Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Kammergericht Berlin: Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren gescheitert – Fehlender Nachweis der Anwaltsvollmacht und mangelnde Darlegung eines Verfahrensnachteils entscheidend
- Ausgangssituation: Bußgeldverfahren und der umstrittene Antrag auf Abwesenheit vor dem Amtsgericht Tiergarten
- Streitpunkte der Rechtsbeschwerde: Angeblicher Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG und formelle Mängel bei der Antragstellung
- Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen und Kostenauferlegung
- Begründung der Gerichtsentscheidung: Strenge Anforderungen an Verfahrensrügen und die Darlegungslast des Betroffenen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Rechtsbeschwerde“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens?
- Welche Rolle spielt die Anwaltsvollmacht bei einem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht im Gericht?
- Was bedeutet ein „Verfahrensnachteil“ und warum ist er für eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde wichtig?
- Unter welchen Voraussetzungen kann ein Gericht einen Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in einem Bußgeldverfahren entbinden?
- Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Sachrüge und einer Verfahrensrüge im Rahmen einer Rechtsbeschwerde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3 ORbs 213/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht Berlin
- Verfahrensart: Bußgeldverfahren (Rechtsbeschwerde)
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht
Beteiligte Parteien:
- Betroffene: Der Betroffene, der im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens verurteilt wurde und dagegen Rechtsbeschwerde einlegte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Im Ordnungswidrigkeitenverfahren erschien der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung. Sein Verteidiger hatte zuvor vergeblich beantragt, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein und rügte unter anderem, dass sein Antrag auf Entbindung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.
- Kern des Rechtsstreits: Zentrale Fragen waren die Anforderungen an eine zulässige Rüge, wenn ein Gericht den Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen ablehnt. Insbesondere ging es darum, wie der Verteidiger seine Vertretungsmacht nachweisen muss und welche Nachteile für den Betroffenen dargelegt werden müssen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Kammergericht Berlin hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als offensichtlich unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels wurden dem Betroffenen auferlegt.
- Begründung: Das Gericht sah die Rüge bezüglich der Entbindung vom persönlichen Erscheinen als unzulässig an, weil der Verteidiger seine Vertretungsvollmacht nicht nachgewiesen hatte. Zudem wurde nicht dargelegt, welchen konkreten Nachteil der Betroffene durch die Entscheidung des Amtsgerichts erlitten hat.
- Folgen: Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen blieb erfolglos. Er muss die Kosten für das Rechtsmittelverfahren tragen.
Der Fall vor Gericht
Kammergericht Berlin: Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren gescheitert – Fehlender Nachweis der Anwaltsvollmacht und mangelnde Darlegung eines Verfahrensnachteils entscheidend

Das Kammergericht Berlin hat kürzlich eine wichtige Entscheidung im Bereich der Bußgeldverfahren getroffen. Im Kern ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsbeschwerde – ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung in Ordnungswidrigkeitssachen – zulässig ist, insbesondere wenn der Betroffene rügt, zu Unrecht nicht von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen vor Gericht entbunden worden zu sein. Die Entscheidung beleuchtet die strengen Anforderungen an den Nachweis einer Anwaltsvollmacht und die Notwendigkeit, einen konkreten Verfahrensnachteil darzulegen.
Ausgangssituation: Bußgeldverfahren und der umstrittene Antrag auf Abwesenheit vor dem Amtsgericht Tiergarten
Einem Betroffenen wurde eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen, die vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt werden sollte. Der genaue Vorwurf und das Datum der Tat spielten für die spätere Entscheidung des Kammergerichts über die Rechtsbeschwerde keine Rolle. Relevant war jedoch, dass der Betroffene nicht zur angesetzten Hauptverhandlung am 16. August 2024 erschien. Sein Verteidiger hatte bereits am 8. August 2024, also gut eine Woche vor dem Termin, einen Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen gestellt. Ein solcher Antrag ist im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) in § 74 Abs. 2 OWiG vorgesehen und kann unter bestimmten Umständen genehmigt werden, sodass der Betroffene nicht selbst vor Gericht erscheinen muss und sein Anwalt ihn allein vertritt.
Das Amtsgericht Tiergarten entschied jedoch nicht, wie vielleicht erwartet, schriftlich im Vorfeld über diesen Antrag. Stattdessen wurde die Entscheidung erst mündlich in der Hauptverhandlung am 16. August 2024 verkündet, nachdem die Sache bereits aufgerufen worden war. Im Anschluss an diese Verhandlung erließ das Amtsgericht ein Urteil gegen den Betroffenen. Der Inhalt dieses Urteils ist für die hier besprochene Entscheidung des Kammergerichts über die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerdegründe ebenfalls nicht von Belang.
