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Richtervorbehalt bei einer Blutentnahme – Verstoß hiergegen und Verwertungsverbot

AG Zeitz, Az.: 13 OWi 560 Js 212512/15, Beschluss vom 27.06.2016

Leitsatz: Zur Verletzung des Richtervorbehalts, wenn die Polizei nicht ernsthaft versucht, den Bereitschaftsrichter zu erreichen.

In der Bußgeldsache pp. wegen Ordnungswidrigkeit wird die Betroffene freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen.

Gründe

Richtervorbehalt
Symbolfoto: Andrey Burmakin / Bigstock

Die Entscheidung ergeht im Beschlussverfahren. Die Staatsanwaltschaft hat der Entscheidung im Beschlussverfahren nicht widersprochen (Bl.29); der Zustimmung der Betroffenen bedarf es beim Freispruch nicht.

Die Betroffene hat gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde – Zentrale Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt – vom 22.01.2016 (AZ: 3808-067551-9) fristgerecht Einspruch eingelegt.

Mit dem Bußgeldbescheid wird die Betroffene beschuldigt, am 03.08.2015 um 19:15 Uhr in pp. als Führerin des Pkws Audi mit amtl. Kennzeichen pp. das Kraftfahrzeug unter Wirkung des berauschenden Mittels (Tetrahydrocannabinol 1,9 ng/ml, Amphetamin 35 ng/ml, Methamphetamin 220 ng/ml,) geführt zu haben.

Von diesem Vorwurf war die Betroffene freizusprechen, weil ihr die Tat nicht in rechtsstaatlich noch hinzunehmender Weise nachzuweisen ist. Das einzige zum Tatnachweis zur Verfügung geeignete Beweismittel, das Untersuchungsergebnis der Blutprobenentnahme, darf nicht verwertet werden. Das ergibt sich aus Folgendem:

PMA K. hat am 05.08.2015 (Bl.2) vermerkt, am 03.08.2015 um 19:15 Uhr sei die Betroffene einer Verkehrskontrolle unterzogen worden. Sie habe die A.straße in Richtung N.straße befahren. Auf Höhe Hausnummer der N.straße sei sie angehalten worden. Mit im Fahrzeug, auf der Rückbank rechts, habe sich die Tochter der Betroffenen befunden. Die Betroffene habe während der Kontrolle einen nervösen Eindruck gemacht. Auf Nachfrage des Zeugen PHM K. habe sie angegeben, keinen Alkohol oder Drogen zu sich genommen zu haben. Nach einem Pupillenreaktionstest habe eine lichtstarre Pupillenreaktion festgestellt werden können. Die Betroffene habe einem freiwilligen Drogenschnelltest mittels RapidVipe zugestimmt. Dieser habe positiv auf Amphetamine und Methamphetamine reagiert. Die Betroffene sei zur Durchführung einer Blutprobenentnahme in das Krankenhaus nach Zeitz verbracht worden. Die Tochter sei während der Maßnahme mit vor Ort gewesen. Die Betroffene habe der Blutprobenentnahme nicht zugestimmt. Um 19:52 Uhr sei versucht worden, einen Bereitschaftsrichter zu erreichen, erfolglos. Die Entnahme sei demnach von PHM K. angeordnet worden. Die Betroffene sei zusammen mit ihrer Tochter auf Wunsch nach der Maßnahme am RK Z. wieder entlassen worden.

PHM K. ordnete die Blutentnahme am 03.08.2015 „gemäß § 81a StPO“ an (Bl.4).

Bei der nach Blutprobenentnahme um 20:30 Uhr (Bl.5R) erfolgten Untersuchung wurden folgende Substanzen nachgewiesen (Bl.13):

Cannabinoidbestätigung:     

Serum: Tetrahydrocannabinol  1,9 ng/mI

und THC-Metabolite      11-Hydroxy-THC              <1 ng/mI

THC-Carbonsäure           17 ng/mI

Bestätigung für Amphetamine:

Serum: Amphetamin     35 ng/ml

Methamphetamin          220 ng/ml.

Ausweislich des Dienstplans für den gemeinsamen richterlichen Bereitschaftsdienst der Amtsgerichte Naumburg, Weißenfels und Zeitz (Bl.32) stand am Montag, 03.08.2015 Z. bis 21:00 Uhr als Bereitschaftsrichterin zur Verfügung.

