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Rotes Dauerkennzeichen – Widerruf bei Fehlverhalten der Mitarbeiter

VG Hamburg – Az.: 5 E 3552/21 – Beschluss vom 07.09.2021

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von 5.000 €.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den von der Antragsgegnerin jeweils für sofort vollziehbar erklärten Widerruf der Erlaubnisse zur Verwendung zweier ihr erteilten roten Kennzeichen.

Die Antragstellerin, ein in der Rechtsform der GmbH handelndes Unternehmen, betreibt seit 1989 einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Bereits mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 wurden ihr von der Antragsgegnerin das rote Kennzeichen aaa sowie das nicht streitgegenständliche Kennzeichen bbb zur wiederkehrenden Verwendung unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt. Mit Bescheid vom 15. März 2018 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zudem das rote Kennzeichen ccc zu wiederkehrenden Verwendung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.

Nachdem zwischenzeitlich verschiedene Belehrungen über den Umgang mit roten Kennzeichen erfolgt waren, widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. Juli 2021 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Wirkung für die Zukunft die Erlaubnis zum Führen roter Kennzeichen und forderte die Antragstellerin auf, die ihr zugeteilten Fahrzeugscheinhefte, die Kennzeichenschilder sowie das Fahrtenverzeichnis für die Kennzeichen aaa und ccc innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei der Zulassungsbehörde vorzulegen. Zur Begründung führte sie aus, die Erlaubnisse seien der Antragstellerin seinerzeit unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gemäß § 16 Abs. 3 FZV erteilt worden. Von diesem Widerrufsvorbehalt werde nunmehr Gebrauch gemacht, da Tatsachen bekannt geworden seien, welche die Antragstellerin als nicht mehr zuverlässig im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV erscheinen ließen. Am 20. Mai 2021 sei aufgrund der Kontrolle des Fahrtenverzeichnisses zu dem Kennzeichen ccc festgestellt worden, dass die letzte Fahrt mit Datum vom 28. November 2020 dokumentiert worden sei. Jedoch sei durch die Einträge in den Fahrzeugscheinheften ersichtlich, dass tatsächlich Fahrten bis einschließlich dem 11. März 2021 getätigt worden seien. Der Gesetzgeber sehe für die Pflicht zur Dokumentation von Fahrten mit roten Kennzeichen eine zeitnahe Dokumentation im Fahrtenverzeichnis vor. Zudem habe die Antragstellerin keine Angaben über den Verbleib der ihr ausgehändigten Fahrzeugscheinhefte Nummer 13-15 machen können, obwohl sie bereits am 8. Dezember 2020 eine schriftliche Belehrung zur Dokumentation von Fahrzeugscheinheften erhalten habe. Ebenfalls sei es zu einer Verlustmeldung zu einem nicht ordnungsgemäß befestigten Kennzeichenschild gekommen. Weiter sei bei der Kontrolle des aktuell vorliegenden Fahrtenverzeichnisses festgestellt worden, dass eine Fahrt zu einer Halteranfrage des Landkreises Lüchow-Dannenberg aufgrund einer Ordnungswidrigkeit vom 5. Juli 2014 nicht dokumentiert worden sei. Am 6. April 2021 habe die Antragstellerin zu dem Kennzeichen aaa erneut eine schriftliche Belehrung zu dem Thema Nutzung von Fahrzeugscheinheften nur innerhalb des Gültigkeitszeitraumes erhalten. Auch zu diesem Kennzeichen sei es zu einer Verlustmeldung aufgrund eines nicht ordnungsgemäß angebrachten Kennzeichenschildes am 22. Juli 2013 gekommen. Sämtliche Belehrungen hätten den Hinweis getragen, dass bei weiteren Verstößen mit dem Widerruf der Genehmigung zum Führen roter Dauerkennzeichnen zu rechnen sei. Auch sei bereits 2018 ein Hinweisblatt ausgehändigt worden, in dem detailliert auf die ordnungsgemäße Verwendung roter Kennzeichen sowie auf die Folgen bei missbräuchlicher Verwendung hingewiesen worden sei. In Anbetracht der vorgenannten Fälle sei der Widerruf geboten. Es habe sich gezeigt, dass die Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht mehr gegeben sei, da sie ihre Pflichten aus § 16 FZV, wie das ordnungsgemäße und sorgfältige Führen der Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenverzeichnisse, nicht nachgekommen sei. Als einzig geeignetes Mittel stehe der Widerruf zur Verfügung. Die sofortige Vollziehung sei im öffentlichen Interesse erforderlich, weil die wiederholt falsche Dokumentation in den Fahrzeugscheinheften im vorliegenden Fall ein besonderes Vollzugsinteresse darstelle. Auch und gerade in diesen Fällen bestehe die Gefahr, dass nicht verkehrssichere Fahrzeuge in den öffentlichen Straßenverkehr gelangten bzw. der jeweils verantwortliche Fahrer im Falle von Verkehrsverstößen nicht zu identifizieren sei, sodass diese ungeahndet blieben. Zudem könne es nicht im öffentlichen Interesse sein, dass ein Verantwortlicher, bei dem eine missbräuchliche Nutzung roter Kennzeichen festgestellt worden sei, diese bis zur Bestandskraft des Bescheides weiter nutzen können.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. August 2021 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juli 2021 ein und beantrage zugleich die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden worden.