Streitpunkte der Rechtsbeschwerde: Angeblicher Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG und formelle Mängel bei der Antragstellung
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Betroffene, vertreten durch seinen Verteidiger, Rechtsbeschwerde beim Kammergericht Berlin ein. Er machte dabei sowohl eine Verletzung materiellen Rechts (eine sogenannte Sachrüge, die sich auf Fehler in der Anwendung des Rechts auf den Sachverhalt bezieht) als auch eine Verletzung formellen Rechts (eine Verfahrensrüge, die Fehler im gerichtlichen Verfahren beanstandet) geltend.
Der Schwerpunkt der Verfahrensrüge lag auf einem behaupteten Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG. Der Betroffene war der Ansicht, sein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen sei zu Unrecht nicht berücksichtigt oder abgelehnt worden. Brisant war jedoch ein Eingeständnis in der Begründung der Rechtsbeschwerde: Der Betroffene bzw. sein Verteidiger räumten ein, dass die nach § 73 Abs. 3 OWiG erforderliche Vertretungsvollmacht des Verteidigers zum Zeitpunkt der Antragstellung oder zu Beginn der Hauptverhandlung nicht im Rechtssinne „nachgewiesen“ worden sei. Dies bedeutet, dass dem Gericht offenbar kein formeller Beleg dafür vorlag, dass der Anwalt tatsächlich bevollmächtigt war, den Betroffenen in dieser Weise zu vertreten, obwohl die Vollmachtsurkunde anscheinend in den Akten des Verteidigers vorhanden war. Darüber hinaus äußerte die Verteidigung lediglich die pauschale Auffassung, der Betroffene habe davon ausgehen können, von der Anwesenheitspflicht entbunden zu werden. Konkrete Umstände, die eine solche Annahme hätten rechtfertigen oder sein Ausbleiben subjektiv entschuldigen können (beispielsweise eine falsche Auskunft des Anwalts), wurden jedoch nicht vorgetragen.
Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen und Kostenauferlegung
Das Kammergericht Berlin fällte eine klare Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. August 2024 wurde gemäß den Vorschriften der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) als offensichtlich unbegründet verworfen. Dies bedeutet, dass das Gericht die vorgebrachten Gründe für die Rechtsbeschwerde als derart haltlos ansah, dass eine weitere, tiefergehende Prüfung nicht erforderlich war.
Folgerichtig wurden dem Betroffenen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt. Diese Kostenentscheidung stützt sich auf § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO und ist die übliche Konsequenz, wenn ein Rechtsmittel erfolglos bleibt.
Begründung der Gerichtsentscheidung: Strenge Anforderungen an Verfahrensrügen und die Darlegungslast des Betroffenen
Das Kammergericht begründete seine Entscheidung ausführlich und ging dabei auf die einzelnen Rügen des Betroffenen ein.
Sachrüge führt nicht zum Erfolg
Die allgemein erhobene Sachrüge führte nach Ansicht des Gerichts lediglich zur Überprüfung der allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen. Da diese gegeben waren, konnte die Sachrüge allein keine andere, für den Betroffenen günstigere Entscheidung rechtfertigen.
Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG als unzulässig eingestuft – Fehlender Nachweis der Anwaltsvollmacht
Die Kernrüge des Betroffenen, nämlich die angebliche Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG durch die Nichtentbindung vom persönlichen Erscheinen, wurde vom Kammergericht als unzulässig bewertet. Dies geschah unter Verweis auf §§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, die hohe formale Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge stellen.
Das Gericht führte hierzu aus, dass ein Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen zwar grundsätzlich durch den Verteidiger gestellt werden könne. Dies gelte jedoch nur für einen Rechtsanwalt, der seine Vertretungsbefugnis ordnungsgemäß nachgewiesen hat, wie es § 73 Abs. 3 OWiG verlangt. Das Kammergericht stützte sich dabei auf eine gefestigte Rechtsprechung, unter anderem des Bundesgerichtshofs (BGHSt. 12, 367) und anderer Oberlandesgerichte.
Entscheidend für die Zulässigkeit der Verfahrensrüge sei es, dass in der Rechtsbeschwerdebegründung bestimmt und nachvollziehbar dargelegt wird, dass diese Vollmacht zum Zeitpunkt der Antragstellung oder zumindest zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nachgewiesen war. Eine bloße Behauptung der Vertretungsbefugnis reiche nicht aus. Genau dies hatte die Rechtsbeschwerdebegründung aber nicht getan. Im Gegenteil, sie hatte selbst eingeräumt, dass die Vollmacht nicht formell nachgewiesen worden war. Der Umstand, dass die Vollmachtsurkunde möglicherweise in den Akten des Verteidigers existierte, ändere nichts an diesem Mangel, da sie dem Gericht nicht vorgelegen hatte.
