meist mit einem standardisierten Verfahren und einem geeichten Gerät. Das Gericht geht dann zunächst davon aus, dass das Ergebnis dieser Messung korrekt ist.
Diese grundsätzliche Annahme der Zuverlässigkeit erleichtert die Arbeit der Gerichte erheblich, da nicht in jedem Einzelfall neu geprüft werden muss, ob die Messmethode überhaupt tauglich ist. Stattdessen kann sich das Gericht auf das Ergebnis des standardisierten Verfahrens stützen, um wichtige Tatsachen festzustellen.
Gibt es trotzdem Fehlerquellen?
Obwohl standardisierte Messverfahren als sehr zuverlässig gelten, bedeutet das nicht, dass die Ergebnisse unfehlbar sind. Auch bei solchen Verfahren und den eingesetzten Geräten können Fehler auftreten. Mögliche Ursachen können zum Beispiel eine fehlerhafte Bedienung, eine technische Störung des Geräts, eine fehlende oder fehlerhafte Wartung oder Umwelteinflüsse sein, die das Messergebnis verfälschen.
Wenn es im Gerichtsverfahren Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Messergebnisses gibt, können diese Zweifel geprüft werden. Das Gericht betrachtet dann, ob bei der konkreten Messung alles korrekt abgelaufen ist und ob mögliche Fehlerquellen ausgeschlossen werden können. Die grundsätzliche Zuverlässigkeit des Verfahrens bildet also eine starke Basis, aber die Umstände des Einzelfalls können immer eine Überprüfung notwendig machen.
Was bedeutet es, wenn ein Urteil „zurückverwiesen“ wird, und welche Auswirkungen hat das auf den Betroffenen?
Wenn ein Urteil „zurückverwiesen“ wird, bedeutet dies, dass ein höheres Gericht die Entscheidung eines niedrigeren Gerichts überprüft hat und dabei erhebliche Mängel festgestellt hat. Anstatt selbst eine endgültige Entscheidung in der Sache zu treffen, schickt das höhere Gericht den Fall an das niedrigere Gericht zurück. Man könnte sich das vorstellen wie eine Aufgabe, die ein Lehrer (höheres Gericht) einem Schüler (niedrigeres Gericht) zurückgibt, weil sie fehlerhaft gelöst wurde, mit der Aufforderung, sie unter Beachtung bestimmter Vorgaben neu zu bearbeiten.
Eine Zurückverweisung erfolgt meist dann, wenn das höhere Gericht der Meinung ist, dass das niedrigere Gericht grundlegende Verfahrensfehler gemacht hat oder die entscheidenden Tatsachen nicht richtig oder nicht vollständig ermittelt hat. Das höhere Gericht kann in solchen Fällen die fehlerhafte Entscheidung des niedrigeren Gerichts aufheben. Es verweist den Fall zurück, damit das niedrigere Gericht den Sachverhalt erneut prüfen und eine neue Entscheidung treffen kann.
Für den Betroffenen bedeutet die Zurückverweisung zunächst einmal, dass das ursprünglich ergangene Urteil nicht mehr gültig ist. Der Fall ist damit aber nicht automatisch „gewonnen“. Vielmehr wird das Verfahren vor dem ursprünglich zuständigen Gericht (dem niedrigeren Gericht) wieder aufgenommen. Das Gericht muss sich erneut mit dem Fall befassen, dabei die rechtlichen Hinweise des höheren Gerichts berücksichtigen und die notwendigen Schritte zur Klärung des Sachverhalts nachholen.
Die Auswirkungen für den Betroffenen können unterschiedlich sein. Einerseits besteht die Chance, dass das Gericht nach der erneuten Prüfung zu einem für ihn günstigeren Ergebnis kommt, da die Fehler des ersten Urteils behoben werden müssen. Andererseits kann das erneute Verfahren Zeit in Anspruch nehmen und ist mit Unsicherheit verbunden, da der Ausgang wieder offen ist und auch ein für den Betroffenen ungünstiges Ergebnis möglich ist. Der Fall wird also neu aufgerollt, was sowohl Chancen als auch Risiken birgt.
Welche Rechte habe ich, wenn ich glaube, dass ein Rotlichtverstoß ungenau gemessen wurde?
Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Messung eines Rotlichtverstoßes möglicherweise nicht korrekt war, gibt es Schritte, die Sie unternehmen können, um den Sachverhalt zu prüfen.
Nachdem Sie eine Mitteilung über den Rotlichtverstoß erhalten haben, meist in Form eines Anhörungsbogens oder eines Bußgeldbescheids, haben Sie die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen oder Einspruch einzulegen.
