Verwaltungsgericht München weist Klage gegen Abschleppmaßnahme ab
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat eine Klage gegen eine polizeiliche Abschleppmaßnahme abgewiesen, welche von einer Frau eingereicht wurde, deren Auto abgeschleppt worden war. Die Klägerin argumentierte, dass keine gültigen Halte- und Parkverbotsschilder vorhanden waren und dass ihr Fahrzeug nur teilweise vor einer Bordsteinabsenkung stand, was den Zugang von Gehbehinderten nicht beeinträchtigt habe. Die Polizei müsse zudem den Halter ermitteln, bevor sie ein Auto abschleppt. Die Richter urteilten jedoch, dass das Abschleppen rechtmäßig war, da das Auto entgegen des Verbots vor einer Bordsteinabsenkung geparkt hatte, was eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte. Außerdem befand sich dort eine Grenzmarkierung nach Zeichen 299 der Straßenverkehrsordnung, welche das Abschleppen zusätzlich rechtfertigte.
Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme
Die Klägerin argumentierte, dass keine gültigen Halte- und Parkverbotsschilder vorhanden waren und ihr Auto nur teilweise vor einer Bordsteinabsenkung stand, wodurch der Zugang von Gehbehinderten nicht beeinträchtigt wurde. Außerdem behauptete sie, dass die Polizei den Halter ermitteln müsse, bevor sie ein Auto abschleppt. Das Gericht entschied jedoch, dass das Abschleppen rechtmäßig war, da das Auto verbotswidrig vor der Bordsteinabsenkung geparkt hatte, was eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellte. Es befand sich dort außerdem eine Grenzmarkierung nach Zeichen 299 der Straßenverkehrsordnung, welche das Abschleppen zusätzlich rechtfertigte.
Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
Die Abschleppmaßnahme war nach Ansicht des Gerichts verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei, da sie geeignet und erforderlich war, um die Beeinträchtigung zu beseitigen. Ob es dabei zu einer gegenwärtigen konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, ist ebenso ohne Belang wie der klägerische Vortrag, die Bordsteinabsenkung sei schon deshalb obsolet, da der Übergang nicht mehr benötigt werde. Darauf, ob aus der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit eine gegenwärtige konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer folgt, kommt es grundsätzlich nicht an.
Das vorliegende Urteil
VG München – Az.: M 23 K 21.5650 – Urteil vom 13.03.2023
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die vom Beklagten im Zusammenhang mit einer polizeilichen Abschleppmaßnahme erhobenen Gebühren und Auslagen.
Nach den Feststellungen des Beklagten (Bl. 1 der Behördenakten (BA)) parkte der Pkw der Klägerin (amtl. Kennzeichen pp.) am pp. September 2021 seit spätestens 8:15 Uhr in der Z.straße/Höhe L.straße 72, M.pp., vor einer Bordsteinabsenkung, wo sich eine Fahrbahnmarkierung im Sinne einer Grenzmarkierung nach Zeichen 299 Straßenverkehrsordnung (StVO) befand (Bl. 11 d. BA). Dies wurde durch den anwesenden Polizeibeamten der PI 12 festgestellt und um 8:41 Uhr ein Abschleppdienst angefordert, der das Fahrzeug dann zur Verwahrstelle abschleppte.
Mit Leistungsbescheid des Polizeipräsidiums München vom pp. September 2021 wurden Kosten i.H.v. 341,25 Euro gegenüber der Klägerin festgesetzt, welchen Betrag die Klägerin bezahlte.
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2021, eingegangen am 28. Oktober 2021, hat die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben lassen und beantragt, den Leistungsbescheid des Beklagten vom ….09.2021 aufzuheben und die gezahlten Kosten von 341,25 Euro zurückzuzahlen
Zur Begründung trug sie vor, dass an Ort und Stelle keine nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) gültigen Halte- und Parkverbotsschildern bestünden. Das Fahrzeug der Klägerin habe auch nur teilweise in Höhe der Bordsteinabsenkung gestanden. Der Zugang von Gehbehinderten sei auch in unmittelbarer Nähe ausreichend gewährleistet. Die weißen Zackenlinien seien nicht erkennbar gewesen. Die Polizei müsse vor Abschleppen den Halter ermitteln, die Maßnahme sei unverhältnismäßig.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2021 beantragte der Beklagte Klageabweisung.