Das Kammergericht stellte unmissverständlich klar, dass es die ureigene Aufgabe des Anwalts sei, für den Nachweis seiner Bevollmächtigung Sorge zu tragen, wenn er daraus prozessuale Rechte für seinen Mandanten ableiten wolle. Die Beanstandung in der Rechtsbeschwerde, dass weder das ursprünglich zuständige Bezirksamt noch das Amtsgericht das Fehlen der schriftlichen Vollmacht gerügt hätten, verkenne diese prozessuale Verantwortungsverteilung. Das Bezirksamt habe keinen Anlass gehabt, auf die Einreichung einer Vollmacht zu drängen, zumal der Anwalt dort typischerweise als Verteidiger und nicht als förmlicher Vertreter im Sinne einer Entbindung auftrete.
Keine subjektive Entschuldigung für das Fernbleiben des Betroffenen erkennbar
Weiterhin monierte das Kammergericht, dass die Verfahrensrüge auch keinen Sachverhalt darlege, der dem Amtsgericht Anlass hätte geben müssen anzunehmen, der Betroffene sei subjektiv entschuldigt gewesen – also dass er beispielsweise aufgrund einer falschen anwaltlichen Beratung davon ausgegangen sei, er müsse nicht zur Hauptverhandlung erscheinen. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass der Verteidiger in der Rechtsbeschwerdebegründung konkret behauptet hätte, seinen Mandanten entsprechend falsch unterrichtet zu haben. Die bloße, pauschale Äußerung, der Betroffene habe „davon ausgehen“ können, von der Anwesenheitspflicht entbunden zu werden, sei hierfür unzureichend und zudem rechtlich unzutreffend. Die Entscheidung über eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen obliege allein dem Gericht und nicht dem Anwalt oder dem Betroffenen selbst.
Behandlung des Entbindungsantrags durch das Amtsgericht: Fehlende Darlegung eines konkreten Nachteils
Das Kammergericht ließ ausdrücklich offen, ob die Vorgehensweise des Amtsgerichts, den Antrag auf Entbindung erst nach Aufruf der Sache mündlich in der Hauptverhandlung zu bescheiden, möglicherweise von der richterlichen Sachleitungsbefugnis nicht mehr gedeckt war oder sogar einen Verstoß gegen das Gebot fairer Verfahrensführung oder das Recht auf rechtliches Gehör darstellen könnte.
Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so das Kammergericht, sei eine zulässige Beanstandung einer solchen Verletzung in der Rechtsbeschwerde nicht erfolgt. Hierzu hätte der Betroffene nämlich konkret darlegen müssen, wie er sich anders oder besser verteidigt hätte, wenn sein Antrag auf Entbindung unverzüglich beschieden und sein Verteidiger dabei auf die fehlende Vollmacht hingewiesen worden wäre. Nur mit einer solchen Darlegung eines konkreten Verfahrensnachteils könne das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen, ob sich ein behaupteter Verfahrensverstoß tatsächlich zum Nachteil des Betroffenen ausgewirkt habe und ob das Urteil möglicherweise auf diesem Fehler beruhe. Eine solche Darlegung fehlte jedoch vollständig.
Zusammenfassend scheiterte die Rechtsbeschwerde somit an formellen Hürden: Die Rüge bezüglich der Entbindung vom persönlichen Erscheinen war unzulässig, weil der Nachweis der Anwaltsvollmacht nicht dargelegt wurde und zudem nicht aufgezeigt wurde, welcher konkrete Nachteil dem Betroffenen durch die Verfahrensweise des Amtsgerichts entstanden sein soll. Die Sachrüge blieb ebenfalls ohne Erfolg. Die Kostenentscheidung zulasten des Betroffenen war die logische Folge seines Unterliegens mit dem Rechtsmittel.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei Rechtsbehelfen in Bußgeldsachen strikte formale Anforderungen bestehen, vor allem bezüglich der Vollmachten und der Darlegungspflicht. Wer eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen beantragt, muss die Anwaltsvollmacht ordnungsgemäß nachweisen und konkrete Nachteile darlegen können, wenn das Gericht den Antrag erst spät bescheidet. Die Entscheidung verdeutlicht die Eigenverantwortung von Anwälten für die formgerechte Vertretung und die Grenzen bei der Anfechtung von Bußgeldbescheiden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Rechtsbeschwerde“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens?
