Skip to content
Menü

Rotlichtverstoß an unübersichtlicher Kreuzung – Absehen von Fahrverbot

OLG Karlsruhe – Az.: 1 Rb 34 Ss 457/21 – Beschluss vom 02.08.2021

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe 18. Mai 2021 (9 OWi 100 Js 11152/21) im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.

Gründe

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe 18.05.2021 wurde die Betroffene wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt. Ihr wird zur Last gelegt, sie habe am … .08.2020 um 21:55 Uhr als Führerin des Pkws, amtliches Kennzeichen …, auf der B10 Kesslerstraße in Fahrtrichtung Kriegsstraße das für sie geltende Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage missachtet, wobei die Rotphase bei Überquerung der dortigen Haltelinie bereits ca. 36,13 Sekunden angedauert habe, und in der Folge die Kreuzung in einem Zug durchquert. Nach den weiteren Feststellungen hätte die Betroffene bei der gebotenen Aufmerksamkeit diesen Rotlichtverstoß unschwer vermeiden können.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat hiergegen form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. Sie erstrebt die Verhängung des im Bußgeldbescheid der Stadt Karlsruhe vom 05.11.2020 vorgesehenen einmonatigen Regelfahrverbots, welches durch das Urteil vom 18.05.2021 in Wegfall geriet. Der Verteidiger der Betroffenen trat der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft mit Gegenerklärung vom 25.06.2021 entgegen und hat beantragt die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthaft, da durch das Urteil von der Verhängung des im Bußgeldbescheid vorgesehenen Fahrverbots unter Erhöhung Geldbuße abgesehen wurde. Sie wurde auch form- und fristgerecht erhoben. Die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch erweist sich ebenfalls als zulässig, da das Urteil jedenfalls noch ausreichende tatsächliche Feststellungen enthält um den Schuldspruch zu tragen. Auch wurde durch die Beschränkung auf die gesamte Rechtsfolgenentscheidung beachtet, dass wegen der Wechselwirkung von Bußgeld und Fahrverbot die Nichtverhängung des Fahrverbots nicht isoliert zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 10.11.2004 – 1 Ss 94/04, NZV 2005, 54).

2. Die Sachrüge ist auch begründet.

Dass das Amtsgericht für den fahrlässigen Rotlichtverstoß das nach Anlage BKatVO Nr. 132.3 vorgesehene Regelbußgeld unter dem Wegfall des Fahrverbotes angemessen erhöht hat, wäre nach der Vorschrift des § 4 Abs. 4 BKatV bei einem ausnahmsweisen Absehen von der Anordnung eines Fahrverbots zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Jedoch tragen die Gründe den Wegfall des vorgesehenen Regelfahrverbots von einem Monat hier unter Annahme eines Augenblickversagens nicht. Das Amtsgericht führte insoweit aus, dass die Lichtzeichenanlage Kesslerstraße aus zahlreichen Parallelverfahren gerichtsbekannt für die betroffenen PKW-Fahrer höchst unübersichtlich sei. Dies sei der Fall, weil an dieser Stelle zwei Lichtzeichenanlagen in sehr kurzem Abstand aufeinander folgen. Die erste Lichtzeichenanlage werde oft übersehen, weil sich die Fahrzeugführer auf die zweite Anlage konzentrieren würden. Dort komme es dann extrem überdurchschnittlich zu Rotlichtverstößen mit ungewöhnlich lang andauernden Rotphasen. Zu dem konkreten Geschehen am … .08.2020 führt das Amtsgericht lediglich aus, dass die Betroffene ortsfremd sei, die Lichtzeichenanlage mithin nicht gekannt habe, weshalb von einem Augenblickversagen auszugehen gewesen sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erachte das Gericht die Festsetzung eines Fahrverbots nicht für angezeigt und die Festsetzung einer erhöhten Geldbuße von 300 Euro für angemessen.