Er erwiderte zur Klage, dass die dem Leistungsbescheid zugrundeliegende Abschleppmaßnahme rechtmäßig sei. Im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens habe das klägerische Fahrzeug verkehrswidrig vor der Bordsteinabsenkung geparkt, bei der zusätzlich noch eine Fahrbahnmarkierung im Sinne von Zeichen 299 StVO bestanden habe. Damit habe der Kläger den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) verwirklicht, so dass zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr die Polizei befugt war, eine Abschleppanordnung nach Art. 25 Polizeiaufgabengesetz (PAG) zu erlassen.
Mit Beschluss der Kammer vom 30. Dezember 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Zur mündlichen Verhandlung ist die Klägerseite nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über den Rechtsstreit konnte entschieden werden, ohne dass die Klagepartei zum Termin erschienen ist, da sie ordnungsgemäß geladen worden ist und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Leistungsbescheid vom pp. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Erhebung der Kosten (Gebühren und Auslagen) in Zusammenhang mit der Abschleppmaßnahme beruht auf Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 5 Satz 1 PAG i.V.m. Art. 93 PAG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Kostengesetz (KG), § 1 PolKV. Aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. Art. 16 Abs. 5 KG folgt, dass Kosten nur für rechtmäßige Polizeimaßnahmen erhoben werden dürfen (BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris Rn. 12).
Die Anordnung der Sicherstellung des Pkws durch Verbringung des Kfz zur amtlichen Verwahrstelle ist nicht zu beanstanden. Die auf Art. 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a PAG gestützte Abschleppmaßnahme war im maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens rechtmäßig, denn die Polizei kann eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Eine gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung stellen dabei unter anderem auch bereits eingetretene und andauernde Störungen durch Verkehrsordnungswidrigkeiten dar (Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Aufl. 2020, Art. 11 Rn. 47, 62 ff). Die Polizei war zur Beseitigung des ordnungswidrigen Zustands befugt, das Abschleppen des Fahrzeugs anzuordnen, da der klägerische Pkw am 30. September 2021 verkehrsordnungswidrig i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO geparkt hatte. Denn insoweit war sogar bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten, indem der Pkw entgegen des Verbots des § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO vor der Bordsteinabsenkung parkte, an der zusätzlich eine Grenzmarkierung nach Zeichen 299 StVO bestand.
Die Abschleppmaßnahme war auch verhältnismäßig (Art. 4 PAG) und ermessensfehlerfrei (Art. 5 PAG, § 114 Satz 1 VwGO). Sie war geeignet und erforderlich, um die Beeinträchtigung zu beseitigen. Ob es dabei zu einer gegenwärtigen konkreten Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, ist ebenso ohne Belang wie der klägerische Vortrag, die Bordsteinabsenkung sei schon deshalb obsolet, da der Übergang nicht mehr benötigt werde. Darauf, ob aus der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit eine gegenwärtige konkrete Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer folgt, kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. BayVGH, B. v. 6.8.2002 – 24 ZB 01.2666 – juris Rn. 4). Denn es ist anerkannt, dass jedenfalls bei einer Beeinträchtigung der Funktion einer Verkehrsfläche das Abschleppen eines Fahrzeugs angemessen ist. Eine derartige Funktionsbeeinträchtigung kann grundsätzlich auch durch ein vor einer Bordsteinabsenkung parkendes Fahrzeug bewirkt werden (VG Potsdam, U. v. 31.5.2012 – 10 K 508/09 – juris Rn. 15). Das Vorliegen einer Funktionsbeeinträchtigung lässt sich vorliegend auch nicht mit dem Argument in Abrede stellen, der abgesenkte Bordstein habe gegenwärtig keinerlei Verkehrsfunktion mehr. Gegen eine Funktionslosigkeit spricht neben der (zusätzlichen) Grenzmarkierung nach Zeichen 299 StVO bereits, dass die Absenkung auf Höhe des Einmündungbereichs der L.straße liegt. Demnach kommt es nicht darauf an, ob insoweit noch ein Eingang bzw. eine Friedhofspforte zum pp.-friedhof besteht. Denn nach lebensnaher Betrachtung erscheint es vielmehr wahrscheinlich, dass diese Absenkung gerade als Querungsstelle insbesondere für Rollstuhlfahrer, für Fußgänger mit Gehhilfen oder mit Kinderwägen, für Fahrradfahrer, nicht nur genutzt, sondern unabdingbar ist. Diese Möglichkeit wird insbesondere schwächeren Verkehrsteilnehmern durch ein verbotswidriges Parken an dieser Stelle genommen.