Die Rechtsbeschwerde ist eine Möglichkeit, ein Urteil anzufechten, das in einem Bußgeldverfahren vom Amtsgericht erlassen wurde. Sie richtet sich also nicht gegen den ursprünglichen Bußgeldbescheid der Behörde, sondern gegen die gerichtliche Entscheidung, die nach einem Einspruch getroffen wurde.
Was wird mit der Rechtsbeschwerde erreicht?
Mit der Rechtsbeschwerde bitten Sie ein höheres Gericht, das Urteil des Amtsgerichts zu überprüfen. In der Regel ist hierfür das Oberlandesgericht zuständig. Dieses höhere Gericht prüft den Fall aber nicht komplett neu. Es findet keine neue Beweisaufnahme statt, wie zum Beispiel die erneute Anhörung von Zeugen oder die Begutachtung von Beweismitteln. Stattdessen konzentriert sich die Prüfung auf die rechtliche Seite des Urteils und des vorangegangenen Verfahrens. Es wird also überprüft, ob das Amtsgericht bei seiner Entscheidung das Gesetz richtig angewendet und das Verfahren korrekt durchgeführt hat.
Wann ist eine Rechtsbeschwerde möglich?
Eine Rechtsbeschwerde ist nicht in jedem Bußgeldverfahren zulässig. Die Zulässigkeit hängt von bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen ab. Ein häufiges Kriterium ist die Höhe der im Urteil festgesetzten Geldbuße. Bei geringen Geldbußen ist die Rechtsbeschwerde oft ausgeschlossen. Es gibt auch andere Gründe, die eine Rechtsbeschwerde zulassen oder ausschließen können.
Welche Fehler können mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden?
Mit der Rechtsbeschwerde können Sie geltend machen, dass das Urteil oder das Verfahren, das zum Urteil geführt hat, rechtliche Fehler enthält. Man unterscheidet dabei hauptsächlich zwei Arten von Fehlern:
- Formelle Fehler: Das sind Fehler, die im Ablauf des Gerichtsverfahrens passiert sind. Beispiele hierfür können Verstöße gegen Verfahrensregeln sein, etwa wenn das Gericht einen wichtigen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt hat oder bestimmte Vorschriften zur Vernehmung von Zeugen nicht eingehalten wurden.
- Materielle Fehler: Das sind Fehler, die bei der Anwendung der Gesetze auf den konkreten Fall gemacht wurden. Zum Beispiel, wenn das Amtsgericht einen falschen Paragraphen angewendet hat oder die rechtlichen Voraussetzungen für eine bestimmte Sanktion falsch beurteilt hat.
Die Rechtsbeschwerde dient also dazu, die rechtliche Richtigkeit des Urteils und des zugrunde liegenden Verfahrens durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen, aber nicht dazu, den Fall inhaltlich neu aufzurollen oder neue Tatsachen vorzutragen.
Welche Rolle spielt die Anwaltsvollmacht bei einem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht im Gericht?
Die Anwaltsvollmacht ist im Grunde die schriftliche Erlaubnis oder Bevollmächtigung, die Sie Ihrem Anwalt geben, damit er Sie in einem Gerichtsverfahren rechtlich vertreten darf. Stellen Sie sich das wie eine Art Ausweis vor, der dem Gericht zeigt: „Dieser Anwalt spricht für mich.“
Bei einem Antrag darauf, von der Pflicht befreit zu werden, persönlich vor Gericht zu erscheinen (Entbindung von der Anwesenheitspflicht), spielt die Anwaltsvollmacht eine sehr wichtige Rolle.
Warum die Vollmacht nötig ist
Wenn Ihr Anwalt für Sie beim Gericht beantragt, dass Sie nicht selbst erscheinen müssen, handelt er in Ihrem Namen. Das Gericht muss aber sicher sein, dass der Anwalt auch tatsächlich dazu berechtigt ist, diesen Antrag für Sie zu stellen und Sie in dieser Angelegenheit zu vertreten.
Die Anwaltsvollmacht dient genau diesem Zweck: Sie ist der Beweis für das Gericht, dass Ihr Anwalt die notwendige Erlaubnis von Ihnen hat, nicht nur Sie im Allgemeinen zu vertreten, sondern auch konkrete Schritte wie das Stellen eines solchen Antrags in Ihrem Interesse zu unternehmen.
Was passiert, wenn die Vollmacht fehlt oder unklar ist?
Ohne den ordnungsgemäßen Nachweis der Bevollmächtigung – also ohne die Anwaltsvollmacht oder wenn diese unklar ist – kann das Gericht die Berechtigung des Anwalts anzweifeln, in Ihrem Namen zu handeln.