Das Amtsgericht geht hierbei im Ansatz zutreffend davon aus, dass in Fällen des Augenblickversagens trotz des im BKatV beschriebene Regelfalls, der die Annahme einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs.1 StVG rechtfertigt, es an einer ausreichenden individuellen Vorwerfbarkeit fehlt. Ein Fahrverbot ist nämlich nur dann veranlasst, wenn der Verstoß auch subjektiv auf besonders grobem Leichtsinn, Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht und einen so hohen Grad an Verantwortungslosigkeit aufweist, dass es zur Einwirkung auf den Betroffenen grundsätzlich eines ausdrücklichen Denkzettels durch ein Fahrverbot bedarf (Senat, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 Ss 69/06, BeckRS 2006, 13398 m.w.N.).

Rotlichtverstoß an unübersichtlicher Kreuzung - Absehen von Fahrverbot
(Symbolfoto: monticello/Shutterstock.com)

Die dargelegten Feststellungen des Amtsgerichts tragen diese Annahme indes nicht. Allein der Umstand, dass auch andere Verkehrsteilnehmer, die einen vergleichbaren Rotlichtverstoß begingen, ähnliches geltend gemacht haben, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, es liege nur eine mindere Nachlässigkeit vor. Insoweit wären Feststellungen zur Verkehrssituation zu treffen, die das von der Betroffenen geschilderte Übersehen der Lichtzeichenanlage an der Kreuzung Kesslerstraße als Fehler erscheinen lassen, der an dieser Stelle jedem sorgfältigen und gewissenhaften Fahrer unterlaufen könnte. Indes hat sich die Betroffene nach den Urteilsfeststellungen hierzu überhaupt nicht dahingehend eingelassen. Vielmehr unterstellt das Amtsgericht aus anderweitigen Parallelverfahren eine für die Betroffene günstige Einlassung.

Schließlich hat die Generalstaatsanwaltschaft in Ihrer Antragsschrift vom 15.07.2021 zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht ein nicht unwesentliches Indiz für die Frage eines Augenblickversagens nicht erörtert hat. Ausweislich der nach dem Hauptverhandlungsprotokoll in Augenschein genommenen Lichtbilder (AS. 11-13) ist deutlich erkennbar, dass auf der parallel verlaufenden linken Fahrspur bereits ein PKW aufgrund der länger andauernde Rotphase an der Haltelinie stand, als die Betroffene auf der rechten Fahrspur die Haltelinie ohne anzuhalten mit ihrem Fahrzeug überquerte.

Soweit in einem früheren Verfahren vor dem Senat zu eben dieser Kreuzung festgestellt worden war, es handele sich um eine größere mit einem Haltestreifen auf der Fahrbahn markierte und ohne weiteres erkennbare Kreuzung mit drei Fahrspuren, an welcher Ampeln rechts und links der Fahrbahn aufgestellt sind (Senat, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 Ss 69/06, BeckRS 2006, 13398) spräche dies gegen eine solche Annahme, wobei der Senat als Rechtsbeschwerdegericht jedoch nicht beurteilen kann, ob dies (noch immer und vollständig) den örtlichen Verhältnissen entspricht. Insoweit bleibt die Feststellung der Verhältnisse an dieser Kreuzungsanlage zur Tatzeit dem Tatrichter vorbehalten. Gleiches gilt für etwaige sonstige Umstände, die ein Augenblickversagen tragen könnten.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufzuheben. Da neue Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, verweist der Senat die Sache zurück. Für eine Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts oder ein anderes Amtsgericht des Landes nach § 79 Abs. 6 OWiG in Verbindung mit § 354 StPO besteht kein Anlass.

Die Zuständigkeit des Einzelrichters folgt aus § 80a Abs. 1 OWiG, eine Übertragung der Sache nach § 80a Abs. 3 OWiG an den Senat für Bußgeldsachen in der Besetzung mit drei Richtern kam nicht in Betracht.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!