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Rechtsbeschwerde – ordnungsgemäße Erhebung einer Verfahrensrüge

Gericht weist Rechtsbeschwerde gegen Fahrverbot zurück.

Das Amtsgericht Duisburg hat den Betroffenen im Februar 2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h zu einer Geldbuße von 320 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Nach einer Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob der Senat das Urteil im Mai 2022 teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Im November 2022 wurde der Betroffene erneut wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und legte dagegen eine Rechtsbeschwerde ein.

Das Gericht wies die Rechtsbeschwerde des Betroffenen jedoch als unbegründet zurück. Die erhobenen Verfahrensrügen seien unzulässig, da sie nicht in der gebotenen Form angebracht worden seien. Die Aufklärungsrüge sei ebenfalls unzulässig, da keine bestimmte Beweistatsache und kein konkretes Beweismittel benannt wurden und es an Darlegungen fehlte, welche Umstände das Gericht zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre. Die Sachrüge ergeben keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h schon aus der Regelung des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO folgte und auf die Wahrnehmung einer ausgeschilderten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht angekommen sei. Die Messstelle habe sich in einem innerörtlichen Stadtteil befunden, in dem der Betroffene wohnhaft sei. Daher könne das Gericht auch ohne weitere Beweiserhebung den Schluss ziehen, dass dem Betroffenen das Befahren einer innerörtlichen Straße bewusst war, als sein Fahrzeug mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 88 km/h gemessen wurde. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

OLG Düsseldorf – Az.: IV – 2 RBs 18/23 – Beschluss vom 21.02.2023

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 10. Februar 2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat über dieses Urteil mit Beschluss vom 30. Mai 2022 wie folgt entschieden:

1. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Duisburg zurückverwiesen.

Am 8. November 2022 hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erneut zu eine Geldbuße von 320 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde, die sich auf Verfahrensrügen und die Sachrüge stützt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Die von dem Betroffenen erhobenen Verfahrensrügen erweisen sich als unzulässig, weil sie nicht in der nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form angebracht worden sind.

Die Rüge wegen Verletzung der Hinweispflicht umfasst 154 Seiten, wobei sinnfrei nahezu der gesamte Akteninhalt einkopiert worden ist. Von den 16 Seiten, die keine Aktenkopien darstellen, entfallen 13 Seiten auf jeweils wenige Zeilen umfassende Trennblätter, mit denen die nachgeheftete Ablichtung bezeichnet wird.

Bei der Rüge wegen Verletzung der Aufklärungspflicht wurde derselbe Akteninhalt mit denselben Trennblättern sinnfrei erneut in die Begründungsschrift eingefügt, so dass sich deren Papierumfang ohne Erkenntnisgewinn verdoppelt hat. Lediglich die Eingangsseite mit dem Obersatz und die beiden letzten Seiten unterscheiden sich inhaltlich von der vorherigen Verfahrensrüge.

Die mangelnde Eignung der gewählten „Gestaltung“ lässt sich exemplarisch daran ablesen, dass zu den beiden nunmehr erhobenen Verfahrensrügen jeweils die vollständige Begründungsschrift (83 Seiten) aus dem ersten Rechtsbeschwerdeverfahren einkopiert worden ist. Die dortigen Verfahrensrügen, die sich insbesondere gegen die Richtigkeit der Messung und die Verwertbarkeit des Messergebnisses richteten, sind für das zweite Rechtsbeschwerdeverfahren indes nicht relevant. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 30. Mai 2022 mit eingehender Begründung die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen aufrechterhalten.

Das zweimalige Einkopieren der ihrerseits (teils doppelte) Aktenauszüge enthaltenden Begründungsschrift aus dem ersten Rechtsbeschwerdeverfahren hat im Übrigen zur Folge, dass sich in der vorliegenden Begründungsschrift nunmehr einige Akteninhalte in vierfacher oder gar sechsfacher Anzahl befinden.

Die unübersichtliche Begründungsschrift lässt einen Zusammenhang zwischen der jeweiligen Verfahrensrüge und den zweimal identisch einkopierten Akteninhalten weitgehend vermissen. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sich die wenigen relevanten Unterlagen aus dem ca. 300 Seiten umfassenden Konvolut herauszusuchen und den Sachzusammenhang selbst herzustellen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, bezogen auf die konkrete Verfahrensrüge (lediglich) den insoweit relevanten Verfahrensstoff mitzuteilen (vgl. zur Revision: BGH NStZ 2020, 625; NStZ 2023, 127). Daran fehlt es hier.