Am 17. August 2021 hat die Antragstellerin das Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor, weiterhin über die erforderliche Zuverlässigkeit zu verfügen. Zwar sei der Vorwurf der Antragsgegnerin, dass eine zeitnahe Dokumentation im Fahrtenverzeichnis nicht vorgenommen worden sei, zutreffend. Hintergrund dessen sei jedoch gewesen, dass der zuständige und seit 20 Jahren im Betrieb tätige Mitarbeiter der Antragstellerin Hr. A. Ende des vergangenen Jahres schwer an COVID-19 erkrankt sei und anschließend unter Müdigkeit, Vergesslichkeit und Antriebslosigkeit gelitten habe. Im Übrigen habe er aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen in Kurzarbeit gehen müssen. All dies habe dazu geführt, dass die entsprechende Dokumentation nicht zeitnah vorgenommen worden sei. Die Fahrzeugscheinhefte 13-15 habe der Fahrer der Antragstellerin Hr. B., der seit mehreren Jahren zuverlässig im Betrieb tätig sei, aufgrund einer Nachlässigkeit verloren. Diese sei darauf zurückzuführen, dass er herzkrank sei und sich an dem Tag nicht gut gefühlt habe und mit seinen Gedanken abgeschweift sei. Derselbe Fahrer habe auch den Verlust des Kennzeichenschildes ccc zu verantworten. Im Rahmen einer Überführung am 12. März 2021 habe es eine Panne gegeben, im Zuge der Abschleppmaßnahme sei das Kennzeichenschild verloren gegangen. Das Kennzeichenschild aaa, das zwischenzeitlich als Verloren gemeldet worden sei, sei vom Putzpersonal unter ein Regal gelegt worden. Im Zuge des Aufräumens sei es dann wiederaufgetaucht. Sämtliche Umstände seien der Antragsgegnerin unverzüglich mitgeteilt worden. Insbesondere habe man versucht, für den Verlust der Kennzeichenschilder Termine zu vereinbaren. Diese seien aufgrund der Corona-Pandemie erst verspätet vergeben worden. Der gesamte Sachverhalt zeige, dass lediglich die nicht zeitnah erfolgte Dokumentation der Antragstellerin zum Vorwurf gemacht werden könne, die letztlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei. Sämtliche andere Umstände hätten nichts mit der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu tun, sondern seien auf eine Fahrzeugpanne sowie die Unachtsamkeit und Krankheit eines Mitarbeiters zurückzuführen. All diese Umstände seien menschlich. Die Halteranfrage des Landkreises Lüchow-Dannenberg sei der Antragstellerin nicht bekannt, hierzu möge die Antragsgegnerin Näheres darlegen. Die Umstände rechtfertigten die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht. Bei Abgabe der Kennzeichen vor Abschluss des Widerspruchverfahrens würden sechs Mitarbeiter umgehend arbeitslos werden. Die Antragstellerin lebe von dem Kauf und Verkauf von Fahrzeugen. Für die Überführung der Fahrzeuge sei sie auf die roten Kennzeichen dringend angewiesen.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die roten Kennzeichen zur wiederkehrenden Verwendung mit den Nummern HH-063319 und HH-063381 herauszugeben, hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 30.07.2021 auszusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen im Widerrufsbescheid Bezug. Vertiefend führt sie aus, dass die sofortige Vollziehung der Widerrufsentscheidung formell rechtmäßig angeordnet worden sei, indem die Antragsgegnerin auf die von der Antragstellerin ausgehenden Gefahren hingewiesen habe. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei auch materiell rechtmäßig. Die Antragstellerin habe sich nachträglich als unzuverlässig erwiesen. Der Vortrag der Antragstellerin, wonach die nicht zeitnah durchgeführte Eintragung einzelner Fahrten in das Fahrtenverzeichnis auf die Corona-Erkrankung des Mitarbeiters Hr. A. zurückzuführen sei, sei nicht glaubhaft. Ein Krankheitsverlauf solcher Schwere könne unproblematisch durch ärztliche Atteste und den Nachweis über Krankenhausaufenthalte o. ä. nachgewiesen und untermauert werden. Einen entsprechenden Nachweis habe die Antragstellerin nicht erbracht. Auch könne die Nachlässigkeit nicht alleine mit der etwaigen Krankheit des Mitarbeiters exkulpiert werden. Der Geschäftsführer sei dafür verantwortlich, die ordnungsgemäße Führung der Fahrzeugscheinhefte und der Fahrtenverzeichnisse zu kontrollieren und sicherzustellen. Sofern dies unterlassen werde, liege eine Verletzung der Organisationspflichten vor. Im Falle einer krankheitsbedingten Abwesenheit müsse der Geschäftsführer dafür Sorge tragen, dass eine Vertretung für den erkrankten Mitarbeiter bestellt werde und so Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenverzeichnisse weiter ordnungsgemäß geführt werden könnten. Neben dem verantwortlichen Hr. A. seien noch zwei weitere Mitarbeiter dazu befugt, die Unterschriften vorzunehmen. Dementsprechend habe eine ordnungsgemäße Vertretung bestellt werden können. Weiter führt die Antragsgegnerin aus, dass das Vorbringen der Antragstellerin im Hinblick auf den Verbleib der Fahrzeugscheinhefte Nummer 13-15 nicht glaubhaft erscheine. Die eidesstattliche Versicherung des Herrn B. beschränke sich auf das schlichte Vorbringen seiner Herzkrankheit. Aktuelle medizinische Atteste oder ein Nachweis über die erstmalig gestellte Diagnose der Krankheit seien nicht beigebracht worden. Auch ein weiterer Sachverhalt, der das Vorbringen als glaubhaft erschienen ließe, sei nicht geschildert worden. Nicht nachvollzogen werden könne auch, weswegen Herr B. durch den Geschäftsführer noch immer als zuverlässig eingestuft werde. Nach seiner eigenen Schilderung stelle sich das Herzleiden des Mitarbeiters als ein chronisch-pathologischer Zustand dar. Dies habe zur Folge, dass bei Herrn B. stets damit zu rechnen sei, dass dieser aufgrund eines akuten Anfalls nicht mehr die Gewähr dafür bieten könne, zuverlässig mit roten Kennzeichen zu verfahren. Auch die Verlustmeldung des nicht ordnungsgemäß befestigten Kennzeichenschildes zu dem Kennzeichen bbb sei von der Antragstellerin nicht befriedigend dargelegt worden. Es könne nicht nachvollzogen werden, weswegen der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Hintergründe zur Verlustmeldung erst in der Antragsschrift, nicht jedoch im Rahmen der Widerspruchsbegründung, geltend gemacht habe. Des Weiteren könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die Antragstellerin eine Verlustmeldung aufgrund eines nicht ordnungsgemäß befestigten Kennzeichen abgegeben habe. Wären Fahrzeugscheinhefte und Fahrtenverzeichnisse ordnungsgemäß geführt worden, hätte bekannt sein müssen, dass das rote Kennzeichen bbb gar nicht aus dem angegebenen Grund hätte verloren gegangen sein können, da es nicht in Benutzung gewesen sei. Es würde im Übrigen auch der allgemeinen Vorgehensweise entsprechen, zunächst den Lagerraum der roten Kennzeichen abzusuchen. Das gelte insbesondere dann, wenn das Reinigungspersonal Zutritt zu diesem habe und folglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehe, dass aufgrund eines Reinigungsvorgangs Schilder hinter Schränke fallen könnten. Das Vorbringen zeige somit auf, dass offenkundig kein Überblick darüber bestehe, welche roten Kennzeichen gerade in Verwendung genommen worden seien und welche noch verwahrt werden würden. Dies untermauerte die Annahme der Unzuverlässigkeit. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Dokumentationslücken in dem Fahrtenverzeichnis zum roten Kennzeichen bbb und den Widerspruch zum dazugehörigen Fahrzeugschein hinzuweisen. Abschließend sei aufzuzeigen, dass die Antragstellerin mehrfach durch die Antragsgegnerin belehrt worden sei.