Das bedeutet, dass der Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht möglicherweise nicht wirksam ist oder vom Gericht gar nicht erst inhaltlich geprüft wird. Das Gericht könnte den Antrag ablehnen oder den Anwalt auffordern, die Vollmacht nachzureichen, bevor es über Ihren Antrag entscheidet. Der formelle Nachweis der Vertretungsbefugnis ist also eine Grundvoraussetzung dafür, dass Ihr Anwalt wirksam für Sie agieren kann, insbesondere bei solchen Anträgen, die Ihre prozessuale Pflicht zur persönlichen Anwesenheit betreffen.
Zusammenfassend
Die Anwaltsvollmacht ist somit unerlässlich. Sie bestätigt dem Gericht, dass Ihr Anwalt die Befugnis hat, den Antrag auf Entbindung von Ihrer Anwesenheitspflicht in Ihrem Namen und mit Ihrer Zustimmung zu stellen. Ohne diesen Nachweis kann der Antrag nicht wirksam bearbeitet werden.
Was bedeutet ein „Verfahrensnachteil“ und warum ist er für eine erfolgreiche Rechtsbeschwerde wichtig?
Ein „Verfahrensnachteil“ beschreibt in der Rechtssprache einen Fehler, der während eines Gerichts- oder Behördenverfahrens passiert ist und sich tatsächlich negativ auf die rechtliche Stellung oder die Rechte einer beteiligten Person ausgewirkt hat.
Stellen Sie sich einen Prozess wie ein Spiel mit festen Regeln vor. Ein Verfahrensfehler ist, wenn eine Regel gebrochen wird. Ein Verfahrensnachteil liegt aber erst dann vor, wenn dieser Regelbruch für eine Partei des Spiels wirklich negative Folgen hatte und ihre Möglichkeit, das Spiel fair zu spielen oder ihre Position zu verteidigen, beeinträchtigt hat.
Es genügt also nicht, einfach nur festzustellen, dass im Verfahren ein Fehler passiert ist. Dieser Fehler muss messbare oder spürbare Nachteile für die betroffene Person verursacht haben.
Warum ist das für eine Rechtsbeschwerde wichtig?
Eine Rechtsbeschwerde oder ein ähnliches Rechtsmittel dient dazu, eine gerichtliche Entscheidung überprüfen zu lassen. Dabei geht es oft um schwerwiegende Fehler. Verfahrensfehler, die zu einem echten Nachteil geführt haben, sind besonders relevant.
Das liegt daran, dass das Rechtssystem sicherstellen möchte, dass Entscheidungen auf einem fairen und korrekten Verfahren beruhen. Wenn ein Verfahrensfehler so gravierend war, dass er die Rechte einer Partei verletzt und ihr Ergebnis im Verfahren negativ beeinflusst hat, kann dies ein Grund sein, die Entscheidung anzufechten und möglicherweise aufheben zu lassen.
Ein rein formeller Fehler, der keinerlei Auswirkung auf die Position der Person oder den Ausgang des Verfahrens hatte, führt dagegen üblicherweise nicht zu einer erfolgreichen Rechtsbeschwerde. Die Verfahrensvorschriften sollen die Rechte der Beteiligten schützen und einen fairen Ablauf sichern, nicht nur formale Regeln aufstellen.
Beispiele für mögliche Verfahrensnachteile:
Ein Verfahrensnachteil kann sich in verschiedenen Formen zeigen:
- Nicht ordnungsgemäß gehört werden: Wenn eine Partei zu einem wichtigen Punkt nicht die Möglichkeit erhalten hat, ihre Sichtweise oder Argumente vor Gericht darzulegen.
- Wichtige Beweismittel werden ignoriert oder zu Unrecht abgelehnt: Wenn das Gericht Beweise, die für den Fall entscheidend sein könnten, nicht berücksichtigt hat, obwohl sie rechtzeitig und korrekt vorgelegt wurden.
- Zustellung von Dokumenten erfolgt fehlerhaft oder zu spät: Wenn wichtige Gerichts- oder Behördenpost so spät oder an die falsche Adresse geschickt wurde, dass eine Person nicht rechtzeitig reagieren konnte.
In all diesen Beispielen liegt ein Verfahrensfehler vor (z.B. Anhörungspflicht verletzt, Beweisrecht missachtet, Zustellungsregeln nicht eingehalten), der sich unmittelbar negativ auf die Möglichkeiten der betroffenen Person ausgewirkt hat, sich im Verfahren angemessen zu verhalten und ihre Rechte zu wahren.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Verfahrensnachteil ist ein Verfahrensfehler mit negativer Wirkung. Nur solche Fehler, die Ihre rechtliche Position im Verfahren wirklich beeinträchtigt haben, sind in der Regel relevant, um eine Gerichtsentscheidung später mit einer Rechtsbeschwerde erfolgreich anzufechten. Sie müssen also zeigen können: „Dieser Fehler ist passiert, und deshalb war ich im Verfahren schlechter gestellt.“
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Gericht einen Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in einem Bußgeldverfahren entbinden?