Die Zeugin Z. hat, was auch für den 03.08.2015 zutreffe (Bl.40), mitgeteilt (Bl.34), sie könne nicht einschätzen, ob PHM K. tatsächlich versucht habe, sie als Bereitschaftsrichterin zu kontaktieren. Nach Einsicht in das beim AG … geführte Bereitschaftsbuch ergebe sich indes ein solcher Kontaktversuch nicht. Bei nicht sofortiger Annahme eines Telefonates während der Bereitschaft werde von ihr in jedem Fall die im Anrufprotokoll angezeigte Nummer umgehend zurückgerufen. Insoweit könne sie nur davon ausgehen, dass ein solches Telefonat nicht erfolgt sei oder eine falsche Telefonnummer gewählt worden sei. Das „normale“ Prozedere in solchen Fällen sei ein Anruf des diensthabenden Staatsanwaltes, welcher den Antrag auf Genehmigung der Blutentnahme stelle; so sei dies bis dato jedenfalls in sämtlichen Bereitschaftsdiensten gewesen.

Eine Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung bestand objektiv nicht. Eine Bereitschaftsrichterin stand zur Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass die richterliche Anordnung ohne Aktenvorlage von vornherein verweigert worden wäre, sind weder dokumentiert noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Eine fernmündliche richterliche Anordnung war nicht nur nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sogleich, wenn auch möglicherweise erst aufgrund Antrag eines Staatsanwalts, erfolgt. Es handelte sich um einen überschaubaren und einfachen Sachverhalt, die Fahrereigenschaft der Betroffenen stand außer Frage, und es gab aufgrund des Ergebnisses des Drogenschnelltests konkrete Anhaltspunkte für eine Drogenbeeinflussung, die den Verdacht einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit begründeten.

Es ist zwar vermerkt worden, es sei versucht worden, einen Bereitschaftsrichter zu erreichen; insofern unterscheidet sich der Fall von dem durch das OLG Naumburg im Beschluss vom 5.11.2015 – 2 Ws 201/15- entschiedenen Fall.

Diese Dokumentation ist indes wertlos. Sie wurde (ebenso wie die Strafanzeige Bl.8-11) von einem anderen Polizeibeamten, dem PMA K., zwei Tage nach der Blutprobenentnahme gefertigt. Ihr lässt sich schon nicht entnehmen, wer angeblich versucht haben soll, einen Bereitschaftsrichter zu erreichen, geschweige denn, wie dies geschehen sein soll.

Danach muss davon ausgegangen werden, dass es gar keinen ernsthaften Versuch gegeben hat, einen Bereitschaftsrichter zu erreichen. Dabei wäre es nach Auffassung des Gerichts durchaus legitim gewesen, wenn der Versuch durch Polizisten direkt und ohne Einschaltung eines Staatsanwalts erfolgt wäre. Das Gericht hält aber die Schlussfolgerung der seinerzeit zuständigen Bereitschaftsrichterin für zwingend, „dass ein solches Telefonat nicht erfolgt sei oder eine falsche Telefonnummer gewählt worden sei.“

Ginge man davon aus, dass ein Telefonat gar nicht erfolgt sei, wäre die bewusste Umgehung des für die Blutentnahme vorgesehenen Richtervorbehalts offenkundig. Dafür, dass es sich so verhalten hat, spricht der noch am Ereignistag gefertigte Vermerk Bl.4 über die Anordnung der Blutprobenentnahme, in dem sich kein Wort über einen Versuch findet, einen Bereitschaftsrichter zu erreichen.

Geht man von der Alternative des Wählens einer falschen Telefonnummer aus, ist die bewusste Umgehung des für die Blutentnahme vorgesehenen Richtervorbehalts nicht ganz so offensichtlich, aber ebenso gegeben.

Wer – wie ein Polizist – weiß, dass ein anderer, den er erreichen will, – wie ein Bereitschaftsrichter bis 21 Uhr – erreichbar sein muss, überprüft normalerweise, wenn er diesen nicht erreicht, die Richtigkeit der gewählten Telefonnummer und wählt auch dann, wenn sie richtig ist, nach einigen Minuten erneut, da der gewünschte Gesprächspartner an der Annahme des Telefonats etwa durch das Aufsuchen einer Toilette kurzfristig gehindert sein kann, Nichts davon ist dokumentiert.

Unterstellt man, es sei, durch wen auch immer, tatsächlich überhaupt ein Wählvorgang erfolgt, so kann das nicht ausreichen, um Willkür zu verneinen. Denn damit wäre allein durch das Wählen einer beliebigen Telefonnummer die Durchsetzung des immer noch geltenden Richtervorbehalts beseitigt.

Das ist nicht hinzunehmen.

Das Unterbleiben eines ernsthaften Versuchs, die Bereitschaftsrichterin zu erreichen, stellt sich im konkreten Fall als nicht frei von Willkür dar und führt zum Beweisverwertungsverbot.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 467 Absatz 1 StPO, 46 Abs.1 OWiG.

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