2. Ungeachtet dessen hätte die Rüge, dass nach der Zurückverweisung der Sache kein (erneuter) Hinweis auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt ist, auch bei zulässiger Erhebung keinen Erfolg gehabt.

Das Amtsgericht hatte dem Betroffenen bereits im „ersten Durchgang“ mit der Ladung zu der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2022 einen solchen Hinweis erteilt, da nach dem Bußgeldbescheid mangels Bezeichnung der Schuldform von dem Vorwurf fahrlässigen Handelns auszugehen war (vgl. OLG Bamberg DAR 2017, 383). Zudem ist der Betroffene am 10. Februar 2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worden. Bei dieser Sachlage bedurfte es nach der Zurückverweisung der Sache keiner Wiederholung des Hinweises auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1971, 363; OLG Köln NJW 1957, 473; OLG Stuttgart MDR 1967, 233; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 265 Rdn. 14). Die Verurteilung wegen einer Vorsatztat beinhaltet den unmissverständlichen und fortwirkenden Hinweis, dass der Betroffene auch im weiteren Verfahren – sei es nach Zurückverweisung der Sache, sei es in einer höheren Instanz – mit einer solchen rechtlichen Bewertung seiner Tat rechnen muss.

3. Für die zulässige Erhebung einer Aufklärungsrüge bedarf es der Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache und des zugehörigen Beweismittels. Ferner ist darzulegen, welche Umstände das Gericht zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. zu den Anforderungen: BGH NStZ 1999, 45; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 244 Rdn. 102 m.w.N.).

Auch mangels Erfüllung dieser Anforderungen erweist sich die Aufklärungsrüge als unzulässig. Der Betroffene macht geltend, das Amtsgericht habe „unterstellt“, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er sich bei der Messung innerorts befunden habe. Demgegenüber hätten die Entfernung der Messstelle von der Stadtgrenze, die Art der räumlichen Staffelung der Geschwindigkeitsbeschränkung sowie möglicherweise weitere Umstände wie Hinweisschilder der Aufklärung bedurft.

Diesem Vorbringen ist schon die Bezeichnung einer bestimmten Beweistatsache nicht zu entnehmen. Auch wird ein konkretes Beweismittel nicht benannt. Erst recht fehlen Darlegungen, welche Umstände das Gericht zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre.

4. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 u. 3 StPO).

Zur subjektiven Tatseite ist anzumerken, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h vorliegend schon aus der Regelung des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO folgte. Auf die Wahrnehmung einer ausgeschilderten Geschwindigkeitsbeschränkung kam es nicht an. Die Messstelle befand sich in dem – nicht an der Stadtgrenze liegenden – Duisburger Stadtteil H., in dem der Betroffene ausweislich des Rubrums auch wohnhaft ist. Bei dieser Sachlage konnte das Amtsgericht auch ohne weitere Beweiserhebung den Schluss ziehen, dass dem Betroffenen das Befahren einer innerörtlichen Straße bewusst war, als sein Fahrzeug mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 88 km/h (statt erlaubter 50 km/h) gemessen wurde.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Die betroffenen Rechtsbereiche in diesem Urteil sind:

  1. Verkehrsrecht: Das Urteil befasst sich mit einem Verstoß gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften. Es wird eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt.
  2. Strafrecht: Das Urteil betrifft eine Straftat, nämlich die vorsätzliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Es wird auch auf die objektive und subjektive Tatseite eingegangen.
  3. Prozessrecht: Das Urteil befasst sich mit einer Rechtsbeschwerde, die sowohl Verfahrens- als auch Sachrügen enthält. Es wird auf die Anforderungen an die Erhebung von Verfahrensrügen und Aufklärungsrügen eingegangen.
  4. OWiG und StPO: Das Urteil bezieht sich auf das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und die Strafprozessordnung (StPO), da es sich um ein Bußgeldverfahren handelt und die Anforderungen an die Erhebung von Verfahrens- und Sachrügen in diesen Gesetzen festgelegt sind.

Insgesamt zeigt das Urteil die Komplexität des Rechtsystems auf, da es sich mit verschiedenen Rechtsbereichen befasst und Anforderungen an die Erhebung von Rügen und die Beweisführung in einem Gerichtsverfahren aufzeigt.

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