Im Bußgeldverfahren gilt grundsätzlich, dass der Betroffene – das ist die Person, der die Ordnungswidrigkeit vorgeworfen wird – persönlich zur Verhandlung erscheinen muss. Das ist wichtig, damit das Gericht alle Umstände klären und Ihre Sicht der Dinge hören kann.
Allerdings hat das Gericht die Möglichkeit, Sie von dieser Anwesenheitspflicht zu befreien. Das ist aber kein automatisches Recht, sondern liegt im Ermessen des Gerichts. Das bedeutet, das Gericht prüft jeden Fall einzeln und entscheidet, ob Ihre Anwesenheit wirklich notwendig ist oder nicht. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (§ 74 Abs. 2 OWiG).
Das Gericht kann Sie insbesondere dann von der Pflicht entbinden, wenn es sicher ist, dass Ihre persönliche Anwesenheit für die Aufklärung des Sachverhalts nicht notwendig ist. Das ist oft der Fall, wenn:
- Der Sachverhalt bereits eindeutig ist und durch andere Beweismittel (wie Fotos, schriftliche Unterlagen, Zeugenaussagen Dritter) vollständig geklärt werden kann.
- Sie durch eine Person vertreten werden, die gesetzlich befugt ist, Sie in diesem Verfahren zu vertreten (zum Beispiel ein Rechtsanwalt mit entsprechender Vollmacht), und diese Person alle notwendigen Informationen für Sie geben kann.
Zusätzlich kann das Gericht Ihre Abwesenheit erlauben, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Ihnen das Erscheinen unzumutbar machen. Beispiele für solche Gründe können sein:
- Eine ernsthafte Erkrankung, die das Reisen oder die Teilnahme an der Verhandlung unmöglich macht.
- Eine sehr weite Entfernung zum Gerichtsort, die den Aufwand für die Anreise unverhältnismäßig groß macht.
- Andere zwingende, nicht verschiebbare Verpflichtungen, die im Einzelfall als wichtiger angesehen werden als die Anwesenheitspflicht.
Für das Gericht ist bei der Entscheidung immer entscheidend, ob Ihre persönliche Aussage oder Anwesenheit notwendig ist, um den Fall korrekt und vollständig zu beurteilen. Wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass es auch ohne Sie eine faire und richtige Entscheidung treffen kann, kann es Sie von der Pflicht befreien.
Sie müssen in der Regel selbst einen Antrag auf Entbindung beim Gericht stellen und die Gründe dafür darlegen. Das Gericht prüft diesen Antrag und teilt Ihnen seine Entscheidung mit. Bedenken Sie, dass die Entscheidung des Gerichts, Sie zu entbinden oder nicht, von den konkreten Umständen Ihres Falles abhängt.
Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Sachrüge und einer Verfahrensrüge im Rahmen einer Rechtsbeschwerde?
Im Rahmen einer Rechtsbeschwerde können Sie Fehler des vorherigen Gerichtsverfahrens beanstanden. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwei Arten von Rügen, also Beanstandungen: die Sachrüge und die Verfahrensrüge.
Die Sachrüge bezieht sich auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung. Stellen Sie sich vor, das Gericht hat einen Sachverhalt festgestellt – also beispielsweise, was genau passiert ist. Mit der Sachrüge greifen Sie an, dass das Gericht diesen Sachverhalt rechtlich falsch bewertet hat. Es geht also darum, ob das Gericht das Gesetz korrekt auf den festgestellten Fall angewendet hat.
Beispiel für eine Sachrüge: Das Gericht hat festgestellt, dass Sie eine bestimmte Handlung vorgenommen haben. Sie sind aber der Meinung, dass diese Handlung nach dem maßgeblichen Gesetz gar nicht verboten war, obwohl das Gericht zum gegenteiligen Ergebnis kam. Sie rügen also, dass das Gericht das Gesetz falsch ausgelegt oder angewendet hat. Oder: Das Gericht hat die Strafe falsch berechnet, obwohl alle Faktoren richtig festgestellt wurden. Hier geht es um einen Fehler in der rechtlichen Schlussfolgerung, nicht um Fehler im Ablauf des Verfahrens.