Die Sachakte der Antragsgegnerin hat dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen.

II.

Der Berichterstatter konnte gemäß § 87a Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anstelle der Kammer entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

III.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Soweit im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt wird, die Antragsgegnerin zur Herausgabe der roten Kennzeichen zur wiederkehrenden Verwendung mit den Nummern aaa sowie ccc zu verpflichten, ist der Antrag bereits unzulässig. Der Antrag nach § 123 VwGO ist in den Fällen der §§ 80, 80a, 47 Abs. 6 VwGO nicht statthaft. Aus § 123 Abs. 5 VwGO ergibt sich der Vorrang des Verfahrens nach §§ 80, 80a VwGO, wenn es – wie hier – um vorläufigen Rechtschutz hinsichtlich der vorläufigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts geht. Das gilt auch für Anordnungen auf Beseitigung von Folgen der Vollziehung eines Verwaltungsakts (Kopp/Schenke, 25. Auflage 2019, § 123 Rn. 4).

Ob der Hilfsantrag, der ebenfalls als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung formuliert ist, obwohl das Gericht mit Verfügung vom 31. August 2021 die anwaltlich vertretene Antragstellerin darauf hingewiesen hat, dass allein ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft sein dürfte, zulässig ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn man den Hilfsantrag nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO nach dem wohlverstandenen Interesse dahingehend auslegt, dass die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres am 6. August 2021 erhobenen Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 30. Juli 2021 begehrt bleibt der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Antrag im Ergebnis ohne Erfolg, da er unbegründet ist.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell ordnungsgemäß begründet worden (hierzu unter 1.) und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt vorliegend das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin (hierzu unter 2.). Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs wird dieser voraussichtlich keinen Erfolg haben.