Im Übrigen ist durch die Lichtbilder in der Verwaltungsakte wiederlegt, dass die Grenzmarkierung nicht mehr sichtbar sei.
Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung der Maßnahme lagen vor, da das Wegfahrgebot durch Inanspruchnahme der Klägerin mangels Anwesenheit nicht rechtzeitig erreicht werden konnte, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 7 und 8 PAG. Eine diesbezügliche Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn der Führer des Fahrzeugs – wie vorliegend nicht – ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerung festgestellt und zur Beseitigung des verbotswidrigen Parkens veranlasst werden kann (BayVGH, B. v. 8.11.2017 – 10 ZB 17.1912 – juris Rn. 6). Die Polizei war ausgehend von diesen Grundsätzen vorliegend auch nicht verpflichtet, allein auf Grund des ihr bekannten Kennzeichens des klägerischen Fahrzeuges weitere Nachforschungen anzustellen (VG München, U. v. 23.8.2010 – M 7 K 09.5531 – juris Rn. 25; VG Köln, U.v. 15.10.2007 – 20 K 3768/06 – juris Rn. 18).
Gegen die Kostenerhebung bestehen auch im Übrigen keine Bedenken. Aus der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme folgt allgemein die Möglichkeit einer kostenrechtlichen Inpflichtnahme des Verantwortlichen (BVerwG, U. v. 24.5.2018 – 3 C 25/16 – juris Rn. 20). Von der grundsätzlichen Kostenerhebung war vorliegend insbesondere auch nicht aus Billigkeitsgründen abzusehen, Art. 93 Satz 5 PAG.
Der Beklagte konnte nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 bzw. Art. 28 Abs. 3 Satz 1 PAG von den nach Art. 7 PAG Verantwortlichen Kosten (Gebühren und Auslagen) verlangen. Die Amtshandlungsgebühr i.H.v. 59 Euro bewegt sich dabei im unteren Bereich des in § 1 Nr. 1 PolKV für eine unmittelbare Ausführung einer Maßnahme genannten Rahmens.
Gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 2 bzw. Art. 28 Abs. 3 Satz 4 PAG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG können an Auslagen insbesondere die anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge erhoben werden. Dazu gehören die Kosten für die Abschleppfahrt des Abschleppunternehmens Nach ständiger Rechtsprechung entsteht der Anspruch nach den auf der Grundlage des Rahmen-Tarifvertrags des Polizeipräsidiums München mit den in M… tätig werdenden Abschleppunternehmern geschlossenen Verträgen mit Bestätigung des eingehenden polizeilichen Funkspruchs und dem unverzüglichen Ausrücken des Abschleppwagens. Es begegnet grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken, wenn solche Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden, auch im Hinblick darauf, dass die Kosten dann an Dritte weitergegeben werden (BayVGH, B. v. 15.12.2006 – 24 ZB 06.2743 – juris Rn 30; B.v. 16.5.2013 a.a.O. Rn 14).
C. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.