Die Verfahrensrüge hingegen betrifft Fehler im Ablauf des Gerichtsverfahrens selbst. Hier geht es nicht darum, ob das Urteil inhaltlich richtig ist, sondern ob bei der Entstehung des Urteils Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Das sind Regeln, die vorschreiben, wie ein Gerichtsverfahren ordnungsgemäß abzulaufen hat, um faire Ergebnisse zu gewährleisten.
Beispiel für eine Verfahrensrüge: Das Gericht hat einen wichtigen Zeugen nicht angehört, obwohl dies beantragt und relevant gewesen wäre. Oder: Ein Beteiligter wurde nicht ordnungsgemäß über einen wichtigen Termin informiert. Solche Fehler betreffen die „Spielregeln“ des Verfahrens und können dazu führen, dass das gesamte Verfahren als fehlerhaft angesehen wird, unabhängig davon, ob das Urteil inhaltlich korrekt sein mag.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
- Eine Sachrüge beanstandet, dass das Gericht das Recht falsch angewendet hat (Fehler im Ergebnis).
- Eine Verfahrensrüge beanstandet, dass das Gericht Verfahrensregeln verletzt hat (Fehler im Weg zum Ergebnis).
Beide Arten von Rügen haben das Ziel, die Überprüfung des Urteils durch ein höheres Gericht zu ermöglichen, aber sie greifen unterschiedliche Fehlerquellen an.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anwaltsvollmacht
Die Anwaltsvollmacht ist die schriftliche Erlaubnis, die ein Mandant seinem Anwalt gibt, um ihn in einem Gerichtsverfahren rechtlich zu vertreten. Sie dient dem Gericht als Nachweis, dass der Anwalt berechtigt ist, für den Mandanten zu handeln, insbesondere auch Anträge zu stellen oder Schriftsätze einzureichen. Fehlt dieser Nachweis oder wird er nicht rechtzeitig vorgelegt, kann das Gericht die Vertretungsbefugnis des Anwalts anzweifeln und Anträge des Anwalts unter Umständen nicht akzeptieren. Die Anwaltsvollmacht ist besonders wichtig, wenn der Anwalt in Verfahren über die Anwesenheitspflicht des Betroffenen entscheidet (§ 73 Abs. 3 OWiG).
Beispiel: Wenn ein Anwalt für seinen Mandanten beantragt, dass dieser nicht persönlich vor Gericht erscheinen muss, muss das Gericht sicher sein, dass der Anwalt diese Befugnis hat – ausschließlich mit einer entsprechenden Vollmacht ist das gewährleistet.
Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist ein spezielles Rechtsmittel, mit dem ein höheres Gericht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Bußgeldverfahren überprüft. Dabei wird nicht der gesamte Fall neu verhandelt, sondern nur geprüft, ob das Gesetz und die Verfahrensregeln korrekt angewendet wurden. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen Urteile des Amtsgerichts und dient dazu, Fehler im Verfahren oder in der Rechtsanwendung festzustellen. Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsbeschwerde finden sich insbesondere in §§ 79 OWiG und § 349 StPO.
Beispiel: Wenn ein Betroffener meint, dass das Gericht zu Unrecht seinen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen abgelehnt hat, kann er gegen das Urteil mit einer Rechtsbeschwerde vorgehen.
Verfahrensrüge
Eine Verfahrensrüge ist eine Beanstandung innerhalb eines Rechtsmittels, mit der auf Fehler im Ablauf des Gerichtsverfahrens hingewiesen wird, also auf Verstöße gegen prozessuale Vorschriften. Anders als die Sachrüge behandelt die Verfahrensrüge nicht die inhaltliche Entscheidung, sondern Fehler wie unzureichende Anhörung, falsche Ladung, oder das Nichtberücksichtigen von Anträgen. Die Anforderungen an die Darlegung sind hoch: Der Beschwerdeführer muss genau darlegen, welcher Verfahrensfehler vorliegt und wie dieser ihn konkret benachteiligt hat (§§ 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO).
Beispiel: Wenn das Gericht einen Antrag des Verteidigers wegen fehlender Vollmacht nicht berücksichtigt und keine Entbindung vom persönlichen Erscheinen gewährt, kann dies als Verfahrensfehler geltend gemacht werden – vorausgesetzt, der Antragsteller legt nachvollziehbar dar, welche Nachteile ihm daraus entstanden sind.
Verfahrensnachteil
Ein Verfahrensnachteil liegt vor, wenn ein Fehler im Gerichtsverfahren tatsächlich dazu geführt hat, dass die betroffene Person in ihrer Verteidigung oder rechtlichen Stellung beeinträchtigt wurde. Es reicht nicht aus, nur einen Verfahrensfehler zu benennen; der Nachteil muss spürbar und konkret sein, das heißt der Fehler muss sich negativ auf das Verfahrensergebnis oder auf die Verteidigungschancen ausgewirkt haben. Ohne die Darlegung eines solchen Nachteils kann eine Verfahrensrüge nicht erfolgreich sein.
