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Rechtsbeschwerde – Zulassung bei fehlenden Urteilsgründen

OLG Koblenz – Az.: 1 OWi 6 SsRs 47/19 – Beschluss vom 23.04.2019

In dem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hier: Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat der 1. Strafsenat – 1. Senat für Bußgeldsachen – des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Richterin am Oberlandesgericht am 23.04.2019 beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Daun vom 23. November 2018 wird auf seine Kosten (§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit Urteil vom 23. November 2018 hat das Amtsgericht Daun den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h zu einer Geldbuße von 70,- € verurteilt. Von der schriftlichen Darstellung der Urteilsgründe sah das Amtsgericht zunächst gemäß § 77b OWiG ab.

Ausweislich eines am 16. Januar 2019 vorgelegten Sendeberichts hatte der Verteidiger am 28. November 2018 gegen das Urteil die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde eingelegt (BI. 246 d.A.), die jedoch nicht zu den Akten gelangt war (vgl. Vermerk vom 16. Januar 2019, Bl. 244 d.A.). Infolgedessen begründete das Amtsgericht das Urteil zunächst nicht, sondern gab das abgekürzte Urteil mit Verfügung vorn 14. Dezember 2018 dem Betroffenen und seinem – zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigten – Verteidiger zur Kenntnis. Letzterer erhielt das Urteil am 19. Dezember 2018. Unter dem 18. Januar 2019 beantragte der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde, die er mit der Verletzung rechtlichen Gehörs sowie dem Fehlen der Urteilsgründe begründete.

Bereits am 16. Januar hatte das Amtsgericht eine Urteilsbegründung nachgeschoben, die dem Verteidiger, der am 18. Januar ergänzende Akteneinsicht erhalten hatte, am 22. Januar 2019 zugestellt wurde. Daraufhin ergänzte der Verteidiger die Rechtsbeschwerdebegründung, indem er zur Unzulässigkeit des Nachschiebens der Urteilsgründe weiter ausführte.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Zwar ist das Urteil hier nicht innerhalb der mit Urteilsverkündung beginnenden fünfwöchigen Frist des § 77b OWiG nachträglich begründet worden. Auch liegt kein Fall vor, in dem eine ausnahmsweise Fristverlängerung gemäß § 275 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs, 1, 71 Abs. 1 OWiG in Betracht käme (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 13. Mai 2004 — 1 Ss 87/04 juris. VRS 107, 374), da die irrtümliche Annahme, das Urteil sei rechtskräftig, keinen unvorhersehbaren unabwendbaren Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 1988 — 5 StR 1/88 —, juris = StV 88, 193).

2. Das unzulässige Fehlen von Urteilsgründen führt im Falle einer zulässigen Rechtsbeschwerde in der Regel schon auf die Sachrüge hin zur Aufhebung, da dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Falle eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist. Davon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle, in denen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde – wie hier – von deren Zulassung abhängt. In diesen Fällen begründet das Fehlen von Urteilsgründen für sich allein noch nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, erforderlich ist vielmehr auch in diesen Fällen die Prüfung, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Dabei können diese Voraussetzungen, jedenfalls bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten ohne erkennbare Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, häufig auch ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden, auch unter Einbeziehung des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrages und sonstiger Umstände (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 5 StR 230/95, BGHSt 42, 187-191; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. August 2009 – 5 Ss 1249/09 – beck-online m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es handelt sich um den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h außerorts, die im standardisierten Messverfahren festgestellt wurde und zu der verschiedene Beweisanträge gestellt wurden.

3. Da vorliegend eine Geldbuße von nicht mehr als 100,- €, nämlich 70,- €, verhängt worden ist, ist die Rechtsbeschwerde nur dann zuzulassen, wenn die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts geboten oder das Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG.

a) Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs dringt nicht durch. Die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen. Hiernach muss der Betroffene die zugrunde liegende Tatsachen so genau und vollständig mitteilen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründungsschrift und ohne Rückgriff auf den Akteninhalt eine Beurteilung ermöglicht wird, ob der Man-gel vorliegt, wenn die Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.). Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen des Betroffenen nicht. Dieser macht geltend, bereits zur Vorbereitung der Haupt-verhandlung zwei Beweisanträge an das Gericht gesandt zu haben. Hinsichtlich des ersten Antrags sei nicht ersichtlich, dass das Gericht ihn zur Kenntnis genommen, sich mit ihm auseinandergesetzt, ihn in ausreichender Weise gewürdigt oder gar in der Hauptverhandlung durch Be-schluss zurückgewiesen habe. Bezüglich des zweiten Antrags rügt der Betroffene, dass sich das Gericht in den Urteilsgründen nicht mit ihm auseinandergesetzt habe. Mit diesem Vorbringen sind die Anforderungen an eine Verfahrensrüge nicht erfüllt. Der Betroffene trägt bereits nicht vor, dass die Anträge in der Hauptverhandlung überhaupt gestellt wurden. Zudem ist sein Vorbringen objektiv unrichtig. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung hat sich das Amtsgericht eingehend mit den in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen beschäftigt und sie in ausführlichen Beschlüssen zurückgewiesen – was zudem zur Unbegründetheit der Rüge führt. Der Senat verkennt bei seiner Bewertung nicht, dass der vertretungsberechtigte Hauptbevollmächtigte des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht anwesend war, sondern sich aufgrund der ihm hierzu ebenfalls erteilten Vollmacht von einem Unterbevollmächtigten vertreten ließ. Infolgedessen hatte der Hauptbevollmächtigte keine eigene Kenntnis von den Vorgängen in der Hauptverhandlung. Der Senat verkennt ebenso wenig, dass der Verteidiger bis zum Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist weder das Protokoll der Hauptverhandlung noch Akteneinsicht erhalten hatte. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 46 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) hat er nach Erhalt der Akteneinsicht jedoch nicht gestellt. Anlass zur Wiedereinsetzung von Amts wegen bestand nicht, da der Verteidiger die Rechtsbeschwerdebegründung nach Akteneinsicht lediglich durch Ausführungen zum Fehlen bzw. Nachschieben der Urteilsgründe ergänzt, zur Rüge rechtlichen Gehörs jedoch nicht weiter vorgetragen hat.

b) Die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts ist nicht geboten. Für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist es nicht entscheidend, ob das Recht im Einzelfall richtig angewendet worden ist, sondern allein, ob der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des Rechtes aufzustellen oder Gesetzeslücken schöpferisch zu schließen (Göhler, OWiG, 17. Aufl. § 80 Rn. 3 m.w.N.). Entscheidungserhebliche, abstraktionsfähige und klärungsbedürftige Fragen des Rechts, die allgemein für die Rechtsanwendung von grundsätzlicher Bedeutung sind (vgl. OLG Koblenz, Beschlüsse vom 29. Oktober 2010 — 2 SsRs 52/10 — und vom 27. Mai 2007 — 2 Ss 144/07), stellen sich vorliegend nicht.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde erweist sich mithin als unbegründet, die vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde gilt als zurückgenommen (§ 80 Abs. 3 u. 4 OWiG).

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