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides entspricht gerade noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist.

Die Begründungspflicht ist Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Pflicht zur Begründung soll der Behörde den von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (grundlegend BVerwG, Beschluss vom 18.9.2001, 1 DB 26/01, juris Rn. 6). Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben und darf nicht lediglich „formelhaft“ erfolgen. Die Anforderungen an deren erforderlichen Inhalt dürfen dabei nicht überspannt werden, sich andererseits aber auch nicht auf eine bloße Wiedergabe der den Verwaltungsakt tragenden Gründe beschränken. Damit soll der Betroffene in die Lage versetzt werden, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen. Darüber hinaus dient die Begründung auch der Kontrolle der Erwägungen der Behörde hinsichtlich der Vollziehungsanordnung durch das nach § 80 Abs. 5 VwGO angerufene Gericht. Ausgehend von diesen mit der Begründungspflicht verfolgten Zwecken ist dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung dabei nicht schon genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen an der bestehenden aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG a.a.O.; dem folgend zuletzt auch VG Hamburg, Beschluss vom 20.6.2018, 15 E 1483/18, juris Rn. 14 ff.; vgl. so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.7.2019, 3 M 123/19, juris Rn. 4 f., sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.6.2019, 5 S 548/18, juris Rn. 8 f.).

Diesen formellen Anforderungen genügt die weitgehend generalisierte Begründung der Antragsgegnerin eben noch. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um einen gehäuft auftretenden Tatbestand handelt, sodass die an die Individualisierung zu stellenden Mindestanforderungen nicht überspannt werden dürfen. Die Antragsgegnerin hat die Vollziehungsanordnung im Bescheid vom 30. Juli 2021 unter anderem damit begründet, dass die wiederholt falsche Dokumentation ein besonderes Vollzugsinteresse begründe, da gerade in diesen Fällen die Gefahr bestehe, dass der jeweils verantwortliche Fahrer im Falle von Verkehrsverstößen nicht zu identifizieren sei und diese ungeahndet blieben. Diese Begründung weist (als einzige) einen konkreten Bezug zu den der Antragstellerin gemachten Vorwürfen auf. Die Antragsgegnerin wirft ihr dahingehend vor, einzelne Fahrten zunächst nicht im jeweiligen Fahrtenverzeichnis dokumentiert zu haben, obwohl jede einzelne Fahrt mit roten Kennzeichen dort aufzuführen sei. Dabei ist es unerheblich, dass ob es bei der Antragstellerin – wie von der Antragsgegnerin mit Blick auf die Halteranfrage des Landkreises Lüchow-Dannenberg wegen einer Ordnungswidrigkeit behauptet – bisher Vorfälle gegeben hat, in denen ein verantwortlicher Fahrzeugführer im Falle von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr aufgrund unvollständiger Dokumentation nicht identifiziert werden konnte. Dieser Gefahr soll mit den in § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV normierten Aufzeichnungspflichten begegnet werden (vgl. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46 Auflage, § 16 Rn. 26) und für eine ordnungsgemäße formelle Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss nicht abgewartet werden, bis diese sich tatsächlich realisiert hat.

2. Des Weiteren ergibt die Abwägung des Interesses der Antragstellerin einerseits, vorläufig weiter die roten Kennzeichen im Straßenverkehr verwenden zu dürfen, mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits, eine weitere Nutzung der durch die zugeteilten Kennzeichen eingeräumten Sonderrechte durch einen unzuverlässigen Inhaber und die damit verbundene Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu unterbinden, dass dem öffentlichen Interesse hier der Vorrang einzuräumen ist. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand wird sich der Widerrufsbescheid voraussichtlich als rechtmäßig erweisen (hierzu unter a.). Darüber hinaus besteht ein besonderes, nicht durch Interessen der Antragstellerin aufgewogenes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung (hierzu unter b.).

a. Der Rechtsbehelf der Antragstellerin dürfte voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, da der Widerruf der Erlaubnisse zum Führen der roten Kennzeichen zur wiederkehrenden Verwendung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden sein dürfte. Die materiellen Voraussetzungen für den in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Widerruf der Erlaubnisse sind voraussichtlich erfüllt. Er beruht auf einer gesetzlichen Grundlage (unten aa.) und die Ausübung des der Antragsgegnerin eingeräumten Ermessens ist voraussichtlich nicht zu beanstanden (unten bb.).

aa. Als Ermächtigungsgrundlage für den Widerrufsbescheid vom 30. Juli 2021 dient jedenfalls § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HmbVwVfG, der die Antragsgegnerin ermächtigt, einen begünstigenden Verwaltungsakt für die Zukunft zu widerrufen, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Diese Voraussetzungen sind aller Voraussicht nach erfüllt.

