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Rotlichtverstoß Absehen von Fahrverbot unter Regelgeldbussenerhöhung

AG Dortmund – Az.: 729 OWi – 253 Js 1054/21 – 83/21 – Urteil vom 05.08.2021

Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 440,00 € verurteilt.

Ihr wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 100,00 € jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit dem 1. des Folgemonats nach Erhalt der Zahlungsaufforderung, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.

Die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen trägt die Betroffene.

Angewendete Vorschriften: §§ 37 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG, 132.3 BKat.

Gründe

Die Betroffene hat im Rahmen der Hauptverhandlung ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolge beschränkt.

Die Betroffene ist verheiratet und Mutter dreier Kinder. Ihr ältestes Kind von 12 Jahren lebt bei ihren Eltern. Es stammt aus einer 1. Beziehung. Aus der Ehe stammen zwei Kinder im Alter von 9 Jahren und von 2 ½ Jahren. Das jüngere Kind geht in eine Kindertagesstätte in B, das ältere in die 4. Klasse der Grundschule in unmittelbarer Nähe der Kindertagesstätte. Beide Einrichtungen sind in der Gegend der Straße „X“, einer ländlichen Straße, die von B nach Südwesten führt. Die Betroffene bringt beide Kinder morgens gegen 07:30 Uhr mit ihrem privaten Pkw zur Kita bzw. zur Grundschule und geht im Anschluss ihrer Tätigkeit als auszubildende Kauffrau im Gesundheitswesen nach. Als solche verdient sie monatlich 864,00 € brutto. Die Ausbildung hat sie zum 01.08.2021 begonnen. Sie hat 30 Tage Urlaub jährlich, für das Rumpfjahr 2021 daher entsprechend weniger. 3 Tage pro Woche arbeitet sie im Betrieb, an 2 Tagen fährt sie mit ihrem privaten Pkw zur Berufsschule nach C. Jeweils nach der Arbeit holt sie die Kinder von der Kindertagesstätte bzw. der Schule ab. Die Kindertagesstätte und die Kita sind in B derart weit vom Wohnort der Betroffenen entfernt, das der Transport der Kinder per Pkw erfolgen muss. Der Ehemann der Betroffenen ist im Garten- und Landschaftsbau angestellt. Er verdient monatlich etwa 2.400,00 € netto. Im Rahmen seiner Tätigkeit arbeitet er regelmäßig auf Baustellen außerhalb von B, so dass er Fahrtätigkeiten für die Betroffene nicht übernehmen kann und sie auch bei der Kindertransportproblematik nicht unterstützen kann. Die Eheleute haben in B ein freistehendes Einfamilienhaus erworben und müssen hierfür noch etwa 120.000,00 € abzahlen. Die monatliche Darlehnsrate beträgt 475,00 €.

Die Betroffene ist verkehrsrechtlich lediglich einmal vorbelastet:

Am 18.06.2020 (Rechtskraft: 07.07.2020) setzte die Stadt B gegen die Betroffene eine Geldbuße von 100,00 € aufgrund eines Handy-Verstoßes (§§ 23 Abs. I a, 49 StVO, 24 StVG) fest.

Am 12.12.2020 um 15:49 Uhr befuhr die Betroffene in D. den S. in Höhe 5-9 als Führerin eines Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XX -XX XXX des Fabrikats Y und missachtete hierbei die an der Tatörtlichkeit aufgestellte Lichtzeichenanlage. Sie überfuhr den Haltestreifen an der Lichtzeichenanlage, obgleich die Rotlichtphase zu dieser Zeit schon länger als 1 Sekunde andauerte, nämlich mindestens 1,7 Sekunden.

Der Rotlichtverstoß wurde festgestellt mittels des Messgerätes PoliScan FM1. Das Gerät wurde am Tattage in gültig geeichtem Zustand entsprechend der Bedienungsanleitung genutzt. Die gemessene Rotlichtzeit betrug 2,29 Sekunden, so dass sich nach Toleranzabzug eine vorwerfbare Rotlichtdauer von 1,7 Sekunden ergab.

Diese Feststellungen beruhen bereits auf den im Bußgeldbescheid enthaltenen Feststellungen, die infolge der Einspruchsbeschränkung der Betroffenen bindend geworden sind. Das Gericht hat gleichwohl sicherheitshalber Beweis zu dem Tatvorwurf erhoben.

Die Betroffene hat ihre Fahrereigenschaft zugestanden und meinte zunächst im Rahmen ihrer Einlassung, sie sei noch bei Gelb über die Ampel gefahren. Sie habe zuvor ihren Sohn im Krankenhaus besucht, dem die Schädeldecke abgenommen worden sei.

Diese Angaben der Betroffenen zu dem Fahrtanlass nach Dortmund erschienen dem Gericht durchaus plausibel und konnten durch die Betroffene noch weiter ausgeführt werden.

Rotlichtverstoß Absehen von Fahrverbot unter Regelgeldbussenerhöhung
(Symbolfoto: monticello/Shutterstock.com)

Die Täterschaft der Betroffenen konnte das Gericht auch feststellen durch Lichtbildvergleich mit einem Ausschnitt des Täterfotos (Bl. 28 d.A.), den das Gericht in Augenschein genommen hat.

Es handelt sich hierbei um eine qualitativ gutes Messfoto, auf das gemäß § 267 Abs. I Satz 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG Bezug genommen wird und das die Betroffene gut erkennbar oder wesentliche Verdeckungen und klar konturiert als Fahrzeugführerin zeigt.