Ein zentrales Recht in dieser Situation ist das Recht auf Akteneinsicht. Dies bedeutet, dass Sie die Möglichkeit haben, die behördlichen Unterlagen einzusehen, die dem Vorwurf zugrunde liegen. Dazu gehören beispielsweise:
- Das Messprotokoll des verwendeten Geräts.
- Fotos oder Videos, die den Verstoß dokumentieren.
- Unterlagen zur Eichung und Wartung des Messgeräts.
- Informationen zur Aufstellung und Bedienung des Geräts zum Zeitpunkt der Messung.
Durch die Akteneinsicht können Sie oder jemand, der Sie unterstützt, die Beweismittel prüfen und mögliche Fehler oder Ungenauigkeiten bei der Messung feststellen. Solche Fehler könnten beispielsweise auf eine veraltete Eichung, eine falsche Aufstellung des Geräts, Probleme mit den Fotos (z. B. mehrere Fahrzeuge gleichzeitig im Bild) oder formelle Fehler im Bescheid hindeuten.
Wenn Sie nach der Prüfung der Unterlagen Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben, können Sie Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Dieser Einspruch muss bestimmte Fristen und Formen einhalten. Das zuständige Gericht wird dann den Fall prüfen.
Es ist wichtig zu wissen, dass die Beweislast für den Verstoß grundsätzlich bei der Behörde liegt. Allerdings gelten viele standardisierte Messverfahren als zuverlässig, und es bedarf konkreter Anhaltspunkte für Messfehler, um den Vorwurf zu entkräften.
Die genauen Umstände jedes Falles sind entscheidend. Daher ist eine sorgfältige Prüfung der vorhandenen Beweismittel und Unterlagen der erste Schritt, wenn Sie eine Messung anzweifeln.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Qualifizierter Rotlichtverstoß
Ein qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn das Fahrzeug die Haltelinie an einer Ampel überfährt, die mindestens eine Sekunde bereits rot zeigt. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil ab dieser Zeitspanne strengere Sanktionen gelten, darunter in der Regel ein Fahrverbot von einem Monat zusätzlich zu Geldbuße und Punkten im Fahreignungsregister (BKatV Nr. 132.3). Die genaue Messung dieser Rotlichtdauer ist daher entscheidend, da eine Abweichung von Millisekunden über die Schwere des Verstoßes und die damit verbundenen Strafen entscheiden kann.
Beispiel: Wenn die Ampel gerade eine Sekunde oder länger rot war, als Sie über die Haltelinie fuhren, droht ein Fahrverbot; bei weniger als einer Sekunde dagegen meist nur ein Bußgeld.
Induktionsschleife
Eine Induktionsschleife ist ein im Straßenbelag unter dem Asphalt verlegter Drahtkreis, der ein elektromagnetisches Feld erzeugt und Fahrzeuge beim Überfahren registriert. In älteren Rotlichtüberwachungsanlagen lösen die Induktionsschleifen das Blitzen der Kamera aus, wenn ein Fahrzeug sie überfährt, was allerdings oft erst einige Meter hinter der Haltelinie geschieht. Da die Rechtsbewertung des Rotlichtverstoßes auf der Ampeldauer zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie basiert, muss bei älteren Anlagen die Zeit vom Überfahren der Haltelinie bis zur Induktionsschleife manuell herausgerechnet werden, um die tatsächliche Rotlichtdauer korrekt zu bestimmen.
Beispiel: Die Kamera macht Fotos erst, wenn das Auto über die Schleife hinter der Haltelinie fährt; die eigentliche Zeit, die seit Rot an der Haltelinie vergangen ist, muss daher berechnet werden, damit das Ergebnis rechtlich verwertbar ist.
Standardisiertes Messverfahren
Ein standardisiertes Messverfahren ist ein Messverfahren, das nach anerkannten und erprobten Regeln mit speziell entwickelten, geeichten Geräten durchgeführt wird. Vor Gericht genießt es eine sogenannte Vermutung der Richtigkeit, weil solche Verfahren unter kontrollierten Bedingungen zuverlässig und reproduzierbar sind. Dennoch verpflichtet die Rechtsprechung dazu, bei Zweifeln in einzelnen Fällen, etwa bei älteren Messgeräten oder manuellen Berechnungen, genau darzulegen, wie das Messergebnis zustande kam und welche Korrekturen vorgenommen wurden, um eine rechtsstaatliche Überprüfung zu ermöglichen.
Beispiel: Ein standardisiertes Messverfahren ist wie eine offiziell zertifizierte Waage, deren Messergebnis grundsätzlich als korrekt gilt, solange keine Anhaltspunkte für Fehler vorliegen.