Bei der Zuteilung der roten Kennzeichen mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 bzw. 15. März 2018 handelt es sich jeweils um einen rechtmäßigen, die Antragstellerin begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 HmbVwVfG, mit dem die Antragstellerin der Notwendigkeit enthoben wurde, für jede Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrt ein eigenes Kennzeichen beantragen zu müssen. Die Antragsgegnerin hat die Zuteilung der streitgegenständlichen Kennzeichen in ihren Bescheiden mit einem (bestandskräftigen) Widerrufsvorbehalt im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 3 HmbVwVfG verbunden. Gründe für eine Rechtswidrigkeit dieses Widerrufsvorbehaltes als solches sind für das Gericht nicht ersichtlich.

Ist die Zuteilung eines roten Dauerkennzeichens mit einem solchen allgemeinen, also nicht an bestimmte Umstände geknüpften Widerrufsvorbehalt verbunden, ist der Widerruf der Zuteilung (jedenfalls dann) gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für die Ausgabe des Kennzeichens nicht mehr vorliegen. Das entspricht der Zwecksetzung des Widerrufsvor-behalts (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.5.2006, 8 A 4338/04, juris Rn. 3; VG Düsseldorf, Urteil vom 14.3.2013, 6 K 30/12, juris Rn. 19 f.; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 16 FZV, Rn. 17 m.w.N.).

Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV können rote Kennzeichen durch die örtlich zuständige Zulassungsbehörde zuverlässigen Kraftfahrzeughändlern befristet oder widerruflich zur wiederkehrenden betrieblichen Verwendung, auch an unterschiedlichen Fahrzeugen, zugeteilt werden. Die Auslegung des Begriffs der Zuverlässigkeit i.S.d. § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV orientiert sich am Schutzzweck der Norm. Rote Kennzeichen werden zur Erleichterung des gewerblichen Verkehrs ausgegeben. Die Zuteilung eines roten Dauerkennzeichens soll einen Antragsteller, der als Gewerbetreibender mit einer Vielzahl nicht zugelassener Kraftfahrzeuge zu tun hat, davon entlasten, in jedem Einzelfall bei der Zulassungsstelle einen Antrag auf Erteilung eines Kennzeichens stellen zu müssen. Dies dient der Privilegierung des betroffenen Personenkreises und der Verwaltungsvereinfachung (vgl. VG Gera, Beschluss vom 20.4.2016, 3 E 201/16, juris Rn. 37 m.w.N.). Dem Inhaber der Erlaubnis wird nämlich gestattet, autonom über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs zu befinden, soweit er seinen Dokumentationspflichten hinsichtlich des Fahrzeugscheinhefts und des Fahrtenverzeichnisses genügt. Dies kann unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer haben.

Diese Privilegierung ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn zu erwarten ist, dass der Kennzeicheninhaber das damit in ihn gesetzte Vertrauen auf den gesetzmäßigen Umgang mit den roten Kennzeichen nicht enttäuschen wird. Diese Befugnisse erfordern im Interesse des Schutzes der übrigen Verkehrsteilnehmer die uneingeschränkte Zuverlässigkeit des betroffenen Inhabers eines roten (Dauer-)Kennzeichens. Es muss gewährleistet sein, dass dieser die ihm mit der Zuteilung übertragenen Verpflichtungen korrekt erfüllt. Er muss die Gewähr dafür bieten, dass er persönlich sowohl bei der Entscheidung über die Verwendung der roten Kennzeichen als auch bei der Durchführung und Überwachung der Dokumentationspflichten seiner Organisationsverantwortung genügt und dem in ihn gesetzten Vertrauen des Gesetzgebers in den verantwortungsvollen Umgang mit den roten Kennzeichen gerecht werden wird (VG Osnabrück, Gerichtsbescheid vom 17.9.2012, 6 A 72/12, juris Rn. 14). Ob der Inhaber eines roten Dauerkennzeichens zuverlässig im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV ist, er also die Gewähr dafür bietet, sich zukünftig kennzeichenrechtlich gesetzeskonform zu verhalten, ist eine am Sinn und Zweck dieser Vorschriften orientierte Prognoseentscheidung.

Die Zuverlässigkeit ist in Anbetracht dieses Schutzzwecks in Frage zu stellen, wenn der jeweilige Antragsteller entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit roten Kennzeichen verstoßen hat oder Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bzw. Strafvorschriften begangen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung roter Dauerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen (VG Gera, Beschluss vom 20.4.2016, 3 E 201/16, juris Rn. 37; VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.9.2018, 6 L 1401/18, juris Rn. 80 ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

Gemessen an diesem Maßstab ist die Antragsgegnerin nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin unzuverlässig im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV ist. Hierfür sprechen in der Gesamtschau die im Betrieb der Antragstellerin zu Tage getretenen Auffälligkeiten im Umgang mit den roten Kennzeichen.