Sichtbar sind das Gesicht der Betroffenen und der Haaransatz der Betroffenen. Auch der Hals der Betroffenen ist erkennbar. Im Brustbereich sind die Umrisse des Lenkrades und des Scheibenwischers des Fahrzeugs erkennbar. Über den Haaransatz erkennbar ist der Innenspiegel des Tatfahrzeugs. Den Verstoß selbst konnte das Gericht feststellen durch Inaugenscheinnahme des Verstoß-Fotos, das durch das Messgerät gefertigt wurde.

Insoweit wird auf das Lichtbild Bl. 29 d.A. Bezug genommen nach vorgenannten Vorschriften.

Erkennbar sind dort im vorderen Bereich zwei weitere Fahrzeuge und im hinteren Bildbereich das Fahrzeug der Betroffenen, das von einem digital eingespielten Rahmen im Frontbereich markiert wird. Erkennbar sind auch die Arme der Lichtzeichenanlage von der Rückseite aus. Das Gericht hat wegen der Rotlichtzeit die Datenzeilen dieses Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine Rotlichtzeit von 1,7 Sekunden, die als vorwerfbare Rotlichtzeit dem Tatvorwurf zugrunde gelegt wurde. Die von dem Messgerät ermittelte Rotlichtzeit konnte mit 2,29 Sekunden aus der Datenzeile abgelesen werden.

Schließlich hat das Gericht den für die Messung verantwortlichen städtischen Angestellten D als Zeugen vernommen, der den Einsatz des Messgerätes entsprechend der Bedienungsanleitung in gültig geeichtem Zustand bestätigen konnte.

Der Zeuge konnte die Tatörtlichkeit beschreiben und auch die Funktion des Messgerätes.

Ergänzend hat das Gericht noch das Messprotokoll vom Tattage urkundsbeweislich verlesen, aus dem sich ebenso der ordnungsgemäße Einsatz entsprechend der Bedienungsanleitung ergab. Für das fragliche Messgerät lag dann noch ein Eichschein vor, den das Gericht ebenso urkundsbeweislich verlesen hat und der entsprechend der Schilderung des Zeugen eine gültige Eichung zurzeit der Messung wiedergab. Die Eichung fand nämlich am 04.02.2020 statt und war gültig bis zum 31.12.2021.

Dementsprechend war die Betroffene wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes gemäß §§ 37, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen.

In der Bußgeldkatalogverordnung sind in Nr. 132.2 für diesen Verstoß angesichts der Länge der Rotlichtdauer eine Geldbuße von 200,00 € vorgesehen und ein einmonatiges Regelfahrverbot. Die Regelgeldbuße war bereits aufgrund der einen Voreintragung angemessen zu erhöhen.

Das Gericht hat sodann unter Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV von einer Fahrverbotsanordnung abgesehen, nachdem die Betroffene die ausführlichen oben getätigten Angaben zu ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen gemacht hat und diese auch nicht nur plausibel waren, sondern im Hinblick auf ihre Berufstätigkeit gestützt werden konnten durch eine urkundsbeweisliche Bescheinigung des Pflegedienstes Spengel aus B vom 23.07.2021, durch die bestätigt wird, dass für die Arbeit im Rahmen der Ausbildung als Kauffrau im Gesundheitswesen ein Führerschein erforderlich ist und vor allem auch die Berufsschule in C ansässig ist. Angesichts der beengten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Familie der Betroffenen konnte das Gericht nicht wie sonst darauf verweisen, für Fahrten sich eines Taxis oder eines Fahrers zu bedienen bzw. hierfür einen Kredit aufzunehmen und diesen in kleinen Raten zurückzuzahlen. Angesichts der familiären Situation und auch der beruflichen Situation erschien dem Gericht die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch nicht als mögliche Alternative vor dem Absehen von einem Fahrverbot.

Das Gericht hat dabei auch in Erwägung gezogen, dass eine anzuordnende Schonfrist nach § 25 Abs. II a StVG durchaus die Situation im Rahmen der Vollstreckung entspannen kann und zudem ggf. auch Urlaub genommen werden kann. Die Betroffene erklärte jedoch nachvollziehbar, dass sie im laufenden Jahr nicht ausreichend Urlaubsansprüche habe, um das Fahrverbot abzubüßen. Insoweit wird auf die obigen Darstellungen verwiesen.

Das Gericht sah dies ebenso wie die Betroffene. Schließlich erklärte die Betroffene auch nachvollziehbar, dass ihr Mann sie nicht fahren könne und wolle, da er seine Arbeitstätigkeit ungehindert nachgehen müssen im Rahmen des Garten- und Landschaftsbaus, da er der Hauptverdiener der Familie sei und sie darauf verwiesen sei, sich fortzubilden und um die Kindeserziehung zu kümmern. Die Fahrverbotsfolgen würden die Betroffene daher unverhältnismäßig treffen.

Nach alledem hielt es das Gericht in diesem Fall ausnahmsweise für angezeigt, unter Erhöhung der eigentlich festzusetzenden Geldbuße von 220,00 € auf 440,00 € von der Anordnung des Regelfahrverbotes abzusehen, zumal die Betroffene einsichtig war und auch den Einspruch aus eigenen Stücken ohne gerichtlichen Druck auf die Rechtsfolge beschränkt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG.

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