Manuelle Rückrechnung
Die manuelle Rückrechnung ist ein rechnerisches Verfahren, um aus der rotlichtbezogenen Messzeit hinter der Haltelinie die tatsächliche Rotlichtdauer im Moment des Überfahrens der Haltelinie zu bestimmen. Bei älteren Rotlichtblitzern, die nur an einer Induktionsschleife hinter der Haltelinie messen, wird die Zeitspanne zwischen der Haltelinie und der Induktionsschleife mithilfe von Fahrzeuggeschwindigkeit und Streckenlänge berechnet und von der gemessenen Rotzeit abgezogen. Ohne diese Korrektur kann keine korrekte rechtliche Bewertung des Rotlichtverstoßes erfolgen, da sonst eine längere Rotlichtzeit angesetzt wird als tatsächlich zulasten des Fahrers geht.
Beispiel: Wenn das erste Foto nach 1,20 Sekunden Rot aufnimmt, das Fahrzeug aber 0,19 Sekunden benötigt, um von der Haltelinie zur Induktionsschleife zu fahren, muss diese Zeit abgezogen werden, sodass die tatsächliche Rotzeit 1,01 Sekunden beträgt.
Lampenverzögerungszeit
Die Lampenverzögerungszeit bezeichnet die minimale Verzögerung zwischen dem elektrischen Einschalten der roten Ampel und dem praktischen Sichtbarwerden des roten Lichts für den Fahrer. Diese Zeitspanne, die technisch bedingt bis zu etwa 0,3 Sekunden oder sogar 0,5 Sekunden betragen kann, muss bei der Ermittlung der Rotlichtdauer zugunsten des Betroffenen von der gemessenen Zeit abgezogen werden. Dadurch wird verhindert, dass der Fahrer für Zeiten bestraft wird, in denen das Signal zwar technisch an war, er sie aber noch nicht erkennen konnte.
Beispiel: Wenn eine Ampel technisch schon rot ist, das Licht für den Fahrer aber erst 0,3 Sekunden später sichtbar wird, gilt diese Verzögerungszeit nicht als tatsächliche Rotphase aus Fahrersicht und muss berücksichtigt werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 37 Absatz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Regelt die Pflicht, an einer roten Ampel anzuhalten, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die 72-jährige Fahrerin wird vorgeworfen, diese Pflicht durch das Überfahren einer rot zeigenden Ampel verletzt zu haben.
- § 49 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Bestimmt, dass das Überfahren einer roten Ampel eine Ordnungswidrigkeit ist und regelt die Ahndung. Die Einteilung in einfachen und qualifizierten Rotlichtverstoß ist relevant für Sanktionen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Differenzierung zwischen einfachem und qualifiziertem Rotlichtverstoß bestimmt, ob neben Geldbuße auch ein Fahrverbot verhängt wird.
- Nummer 132.3 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV): Definiert den qualifizierten Rotlichtverstoß bei Überschreiten einer Rotphase von über einer Sekunde, der in der Regel ein Fahrverbot von einem Monat inklusive Geldbuße und Punkten mit sich bringt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Fahrerin soll die Ampel 1,01 Sekunden nach Rot überfahren haben, wodurch ein Fahrverbot gemäß dieser Vorschrift verhängt wurde.
- § 79 Absatz 6 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG): Regelt die Rechtsbeschwerde gegen Urteile in Ordnungswidrigkeitenverfahren und ermöglicht die Überprüfung auf Rechtsfehler. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rechtsbeschwerde der Fahrerin führte zur Aufhebung des Urteils, da das OLG Köln Fehler in der Beweiswürdigung erkannte.
- Grundsatz „standardisiertes Messverfahren“ im Verkehrsrecht: Anerkennt, dass von geeichten, rechtlich zugelassenen Geräten gemessene Werte Gerichte grundsätzlich ohne weiteren Beweis akzeptieren können, wenn die Messung korrekt erfolgt ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Messanlage Traffipax Traffiphot III ist standardisiert, aber wegen der notwendigen manuellen Rückrechnung ist die Messung anfälliger für Fehler, was das OLG beanstandete.
- Grundsatz „in dubio pro reo“: Im Zweifel für den Angeklagten besagt, dass bei nicht auszuräumenden Zweifeln an der Schuld die Entscheidung zugunsten des Betroffenen getroffen werden muss. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG sah angesichts fehlender Nachvollziehbarkeit der Rückrechnung die Zweifel zulasten der Betroffenen und hob deswegen das Urteil auf.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Köln – Az.: 1 ORbs 280/24 – Beschluss vom 29.11.2024
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