Die Antragstellerin hat unstreitig gegen ihre Verpflichtung aus § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV verstoßen. Nach dieser Vorschrift sind über jede

Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt fortlaufende Aufzeichnungen zu führen, aus denen das verwendete Kennzeichen, das Datum der Fahrt, deren Beginn und Ende, der Fahrzeugführer mit dessen Anschrift, weitere fahrzeugbezogene Angaben und die Fahrtstrecke ersichtlich sind. Die Aufzeichnungen im Fahrtenverzeichnis sind zusätzlich zum und gesondert vom Fahrzeugscheinheft zu führen. Zweck der Aufzeichnungspflicht nach § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV ist, die tatsächliche Verwendung der roten Kennzeichen nachvollziehbar zu halten und so der Behörde eine Überprüfung zu ermöglichen (vgl. Dauer, in: Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 16 FZV Rn. 26). Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift ist grundsätzlich zu fordern, dass die notwendigen Angaben unmittelbar nach Fahrtende dokumentiert werden, weil sich ansonsten die umfassenden Daten nicht ohne weiteres verlässlich rekapitulieren lassen (vgl. Dauer, in: Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 16 FZV Rn. 26; VG Bremen, Beschluss vom 15.1.2021, 5 V 1965/20, juris Rn. 38 m.w.N.). Das gilt erst recht, wenn zwischen der dokumentierten Fahrt und dem Dokumentationsakt weitere Fahrten vorgenommen wurden.

Ihrer Dokumentationspflicht ist die Antragstellerin nach den vorgenannten Maßstäben nicht gerecht geworden. Wie sich im Rahmen der Kontrolle von Fahrzeugscheinheft und Fahrtenverzeichnis am 20. Mai 2021 herausgestellt hat, wurde die letzte Fahrt im Fahrtenverzeichnis zum Kennzeichen ccc mit Datum vom 28. November 2020 eingetragen. Ausweislich der Einträge in den Fahrzeugscheinheften sind jedoch zahlreiche Fahrten bis einschließlich 11. März 2021 erfolgt. Ihr Fehlverhalten hinsichtlich der nicht zeitnah vorgenommenen Dokumentation stellt die Antragstellerin selbst auch gar nicht in Abrede. Vielmehr rechtfertigt sie fehlenden Eintragungen mit Verweis auf die Corona-Erkrankung des in der Vergangenheit stets zuverlässigen Mitarbeiters Hr. A. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin werden dadurch jedoch nicht ausgeräumt. Dahinstehen kann, ob die unterbliebene Dokumentation tatsächlich auf der COVID-Erkrankung des Mitarbeiters beruhte oder diese – wie die Antragsgegnerin meint – lediglich vorgeschoben wurde. Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass die unterbliebene Dokumentation der Antragstellerin auf die Krankheit ihres Mitarbeiters zurückzuführen war, entlastet dies die Antragstellerin im Hinblick auf ihre pflichtwidrige Praxis nicht. Es gehört zu einer sorgfältigen Betriebsorganisation, Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen, um bei längeren Krankheitsfällen eines Mitarbeiters Gesetzesverstößen vorzubeugen. Vor dem Hintergrund, dass der Mitarbeiter Hr. A. nach eigenem Vortrag der Antragstellerin dem Betrieb mehrere Wochen lang fernblieb, wäre es dementsprechend zwingende Aufgabe der Antragstellerin gewesen, anderweitig dafür zu sorgen, dass den strengen gesetzlichen Vorschriften für den Umgang mit roten Kennzeichen ausreichend Rechnung getragen wird. Zutreffend hat die Antragsgegnerin insoweit darauf hingewiesen, dass ausweislich des Bescheids vom 15. März 2018 neben Hr. A. noch weitere Mitarbeiter (u.a. der Geschäftsführer Herr C. selbst) dazu befugt waren, die Dokumentation vorzunehmen. Weshalb diese für den krankheitsbedingt abwesenden Kollegen nicht hätten einspringen können, wurde von Seiten der Antragstellerin nicht vorgetragen. Nicht nachvollziehbar ist zudem für das Gericht, warum eine Dokumentation nicht zeitnah nach der Rückkehr des Hr. A. in den Betrieb vorgenommen worden ist. Ausweislich der Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung erkrankte Hr. A. Ende 2020. Der Arbeitsausfall erstreckte sich nach den Ausführungen des Geschäftsführers Hr. B… über einen Zeitraum von sechs Wochen. Die erforderliche Dokumentation war noch nicht einmal im Mai 2021 erfolgt. Soweit die Antragsgegnerin versucht, ihr Organisationsverschulden mit dem pauschalen Verweis auf die Corona-Pandemie sowie die damit verbundenen Einschränkungen zu begründen, erweist sich dies nicht als ausreichend. Weder Home-Office noch Kurzarbeit lassen die unterbliebene Dokumentation als unmöglich erscheinen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich im Übrigen aus der Verlustbestätigung vom 12. März 2021 ergibt, dass im Betrieb der Antragstellerin tatsächlich nicht nur im Home-Office gearbeitet wurde, sondern auch während des Lock-Downs eintragungspflichtige Überführungsfahrten durchgeführt wurden. Vor diesem Hintergrund dürfte die gesetzeswidrige Praxis der Antragstellerin vor allem auf ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein im Betrieb bezüglich des Umgangs mit roten Kennzeichen zurückzuführen sein.