Beispiel: Wenn das Gericht einen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen nicht rechtzeitig entscheidet, und deswegen der Betroffene ohne Kenntnis dieser Entscheidung nicht erscheint und ein Urteil gegen ihn fällt, könnte darin ein Verfahrensnachteil liegen, wenn gezeigt wird, dass er sich sonst anders verteidigt hätte.
Entbindung vom persönlichen Erscheinen (§ 74 Abs. 2 OWiG)
Die Entbindung vom persönlichen Erscheinen erlaubt es einem Betroffenen in einem Bußgeldverfahren, nicht selbst zur Hauptverhandlung vor Gericht erscheinen zu müssen. Das Gericht kann diese Befreiung erteilen, wenn es sicher ist, dass die persönliche Anwesenheit für die Entscheidung nicht erforderlich ist – etwa weil der Sachverhalt bereits klar ist oder der Betroffene durch einen bevollmächtigten Anwalt vertreten wird. Der Antrag auf Entbindung muss meist vom Verteidiger gestellt werden und setzt voraus, dass dieser über eine gültige Vollmacht verfügt. Die Entscheidung darüber liegt im Ermessen des Gerichts.
Beispiel: Wenn ein Betroffener eine geringe Ordnungswidrigkeit begangen hat und ein Anwalt alle notwendigen Informationen für die Verhandlung übermittelt, kann das Gericht ihn entbinden, sodass er nicht persönlich erscheinen muss.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 74 Abs. 2 OWiG: Regelt die Möglichkeit, dass das Gericht den Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbinden kann, wenn der Verteidiger dazu bevollmächtigt ist. Dies soll das Verfahren flexibler gestalten, erfordert aber eine formgerechte Antragstellung und Entscheidung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene beantragte die Entbindung vom persönlichen Erscheinen durch seinen Anwalt, was das Amtsgericht erst in der Hauptverhandlung mündlich entschied – ein zentraler Streitpunkt war, ob dieser Antrag ordnungsgemäß berücksichtigt wurde.
- § 73 Abs. 3 OWiG: Vorschrift über den Nachweis der Vertretungsvollmacht des Verteidigers, der für die wirksame Antragstellung und Ausübung bestimmter prozessualer Rechte erforderlich ist. Ohne formellen Nachweis ist der Antrag unzulässig. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rechtsbeschwerde scheiterte maßgeblich daran, dass der Nachweis der Anwaltsvollmacht zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht erbracht wurde, was die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Nichterwägung des Entbindungsantrags ausschloss.
- § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO: Regeln die strengen Anforderungen an die Begründung und Zulässigkeit von Verfahrensrügen in Bußgeldverfahren, insbesondere die Notwendigkeit einer bestimmten und nachvollziehbaren Darlegung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verfahrensrüge war unzulässig, da die Rechtsbeschwerde keine konkrete und nachvollziehbare Darlegung des Nachweises der Vollmacht enthielt, sondern diesen explizit nicht erbrachte.
- § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO: Bestimmen, dass bei erfolglosen Rechtsmitteln die Kosten des Verfahrens dem unterliegenden Teil aufzuerlegen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund der offensichtlichen Unbegründetheit der Rechtsbeschwerde wurden dem Betroffenen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt.
- Grundsatz der Darlegungslast bei Verfahrensrügen (allgemein durch Rechtsprechung konkretisiert): Betroffener muss einen konkreten Verfahrensnachteil darlegen, also nachweisen, dass ein Verfahrensfehler zu einem Nachteil geführt hat, um eine Rüge zulässig und erfolgreich zu machen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rechtsbeschwerde scheiterte außerdem daran, dass keine konkrete Darstellung erfolgte, wie sich die verspätete oder fehlende Beschlussfassung über die Entbindung vom Erscheinen negativ auswirkte oder die Verteidigung beeinflusste.
- Grundsätzliches Recht auf rechtliches Gehör und richterliche Sachleitungsbefugnis: Das Gericht hat den Verfahrensablauf im Rahmen seiner Leitungsbefugnis zu gestalten, muss aber den Parteien rechtliches Gehör gewähren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl strittig war, ob die mündliche Beschlussfassung während der Hauptverhandlung Verfahrensrechte berührt, wurde dies mangels Darlegung eines Nachteils nicht zu Gunsten des Betroffenen berücksichtigt.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORbs 213/24 – 122 SsBs 44/24 – Beschluss vom 15.01.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.