Die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Verlust der Kennzeichenschilder 13-15 deuten ebenfalls auf erhebliche Missstände im organisatorischen Bereich des gewerblichen Unternehmens hin. Auch insoweit kann dahinstehen, ob ursächlich für den Verlust die von der Antragstellerin behauptete Herzerkrankung und eine darauf beruhende Unachtsamkeit des Mitarbeiters Hr. B. war. Angemerkt sei diesbezüglich, dass der Kausalitätszusammenhang zwischen Herzerkrankung und dem Verlust der Fahrzeugscheinhefte schon im Ansatz nicht näher spezifiziert wurde, sodass es hier schon an der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlen dürfte. Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Bei der behaupteten Erkrankung des Hr. B. dürfte es sich angesichts des vorgetragenen Herzleidens nicht nur um eine vorübergehende Krankheit gehandelt haben. Daher geht das Gericht davon aus, dass die Krankheit der Antragstellerin bzw. deren Geschäftsführer bekannt war. Der entsprechenden Behauptung der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin jedenfalls nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund wäre es auch insoweit Sache der Antragstellerin gewesen, Vorkehrungen zu treffen, um den sorgsamen Umgang mit roten Kennzeichen auch durch ihren gesundheitlich vorbelasteten Mitarbeiter zu gewährleisten. Angesichts der weitreichenden Befugnisse, die rote Nummernschilder ihrem Verwender geben, hätten Hr. B. beispielsweise an solchen Tagen, an denen seine Herzkrankheit sich spürbar auf seine geistige oder körperliche Fitness auswirkte, keine Fahrzeugscheinhefte übergeben werden dürfen oder er hätte zumindest stets zum sorgsamen Umgang ermahnt werden müssen. Dass sie entsprechende Vorkehrungen getroffen hätte oder zukünftig treffen wird, wurde von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Auch zukünftig scheinen daher Gesetzesverstöße möglich, sofern man der Antragstellerin weiterhin die erteilten roten Kennzeichen überließe.

Die oben genannten Auffälligkeiten sind in ihrer Gesamtschau schon ausreichend, um die Prognose der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu rechtfertigen. Der Vollständigkeit halber soll dennoch darauf hingewiesen werden, dass es bereits vor den oben genannten Ereignissen im Betrieb der Antragstellerin mehrfach Unregelmäßigkeiten im Umgang mit den roten Kennzeichen gegeben hat. So ergibt sich aus der Sachakte (vgl. Schreiben vom 6. Oktober 2020) der Antragsgegnerin etwa, dass das Fahrzeugscheinheft 48, 50 und 51 zum roten Kennzeichen ccc über den Ablauf der Gültigkeitsdauer zwölf weitere Male oder das Fahrzeugscheinheft 7 über den Ablauf der Gültigkeitsdauer zehn weitere Male genutzt wurde. Auch kann die Häufung der Verluste von Kennzeichentafeln – allein zwischen 2018 und 2021 sind drei entsprechende Vorfälle zu verzeichnen gewesen – als durchaus auffällig gewertet werden. Wiederholt wurde die Antragstellerin über ihre maßgeblichen Pflichten im Umgang mit roten Kennzeichen belehrt und darauf hingewiesen, dass bei erneuten Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen mit dem Widerruf der roten Kennzeichen zur wiederkehrenden Verwendung zu rechnen sei. Dies hätte die Antragstellerin eigentlich zu einer gesteigerten Beobachtung ihrer Sorgfaltspflichten veranlassen müssen. Dem ist sie angesichts der Häufung der Auffälligkeiten nicht gerecht geworden, wie sich aus dem voranstehenden Ausführungen ergibt.

Dem Widerruf beider roter Kennzeichen steht auch nicht entgegen, dass die Auffälligkeiten jeweils nur einzelne und teilweise unterschiedliche rote Kennzeichen betrafen. Werden mehrere Kennzeichen überlassen und bezieht sich das Fehlverhalten des Betroffenen nur auf einen Teil der roten Kennzeichen, hat gleichwohl der Widerruf der Zuteilung aller roten Kennzeichen zu erfolgen, denn die Zuverlässigkeit ist nicht teilbar (vgl. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46 Auflage, § 16 Rn. 15).

bb. Der angegriffene Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auch nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufzuheben sein.

Da die Antragstellerin voraussichtlich als unzuverlässig anzusehen ist und damit die Voraussetzungen für den Widerruf der Zuteilung der roten Dauerkennzeichen erfüllt sind, war die Ausübung des Widerrufsermessens eröffnet (vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 10.9.2018, 6 L 1401/18, juris Rn. 111; VG Gera, Beschluss vom 20.4.2016, 3 E 201/16 Ge, Rn. 54). Dieses von der Antragsgegnerin auszuübende Ermessen beschränkt sich bislang auf die abstrakte Feststellung, dass als geeignetes Mittel allein der Widerruf zur Verfügung stehe und das Interesse der Antragstellerin an der weiteren Nutzung des roten Kfz-Kennzeichens hinter dem öffentlichen Interesse am Widerruf der Erlaubnis zurückstehen müsse. Da eine Ergänzung und Konkretisierung der Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO sogar noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich ist, könnte selbst eine Ermessensunterschreitung noch geheilt werden. Sie liegt hier voraussichtlich auch gar nicht vor: Erweist sich der Inhaber eines roten Kennzeichens – wie vorliegend die Antragstellerin – als unzuverlässig, kommt mit Rücksicht auf das besondere öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs grundsätzlich nur der Widerruf der Zuteilung in Betracht (so auch VG Stade, Urteil vom 12.2.2018, 1 A 364/16, juris Rn. 25). Ein Absehen vom Widerruf in Ausübung behördlichen Ermessens würde eine außergewöhnliche Interessenlage des Betroffenen voraussetzen, die das öffentliche Interesse am Widerruf überwiegen müsste (VG Gera, Beschluss vom 20.4.2016, 3 E 201/16 Ge, juris Rn. 54 m.w.N.). Derartige Anhaltspunkte dürfte es hier aber nicht geben. Der Widerruf ist auch in Anbetracht der von der Antragstellerin geltend gemachten wirtschaftlichen Nachteile für ihre Mitarbeiter und die Existenz des Unternehmens nicht unverhältnismäßig und mit der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG vereinbar. Im Gewerberecht ist bei Unzuverlässigkeit grundsätzlich sogar eine Gewerbeuntersagung im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO angemessen, die ein gänzliches Verbot der gewerblichen Betätigung zur Folge hat. Nur in extremen Ausnahmefällen kann trotz Unzuverlässigkeit mit Erfolg der Einwand der Verletzung des Übermaßverbotes erhoben werden. Ein solcher Ausnahmefall würde jedoch angesichts des Schutzzwecks einer Gewerbeuntersagung selbst dann nicht begründet, wenn ein Gewerbetreibender hierdurch sozialhilfebedürftig zu werden droht (VG Gera, Beschluss vom 20.4.2016, 3 E 201/16 Ge, juris Rn. 56 mit Verweis auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.4.2012, 8 B 209/12, juris Rn. 9).

Eine vergleichbar schwere Belastung der Antragstellerin ist demgegenüber hier nicht zu erwarten. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass der Widerruf des roten Kennzeichens für die Antragstellerin sowie deren Mitarbeiter einen spürbaren Eingriff in deren berufliche Tätigkeit darstellt. Die weitere Gewerbeausübung wird ihr bzw. ihnen dadurch aber nicht unmöglich gemacht, sondern lediglich erschwert. Insbesondere kann die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Kurzzeitkennzeichen nach Maßgabe des § 16a FZV beantragen. Dies ist zwar gegenüber den durch ein rotes Dauerkennzeichen vermittelten Rechten und Möglichkeiten kostenträchtiger und beschwerlicher, liegt aber noch im Bereich des Zumutbaren (VG Gera, Beschluss vom 20.4. 2016, 3 E 201/16 Ge, juris Rn. 61 m.w.N.; VG Kassel, Beschluss vom 13.8.2015, 1 L 894/15.KS, juris Rn. 52). Diese Kurzzeitkennzeichen sind fünf Tage ab der Beantragung gültig und ermöglichen jedenfalls eine Überführung des erworbenen Fahrzeuges und bei entsprechender vorheriger Planung auch Probefahrten durch potentielle Käufer.

b. Schließlich besteht auch ein besonderes, nicht durch Interessen der Antragstellerin aufgewogenes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Dauererlaubnis zur Verwendung von roten Kennzeichen. Die wirtschaftlichen Interessen des der Antragstellerin werden von dem allgemeinen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs überwogen. Im Hinblick darauf, dass durch rote Kennzeichen eigenständig zur Teilnahme am Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge weder über eine Typgenehmigung oder Betriebserlaubnis verfügen müssen noch der Pflicht zur Hauptuntersuchung, Sicherheitsprüfung oder einer Prüfung der Kontrollgeräte unterliegen, sind die zulässigen Nutzungszwecke eng auszulegen (BR-Drs. 770/16, S. 112 f.). Es besteht zugleich ein hohes öffentliches Interesse daran, die Einhaltung der gesetzlich erlaubten Zwecke anhand von ordnungsgemäß geführten Dokumentationen effektiv überprüfen zu können und die tatsächliche Verwendung der Kennzeichen nachvollziehbar zu halten. Das von Seiten der Antragstellerin nicht ordnungsgemäß geführte Fahrtenverzeichnis lässt eine solche Kontrolle nicht zu und begründet eine erhebliche Missbrauchsgefahr.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Für das hier vorliegende Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war für die zwei Kennzeichen jeweils die Hälfte des Auffangstreitwerts in Ansatz zu bringen (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 6.2.2020, 5 E 5858/19, n.v.; VG Gera, Beschl. v. 20.4.2016, 3 E 201/16 GE, juris Rn. 64).

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